Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 63/15

Oktober 28, 2018

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 63/15

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 06.02.2015 wird der am 02.02.2015 erlassene Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Köln vom 29.01.2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.02.2015, erlassen am 06.03.2015, 33 VI 315/14, aufgehoben.

Die Tatsachen, die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1) mit Antrag vom 21.11.2014 beantragten Erbscheins erforderlichen sind, werden für festgestellt erachtet.

 

Gründe:

I.

Der zwischen dem 09.06.2014 und dem 16.06.2014 verstorbene österreichische Staatsangehörige L (im Folgenden: Erblasser) war ledig. Er hinterließ einen nichtehelichen Sohn, den Beteiligten 1). Der Erblasser hatte am 12.07.2011 vor einem österreichischen Notar (Dr. U in S/Kärnten) ein vom Nachlassgericht in Köln am 12.08.2014 eröffnetes Dreizeugentestament errichtet, in welchem er die Beteiligte zu 3) als Alleinerbin und die Beteiligte zu 2) als Ersatzerbin eingesetzt hatte.

Die Beteiligte zu 3) hat die Erbschaft mit einer am 14.08.2014 beim Nachlassgericht eingegangenen notariell beglaubigten Erklärung vom 06.08.2014 – UR.-Nr. 1xxx/2014 der Substitutin Dr. L2 des öffentlichen Notars Dr. H in Q/Österreich – die Erbschaft ausgeschlagen. Die Beteiligte zu 2) hat mit Schreiben vom 16.09.2014, das am oder vor dem 07.10.2014 zur Akte des Nachlassgerichts gelangt ist, erklärt, „auf die Nachlassenschaft zu verzichten“.

Am 21.11.2014 hat der Beteiligte zu 1) – UR.-Nr. 3xxx/2014 des Notars I in M – die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheins beantragt, wonach er den Erblasser hinsichtlich des in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen beweglichen und unbeweglichen Nachlasses kraft gesetzlichen österreichischen Erbrechts allein beerbt habe (Bl. 19 ff. d. A.).

Das Nachlassgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1) vom 21.11.2014 durch am 02.02.2015 erlassenen Beschluss vom 29.01.2015 zurückgewiesen (Bl. 50 ff. d. A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die Frage, wer zum Erben berufen sei, zwar österreichisches Recht zur Anwendung komme, für die Frage des Übergangs des unbeweglichen in Deutschland belegenen Vermögens auf die Erben dagegen gem. Art. 31, 32 IPRG, 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB deutsches Recht. Damit komme es hinsichtlich des in Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlasses eines Österreichers zum Vonselbsterwerb. Um den Erbschaftsanfall zu beseitigen, müsse der Anfall nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Recht wirksam nach § 1942 BGB ausgeschlagen werden. Nach deutschem Recht sei die schriftliche Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 2) vom 16.09.2014 gem. § 125 BGB formunwirksam, weil sie nicht den Anforderungen des § 1945 BGB entspreche. Zwar komme alternativ auch die Ortsform in Betracht (Art. 11 Abs. 1 EGBGB). Da die Erklärung aber in Deutschland abgegeben worden sei, komme auch insoweit österreichisches Recht nicht zur Anwendung, sondern ebenfalls deutsches Recht. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 29.01.2015 Bezug genommen.

Gegen diesen dem Beteiligten zu 1) am 04.02.2015 zugestellten Beschluss richtet sich seine Beschwerde vom 06.02.2015. Zur Begründung trägt er vor, dass es bezüglich des anwendbaren Erbrechts nicht zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht komme. Die Art. 31, 32 IPRG würden nur das Sachenrecht betreffen, nicht aber das materielle Erbrecht. Es gebe keine materielle Nachlassspaltung bei dem Nachlass eines österreichischen Erblassers mit deutschem Immobilienbesitz. Dies entspreche allgemeiner Meinung. Wäre die Rechtsauffassung des Nachlassgerichts zutreffend, würde es jedoch zu einer Nachlassspaltung kommen, weil sich das Ausschlagungsrecht bezüglich des in Deutschland befindlichen Immobilienbesitzes nach deutschem Erbrecht, das Ausschlagungsrecht bezüglich des sonstigen Besitzes dagegen nach österreichischem Recht richten würde. Dass das Ausschlagungsrecht dem jeweiligen Erbstatut zuzuordnen sei und nicht dem Sachenrechtsstatut, sei ganz herrschende Meinung. Im Übrigen sei auch die Ortsform gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB gewahrt, weil die Beteiligte zu 2) ihre Ausschlagungserklärung auch während des Verlassenschaftsverfahrens in Österreich abgegeben habe. Bezüglich der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 18.02.2015 Bezug genommen (Bl. 68 ff. d. A.).

Durch am 06.03.2015 erlassenen Beschluss vom 26.02.2015 hat das Nachlassgericht der Beschwerde des Beteiligten zu 1) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 74 f. d. A.).

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Das Nachlassgericht hat es zwar versäumt, den Eingang des Beschwerdeschreibens in der Akte zu vermerken. Da aber die der Beschwerdeeinlegung nachfolgende am 26.02.2015 beim Nachlassgericht eingegangene Beschwerdebegründung vom 18.02.2015 noch innerhalb der Frist zur Einlegung der Beschwerde von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 04.02.2015 eingereicht worden ist, ist die Frist jedenfalls gewahrt.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beschwerdeführer ist als einziges Kind des ledigen Erblassers kraft gesetzlicher Erbfolge Alleinerbe. Die Beteiligten zu 2) und 3), die der Erblasser testamentarisch zu seinen Erben bestimmt hatte, haben die Erbschaft beide wirksam ausgeschlagen.

Es kommt österreichisches Erbrecht zur Anwendung. Da die EuErbVO gem. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO noch nicht eingreift, vorrangige Staatsverträge im Verhältnis zu Österreich im Bereich des Erbrechts nicht vorhanden sind und eine Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB nicht getroffen wurde, richtet sich die Erbfolge gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Diese Gesamtverweisung nimmt das gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB berufene österreichische Kollisionsrecht gem. § 28 Abs. 1 öster. IPRG an, da es ebenfalls auf die letzte Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellt. Es kommt daher – für den gesamten Nachlass – österreichisches Nachlassrecht zur Anwendung.

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts richtet sich daher auch die Frage, ob die Beteiligten zu 2) und 3) wirksam ausgeschlagen haben, grundsätzlich allein nach österreichischem Recht. Denn es entspricht allgemeiner Meinung, dass die Ausschlagung und Annahme einer Erbschaft erbrechtlich zu qualifizieren sind und daher dem Erbstatut unterliegen (statt vieler: BayObLGZ 1994, 40; Erman/Hohloch, EGBGB, 14. Aufl. 2014, Art. 25 Rn. 25; Staudinger/Dörner EGBGB, 2007, Art. 25 Rn. 112; Palandt/Thorn, EGBGB, 74. Aufl. 2015, Art. 25 Rn. 10).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht gem. §§ 31 Abs. 1, 32 öster. IPRG. Nach § 31 Abs. 1 öster. IPRG sind der Erwerb und der Verlust dinglicher Rechte an körperlichen Sachen einschließlich des Besitzes nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrundeliegenden Sachverhalts befinden. Nach § 32 öster. IPRG ist § 31 für dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache auch dann maßgebend, wenn diese Rechte in den Anwendungsbereich einer anderen inländischen Verweisungsnorm fallen. Nach dieser Bestimmung ist das Erbstatut „eine andere inländische Verweisungsnorm“, welche durch die lex rei sitae ausgeschlossen wird. Jedenfalls ist anerkannt, dass §§ 31 Abs. 1, 32 öster. IPRG so zu verstehen sind, dass sich der Eigentumserwerb an Grundstücken im Erbgang nach der lex rei sitae richtet (sog. „modus“), während es für die Berufung zum Erben beim Erbstatut gem. Art. 28 Abs. 1 öster. IPRG (sog. „titulus“) bleibt (OGH, Beschl. vom 08.10.1991 – 4 Ob 522/91, IPRax 1992, 328, 329; OLG Köln FamRZ 1997, 1176; Staudinger/Hausmann, EGBGB, 2013, Anh. zu Art. 4 Rn. 296, 311 „Österreich“).

Das bedeutet – wie das Nachlassgericht zunächst zu Recht feststellt -, dass es bei Anwendung österreichischen Erbrechts bezüglich des Eigentumserwerbs eines Grundstücks in Deutschland zu einer partiellen Rückverweisung auf das deutsche Recht kommt, die das deutsche Recht gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB auch annimmt (vgl.: OLG Köln FamRZ 1997, 1176; Staudinger/Hausmann, EGBGB, 2013, Anh. zu Art. 4 Rn. 296, 311 „Österreich“). Dem Nachlassgericht ist indes entgegenzuhalten, dass diese partielle Rückverweisung nur die Frage betrifft, ob sich der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach § 1922 Abs. 1 BGB richtet (Vonselbsterwerb) oder ob es zusätzlich eines Einantwortungsbeschlusses nach österreichischem Verlassenschaftsrecht bedarf (OLG Köln FamRZ 1997, 1176; BayObLG ZEV 1999, 485; Staudinger/Hausmann, EGBGB, 2013, Anh. zu Art. 4 Rn. 296, 311 „Österreich“), sowie z. B. die Frage, ob ein Vermächtnis dinglich oder nur schuldrechtlich wirkt (hierzu: BGH NJW 1995, 58 ff.). Dem liegt die Abgrenzung zwischen dem Erbstatut gem. Art. 25 EGBGB und dem Sachenrechtsstatut gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB zugrunde. Dieses Abgrenzungsproblem ist nach deutschem Verständnis dergestalt zu lösen, dass der Eigentumserwerb, d.h. die Frage, ob es einer Einantwortung bedarf oder nicht, dem Sachenrecht unterliegt (Art. 43 Abs. 1 EGBGB), die Frage der Ausschlagung indes dem Erbrecht (Art. 25 EGBGB). Nach österreichischem Recht ist diese Qualifikationsfrage nicht anders zu behandeln. Hierfür spricht schon die  Gesetzessystematik. Denn ebenso wie im deutschen Recht der Art. 43 EGBGB sind auch die §§ 31, 32 öster. IPRG unter der Überschrift „Sachenrecht“ zu finden. Die Übereinstimmung ist aber auch inhaltlicher Natur. So hat der Oberste Gerichtshof zur Auslegung des § 32 öster. IPRG ausgeführt (OGH, Beschl. vom 08.10.1991 – 4 Ob 522/91, IPRax 1992, 328, 329):

„Der Erbschaftserwerb dinglicher Nachlassrechte an Liegenschaften ist daher nach dem Recht des Lageortes zu beurteilen (…). Unter „Erwerb“ ist dabei nach den Materialien (RV 785 BlgNR 14.GP47) nur der sachenrechtliche Erwerbsakt (Modus), nicht aber auch der Erwerbstitel gemeint. § 32 IPRG bezieht sich also auch im Erbrecht nur auf den erforderlichen Modus des dinglichen Erbschaftserwerbs (also auf die Frage, ob unmittelbarer Übergang auf den Berechtigten stattfindet oder Einantwortung bzw. sonstige Übergabe oder Registereintragung für den Nachlasserwerb notwendig sind).“

Die beiden Ausschlagungserklärungen der Beteiligten zu 2) und 3) sind nach österreichischem Recht wirksam. Ausschlagungserklärungen liegen vor. Soweit die Beteiligte zu 2) in ihrem Schreiben vom 16.09.2014 den „Verzicht auf die Nachlassenschaft“ des Erblassers erklärt hat, ist dies als Ausschlagungserklärung auszulegen. Die Ausschlagungserklärungen sind nach österreichischem Recht nicht annahmebedürftig (Ferid/Firsching/Lichtenberger, Internationales Erbrecht, 2014, Österreich, Rn. 394 ff.). Unabhängig davon sind die Ausschlagungen seitens der Beteiligten zu 2) und 3) sowohl dem Nachlassgericht in Köln als auch dem Nachlassgericht in Österreich gegenüber erklärt worden. Die Ausschlagungsfrist ist gewahrt, da eine Frist nicht gesetzt wurde und die Frist daher noch gar nicht zu laufen begonnen hatte (§ 157 öster. AußStrG (Außerstreitgesetz)).

Die Ausschlagungen sind auch formgerecht erfolgt. Das auf die Form einer Ausschlagungserklärung anwendbare Recht bestimmt sich nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB (BayObLGZ 1994, 40; Staudinger/Dörner, EGBGB, 2007, Art. 25 Rn. 116; BeckOK/Lorenz, EGBGB, Art. 25 Rn. 35). Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, hier das österreichische Recht, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird. Dabei kann offen bleiben, ob die von der Beteiligten zu 2) am 16.09.2014 erklärte Ausschlagung in Deutschland vorgenommen worden ist, weil sie in Deutschland abgegeben worden ist. Denn die beiden Ausschlagungen der Beteiligten zu 2) und 3) erfüllen jedenfalls die Formvorschriften des österreichischen Rechts. Nach österreichischem Recht reicht schon eine schriftliche Erklärung aus (Ferid/Fisching/Lichtenberger, Österreich, Stand 2014, Rn. 395). Dies ergibt sich infolge Auslegung von §§ 157, 159 Abs. 3 öster. AußStrG (Außerstreitgesetz). Nach § 157 AußStrG wird der mögliche Erbe unter Setzung einer Frist von mindestens 4 Wochen aufgefordert zu erklären, ob er die Erbschaft antritt oder ausschlägt. In § 159 Abs. 3 öster. AußStrG ist geregelt, dass die Antrittserklärung in schriftlicher Form mit Unterschrift zu erfolgen hat. Daraus ist zu folgern, dass dieses Schriftformerfordernis auch für die Ausschlagung gilt, zumal nach österreichischem Recht die Versäumung der Frist oder schlichte Untätigkeit gem. § 157 Abs. 2 und 3 öster. AußStrG nicht als Ausschlagung zu werten sind (Ferid/Fisching/Lichtenberger, Österreich, Stand 2014, Rn. 395). Daher sind die notariell beglaubigte Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 3) vom 06.08.2014 und die schriftliche Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 2) vom 16.09.2014 formwirksam erfolgt.

Da die eingesetzten Erbinnen beide weggefallen sind, ist der Beteiligte zu 1) als einziges Kind gesetzlicher Alleinerbe. Dafür, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1) auch für den Fall enterben wollte, dass die Beteiligten zu 2) und 3) nicht Erbinnen werden können oder wollen, gibt es in dem Testament keine Anhaltspunkte. Hierfür spricht insbesondere nicht, dass in dem Testament erwähnt wird, dass dem Erblasser die Pflichtteilsberechtigung des Beteiligten zu 1) bekannt war.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 € (§ 36 Abs. 3 GNotKG)

In der Niederschrift über die Verlassabhandlung des Notars Dr. U vom 28.11.2014 ist zwar ein Aktivnachlasswert von 18.107,90 € angegeben (Bl. 32 ff. d. A.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass in diesem Betrag in Deutschland befindliche Gegenstände enthalten sind. Hier ist aber ein auf den Nachlass in Deutschland befindlichen Nachlass beschränkter Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, dessen Wert nicht ersichtlich ist.

 

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