OLG Frankfurt am Main, 03.05.2011 – 7 W 40/10

Februar 3, 2019

OLG Frankfurt am Main, 03.05.2011 – 7 W 40/10
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Limburg vom 12.7.2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert : Gebührenstufe bis 4.500,- Euro.

Gründe
1

I)

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten.
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Die Klägerin begehrt mit ihrer vor dem Landgericht Limburg erhobenen Klage von dem Beklagten die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen, Mietzahlungen für ein überlassenes Notebook, Ersatz von Telefonkosten sowie anteilige Fahrtkosten.
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Der Beklagte war auf der Grundlage des sog. X Consultant Vertrages für die Klägerin seit 1.4.2004 tätig. Nach Kündigung des Vertrages seitens des Beklagten einigten die Parteien sich auf eine Vertragsbeendigung zum 31.12.2005.
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Gemäß § 1 Ziffer des Vertrages ist der Consultant als selbständiger Gewerbetreibender i.S. von § 84 ff HGB tätig. Die Tätigkeit des Consultant umfasst die Beratung der X-Kunden über sowie die Vermittlung von X-Dienstleistungen und von Finanzprodukten, die von X frei gegeben sind, in dem durch seine Zielgruppenspezifikation und seinem jeweiligen Ausbildungsstand vorgegebenen Rahmen (§ 1 Ziffer 2). Der Consultant ist frei in der Bestimmung des Ortes und der Zeit seiner Tätigkeit (§ 1 Ziffer 3). Gemäß § 2 Ziffer 1 darf der Consultant während der Vertragszeit nur – hauptberuflich – für die X tätig sein und die X-Dienstleistungen und die von X freigegebenen Finanzprodukte vermitteln. Gemäß § 6 Ziffer 5 erhält der Consultant auf Wunsch – zur Unterstützung seiner Existenzgründung – Provisionsvorschüsse. Letztere werden während der Dauer des Vertrages durch Verrechnung mit Provisionsguthaben zurückgeführt. Ist das Provisionskonto zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Consultant noch überzogen, dann ist der Consultant gemäß § 6 Ziffer 9 zur Rückzahlung von 50 % des offen stehenden Saldos verpflichtet.
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In den letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit (Juli 2005 bis Dezember 2005) wurden dem Beklagten Provisionen in Höhe von 7.567,54 Euro gutgeschrieben; ob hiervon spätere Stornierungen in Abzug zu bringen sind, ist streitig.
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Nachdem der Beklagte die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges mit der Begründung gerügt hat, die Arbeitsgerichte seien gemäß § 5 III ArbGG bzw. § 2 I Ziffer 3 a) ArbGG zuständig, hat das Landgericht durch Beschluss vom 12.7.2010 – auf dessen Inhalt (Bl. 923 ff d.A.) Bezug genommen wird – den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt und hieran – nachdem der Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt hat – im Rahmen des Nichtabhilfebeschlusses festgehalten.
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Im Rahmen der Beschwerde verweist der Beklagte darauf, dass er – unstreitig – auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt habe. Das Landgericht Limburg sei insofern für eine Entscheidung gemäß § 17 a GVG unzuständig gewesen. Des Weiteren habe das Landgericht seinen Vortrag zur tatsächlichen Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses übergangen. Dieser sei nach der Entscheidung des BGH vom 27.10.2009 (Az. VIII ZB 45/08) zu berücksichtigen.
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Das Landgericht habe zu Unrecht und entgegen anders lautender obergerichtlicher Entscheidungen angenommen, dass er nicht als Einfirmenvertreter tätig gewesen sei. Angesichts einer Kernarbeitszeit von 10 Stunden sei ihm eine anderweitige Tätigkeit nicht möglich gewesen. Bei der Berechnung der Vergütung seien die hälftig erlassenen Vorschusszahlungen nicht zu berücksichtigen. Letztlich habe das Landgericht auch verkannt, dass er als Arbeitnehmer und nicht als selbständiger Handelsvertreter anzusehen sei, da er gegenüber der Klägerin in zeitlicher, sachlicher und räumlicher Hinsicht völlig weisungsgebunden gewesen sei. Insoweit komme es entscheidend auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an.
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Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, dass der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen sei und auch die Voraussetzungen des § 5 III ArbGG nicht vorlägen.
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II)

Die zulässige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat zu recht vorab gemäß § 17 a GVG über die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten entschieden. Dass eine Sache überhaupt vor die ordentlichen Gerichte gehört, stellt eine selbständige – von der sachlich, funktionellen oder örtlichen Zuständigkeit zu trennende – Zulässigkeitsvoraussetzung dar (vgl. Zöller, ZPO-Komm., 28. Aufl., § 1 Rz. 3).
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Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet, da der Beklagte selbständiger Handelsvertreter und nicht Arbeitnehmer i.S. von § 2 I Ziffer 3 ArbGG ist. Er gilt auch nicht als Arbeitnehmer gemäß § 5 III ArbGG.
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Selbständiger Handelsvertreter ist gemäß § 84 HGB, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach den vertraglichen Bestimmungen konnte der Beklagte seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten. Weder die Zuordnung zu einer festen Geschäftsstelle noch das Verbot der Beschäftigung von Mitarbeitern steht dem entgegen. Gleiches gilt, soweit er hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein durfte, die Kundenakten im Eigentum der Klägerin stehen und nach Beendigung des Vertragsverhältnisses an diese herauszugeben waren sowie ein Wettbewerbsverbot vereinbart war (vgl. OLG Schleswig-Holstein Beschluss vom 3.5.2005, Az. 16 W 119/04; OLG Nürnberg Beschluss vom 15.4.2009 Az. 12 W 623/09; OLG Bamberg Beschluss vom 18.6.2010 Az. 5 W 38/10). Davon, dass die vertraglichen Regelungen im sog. X Consultant Vertrages dem Leitbild des selbständigen Handelsvertreters entsprechen, geht letztlich auch der Beklagte aus, da er auf die tatsächliche Ausgestaltung seiner Tätigkeit abstellt. Zwar trifft es zu, dass bei der Frage, ob der Beklagte ggf. als Angestellter bzw. Arbeitnehmer anzusehen ist, nicht isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrages abgestellt werden kann. Entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages (vgl. BGH GWR 2009, 464). Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 3.3.2010 pauschal vorgetragen hat, dass im August 2005 seitens des Geschäftsstellenleiters Z Kernarbeitszeiten von 10 Stunden eingeführt worden seien, rechtfertigt dies nicht die Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien als Arbeitsverhältnis. Die angeblich angeordnete Kernarbeitszeit steht im Widerspruch zu den klaren vertraglichen Regelungen und der über lange Zeit offensichtlich abweichenden Handhabung des Vertragsverhältnisses. Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich letztlich auf die pauschale Behauptung, dass „Kernarbeitszeiten“ eingeführt worden seien. Des weiteren ist der Beklagte dem Vortrag der Klägerin, dass dem Zeugen Z lediglich organisatorische Befugnisse (z.B. Belegung der Besprechungsräume) eingeräumt gewesen seien und dieser nicht zur Erteilung derartiger Weisungen in ihrem Namen befugt gewesen sei, nicht entgegen getreten. Letztlich unklar bleibt auch, ob und in welchem Umfang der Beklagte sich den angeblichen Weisungen unterworfen hat. Allein die behauptete Verpflichtung zur Teilnahme an bestimmten Besprechungen (Montagsrunden etc.) stellt keinen so gravierenden Eingriff dar, dass sie mit dem Status eines Selbständigen nicht vereinbar wäre (vgl. hierzu BAG NJW 2010, 2455 [BAG 09.06.2010 – 5 AZR 332/09]).
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Danach ist der Beklagte nicht als Arbeitnehmer i.S. von § § 2 I Ziffer 3 ArbGG anzusehen.
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Des weiteren liegen aber auch nicht die Voraussetzungen des § 5 III ArbGG– auf dessen Anwendbarkeit der Beklagte in erster Linie abstellt – vor.
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Der Beklagte war weder kraft Vertrages noch kraft Weisung als sog. Einfirmenvertreter für die Klägerin tätig.
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§ 2 Ziffer 1 des X Consultant Vertrages ist dahingehend auszulegen, dass der Beklagte hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein durfte, ihm ein Tätigwerden für andere Firmen im Nebenberuf mithin erlaubt war (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Hamm Beschluss vom 29.11.2010 Az. 18 W 61/10). Die Zulässigkeit einer anderweitigen nebenberuflichen Tätigkeit schließt die Einordnung als Einfirmenvertreter aus (vgl. hierzu Küstner/Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band I, 3. Aufl., Rz. 227).
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Der Beklagte war auch nicht faktisch – kraft Weisung – als Einfirmenvertreter tätig. Dass das Vertragsverhältnis im August 2005 aufgrund einer der Klägerin zuzurechnenden Weisung faktisch in einer Weise umgestaltet worden ist, dass dem Beklagten keinerlei Kapazitäten für eine anderweitige Beschäftigung mehr verblieben, ist – wie bereits ausgeführt – nicht dargetan.
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Im übrigen hat der Beklagte in den letzten sechs Monaten – auch ohne Berücksichtigung der teilweise erlassenen Provisionsvorschüsse – durchschnittlich mehr als 1000 € verdient. Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, dass von den von ihm in den letzten sechs Monaten verdienten Provisionen nachvertragliche Stornierungen abzuziehen seien, ist er dem Vortrag der Klägerin, dass jene Stornierungen nicht die in den maßgeblichen Sechsmonatszeitraum fallenden Verträge betreffen, nicht entgegen getreten. Auch unter Außerachtlassung der hälftigen Provisionsvorschüsse liegt danach der durchschnittliche Verdienst über 6.000,- Euro.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Beschwerdewert war mit ein Drittel des Hauptsachestreitwertes zu bemessen.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da es auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung streitige Frage, ob die als Darlehen gewährten Provisionsvorschüsse mit gleichzeitig vereinbartem Teilerlass derselben im Fall der Vertragsbeendigung als Vergütung i.S. des § 5 III ArbGG anzusehen sind, nicht ankommt.

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