Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs

Oktober 24, 2018

Der BGH hat sich bei der Prüfung des Anspruchs eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs mit mehreren, bis dahin höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Fragen im Zusammenhang mit dem Sachmängelgewährleistungsanspruch des Käufers auf (Ersatz-)Lieferung einer mangelfreien Sache gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB beschäftigt.

Der Kläger kaufte von der Beklagten zum Preis von 38.265 Euro einen von dieser hergestellten Neuwagen BMW X3 xDrive20, der im September 2012 geliefert wurde. Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem Schaltgetriebe sowie einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendet. Ab Januar 2013 erschien im Textdisplay des Autoradios mehrfach eine Warnmeldung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug vorsichtig anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen. Nachdem diese Warnmeldung auch nach mehreren Werkstattaufenthalten des Fahrzeugs in einer Niederlassung der Beklagten wiederholt aufgetreten war, verlangte der Kläger schließlich im Juli 2013 von der Beklagten Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeuges.
Die Beklagte hat einen Mangel in Abrede gestellt. Sie habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass die Kupplung technisch einwandfrei sei und auch im Fahrbetrieb abkühlen könne; es sei deshalb nicht notwendig, das Fahrzeug anzuhalten, wenn die Warnmeldung der Kupplungsüberhitzungsanzeige erscheine. Während des anschließend geführten Rechtsstreits gab der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2014 im Rahmen eines Kundendienstes in eine Werkstatt der Beklagten. Die Beklagte behauptet, dabei sei ein zwischenzeitlich zur Verfügung stehendes Software-Update mit einer korrigierten Warnmeldung aufgespielt worden.
Das Oberlandesgericht hatte der auf Ersatzlieferung eines entsprechenden Neufahrzeuges (Zug um Zug gegen Rückübereignung des gelieferten Fahrzeugs) gerichteten Klage stattgegeben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen habe, habe das dem Kläger veräußerte Neufahrzeug bei Übergabe im September 2012 einen Sachmangel aufgewiesen. Denn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige habe eine Warnmeldung eingeblendet, die den Fahrer zum Anhalten aufforderte, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl ein Anhalten tatsächlich nicht erforderlich gewesen sei. Damit habe sich das Fahrzeug weder für die gewöhnliche Verwendung geeignet noch habe es eine Beschaffenheit aufgewiesen, die bei Sachen der gleichen Art üblich sei und die ein Käufer nach Art der Sache erwarten könne (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). An dieser Beurteilung als Sachmangel ändere es nichts, wenn – wie hier behauptet – der Verkäufer dem Käufer mitgeteilt habe, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer (wie die Beklagte) zugleich der Hersteller des Fahrzeugs sei.

Weiterhin stehe dem vom Käufer wegen eines Sachmangels geltend gemachten Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 Nr. 1 BGB) durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht entgegen, dass er – wie vorliegend der Kläger – ggf. zunächst die andere Art der Nacherfüllung, nämlich die Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB) verlangt habe. Denn die Ausübung des Nacherfüllungsanspruchs sei gesetzlich (anders als die Ausübung des Rücktritts- oder Minderungsrechts) nicht als bindende Gestaltungserklärung ausgeformt, so dass der Käufer nicht daran gehindert sei, von der zunächst gewählten Art der Nacherfüllung wieder Abstand zu nehmen.

Außerdem dürfe ein Käufer auch dann an seiner Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung festhalten, wenn der Mangel nachträglich ohne sein Einverständnis beseitigt werde. Insoweit komme es somit nicht darauf an, ob die Beklagte – wie sie behaupte – den irreführenden Warnhinweis während des Rechtsstreits durch Aufspielen einer korrigierten Version der Software beseitigt habe. Denn der Kläger hatte einer solchen Nachbesserung im Rahmen der routinemäßigen Inspektion im Oktober 2014 weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt.

Nach § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. (nunmehr § 439 Abs. 4 Satz 1 BGB) könne der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung allerdings verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei. Die Beklagte habe diese Einrede erhoben und meint, die vom Kläger gewählte Art der Nacherfüllung (Lieferung eines Ersatzfahrzeugs) würde im Vergleich zur anderen Art (Aufspielen eines Software-Update) unverhältnismäßige Kosten verursachen. Die damit eingewandte sog. relative Unverhältnismäßigkeit habe das Gericht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. genannten Kriterien zu beurteilen.

Das Berufungsgericht habe das Vorliegen der geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall verneint. Dabei habe es zunächst zutreffend berücksichtigt, dass vorliegend die Kosten der Ersatzlieferung zwar deutlich höher seien als die Kosten der Nachbesserung durch ein Software-Update, dem Mangel aber erhebliche Bedeutung (§ 439 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB a.F.) zukomme, weil er die Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeuges spürbar einschränke. Insoweit sei wiederum ohne Einfluss, ob die Beklagte (wie sie behaupte), die Einblendung der irreführenden Warnmeldung im Oktober 2014 durch das Aufspielen einer korrigierten Software beseitigt habe. Denn für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der gewählten Art der Nacherfüllung sei grundsätzlich der Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens maßgebend (hier: Juli 2013).

Nicht tragfähig sei allerdings – jedenfalls auf Grundlage der bisher festgestellten Tatsachen – die weitere Annahme des Berufungsgerichts, auf die andere Art der Nacherfüllung könne nicht ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden (§ 439 Abs. 3 Satz 2 Alt. 3 BGB a.F.). Insoweit habe der BGH zwar den Ausgangspunkt des Berufungsgerichts gebilligt, dass der auf Ersatzlieferung in Anspruch genommene Verkäufer den Käufer nicht unter Ausübung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf Nachbesserung verweisen dürfe, wenn er den Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigen könne. Ob dies vorliegend allerdings der Fall sei, lasse sich (noch) nicht beurteilen. Insoweit hätte das Berufungsgericht – im Wege eines (ergänzenden) Sachverständigengutachtens – der Behauptung der Beklagten nachgehen müssen, ob die Warnfunktion bei Überhitzen der Kupplung durch das genannte Software-Update tatsächlich mit einem korrigierten Warnhinweis verknüpft werde und nicht – wie es das Berufungsgericht für möglich gehalten hat – schlicht abgestellt worden sei. Wegen dieses Verfahrensfehlers sei das Berufungsurteil aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverwiesen.

Vorinstanzen
LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 30.12.2015 – 9 O 8893/13
OLG Nürnberg, Urt. v. 20.02.2017 – 14 U 199/16

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