KG Berlin, 06.03.2018 – 19 W 25/18 Der Miteigentümer eines Grundstücks ist in entsprechender Anwendung des § 792 ZPO befugt, auch ohne laufendes Teilungsversteigerungsverfahren die Erteilung eines Erbscheins über den Nachlass der Erblasserin zu beantragen

Dezember 8, 2018

KG Berlin, 06.03.2018 – 19 W 25/18
Der Miteigentümer eines Grundstücks ist in entsprechender Anwendung des § 792 ZPO befugt, auch ohne laufendes Teilungsversteigerungsverfahren die Erteilung eines Erbscheins über den Nachlass der Erblasserin zu beantragen.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mitte – Nachlassgericht – vom 5. Januar 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Nachlassgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe

I.

Die Erblasserin verstarb zwischen dem 4. Dezember 1998 und dem 8. Dezember 1998. Sie war Miterbin nach dem am 4. Februar 1985 verstorbenen ###########, dieser war Miterbe nach der am 4. Juli 1939 verstorbenen ############, diesbezügliche Erbscheine liegen vor.

Der Antragsteller ist Miteigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts Mitte von Prenzlauer Berg ####### gebuchten Grundstücks L.########### Berlin. Als weitere Miteigentümerin des Grundstücks ist im Grundbuch unter anderen die verstorbene ############ eingetragen. Der Antragsteller beantragte am 30. September 2016 beim Amtsgericht Mitte – Az. ######## – die Durchführung der Teilungsversteigerung des Grundstücks L######## zum Zwecke der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft. Das Amtsgericht wies den Antragsteller darauf hin, dass der Antrag unzulässig sei, weil nicht alle Antragsgegner im Grundbuch eingetragen oder durch Erbschein nachgewiesene Erben der eingetragenen Miteigentümer seien; dies gelte insbesondere bezüglich der als Miteigentümerin eingetragenen ############. Der Antragsteller nahm daraufhin seinen Antrag zurück.

Der Antragsteller hat nunmehr einen Erbschein hinsichtlich des Nachlasses nach der Erblasserin beantragt. Das Amtsgericht Mitte – Nachlassgericht – hat den Antrag mit Beschluss vom 5. Januar 2018 (abgesandt am 8. Januar 2018, ein Zustellungsnachweis liegt nicht vor) mit der Begründung zurückgewiesen, dem Antragsteller stehe als Miteigentümer eines Grundstücks kein Antragsrecht zu. Ein Antragsrecht von Grundstücksmiteigentümern analog § 792 ZPO bestehe nur während eines laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens, was vorliegend nach Rücknahme des Antrags auf Durchführung der Teilungsversteigerung nicht der Fall sei.

Gegen den ihm – nach eigenen Angaben – am 10. Januar 2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 19. Januar 2018 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag weiter verfolgt. Er trägt vor, es sei ihm nicht zumutbar, einen unzulässigen Antrag auf Teilungsversteigerung zu stellen, um einen hierfür erforderlichen Erbschein beantragen zu können. Er habe die Absicht, erneut die Teilungsversteigerung zu beantragen, sobald er in die Lage versetzt sei, einen zulässigen Antrag zu stellen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere ist sie gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 FamFG frist- und formgerecht innerhalb eines Monats beim Amtsgericht eingelegt worden. Sie ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht.

1. Der Antragsteller ist in entsprechender Anwendung des § 792 ZPO befugt, auch ohne laufendes Teilungsversteigerungsverfahren die Erteilung eines Erbscheins über den Nachlass der Erblasserin zu beantragen.

a) Nach § 792 ZPO kann ein Gläubiger, der zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins bedarf, die Erteilung des Erbscheins an Stelle des Schuldners beantragen. Voraussetzung ist, dass der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel gegen den Gläubiger besitzt (Geimer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 792 ZPO Rz. 1; Grziwotz in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. 2017, § 2353 Rz. 96). Nach zutreffender und einhelliger Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur kann der Miteigentümer eines Grundstücks in entsprechender Anwendung der Vorschrift den Erlass eines Erbscheins zum Nachweis der Erben eines anderen eingetragenen Miteigentümers beantragen (OLG Hamm, MDR 1960, 1018; LG Essen, RPfleger 1986, 387, BayObLG, NJW-RR 1995, 272, 273 [BayObLG 09.06.1994 – 2 Z BR 52/94]; Geimer, a.a.O.; Grziwotz, a.a.O., Stöber, ZVG, 21. Aufl. 2016, § 181 ZVG Rz. 5; Hintzen in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeier, ZVG, 15. Aufl. 2016, § 181 ZVG Rz. 11). Zwar ist § 792 ZPO nicht unmittelbar anwendbar, weil es bei der Teilungsversteigerung keinen Gläubiger und keinen Schuldner gibt und gemäß § 181 Abs. 1 ZVG für die Zwangsversteigerung auch kein vollstreckbarer Titel erforderlich ist. Jedoch liegt eine vergleichbare Interessenlage vor, denn der Antragsteller übernimmt bei der Zwangsversteigerung eines Grundstückes die Rolle des Gläubigers und die Antragsgegner haben eine vergleichbare Position wie ein Vollstreckungsschuldner aus der Vollstreckungsversteigerung inne, gleichzeitig verlangen §§ 180 Abs. 1 i.Vm. § 17 Abs. 1, 3 ZVG für die Zulässigkeit des Antrags auf Teilungsversteigerung den Nachweis der Miteigentümerstellung der Antragsgegner durch Vorlage von Urkunden, wenn sich die Miteigentümerstellung nicht aus dem Grundbuch ergibt (Stöber, a.a.O., § 181 ZVG Rz. 4; OLG Hamm, a.a.O., S. 1019). Der entsprechenden Anwendung des § 792 ZPO steht auch nicht entgegen, dass die Teilungsversteigerung gemäß § 181 Abs. 1 ZVG ohne Vollstreckungstitel erfolgt. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Erleichterung für die Miteigentümer, weil die Frage, ob eine Teilung erfolgen soll, regelmäßig nicht streitig und daher ein Duldungstitel gegen die Miteigentümer nicht erforderlich ist (Hintzen, a.a.O., § 181 Rz. 2). Wenn ein Miteigentümer danach aber das Teilungsversteigerungsverfahren durch bloßen Antrag einleiten kann, muss er entsprechend auch befugt sein, die erforderlichen Schuldnernachweise ohne Vollstreckungstitel zu beantragen (OLG Hamm, a.a.O.).

b) Für die entsprechende Anwendung des § 792 ZPO ist nicht erforderlich, dass das Vollstreckungsverfahren bereits eingeleitet ist. Im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift hat der Gläubiger für die Beantragung eines Erbscheins lediglich einen Vollstreckungstitel vorzulegen, einen Vollstreckungsantrag muss er noch nicht gestellt haben. Dadurch soll dem Gläubiger ermöglicht werden, die für die Vollstreckung erforderlichen Voraussetzungen vor Einleitung des Vollstreckungsverfahrens zu schaffen. Dementsprechend ist auch im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 792 ZPO für die Beantragung eines Erbscheins nicht die vorherige Einleitung eines Teilungsversteigerungsverfahrens erforderlich, zumal § 16 Abs. 2 ZVG verlangt, dass die für den Beginn der Versteigerung erforderlichen Urkunden bereits dem Antrag beizufügen sind (ebenso im Fall des OLG Hamm, a.a.O.; LG Essen, a.a.O.). Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen werden, zunächst einen unzulässigen Antrag zu stellen und sogleich die Aussetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens zum Zwecke der Durchführung des Erbscheinsverfahrens zu beantragen. Etwas anderes ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch der Entscheidung des BayObLG (NJW-RR 1995, 272, 273 [BayObLG 09.06.1994 – 2 Z BR 52/94]) nicht zu entnehmen. In diesem Verfahren war zwar ein Teilungsversteigerungsverfahren bereits anhängig, auch das BayObLG sprach aber davon, dass § 792 ZPO entsprechend anwendbar sei, wenn der Miteigentümer die Zwangsversteigerung betreiben „will“.

c) Im Ergebnis muss der Antragsteller für die Beantragung eines Erbscheins nach § 792 ZPO analog lediglich nachweisen, dass er Miteigentümer eines Grundstückes ist, an dem auch der Erblasser Miteigentum hatte. Dies hat der Antragsteller hier durch Vorlage eines Grundbuchauszugs und der Erbscheine, welche die Erbfolge nach der im Grundbuch eingetragenen verstorbenen ############ bis zur Erblasserin nachweisen, getan. Die Vorlage eines Vollstreckungstitels ist nicht erforderlich, da dies nach § 181 Abs. 1 ZVG auch für den Antrag auf Durchführung der Teilungsversteigerung nicht erforderlich ist.

2. Der Beschluss des Amtsgerichts ist daher aufzuheben und gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zurückzuverweisen, da das Amtsgericht in der Sache noch nicht über den Erbscheinsantrag entschieden hat.

3. Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht gemäß § 70 Absatz 2 FamFG zuzulassen, weil die Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung hat und im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung steht.

Hartung
Dr. Zivier
Dr. Hammer

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