Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt gegendarstellungsfähig

Dezember 19, 2018

Rechtsbegriffe sind nur eingeschränkt gegendarstellungsfähig

Das BVerfG hat entschieden, dass das Fachgericht einer beanstandeten Äußerung, die einen Rechtsbegriff enthält, nicht das eigene Fachwissen zugrunde legen darf, sondern es auf das Verständnis des durchschnittlichen Zeitungslesers abzustellen hat.

Die Beschwerdeführerin verlegt eine überregionale Zeitung. Mit der Schlagzeile „B. EXKLUSIV Millionen-Gläubiger packt aus – B. verpfändete auch das Haus seiner Mutter!“ kündigte diese ein Interview mit einem ehemaligen Geschäftspartner von B. an. Das Interview war auf Seite 3 der Ausgabe abgedruckt. Aus dem Interview ging zutreffend hervor, dass B. unter anderem ein Hausgrundstück, auf dem seine Mutter wohnte, auf eine Sicherheitenliste hatte eintragen lassen. Diese Sicherheitenliste verschaffte seinem Darlehensgläubiger einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eintragung eines Grundpfandrechts an den gelisteten Grundstücken, begründet aber kein Pfandrecht im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Auf Antrag von B. erließ das Landgericht eine einstweilige Verfügung. Danach wurde die Beschwerdeführerin zum Abdruck folgender Gegendarstellung verpflichtet: “[…] Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet. […]“.
Auf den Widerspruch der Beschwerdeführerin hatte das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin verwarf das KG. Zur Begründung führte es aus, die beanstandete Äußerung stelle eine dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation dar und sei damit gegendarstellungsfähig. Für einen durchschnittlichen Bürger bedeute der Begriff „verpfänden“, dass der bisherige Eigentümer nicht mehr über die Sache verfügen könne und der Gläubiger diese Sache gegebenenfalls berechtigterweise verwerten dürfe. Auf der Grundlage dieses Verständnisses sei der Begriff „verpfänden“ nicht gleichbedeutend mit der Formulierung „als Sicherheit stellen“. Die tatsächlich erfolgte, rein schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines Grundpfandrechts werde aus Sicht des Lesers daher nicht zutreffend beschrieben.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, dass es sich bei der Schlagzeile um eine wertende Stellungnahme handle, gegen die keine Gegendarstellung zulässig sei. Bereits die alltagssprachliche Verwendung des Begriffs „verpfänden“ sei diffus. Die vorgenommene Würdigung des Inhalts der Schlagzeile risse diese aus ihrem Kontext. Die Gegendarstellung, die sie abdrucken müsse, sei zudem unzulässig mehrdeutig, da sie unterschlage, dass B. tat-sächlich eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines Grundpfandrechts eingegangen sei.

Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde des Verlags stattgegeben, die sich gegen die Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung wendete.

Nach Auffassung des BVerfG ist die zulässige Verfassungsbeschwerde begründet. Die Verpflichtung zum Abdruck der Gegendarstellung verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Das Gericht habe bei der Titelschlagzeile zu Unrecht eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung angenommen. Eine Titelschlagzeile sei als solche isoliert gegendarstellungsfähig, wenn sie ohne Berücksichtigung des damit betitelten oder angekündigten Berichts in ihrem Kern eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung enthalte. Lasse sich eine Titelschlagzeile unterschiedlich verstehen, müsse zumindest die für die Gegendarstellung maßgebliche Tatsachenbehauptung eindeutig bestimmbar sein. Ansonsten werde nicht klar, gegen welche Äußerung sich die betroffene Person mit ihrer Gegendarstellung zur Wehr setzen möchte. Vorliegend sei eine für juristische Laien eindeutig bestimmbare Tatsachenbehauptung nicht erkennbar. Es sei nicht auszuschließen, dass der in der Schlagzeile verwendete Begriff der „Verpfändung“ von einem durchschnittlichen Zeitungsleser auch als Beschreibung einer schuldrechtlichen Sicherungsbestellung verstanden werden könne. In einem solchen Fall dürften die Fachgerichte nicht auf ihr eigenes juristisches Begriffsverständnis zurückgreifen, sondern müssten das Verständnis eines Laien zugrunde legen.

Auch der Inhalt der zugesprochenen Gegendarstellung sei zu beanstanden. Die als Gegendarstellung abgedruckte Erklärung „[…] Hierzu stelle ich fest: Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet. […]“ ist ihrerseits interpretationsbedürftig und stellt eine bloße Negation der Titelschlagzeile dar. Ein verfassungsrechtlich zulässiger Gegendarstellungsanspruch müsse jedoch der tatsächlichen Gegendarstellung und nicht der bloßen Gegenbehauptung oder Richtigstellung unvertretbarer Rechtsbehauptungen dienen.

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