OLG Karlsruhe Beschl. v. 11.03.2015 – 11 Wx 11/15 Höhe der Nachlasspflegervergütung

September 19, 2018

OLG Karlsruhe Beschl. v. 11.03.2015 – 11 Wx 11/15

Höhe der Nachlasspflegervergütung

(Notariat 1 Bruchsal – Nachlassgericht, Beschl. v. 01.09.2014 – 1 NG 102/2013)

Gründe:

Die Beteiligte zu 2 wendet sich als durch Erbschein ausgewiesene Alleinerbin gegen die Höhe der dem Beteiligten zu 1 als Nachlasspfleger bewilligten Vergütung; sie hält den zugrunde gelegten Stundensatz.

Das Nachlassgericht hat mit Beschl. v. 18.09.2013 den Beteiligten zu 1 – einen Rechtsanwalt – zum Nachlasspfleger bestellt und die berufsmäßige Führung des Amtes festgestellt. Als Wirkungskreis hat es die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben bestimmt. Nach dem vorläufigen Nachlassverzeichnis v. 23.12.2013 bestand der Nachlass im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück und einer Landwirtschaftsfläche sowie mehreren Guthaben bei einer Sparkasse. Dem mit 312.057,62 € ermittelten Aktivvermögen standen Verbindlichkeiten i.H.v. 3.028,72 € gegenüber.

Am 28.03.2014 eröffnete das Nachlassgericht die bei einer Sparkasse aufbewahrte Kopie eines eigenhändigen Testaments der Erblasserin v. 09.07.2008, in dem die Beteiligte zu 2 – eine Cousine – zur Alleinerbin eingesetzt ist. Auf dieser Grundlage hat es der Beteiligten zu 2 am 10.07.2014 auf deren Antrag einen Alleinerbschein erteilt. Die Nachlasspflegschaft wurde daraufhin aufgehoben.

Der Beteiligte zu 1 hat unter Vorlage von Aufstellungen der aufgewendeten Arbeitszeit eine Vergütung für 33,25 Stunden und 10,08 Stunden geltend gemacht und einen Bruttostundensatz v. 150,00 € angesetzt. Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten; sie hält die Abrechnung auf der Grundlage eines Stundensatzes v. 70,00 € zuzüglich Umsatzsteuer für angemessen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Vergütung des Nachlasspflegers unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 120,00 € zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Nachlasspfleger habe einen überdurchschnittlich werthaltigen Nachlass zu verwalten gehabt. Im Jahre 2009 habe das LG Karlsruhe in einem ähnlich gelagerten Fall einen Nettostundensatz v. 90,00 € gebilligt; unter Berücksichtigung des Zeitablaufs könnten nunmehr netto 120,00 € angesetzt werden.

Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, die ihr am 18.09.2014 zugestellt worden ist, richtet sich die am 16.10.2014 eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 2. Sie ist der Auffassung, bei der Bemessung des Stundensatzes sei zu berücksichtigen, dass die Erbenermittlung unkompliziert gewesen sei; die Tätigkeit des Nachlasspflegers habe sich hier in der Suche nach dem Originaltestament erschöpft. Die Struktur des zu verwaltenden Nachlasses sei einfach gewesen. Insgesamt sei daher allenfalls die Festsetzung eines mittleren Stundensatzes gerechtfertigt.

Der Beteiligte zu 1 ist der Erinnerung entgegengetreten. Er stützt sich insbesondere darauf, dass von anderen Gerichten bereits erheblich höhere Stundensätze zuerkannt worden seien.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässig; in der Sache hat sie teilweise Erfolg und führt zu einer Neuberechnung der Vergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes v. 90,00 €.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Beteiligte zu 2 zur Einlegung des Rechtsmittels befugt (§ 59 FamFG), weil der Nachlass durch die festgesetzte Vergütung unmittelbar geschmälert wird. Das Nachlassgericht ist – da es dem hierauf gestützten Antrag der Beteiligten zu 2 entsprochen hat – davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 2 testamentarische Alleinerbin geworden ist und hat ihr einen entsprechenden Erbschein erteilt. Ob das zutreffend ist und insbesondere auf einer hinreichenden Aufklärung des Sachverhalts beruht, wie sie bei Vorlage (lediglich) einer Testamentskopie erforderlich ist (vgl. etwa OLG Naumburg, BeckRS 2013, 14046; BayObLG, NJWE-FER 2001, 128) muss der Senat nicht entscheiden. Sollte die Beteiligte zu 2 nicht testamentarische Erbin geworden sein, ist sie als Cousine der Erblasserin, nachdem die Eltern vorverstorben sind und Geschwister nicht vorhanden waren jedenfalls gesetzliche Miterbin. Auf die Höhe des ihr materiell-rechtlich zustehenden Erbteils kommt es für die Beschwerdeberechtigung nicht an.

Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades der Nachlasspflegschaft erscheint einen Stundensatz v. 90,00 € angemessen.

a) Die Höhe des dem Nachlasspfleger zustehenden Stundensatzes richtet sich – da nur beim mittellosen Nachlass anwendbar ist – gem. 1915 Abs. 1 BGB nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach deren Umfang und Schwierigkeit. Feste Stundensätze für die Tätigkeit des Nachlasspflegers sind weder dem Gesetz zu entnehmen noch haben sie sich in der Rechtsprechung für bestimmte Aufgabenkonstellationen oder Berufsgruppen herausgebildet; es werden allerdings – insbesondere für anwaltliche Nachlasspfleger – je nach Schwierigkeitsgrades der Verwaltung Stundensätze zugesprochen, die deutlich über den Sätzen des § 3 VBVG liegen. Bei der Beurteilung des Schwierigkeitsgrades einer Pflegschaft werden unter anderem die Struktur des Aktiv- und Passivnachlasses, das Auftauchen schwieriger Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erbenermittlung oder Verwaltung, größere Haftungsgefahren bei großem, differenziert angelegtem Vermögen und die Frage berücksichtigt, ob der Erblasser an Unternehmen oder Erbengemeinschaften beteiligt war (OLG Jena, NJW-RR 2013, 1229 [OLG Jena 14.06.2013 – 6 W 430/12]). Auch die Dauer der Pflegschaft und der Ausmaß der damit verbundenen Verantwortung können sich auf die Vergütungshöhe auswirken (Zimmermann, Nachlasspflegschaft, 3. Aufl., Rn. 772), ferner, ob Hilfstätigkeiten von Mitarbeitern des Nachlasspflegers mitvergütet werden (Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 5. Aufl., Rn. 851 ff.). Vielfach wird in neueren obergerichtlichen Entscheidungen zwischen einfachen, mittleren und schwierigen Pflegschaften unterschieden, wobei für Nachlässe mittleren Schwierigkeitsgrades Sätze v. 43,00 € (OLG Dresden, ZEV 2007, 526), 70,00 bis 90,00 € (OLG Jena, a.a.O.), 90,00 € (OLG Schleswig, RPfleger 2014, 22, juris-Rn. 18), 100,00 bis 110,00 € (OLG Celle, RPfleger 2012, 257, juris-Rn. 10), 110,00 € (KG, FamRZ 2012, 818; OLG Hamm, FGPrax 2014, 165; LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.2014 – 3 Wx 130/13, juris-Rn. 8; wohl auch OLG Stuttgart, Rpfleger 2013, 396) angesetzt werden.

b) Unter Zugrundelegung der dem Nachlasspfleger zukommenden Aufgaben, der Struktur des Nachlasses und der Schwierigkeit der Abwicklung ist hier einen Stundensatz v. netto 90,00 € zugrunde zu legen.

aa) Die besonderen Fachkenntnisse eines Rechtsanwalts waren für die Führung der Nachlasspflegschaft nur in verhältnismäßig kleinen, wirtschaftlich nicht besonders bedeutenden Teilbereichen erforderlich, etwa bei der Prüfung der Berechtigung der Rückforderung einer privaten Rente durch eine Versicherung. Im Übrigen waren – etwa für Nachfragen bei Banken und dem Grundbuchamt, die Einholung von Grundbuchauszügen und die Entgegennahme von Schreiben – anwaltliche Fachkenntnisse nicht erforderlich.

bb) Das Haftungsrisiko des Nachlasspflegers war eher unterdurchschnittlich. Zwar war ein erhebliches Aktivvermögen v. 312.237,42 € zu verwalten, dem aber nur geringe Verbindlichkeiten gegenüberstanden. Angesichts der Struktur des Nachlasses, der im Wesentlichen in zwei – soweit ersichtlich – nicht vermieteten Immobilien und drei nicht spekulativen Anlagen bei einer einzigen Bank gebunden war, waren besonders haftungsträchtige Verwaltungsmaßnahmen nicht veranlasst.

cc) Die Verwaltung des Nachlasses hatte einen allenfalls durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad. Neben den Bankguthaben, die bei einem einzelnen Institut auf Giro- und Sparkonten geführt wurden, waren lediglich Barvermögen, geringwertiger Schmuck, zwei Immobilien und zwei kleinere Forderungen vorhanden. Größere oder besonders schwierig zu beurteilende Verbindlichkeiten waren nicht zu erfüllen.

dd) Besondere Schwierigkeiten im Bereich der Erbenermittlung bestanden nicht. Zwar gehörte diese auch zum Aufgabenkreis des Nachlasspflegers. Erste Ermittlungen zu den Verwandtschaftsverhältnissen der Erblasserin hatte aber bereits das Nachlassgericht angestellt. Weitere Nachforschungen in dieser Richtung hat der Nachlasspfleger, wie sich aus seinem Bericht v. 27.01.2014 ergibt, nicht angestellt; seine Tätigkeit in diesem Bereich konzentrierte sich in erster Linie auf die Suche nach einem möglichen Original des zugunsten der Beteiligten zu 2 errichteten Testaments.

Die vom Nachlasspfleger angeführte Rechtsprechung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Beschl. des OLG Brandenburg v. 27.09.2010 (6 Wx 2/10, ZEV 2010, 637) betraf keine Nachlasspflegschaft mit vergleichbarem Schwierigkeitsgrad. Wie sich aus der Begründung dieser Entscheidung ergibt, fielen in den dortigen Nachlass Gesellschaftsanteile einer in Abwicklung befindlichen GmbH sowie ein Betriebsgrundstück. Dass für eine solche Pflegschaft erhebliche – auch anwaltliche – Fachkenntnis benötigt werden, liegt auf der Hand. Vergleichbare Aufgaben kamen dem Beteiligten zu 1 hier indes nicht zu. Die Entscheidung des LG München I v. 18.07.2002 (Rpfleger 2003, 249 [LG München I 18.07.2002 – 16 T 7473/02]) stützt die Auffassung des Beteiligten zu 1 schon deshalb nicht, weil dort – entgegen der Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung – nicht Stundensätze von 200,00 bis 300,00 €, sondern von – brutto – 200,00 bis 300,00 DM angesprochen sind, unter Berücksichtigung des damaligen 16 %igen Umsatzsteuersatz, also von 88,00 bis 132,00 € netto; sie lässt zudem Einzelheiten zu der Schwierigkeit der dort anstehenden Verwaltung nicht erkennen.

Der Nachlasspfleger hat detailliert und von der Beschwerde nicht angegriffen einen Zeitaufwand v. 43,33 Stunden aufgezeichnet. Hiervon ausgehend ergibt sich bei einem Stundensatz v. 90,00 € eine Vergütung v. netto 3.899,70 €, brutto mithin v. 4.640,64 €.

III. 1. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren unter Berücksichtigung des Teilerfolgs des Rechtsmittels und des Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens (nachfolgend 2.) verhältnismäßig zu teilen (§§ 84, 81 FamFG). Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit von dem Grundsatz auszugehen, dass jeder seine Kosten selbst zu tragen hat. Anlass, hier aus Gründen der Billigkeit eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen besteht – schon angesichts der sehr unterschiedlichen Beurteilung der Höhe der Vergütung des Nachlasspflegers in der Rechtsprechung – nicht.

Der Geschäftswert der Beschwerdeinstanz ergibt sich aus der Differenz zwischen den vom Nachlassgericht festgesetzten 6.196,19 € und den 3.609,39 € (43,33 Stunden x 70,00 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer), deren Festsetzung die Beteiligte zu 2 für angemessen erachtet hat.

Grundsätzliche oder einer Rechtsfortbildung zugängliche Fragen, die eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gebieten könnten (§ 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG), berührt das Rechtsmittel nicht. Zwar werden in der Rechtsprechung für die Vergütung von Nachlasspflegern bei vermögenden Nachlässen unterschiedliche Stundensätze zugrunde gelegt. Dem liegen jedoch keine grundsätzlich unterschiedliche rechtliche Beurteilungen, sondern eine abweichende Einschätzung der jeweils nutzbaren Fachkenntnisse oder des Umfangs oder der Schwierigkeit der Sache zugrunde.

 

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