OLG Frankfurt am Main, 13.02.2019 – 12 U 13/17

März 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 13.02.2019 – 12 U 13/17
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt – 3. Kammer für Handelssachen – vom 09. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.
Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung angeblich zu viel gezahlten Entgelts für Warenlieferungen im Abrechnungszeitraum 2012/2013 und begehrt ferner die Feststellung, dass eine von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung des zwischen den Parteien im Jahr 1987 geschlossenen Kooperationsvertrages nicht wirksam war. Die darüber hinaus erstinstanzlich begehrte, auf vertragswidrigen Produktvertrieb gestützte Unterlassung macht die Klägerin zweitinstanzlich nicht mehr geltend.

Die Beklagte verlangt widerklagend die Zahlung des Betrages in Höhe von 2.345.432,76 €, den die Klägerin seit dem 07.08.2014 von Rechnungen der Beklagten einbehalten hat, zuzüglich Zinsen.

Die Klägerin ist ein Drogerie- und Einzelhandelsunternehmen, das Anfang der 1970iger Jahre in Stadt1 von Herrn A gegründet wurde und dem er bis 2008 vorstand.

Die Beklagte ist ein Bio-Lebensmittel-Unternehmen und wurde im Jahr 1987 von Herrn B gegründet, der das Unternehmen immer noch führt.

A und B lernten sich Anfang der 1980er Jahre kennen und stellten gemeinsam mit C, Sohn des D-Gründers, Überlegungen an, wie ein für Verbraucher attraktives Angebot an Natur- und Bioprodukten geschaffen werden könne. In diesem Rahmen gab es im Jahr 1984 eine Projektstudie des B unter dem Namen „E“ (Anlage GMW 1, Anlagenband 1), die diesbezügliche Probleme, Chancen und seinen Lösungsansatz darlegte.

Die drei Beteiligten beschlossen, dass B von der Klägerin und H den Auftrag erhalten sollte, für diese ein Konzept für die Einführung eines Bio-Sortiments zu entwickeln, und schlossen 1984 einen entsprechenden Beratungsvertrag ab (Anlage GMW 2, Anlagenband 1). Dahinter stand die Idee, dass der Vertrieb einer Bio-Handelsmarke bei der Klägerin und bei H durch das bereits vorhandene Filialnetz zu verlässlichen Warenumsätzen führen und eine Abnahme erheblicher Mengen an Bio-Produkten und also den Aufbau einer breiten Angebotspalette ermöglichen würde.

Unter dem 17./23.03.1987 schlossen die Klägerin und F, Inhaber B, Stadt2 eine Kooperationsvereinbarung (Anlage GMW 3, Anlagenband 1), in die die Beklagte nach Gründung am 25.03.1987 eintrat.

Die Vereinbarung enthielt u.a. folgende Regelungen:

§ 4 Exklusivität

F verpflichtet sich, für die Dauer der Gültigkeit dieser Vereinbarung ohne Zustimmung des Vertragspartners keine weiteren Firmen mit F-Produkten zu beliefern, die Belieferung zu vermitteln bzw. den Vertrieb von Produkten unter dem Zeichen F zu gestatten.

Ausgenommen von dieser Zusage ist die Belieferung der Firma X drogeriemarkt Österreich, der Firma H und der diesem Unternehmen angeschlossenen Firma G, sofern die Vertragsbedingungen erfüllt werden, ferner der Vertrieb der Produkte in F-eigenen Filialen.

§ 5 Vergütungen

F erhält für die Durchführung der vorgenannten Leistungen die Vergütung aller Kosten gemäß gesonderter Vereinbarung, die wesentlicher Bestandteil dieses Vertrages ist.

Der Betrag wird nach Abschluss eines jeden Jahres abgerechnet.

X verpflichtet sich, monatliche Teilbeträge auf der Basis der Kostenplanung jeweils zum Beginn eines jeden Monats zu zahlen. Die Endabrechnung erfolgt dann bis längstens 31.01. des Folgejahres.

Bei wesentlichen einvernehmlichen Änderungen der Kostenplanung werden die Teilbeträge entsprechend angepasst.

Die Einzelheiten der Berechnung und der Kostenaufteilung ergeben sich aus der Anlage zu diesem Kooperationsvertrag vom 12.3.1987.

Der Vertrag enthielt ferner folgende Regelungen:

§ 7 Einkauf und Preisgestaltung

1. Der Einkauf der F-Markenartikel bzw. der von F lizenzierten Hersteller erfolgt zunächst durch X im eigenen Namen.

2. X verpflichtet sich, die Verkaufspreise für alle Depotartikel (frische Produkte ausgenommen) in Abstimmung mit F festzulegen. Insbesondere sollen für F keine Aktionspreise gefahren werden.

3. Die Parteien sind sich einig, dass beabsichtigt ist, dass F die zunächst unmittelbar von X erworbenen Produkte selbst einkauft und sodann als Zwischenhändlerin gegenüber X auftritt. Auch für diesen Fall sollen die Grundsätze und Regelungen dieses Vertrages (zumindest sinngemäß) fortgelten. Die Vergütung wird dann durch eine entsprechende Handelsspanne ersetzt.“

§ 8 Vertragsdauer

1. Die Vereinbarung beginnt am 01.04.1987 und ist gültig bis zum 31.12.1992. Sie verlängert sich dann immer um jeweils drei Jahre, wenn sie nicht durch eine der Parteien mit einer Frist von 12 Monaten vor Ablauf der Fünf- bzw. Dreijahresfristen gekündigt wird.

2. Eine außerordentliche Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn wesentliche Grundlagen dieses Vertrages auf Dauer missachtet werden.

3. Die Vereinbarung gilt ebenfalls für den geplanten Fall, dass anstelle von F eine Nachfolgegesellschaft tritt.“

Hintergrund der Regelung unter § 5 und 7 war der Umstand, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch ein im Aufbau befindliches Unternehmen ohne eigene Infrastruktur war, dem ohne unternehmerisches Risiko und ohne Absatzrisiken ermöglicht werden sollte, ein eigenes Filialnetz aufzubauen. Es sollte zunächst ein Direkteinkauf-Modell gelten, später ein Zwischenhändler-Modell.

Bis Februar 1990 rechnete die Beklagte ihre Vergütung gemäß § 5 des Kooperationsvertrages gegenüber der Klägerin ab. Das bedeutete, dass sich die von der Klägerin zu zahlende Vergütung für den Bezug von F-Produkten unmittelbar aus den Kosten ergeben sollte, die der Beklagten entstanden, unter Berücksichtigung unternehmensinterner Kosten einschließlich eines Investitionskostenbeitrags (insbesondere von der Klägerin später Cost-Plus-Verfahren genannt).

Ab 15.02.1990 kaufte die Beklagte aufgrund eigener Verträge selbst bei den Herstellern ein, um dann als Zwischenhändlerin unter anderem an die Klägerin weiter zu verkaufen. Ab diesem Zeitpunkt erstellte die Beklagte Preislisten über die von ihr eingekauften und der Klägerin angebotenen Waren. Auf der Grundlage dieser Preislisten, die die Beklagte der Klägerin periodisch zukommen ließ, bestellte die Klägerin regelmäßig Ware im Wege des elektronischen Datenaustauschs und erhielt von der Beklagten Rechnungen für jede einzelne Bestellung, die sie fristgerecht bezahlte (Klageschrift/Klageerwiderung Bl. 20, Bl. 91 f). Jährliche Kostenabrechnungen der Beklagten erhielt die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Der Bereich der Warenlogistik wurde im Jahr 2010 der Beklagten zugeordnet.

In den Jahren 1999 bis 2002 zahlte die Beklagte Beträge von insgesamt 485.000,- € als Bonus an die Klägerin (so z. B. mit Schreiben vom 16.1.2003 einen Bonus von 120.000,- € „für die erfolgreiche Zusammenarbeit 2002“ (Anlage GvW 15, Anlagenband 2). Ab dem 01.01.2003 gewährte die Beklagte der Klägerin 2 %, ab dem 01.01.2007 3 % Nachlass auf den Rechnungsbetrag.

Die Beklagte veröffentlichte Bilanzen, die jedenfalls der Gründer der Klägerin bis 2007 auch regelmäßig einsah und aus denen sich der erzielte Gewinn der Beklagten ergab.

Mit Schreiben vom 10.05.2010 kündigte die Klägerin § 7 Abs. 2 auf und teilte der Beklagten mit: „Sollten Sie resp. die F Produktions- und Handels GmbH einen neuen Kooperationsvertrag wünschen, so bitten wir Sie, diesen aufzusetzen und uns zukommen zu lassen“. Gerne könne aber von Seiten der Klägerin der bisherige Kooperationsvertrag exklusive § 7 Abs. 2 Gültigkeit behalten.

Mit Schreiben vom 18.05.2010 bestätigte die Beklagte diese Kündigung und die weitere Gültigkeit des Kooperationsvertrags. Sie teilte mit: „Es tut uns leid, dass wir bisher versäumt haben, die gelebte Praxis vertraglich zu bestätigen“ (Anlagen GMW4, Anlagenband 1).

Ab September 2013 gab es zwischen den Parteien von der Klägerin initiierte Verhandlungen über die Art der Zusammenarbeit. Dabei forderte die Klägerin, die sich Sorgen darüber gemacht haben will, ob die Beklagte ihr Vertrauen missbrauche, Einblick in die Preis- und Kostenkalkulation, wollte auch eine Herstellerliste der Beklagten und schlug die Fixierung eines Cost-Plus-Verfahrens vor (vgl. GvW 16 und überarbeitete Version des Leitbildes, Anlage GvW 17, Anlagenband 2).

In einer E-Mail vom 17.02.2014 schrieb der Geschäftsführer der Beklagten an den damaligen Geschäftsführer der Klägerin unter anderem:

„Die Grundsätze und Zielsetzungen unserer Vereinbarung von 1987 werden bis heute konsequent von uns gelebt. Somit entspricht unsere Kooperation dem Vertrag von 1987. Die „Methode“ Handelsspanne wird seit 1990 angewendet und vereinbarungsgemäß gelebt. Seit diesem Zeitpunkt kalkuliert F einvernehmlich und in Übereinstimmung mit unserer Vereinbarung von 1987 eine Handelsspanne. Auf die Abgabepreise erhalten die Gründungspartner (X D und H) wie vereinbart 3 % Rechnungsrabatt. Die Kalkulationsmethode ist unverändert und basiert auf den von den Lieferanten berechneten netto/netto-Preisen. Auf diese netto/netto-Bezugspreise wird die Handelsspanne „aufgeschlagen“. Jeder F Artikel wird marktgerecht kalkuliert…..“ (Anlage GMW 6, Anlagenband 1).

Wegen Differenzen über diese Abrechnungsweise fand am 30.06.2014 eine Besprechung statt, in der die Klägerin erklärte, dass der Beklagten nach ihrer Ansicht ein Gewinn eigentlich nicht zustehe, da die Kooperationsvereinbarung einen solchen nicht vorsehe, dass die Klägerin zusätzlich zum bestehenden Rechnungsrabatt von 3 % einen weiteren Rabatt von 3,14 % je Artikel abziehen werde und dass ihr gegen die Beklagte ein Rückerstattungsanspruch von mindestens 43 Millionen zustehe.

Mit Schreiben vom 30.06.2014 legte die Klägerin ihre Auffassung dar und machte für den Abrechnungszeitraum der Geschäftsjahre 2011 bis Juli 2014 eine Überzahlung von 21.244.709,- € gegenüber der Beklagten geltend. Sie schrieb: „Wir erwarten bis zum 31.07.2014 Ihren Vorschlag für die Regulierung. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass sich bei Anwendung der in der Kooperationsvergütung vereinbarten reinen Aufwandsvergütung ein deutlich höherer Differenzbetrag zur Regulierung ergäbe. Ausdrücklich behalten wir uns vor, auch Differenzbeträge aus vorvergangenen Geschäftsjahren geltend zu machen.“ Außerdem wurde mitgeteilt, dass Rechnungen nur noch unter Vorbehalt gezahlt würden. Die in dem Schreiben von der Klägerin angedachte „Vorgehensweise für die Zukunft“ sah eine festgelegte Handelsspanne vor, die durch Rückerstattungen auch eingehalten werden musste, und eine Überprüfung der „Angemessenheit der Leistungen“ durch die Klägerin und eine „degressive, maximal konstante Entwicklung“ vor (Anlage GMW 8, Anlagenband 1).

Ab dem 29.08.2014 kürzte die Klägerin die Rechnungen der Beklagten rückwirkend zum 07.08.2014 um 3,14 % bezogen auf den Listenpreis der Beklagten. Daraus ergibt sich insgesamt der Betrag von 2.345.432,76 € (Anlage GvW 26, Anlagenband 2). Wegen des Zahlungsabzugs sandte die Beklagte der Klägerin Mahnungen und forderte sie zur Zahlung binnen einer Frist von 10 Tagen ab Datum des Mahnschreibens auf. Wegen der konkreten Berechnung der Widerklage, auch der Zinsen unter Berücksichtigung der Stundung wird auf die Klageerwiderung (Bl. 107 f., Bl. 114 f.) und Anlage GvW 26 und GvW 30 (Anlagenband 2) verwiesen.

Mit E-Mail vom 10.11.2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie sieben F-Produkte (1% des Jahresumsatzes der Parteien) auslisten und durch ihre Bio-Eigenmarke tauschen werde (Anlage GvW 22, Anlagenband 2). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin einen Betrag von knapp 2 Millionen Euro von den Rechnungen der Beklagten einbehalten. Zeitgleich kündigte die Klägerin öffentlich an, dass sie biologische Lebensmittel unter der neuen eigenen Marke „X-Bio“ auf den Markt bringen werde (Anlage GvW 23, Anlagenband 2).

Mit Schreiben vom 11.11.2014 stellte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung in Aussicht, wenn die gekürzten Rechnungsbeträge nicht nachgezahlt würden, und forderte die Klägerin auf, weitere Rechnungskürzungen unverzüglich einzustellen. Ferner äußerte die Beklagte in dem Schreiben Zweifel an der Bereitschaft der Klägerin zur Herbeiführung einer einvernehmlichen Lösung, da die Klägerin bereits seit Wochen massiv an die Hersteller der F-Produkte herantrete, um sie für die Herstellung der X-Eigenmarke zu gewinnen, und den Herstellern dabei die Auslistung der F-Produkte aus den X-Filialen bereits ankündigte (Anlage GMW 10, Anlagenband 1). Unstreitig hatte die Klägerin zu dieser Zeit – ihrem Vorbringen nach wegen der geringen Anzahl der Hersteller biologischer Lebensmittel – Lieferanten der Beklagten angesprochen (Schriftsatz der Klägerin vom 16.11.2015, Bl. 160, Schriftsatz der Beklagten vom 22.02.2015, Bl. 272).

Mit Schreiben vom 17.11.2014 (Anlagen GMW 11, Anlagenband 1) wies die Klägerin eine außerordentliche Kündigung zurück, bot aber an, sich über den Wunsch, die Geschäftsbeziehung zu beenden, zu unterhalten.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Klägerin gab in einem der „M“ gegebenen Interview vom XX.XX.2014 u. a. an: „Der Kreis verlässlicher Produzenten ist sehr überschaubar. Da liegt es nahe, dass wir mit Herstellern ins Gespräch kommen, die auch F beliefern.“ (Anlage GvW 23, Anlagenband 2).

Mit Schreiben vom 18.11.2014 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die außerordentliche Kündigung des Kooperationsvertrages. In dem Schreiben hieß es, dass ihr „Vertrauen … zutiefst enttäuscht“ worden sei, dass die Klägerin „auf ihrer einseitigen Auslegung“ der Vereinbarung „beharre“ und sich „weigere, den vertraglich geschuldeten Kaufpreis“ zu zahlen und „bereits für künftige Lieferungen einen Kaufpreisabzug angekündigt“ habe, so dass der „Schluss“ gerechtfertigt sei, dass die Beklagte „systematisch geschwächt und in eine wirtschaftlich bedrohliche Lage“ gebracht werden solle (Anlage GMW 12, Anlagenband 1).

Die Domain XBio wurde von der Klägerin am 05.11.2014 angemeldet (Bl. 433, 435 ff.), die Anmeldung der Wort-Bildmarken erfolgte am 19.11.2014 (Bl. 433, Bl. 441 ff.).

Am 15.12.2014 gab die Beklagte im Lagebericht zum Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2013/2014 an: „Unser Handelspartner X Deutschland hat angekündigt, im Jahr 2015 eine Bio-Lebensmittel-Eigenmarke zusätzlich zu unseren F Produkten neu anzubieten. Daraus entsteht das Risiko eines sinkenden Umsatzes mit diesem Handelspartner. Gleichzeitig bietet diese Entwicklung aber auch die Chance, die möglicherweise reduzierten Umsätze mit X Deutschland, durch neue Handelspartner zu kompensieren oder gar über zu kompensieren“ (Bl. 149, Anlage GMW 25, Bl. 166 ff.).

In der Folgezeit listete die Klägerin zunehmend den weit überwiegenden Anteil der von der Beklagten gelieferten Artikel in ihren Märkten aus und ersetzte diese durch eigene Bioprodukte. Die Beklagte bot ihre Produkte verstärkt über andere Kanäle an.

Mit Schreiben vom 22.12.2015 kündigte die Beklagte den Kooperationsvertrag ordentlich zum 31.12.2016 (Schriftsatz Klägerin vom 1.2.2016, Bl. 226).

Die Klägerin behauptet, sie habe erst durch die E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 17.02.2014 erfahren, dass die Beklagte ab Februar 1990 eine Gewinnmarge in ihre Preislisten eingestellt habe statt nach der unter § 5 des Kooperationsvertrages vorgesehenen Abrechnungsweise nach Kosten plus einem Zuschlag abzurechnen.

Die Umstellung von Direkteinkauf-Modell zu Zwischenhändler-Modell habe vor allem buchhalterische Gründe gehabt, der Einkauf der F-Produkte habe mit Blick auf das Eigengeschäft der Beklagten für die F-Filialen vereinfacht werden sollen. Durch die Umstellung habe sich im Verhältnis der Parteien zunächst nichts geändert, die Beklagte habe keine Mehrleistung erbracht.

Der übereinstimmende Wille der Parteien sei bei Abschluss der Kooperationsvereinbarung dahin gegangen, ein Cost-Plus-Verfahren einzurichten, das auch nach der Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell für die gesamte Dauer der Kooperation hätte weitergelten sollen Die Projektgründer, darunter A und die Zeugen C und K, hätten in mehreren Gesprächen besprochen und vereinbart, dass während der gesamten Dauer der Kooperation zwischen den Parteien das „Cost-Plus-Verfahren“ habe gelten sollen. Es sei besprochen worden, dass die von der Klägerin und H erbrachten Beiträge zur Entstehung der F-Produkte im Rahmen der Regelung über die Vergütung zu berücksichtigen seien. Der mit dem Entwurf des Kooperationsvertrages beauftragte Zeuge L habe ausgehend von den ihm mitgeteilten Eckpunkten in seinen eigenen Worten ausgedrückt, dass die Beklagte ihre Vergütung auch nach der Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell nicht frei habe festlegen dürfen, sondern weiter an den ursprünglichen Vergütungssatz gebunden sein solle. Das hätte auch die Zustimmung beider Parteien gefunden.

Die Parteien hätten über 25 Jahre hinweg nicht über Preise verhandelt. Die Beklagte habe lediglich Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten mitgeteilt. Auch ansonsten habe eine andere Beziehung zwischen den Parteien bestanden als mit sonstigen Zwischenhändlern (widerspruchslose Hinnahme neuer Preise, Lieferschwierigkeiten führten zu keinem monetären Ausgleich, bei neuen Produkten wurde Probezeit verlängert, um der Beklagten den Abverkauf der Lagerbestände zu ermöglichen).

Die von der Beklagten als Bonus bezeichneten Rückzahlungen an die Klägerin seien kein solcher Bonus gewesen, sondern durch § 7 Abs. 3 der Kooperationsvereinbarung begründet gewesen.

Die Klägerin sei gezwungen gewesen, eine Mehrmarkenstrategie weiterzudenken, weil die Beklagte Lieferschwierigkeiten angekündigt habe. Nur deshalb habe sie XBio beschleunigt umgesetzt.

Sie ist der Ansicht, die Beklagte habe durch ihre Abrechnungsmethode Preise, die zu 63 % überteuert gewesen seien, gegenüber der Klägerin abgerechnet, was vertragswidrig gewesen sei. Sie schulde deswegen Rückerstattung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, hilfsweise nach § 280 BGB. Die Bestellvorgänge seien keine eigenständigen Absprachen über die Preise gewesen, sondern rein technische Vorgänge. Der Kaufpreis sei bereits in der Kooperationsvereinbarung vereinbart worden und habe bei jedem einzelnen Kaufvertrag gelten sollen. Die Fortgeltung der ursprünglichen Berechnungsmethode ergebe sich aus dem Wortlaut des § 7 des Kooperationsvertrages („zumindest“, „sinngemäß“ und „entsprechende“). Nur diese Auslegung des Vertrages entspreche dem Wesen dieses Vertrages und den Hilfen, die die Klägerin der Beklagten zum Aufbau ihres Unternehmens gewährt habe. Außerdem spreche dafür, dass es über 25 Jahre hinweg keine Preisverhandlungen gegeben habe, wie sie mit anderen Geschäftspartnern üblich gewesen seien.

Die Rechnungskürzungen durch die Klägerin seien zu Recht erfolgt und die Beklagte schulde den mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Betrag, den die Klägerin aus der Differenz aus den von ihr im Zeitraum 2012/2013 an die Beklagte gezahlten 197.124.238,00 € und den von der Klägerin für berechtigt gehaltenen 190.767.727,00 € errechnet.

Die Klägerin meint ferner, aus § 5 des Kooperationsvertrages ergebe sich für sie ein Auskunftsrecht gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Rechnungsstellung. Weil die Beklagte dem (insbesondere für den Abrechnungszeitraum 2013/2014) nicht nachgekommen sei, habe die Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht gehabt und sich mit den ausstehenden Rechnungsbeträgen nicht in Verzug befunden. Da sich die Klägerin vollumfänglich vertragstreu verhalten habe, habe auch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung der Beklagten bestanden. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Bio-Produkte der Beklagten exklusiv anzubieten. Auf die Einführung von XBio sei die Kündigung der Beklagten gar nicht gestützt worden.

Die Beklagte bestreitet, dass die Verhandlungen der Parteien vor Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung den von der Klägerin behaupteten Inhalt – Vereinbarung eines Cost-Plus-Modells über die gesamte Dauer der Kooperation hinweg – gehabt hätten. Die Beklagte habe der Klägerin ab 1990 weder eine Kostenabrechnung vorlegen müssen, noch habe sie eine Preisgestaltung geschuldet, die auf einer Kostenkalkulation gefußt habe. Die Klägerin habe eine solche Abrechnung oder Preiskalkulation weder erhalten noch verlangt. Vielmehr habe die Klägerin die Produkte jeweils zu den von der Beklagten angebotenen Preisen erwerben können, wenn die Klägerin diese Preise für angemessen gehalten habe, anderenfalls hätten die Preise verhandelt werden sollen. Die Parteien hätten auch tatsächlich über Preise verhandelt, wenn auch nicht derart wie in einer normalen Handelsbeziehung, weil sie enger verbunden gewesen seien.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Rechtsgrund der einzelnen Zahlungen bestehe in den einzelnen Warenkaufverträgen. Der Preis für die einzelne Ware sei durch die Vergütungsregelungen in der Kooperationsvereinbarung nicht bestimmt gewesen, die entsprechenden Willenserklärungen seien erst bei der Bestellung der Ware ausgetauscht worden.

Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung von § 7 und § 5 des Kooperationsvertrages finde im Wortlaut keine Stütze. Hiergegen spreche auch die seit 25 Jahren tatsächlich gelebte Abrechnungsweise. Die Exklusivitätsregelung in § 4 des Kooperationsvertrags habe die Investition der Klägerin gesichert. Da die Klägerin mit unberechtigten Rückforderungen von mehr als 43 Millionen Euro gedroht und zu Unrecht Rechnungsabzüge vorgenommen habe sowie die Preisgestaltung zwischen den Parteien einseitig habe bestimmen wollen und Offenlegung der Einkaufspreise verlangt habe, sei der Beklagten die Fortsetzung des Kooperationsvertrages unzumutbar gewesen und sie sei zur Kündigung berechtigt gewesen.

Einen Auskunftsanspruch habe die Klägerin aufgrund der Vereinbarung, jedenfalls für die Zeit nach 1990, nicht.

Im Übrigen wird wegen der Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 503 ff.) verwiesen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11.03.2016 (Bl. 311) darauf hingewiesen, dass es den Vortrag der Klägerin in Bezug auf die Bedeutung des § 7 der Kooperationsvereinbarung für ungenügend halte, da nicht vortragen sei, wer mit wem wann und wo was besprochen haben soll, so dass die entsprechenden Beweisantritte der Klägerin einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellten. Es hat sodann Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20.06.2016 (Bl. 393 f.) durch Vernehmung des Zeugen L (Bl. 451 ff.) und hat die Klage schließlich abgewiesen und der Widerklage in voller Höhe stattgegeben.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

1. Der Klägerin stehe kein Zahlungsanspruch zu, weil die Beklagte weder eine Vertragsverletzung begangen noch die Zahlungen der Klägerin ohne Rechtsgrund erhalten habe. Die Beklagte habe so abgerechnet, wie in § 7 Abs. 2 des Kooperationsvertrages vorgesehen.

Der Wortlaut der Regelung gebe auch unter Berücksichtigung der Geschichte der Kooperation keinen Anhaltspunkt für die Auslegung der Klägerin. Aus der Verwendung des Wortes „zunächst“ in § 7 Abs. 1 und 3 ergebe sich, dass die Parteien ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beklage als Zwischenhändlerin auftreten sollte, eine Zäsur hätten haben wollen, die der geänderten Stellung der Beklagten weg von einem Dienstleister hin zu einem eigenständigen Vertragspartner entsprochen habe. Dem stehe auch das „entsprechende“ im letzten Satz des § 7 nicht entgegen, sondern dieses könne als Hinweis darauf verstanden werden, dass die vorherige Vergütung durch eine Handelsspanne ersetzt wird, die der geänderten Stellung der Beklagten entspreche.

Auch die im Mai 2010 einvernehmlich vorgenommene Aufhebung des § 7 Abs. 2 aufgrund der ab März 1990 gelebten Praxis zeige, dass der Beklagten eine eigenständige Stellung als Zwischenhändlerin gegenüber der Klägerin eingeräumt werden sollte, die in ihre Preise eine Gewinnmarge einzupflegen habe, und dass die Vergütungsregelung aus der Anfangszeit überholt gewesen sei.

Bei der Auslegung der Klägerin hätte § 7 Abs. 2 fortgelten müssen, weil die Beklagte sich weiterhin mit der Klägerin hätte abstimmen müssen, um zu einem Rechnungspreis zu gelangen, der dem Einkaufspreis zuzüglich von der Klägerin zu erstattender Kosten entspricht.

Gegen die Ansicht der Klägerin spreche auch, dass sie ab März 1990 die benötigten Artikel aufgrund der Waren-/Preislisten der Beklagten bestellt und die Rechnungen ausgeglichen habe. Eine Verschleierung dieser Handhabung durch die Beklagte sei nicht vorstellbar, weil die Beklagte nicht mehr nach § 5 Abs. 2 des Kooperationsvertrages abgerechnet habe. So habe sie keine Jahresabrechnungen mehr vorgelegt und die Klägerin diese auch nicht verlangt. Das müsse der Klägerin aufgefallen sein, ebenso wie die höheren Preise im Vergleich zur vorherigen Abrechnung.

Angesichts des Wortlautes obliege der Klägerin der Beweis, dass die Parteien einvernehmlich etwas anderes gewollt hätten, und diesen Beweis habe sie durch den Zeugen L nicht führen können.

Die Zeugen K und A seien nicht zu hören gewesen. Der Zeuge L habe gerade nicht bestätigen können, dass diese Zeugen die inhaltlichen Absprachen zu dem Kooperationsvertrag getroffen hätten. Außerdem handele es sich um einen Ausforschungsbeweis, weil die Klägerin nicht vorgetragen habe, woraus auf den tatsächlichen Willen der Parteien geschlossen werden solle. Zuletzt sei unklar, wie die Zeugen Aussagen bezüglich der Auslegung von § 7 Abs. 3 machen sollen, wenn dieser Absatz erst durch den Zeugen L eingefügt worden sei.

2. Der Klägerin stehe auch kein Unterlassungsanspruch zu, weil die Beklagte aufgrund des Verhaltens der Klägerin zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen sei. Angesichts der dargestellten Auslegung von § 7 habe die Klägerin die Kaufpreisforderungen der Beklagten vertragswidrig gekürzt. Außerdem habe die Beklagte mit Schreiben vom 30.06.2014 über 21 Millionen EUR nachgefordert und zur Regelung eine ultimative Frist gesetzt, was die Beklagte angesichts der Wirtschaftsmacht der Klägerin als Drohung habe auffassen müssen. Zudem habe die Klägerin den Beginn der Auslistung der Artikel der Beklagten in ihren Märkten und die Einführung einer eigenen Bio-Marke angekündigt. Aus diesem Verhalten habe die Beklagte schließen dürfen, dass die Klägerin sie systematisch schwächen und in eine wirtschaftlich bedrohliche Lage bringen wolle, so dass die Kündigung für sie alternativlos gewesen sei.

3. Hinsichtlich des Feststellungsantrages sei bereits die Zulässigkeit fraglich, weil die Wirksamkeit der Kündigung notwendige Vorfrage des Unterlassungsanspruchs sei. Dieser sei aber jedenfalls unbegründet.

4. Die Widerklage sei aus § 433 Abs. 2 BGB aufgrund der unberechtigt erfolgten Kürzungen der Klägerin begründet und die Klägerin habe sich auch in Verzug befunden.

Gegen das Urteil wendet sich der Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge überwiegend weiterverfolgt. Den Klageantrag zu 2) (Unterlassungsantrag wegen vertragswidrigen Produktvertriebs) hat sie mit der Berufungsbegründung für erledigt erklärt.

Sie macht geltend, die elektronischen Bestellvorgänge seien rein technische Vorgänge, keine einzelnen gesonderten Absprachen über die Preise. Die Formulierung „entsprechend“ und „sinngemäß“ zeige, dass die Beklage auch ab 1990 an das Cost-Plus-Verfahren habe gebunden sein sollen. Das Wort Handelsspanne sage gerade nichts über die Höhe eines Preisaufschlags aus. Die Sätze 2 und 3 des § 7 Abs. 3 müssten im Zusammenhang gelesen werden. Der Beitrag der Klägerin bei der Entstehung der Beklagten müsse stärker berücksichtigt werden, ebenso wie die über Jahre fehlenden Preisverhandlungen. Die Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell habe keine nennenswerte Veränderung im Verhältnis zwischen den Parteien bedeutet. Die Klägerin habe keinen Grund gehabt, einer deutlichen Erhöhung der Vergütung nur in Folge der Umstellung der Einkaufsorganisation zuzustimmen. Die Aufhebung von § 7 Abs. 2 stehe mit der Vergütung der Beklagten in keinem Zusammenhang.

Die Klägerin beanstandet insbesondere, dass das Landgericht ihrem Beweisantritt auf Vernehmung der Zeugen A, K und C nicht nachgegangen ist, zumal der Geschäftsführer der Beklagten, B, persönlich angehört worden sei. Es habe kein Ausforschungsbeweis vorgelegen, weil die Klägerin eindeutig vorgetragen habe, dass die Parteien mündlich für die gesamte Laufzeit der Zusammenarbeit das Cost-Plus-Verfahren vereinbart hätten. Es müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte in dem im Frühjahr 2014 übergebenen Tortendiagramm zunächst den Begriff „Gewinn“ verwandt habe und diesen dann später durch „Investitionskostenbeitrag“ ersetzt habe, um ihren Gewinn zu verschleiern.

Sie habe keine Jahresabrechnungen erstellt oder verlangt, weil sie der Beklagten uneingeschränkt vertraut habe. Die Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell sei der Beklagten entgegengekommen, weil ihr hierdurch die Errichtung ihrer eigenen Bio-Märkte erleichtert worden sei. Das spreche dagegen, dass der Beklagten damit die Möglichkeit, höhere Preise zu erzielen, eingeräumt werden sollte.

Die Kündigung durch die Beklagte sei unwirksam gewesen. Die Einführung von XBio sei nur ein Test gewesen, eine Drohung der Klägerin habe nicht vorgelegen, sie habe stets das Gespräch gesucht und die Beklagte habe die Umsatzeinbußen ohne weiteres kompensieren können und hätte ohne weiteres bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin warten können. Noch 2015 hätten die Parteien den zweithöchsten Umsatz gehabt, die Einführung von XBio habe sie also nicht geschwächt. Der einbehaltene Betrag sei im Verhältnis zu den im Jahr 2014 generierten Umsätzen marginal gewesen, die Beklagte habe ausreichend Liquidität gehabt. Die Intention der Beklagten bei der Kündigung sei eine strategische Neuausrichtung gewesen.

Die Zwischenfeststellungsklage bezüglich der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sei zulässig, weil die Frage weitergehende Bedeutung für weitere Ansprüche der Klägerin (Auskunft und Zahlung) haben könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrages wird insbesondere auf die Berufungsbegründung vom 20. März 2017 (Bl. 708 ff.), den Schriftsatz vom 29. September 2017 (Bl. 810 ff.), ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2018 (Bl. 884 ff), in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Januar 2019 (Bl. 942 ff) und im weiteren Schriftsatz vom 7. Februar 2019 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 09. Dezember 2016, Az.: 14 O 240/15, wie folgt abzuändern:

1.

Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Berufungsklägerin 6.356.511,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Oktober 2013 zu zahlen.
2.

Für den Fall, dass sich die Berufungsbeklagte der Erledigungserklärung der Berufungsklägerin nicht anschließt: Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des von der Berufungsklägerin gestellten ursprünglich zulässigen und begründeten Klageantrags zu 2) in der Hauptsache erledigt ist.
3.

Es wird festgestellt, dass die Kooperationsvereinbarung zwischen der Berufungsklägerin und der Berufungsbeklagten vom 17./23. März 1987 in der Fassung der Schreiben vom 10./18. Mai 2010 durch die am 18. November 2014 von der Berufungsbeklagten erklärte außerordentliche Kündigung nicht beendet wurde.
4.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hat sich der teilweisen Erledigungserklärung der Klägerin nicht angeschlossen. Die Parteien hätten den Vertrag, wie es seinem Wortlaut entspreche, so verstanden, dass die Klägerin der Beklagten als Zwischenhändlerin eine entsprechende Handelsspanne zahlen sollte, was über fast 30 Jahre auch so gehandhabt worden sei. Der Vortrag der Klägerin, dass die Parteien mündlich für die gesamte Laufzeit der Zusammenarbeit das Cost-Plus-Verfahren vereinbart hätten, sei zweitinstanzlich neu und werde bestritten. Die Klägerin habe auf den Hinweis des Landgerichts vor der Beweisaufnahme mit Schriftsatz vom 29.04.2016 (Bl. 319 ff) etwas anderes behauptet, nämlich, dass Herr L das, was die Parteien vereinbart hätten, in voller Kenntnis dieses Inhalts weisungsgemäß beurkundet habe (Bl. 333).

Ferner hätte es der Klägerin freigestanden, die von ihr erwünschten Zeugen zur Unterstützung bei der Befragung des Zeugen L zum Termin mitzubringen.

Gegen die Version der Klägerin spreche auch, dass sie den Zeugen C nicht benannt habe, weil mit H ein Vertrag mit demselben Wortlaut bestehe, der nie so verstanden worden sei, wie es die Klägerin für den vorliegenden Vertrag behaupte.

Es sei fraglich, ob für den Feststellungsantrag noch ein Rechtschutzbedürfnis bestehe, weil der Vertrag mittlerweile in jedem Fall beendet sei und alle Ansprüche mit Leistungsklagen geltend gemacht könnten. Er sei aber jedenfalls unbegründet, da die außerordentliche Kündigung berechtigt gewesen sei, nachdem die Klägerin rechtswidrig Geld einbehalten, die Offenlegung von Einkaufspreisen, Herstelleradressen und Direktansprache dieser Hersteller verlangt, mit der Auslistung ihrer Produkte und mit der Geltendmachung weiterer Zahlungsforderungen gedroht habe, alles mit dem Ziel, die Beklagte zu einem neuen Modell der Zusammenarbeit zu zwingen. Der Klägerin habe kein Zurückbehaltungsrecht zugestanden.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten auf die Berufungserwiderung vom 23. Juli 2017 (Bl. 782 ff), auf den Schriftsatz vom 07. November 2018 (Bl. 873 ff.), ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2018 (Bl. 884 ff), in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Januar 2019 (Bl. 942 ff) und im weiteren Schriftsatz vom 6. Februar 2019 verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 5. September 2018 (Bl. 842) und vom 05. Dezember 2018 (Bl. 903) durch Vernehmung der Zeugen A, C und K und hat den Geschäftsführer der Beklagten persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05. Dezember (Bl. 884 ff) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr auf die Rechnungen der Beklagten geleisteten Zahlungen.

a) Ein solcher, von der Klägerin primär auf § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB gestützter Anspruch scheitert daran, dass sie nicht ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet hat. Rechtsgrund für die Zahlungen war der Kooperationsvertrag in Verbindung mit den jeweiligen Einzelbestellungen, die auf der Grundlage der von der Beklagten erstellten und der Klägerin übermittelten Preislisten erfolgten. Indem die Klägerin ab 1990 die zu bestimmten Preisen angebotenen Waren bestellt, abgenommen und bezahlt hat, hat sie konkludente Preisvereinbarungen mit der Beklagten geschlossen, auch wenn die einzelnen Schritte jeweils als technische Vorgänge im Wege des elektronischen Datenaustauschs erfolgten.

Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien in der Kooperationsvereinbarung ursprünglich keine Bestellungen auf der Basis von Preislisten, sondern eine Vergütung im Form von monatlichen Festbeträgen, die zu 60% von der Klägerin und zu weiteren 40% von H zu zahlen und jährlich endabzurechnen waren, vorgesehen hatten (Anlage zum Kooperationsvertrag). Denn die Parteien sind von dieser Handhabung seit 1990 einvernehmlich abgewichen, indem sie auf die monatlichen Zahlungen und jährlichen Endabrechnungen verzichtet und stattdessen Bestellungen anhand von Preislisten mit entsprechender Bezahlung durchgeführt haben.

Die Klägerin hat den Beweis ihrer zentralen Behauptung, dass entgegen dieser tatsächlichen Handhabung weiterhin die in dem Kooperationsvertrag vorgesehene Vergütungsregelung habe gelten sollen, nicht geführt.

aa) Zunächst ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vereinbarung keine Verpflichtung der Beklagten, dauerhaft nur ihre Einkaufspreise zuzüglich Kosten abzurechnen. § 7 der Vereinbarung (Anlage GMW 3, Anlagenband 1) legt eher das gegenteilige Verständnis nahe:

„Die Parteien sind sich einig, dass beabsichtigt ist, dass F die zunächst unmittelbar von X erworbenen Produkte selbst einkauft und sodann als Zwischenhändlerin gegenüber X auftritt. Auch für diesen Fall sollen die Grundsätze und Regelungen dieses Vertrages (zumindest sinngemäß) fortgelten. Die Vergütung wird dann durch eine entsprechende Handelsspanne ersetzt.“

Das Verständnis der Klägerin unterstellt, wonach sich an der Vergütung über die gesamte Laufzeit der Kooperationsvereinbarung nichts ändern sollte, hätte sinngemäß formuliert werden müssen: „Die Vergütung bleibt unverändert“. Stattdessen haben die Parteien die Begriffe „ersetzen“ und „Handelsspanne“ gewählt, woraus deutlich wird, dass sich das Vergütungsmodell ändern sollte. Nach der Auslegung der Klägerin hätte es des dritten Satzes gar nicht bedurft.

Diese deutliche Formulierung wird auch durch den Satz 2 des § 7 nicht ausgehebelt, denn der Vertrag kann im übrigen weitergelten, da sein Regelungsgehalt über die Frage der Vergütung hinausreicht.

Auch die Wortwahl „entsprechend“ macht Sinn, denn die Handelsspanne sollte der besonderen Stellung der Beklagten gegenüber der Klägerin entsprechen, was z. B. die Rabatte, die die Beklagte der Klägerin (ab dem 01.01.2003 2 % auf den Rechnungsbetrag, ab dem 01.01.2007 3 % auf den Rechnungsbetrag) gewährte, zeigen.

bb) Ein von diesem eindeutigen Wortlaut der Formulierung abweichendes Verständnis beider Vertragsparteien hat die Klägerin auch nach Ansicht des Senates nicht bewiesen.

(1) Ein solches Verständnis ergab sich nicht aus der Beweisaufnahme

(a) Zunächst hat der Geschäftsführer der Beklagten, B, in seiner informatorischen Anhörung als Partei in zweiter Instanz (Bl. 902 ff.) erklärt, die in § 7 enthaltene Klausel der „entsprechenden Handelsspanne“ habe bedeuten sollen, dass anstelle der Kalkulationsbasis einzeln kalkulierte Artikel treten sollten und sich eine Handelsspanne errechnen sollte. Nach seiner Aussage hätten zwei Phasen der Zusammenarbeit bestehen sollen und in der zweiten Phase die Beklagte als selbständiges Unternehmen mit unternehmerischem Risiko gegenüber der Klägerin auftreten sollen.

Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer der Beklagten B als solcher Partei ist und also ein ureigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat.

(b) Allerdings wurde das von ihm geschilderte Verständnis von § 7 des Kooperationsvertrages durch die erstinstanzliche Aussage des Zeugen L (Protokoll vom 27.9.2016, Bl. 451 ff.) bestätigt. Dieser hat gerade nicht die Version der Klägerin geschildert, obwohl er – wie die Zeugen A und K angegeben haben – der damalige Hausanwalt der Klägerin war.

Der Zeuge L hat vielmehr angegeben, dass er selbst den Kooperationsvertrag nach einem Gespräch mit Herrn K (dem damaligen Prokuristen der Klägerin) entworfen habe. An den Verhandlungen der Parteien, die dem vorangegangen seien, sei er – der Zeuge L – nicht beteiligt gewesen. Mit einem Vertreter der Beklagten habe er gar nicht gesprochen. Er habe versucht, das umzusetzen, was besprochen worden sei und was Herr K „mitgebracht“ habe, und habe mit der Formulierung „eine Richtung für die Zukunft weisen“ wollen. Nach seiner Erinnerung sei § 7 Abs. 3 des Kooperationsvertrages auf seine Initiative in den Vertrag aufgenommen worden. Auch er verstehe den Begriff Handelsspanne so, dass diese eine Gewinnspanne enthalte.

Diese Aussage spricht dafür, dass aus dem, was Herr K dem Zeugen L „mitbrachte“, hervorging, dass die Beklagte in fernerer Zukunft eine Gewinnspanne haben sollte bzw. dass zumindest nicht ausgeschlossen war, dass sich das Vergütungsmodell dahingehend ändern würde und dem Zeugen L jedenfalls nicht vermittelt wurde, dass nach der Absprache der Parteien das Vergütungsmodell über die gesamte Dauer der Kooperation gleichbleiben sollte. Gestützt wird dieses Verständnis seiner Aussage durch die Angabe des Zeugen L, er habe sich vorgestellt, dass dann, wenn die Beklagte tatsächlich als Zwischenhändlerin gegenüber der Klägerin auftreten werde, ein neuer detaillierter Vertrag abgeschlossen werden würde. Ersichtlich ging der Zeuge bei der Gestaltung des Kooperationsvertrages auf der Grundlage der ihm mitgeteilten Absichten der Parteien also davon aus, dass der Wechsel zum Zwischenhändler-Modell eine Zäsur bedeuten würde, die das Verhältnis der Parteien zueinander verändern würde.

Dass dieser neue Vertrag nicht ausdrücklich geschlossen oder schriftlich fixiert wurde, bedeutet nicht, dass die Parteien einvernehmlich dann doch keine Zäsur gewollt hätten, sondern der neue ausdrückliche oder schriftliche Vertragsschluss kann auch aufgrund der sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit der Parteien unterlassen oder von den Parteien trotz der gewünschten Zäsur nicht für erforderlich erachtet worden sein. Dafür sprechen die Schreiben der Parteien vom 10.05.2010 und 18.05.2010 (Anlagen GMW 4, Anlagenband 1), aus denen einvernehmliche Abweichungen der „gelebten Praxis“ und das fehlende Bedürfnis, diese vertraglich zu fixieren hervorgehen.

Der Aussage des Zeugen L kommt dabei besonderes Gewicht zu, weil er derjenige war, der den streitgegenständlichen Vertragstext verfasst hat, auf den also die Formulierung und die damit gemeinte Bedeutung zurückgehen. Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit bestehen nicht, da er als völlig neutraler Zeuge jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Vernehmung keiner Partei nahegestanden haben dürfte und ein Interesse seinerseits am Ausgang des Rechtsstreits nicht erkennbar ist.

(c) Auch durch die Aussage des in zweiter Instanz vernommenen Zeugen C wurde das Verständnis der Klägerin von § 7 des Kooperationsvertrages nicht bestätigt.

Der Zeuge C hat angegeben, dass die Dinge zwischen der Beklagten und der Klägerin einerseits und zwischen der Beklagten und H andererseits parallel hätten laufen sollen. Er hat weiter geschildert, dass er allerdings die Gespräche im Jahr 1987 vor Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung(en) nicht geführt und hierzu auch keine Unterlagen mehr habe. An einen Begriff „Cost-Plus-Verfahren“, den die Klägerin als geltenden Vergütungsmodus angegeben und den auch der Zeuge A als allgemeinen Grundsatz erwähnt hat, könne er sich nicht erinnern, ebenso wenig an eine Aufteilung der Kosten der Beklagten im Verhältnis 60 % zu Lasten der Klägerin und 40 % zu Lasten von D.

Weiter hat er, ebenso wie der Zeuge K, angegeben, dass er – bis auf anfängliche Bilanzen – keine Abrechnung der Beklagten über Leistungen und Kosten erhalten und solche auch nicht verlangt habe. Das spricht dafür, dass es zumindest nicht dauerhaft jährliche Abrechnungen und eine strenge Transparenz in den Kosten geben sollte. Zuletzt hat der Zeuge C die Frage des Klägervertreters, ob die Beklagte „auch zukünftig nur zu Kostenpreisen abrechnen“ hätte dürfen, ausdrücklich verneint und angegeben, dass die Beklagte „leben können“ sollte. H und die Klägerin hätten eine bevorzugte Stellung haben sollen, dies sei aber nicht schriftlich fixiert worden. Diese bevorzugte Stellung muss aber nicht bedeuten, dass die Beklagte keinen Gewinn erwirtschaften durfte, was sich der Aussage des Zeugen C auch keinesfalls entnehmen lässt. Vielmehr hatten diese Stellung die Klägerin und auch H bereits durch die Exklusivitätsvereinbarung in der Kooperationsvereinbarung und durch von der Beklagten gewährte Rabatte (ab dem 01.01.2003 gewährte die Beklagte der Klägerin 2 %, ab dem 01.01.2007 3 % Nachlass auf den Rechnungsbetrag).

Der Senat hat keine Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen C, der zu keiner Zeit einer der Parteien angehörte oder einseitig nahestand, zu zweifeln. Er war nur als Dritter, als damaliger Geschäftsführer der Fa. D, in die Zusammenarbeit mit beiden Parteien eingebunden. Mittlerweile ist er auch für H nicht mehr tätig und hält zu deren Geschäften auch eine in seiner Aussage deutlich werdende Distanz. Insgesamt vermittelte er dem Senat den Eindruck eines neutralen, um objektive Angaben bemühten Zeugen.

(d) Der in zweiter Instanz vernommene Zeuge K (Protokoll Bl. 910 ff.) hat zunächst bestätigt, dass er zusammen mit dem Zeugen L die konkrete Ausgestaltung des Vertrages vorgenommen habe.

Auf die Frage, was konkret mit der Regelung in § 7 Abs. 3 des Kooperationsvertrages gemeint gewesen sei, hat er eher vage und wenig überzeugend angegeben, dass zum Ausdruck hätte kommen sollen, dass auch nach der Veränderung der Rolle, die die Beklagte hätte haben sollen (hin zu mehr Selbständigkeit), die Grundsätzlichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Parteien weiter hätten gelten sollen. Diese Grundsätzlichkeiten hat er sodann dahingehend erläutert, dass 1. Vergütungen für definierte Leistungen erbracht werden sollten, 2. eine einfache und praktikable Abwicklung erfolgen sollte, die mit einer Handelsspanne zum Ausdruck gebracht werden sollte, die vorlaufend kalkuliert und im Jahresrhythmus hätte abgerechnet werden sollen und 3. Transparenz in der Abrechnung hätte vorliegen sollen.

Im weiteren Verlauf seiner Anhörung hat er zudem erklärt, er und die Klägerin seien davon ausgegangen, dass die von der Beklagten berechneten Preise auch nach 1990 den Grundsätzen der Kooperationsvereinbarung entsprochen hätten, was bedeute „Netto-Nettopreise und der Aufschlag der Kosten der Beklagten“.

Wenn aber mit Absatz 3 des § 7 nur zum Ausdruck hätte gebracht werden sollen, dass diese Grundsätzlichkeiten hätten weiter gelten sollen, dann hätte es – wie dargelegt – des dritten Satzes in § 7 zur „Ersetzung“ zur Vergütung nicht bedurft.

Auf die entsprechende Nachfrage, was vor dem von ihm geschilderten Hintergrund mit dem letzten Satz des Absatzes 3 gemeint gewesen sei, hat der Zeuge K angegeben, damit habe klar werden sollen, dass die Beklagte auch die Beschaffungskosten auf die Preise, die sie selbst für die Artikel gezahlt hatte, hätte aufschlagen dürfen. Hierfür wäre aber nach seinem eigenen Verständnis keine besondere Regelung erforderlich gewesen, wenn die Vergütungspraxis sich auch durch die veränderte Rolle der Beklagten gar nicht hätte ändern sollen. Es hätten dann weiterhin nach § 5 des Vertrages schlicht die Kosten der Beklagten (die ohne weiteres auch die Beschaffungskosten umfasst hätten) an die Klägerin weitergegeben und jährlich abgerechnet werden können.

Auf weitere Nachfrage hat der Zeuge K dann auch abweichend von seiner vorherigen Aussage angegeben, es sei eine „neue Systematik“ erforderlich geworden und es habe – offensichtlich anders als vorher – „ein gewisser Gestaltungsspielraum“ für die Beklagte bestehen und „nicht für jeden Artikel der gleiche Kostenaufschlag“ veranschlagt werden sollen. Gegen Ende seiner Aussage hat er sogar ausdrücklich angegeben, dass die Preisgestaltung seitens der Beklagten ab 1990 „der Einkaufspreis plus die Kosten der Beklagten sowie eine Marge“ hätte sein sollen und „natürlich“ auch einen Gewinn für die Beklagte hätte enthalten sollen. Diese Angaben lassen sich aber viel eher mit dem Verständnis der Beklagten von § 7 Abs. 3 des Kooperationsvertrages in Einklang bringen als damit, dass sich die Vergütung der Beklagten überhaupt nicht ändern sollte, wie es die Klägerin vertritt.

Die Einschränkungen seiner Aussage, die der Zeuge in einer mit Schriftsatz der Klägerin vom 25.01.2019 (Bl. 942 ff) vorgelegten E-Mail vom 10.01.2019 (Bl. 964) an den Geschäftsführer der Klägerin auf dessen Nachfrage macht, in der er angibt, seine Aussage sei im Protokoll verkürzt wiedergegeben worden und er habe die Aussage dahingehend relativiert, dass es sich nicht um einen Gewinn im klassischen Sinne gehandelt haben solle, sondern um einen Preisbestandteil als Beitrag zur künftigen Investitionsgestaltung, können nicht berücksichtigt werden. Sie finden sich im Protokoll der mündlichen Verhandlung, das öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO ist und vollen Beweis für den protokollierten Inhalt von Zeugenaussagen erbringt, gerade nicht. Die diesbezügliche Aussage des Zeugen zum Gewinn der Beklagten erfolgte zudem auch ganz am Ende seiner Aussage, die unmittelbar im Anschluss daran von ihm genehmigt worden. Gerade das direkt zuvor Gesagte musste dem Zeugen bei dieser Genehmigung aber noch klar vor Augen stehen, Korrekturen oder Ergänzungen hat er dennoch nicht vorgenommen.

Darüber hinaus führt aber auch die von dem Zeugen in der E-Mail erwähnte Einschränkung, er habe nicht einen Gewinn im klassischen Sinne gemeint, sondern vielmehr einen Beitrag zur zukünftigen Investitionsgestaltung, der über die reine Kostenabdeckung hinausgehe, nicht zu einer anderen Würdigung seiner Aussage. Denn auch mit dieser Einschränkung entspricht ein über die reine Kostenabdeckung hinausgehender „Investitionsbeitrag“ nicht dem, was der Zeuge zunächst als vereinbartes Verfahren angegeben hatte („Netto-Nettopreise und Aufschlag der Kosten der Beklagten“), sondern geht darüber hinaus und lässt Raum für die von dem Zeugen angegebene Gewinnmarge innerhalb des der Beklagten eingeräumten „Gestaltungsspielraums“.

Gegen das Verständnis der Klägerin spricht auch die Angabe des Zeugen K, es habe nur in den ersten drei Jahren bis 1990 monatliche und jährliche Abrechnung zwischen den Parteien gegeben, danach jedoch nicht mehr, und dass auch keine „systematische Darlegung“ von Einkaufspreisen und Kosten durch die Beklagte erfolgt sei. Das wäre nach seinen zuvor dargelegten Grundsätzen, die seiner Aussage nach weitergelten sollten (vorlaufend kalkulierte Handelsspanne, die im Jahresrhythmus abgerechnet wird und Transparenz in dieser Abrechnung), aber erforderlich gewesen.

Abgesehen davon, dass der Zeuge K nach den vorstehenden Ausführungen schon dem objektiven Inhalt nach die klägerische Behauptung nicht mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit bestätigt hat, erscheinen dem Senat seine Angaben auch wenig glaubhaft. Der Zeuge hat im Rahmen seiner Vernehmung den Eindruck vermittelt, dass er sich der Klägerin, auch wenn er mittlerweile nicht mehr für sie arbeitet, weiterhin sehr verbunden fühlt und gerne das von ihr vertretene Verständnis der Auslegung des § 7 des Kooperationsvertrages bestätigt hätte, ihm dies aber schwer fiel, weil es ihm so nicht eindeutig in Erinnerung war. Seine Formulierungen erschienen, zumindest zu Beginn seiner Aussage, sehr vorsichtig gewählt, um sich nicht auf eine gegenteilige Auslegung festzulegen. Eine konkrete, eindeutige und nachvollziehbare Antwort bezüglich der konkreten Bedeutung des § 7 Abs. 3, insbesondere des letzten Satzes, und dessen Notwendigkeit konnte der Zeuge nicht geben. Der in der mündlichen Verhandlung entstandene Eindruck einer fortbestehenden Verbundenheit des Zeugen mit der Klägerin wird auch durch die E-Mail des Zeugen vom 10.1.2019, dem die Klägerin offensichtlich das Protokoll der mündlichen Verhandlung zugänglich gemacht hatte, belegt.

(e) Auch die Aussage des Zeugen A, des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin, konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass § 7 des Kooperationsvertrages im Sinne der Klägerin zu verstehen ist. Der Zeuge hat zwar allgemein ausgeführt und häufig wiederholt, dass die Klägerin mit allen ihren Kooperationspartnern, und also auch mit der Beklagten, das „Cost-Plus-Verfahren“ bzw. das „Netto/Nettissimo-Verfahren“ angewandt habe und dieses Verfahren so zu verstehen sei, dass nur der Netto-Einkaufspreis und die Kosten – ohne Gewinne – weiterberechnet worden seien.

Auf die Frage, ob er etwas zu § 7 des Kooperationsvertrages sagen könne, hat der Zeuge A allerdings mit „nein“ geantwortet und angegeben, dass er in die inhaltliche Gestaltung und Entwicklung dieses Vertrages nicht eingebunden gewesen sei. Er sei davon ausgegangen, dass das Prinzip des Netto/Nettissimo sich zwischen den Parteien nie ändern, sondern stets „weiter gelten“ sollte, weil dies die „Grundlage für das Vertrauen“ und ein „übergreifendes Idee-Prinzip“ gewesen sei. Dieses Prinzip sei die Erfolgsidee der Klägerin überhaupt, die „Filialen hätten nicht von der Zentrale belastet werden sollen“. Die Beklagte habe zwar gegenüber anderen Unternehmen frei kalkulieren können, nicht aber gegenüber der Klägerin. Die Einhaltung des Cost-Plus-Verfahren sei nicht kontrolliert worden, weil die Klägerin Vertrauen gehabt habe.

Abgesehen davon, dass der Zeuge als ursprünglicher Geschäftsführer und Gründer der Klägerin und jetzt noch Aufsichtsratsmitglied, auch wenn er nicht mehr Gesellschafter der Klägerin ist, ein ebensolches persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben dürfte wie der Geschäftsführer der Beklagten, B, wurde aus der Aussage des Zeugen A nicht deutlich, ob das von ihm geschilderte „Prinzip des Netto/Nettissimo“ nicht durch § 7 Abs. 3 Satz 3 für die Zukunft abgeändert werden sollte. Auch wenn der Senat ihm glaubt, dass er persönlich von der Fortgeltung des Prinzips ausgegangen ist, hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, dass diese Vorstellung den übrigen Beteiligten, also dem Geschäftsführer der Beklagten, dem Zeugen K und dem Zeugen L bekannt und mit ihnen vereinbart war, dass dieses Prinzip unverändert weitergelten sollte, obwohl es in § 7 Abs. 3 Satz 3 des Kooperationsvertrages anders formuliert wurde. Aus der Aussage des Zeugen A ergibt sich zwar, dass die Weitergeltung dieses Prinzips durchaus seiner subjektiven Vorstellung entsprochen hat, nicht aber, dass dies mit den anderen Vertragsbeteiligten erörtert worden ist oder Eingang in den Kooperationsvertrag gefunden hätte. Allein ein solches einseitiges Verständnis auf seiner Seite führt einer aber nicht zu einer übereinstimmenden, vom Wortlaut abweichenden Regelung.

(2) Auch die übrigen, von der Klägerin angeführten Gründe vermögen den Senat – weder für sich genommen noch in der Gesamtwürdigung – nicht von einem anderen Verständnis der Formulierung zu überzeugen.

(a) Zunächst ist nicht ersichtlich, welches Interesse die Beklagte hätte haben sollen, dauerhaft keinen Gewinn machen zu dürfen, zumal sie aufgrund der Exklusivitätsklausel in § 4 der Kooperationsvereinbarung in der Möglichkeit, neue Abnehmer zu finden, äußerst eingeschränkt war. Sie hätte dann, wenn sie keinen Gewinn hätte machen dürfen, auch kein selbständiges Unternehmen werden müssen (was unstreitig langfristig geplant war), sondern hätte als unselbständige Sparte der Klägerin tätig werden können. Es liegt eher nahe, dass die Klägerin zwar insbesondere am Anfang Vorteile beim Einkauf haben sollte, um ihren Beitrag für die Beklagte „vergütet“ zu bekommen, dass aber dann, wenn die Beklagte groß bzw. selbständig genug sein würde, sie auch als selbständiges, gewinnorientiertes Unternehmen auftreten können durfte.

Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin, als sich ein Erfolg der F-Produkte abzeichnete, durch die Kooperation mit der Beklagten ebenfalls dauerhaft Vorteile hatte, weil die Klägerin die Produkte (jedenfalls zu Anfang, als die Beklagte noch kaum eigene Filialen hatte) nahezu exklusiv vertrieb und erwartungsgemäß an diesen Produkten interessierte Kunden in den Filialen der Klägerin auch sonstige Artikel kauften. Zudem konnte die Klägerin auf diese Weise eine große Kompetenz im Bereich der biologischen Lebensmittel aufbauen und sich in diesem Markt gut positionieren. Die Kooperation mit der Beklagten war für sie also Risiko und Chance zugleich, wie fast immer bei wirtschaftlichen Unternehmungen.

Hinzu kommt, dass der Beitrag der Klägerin und ihre anfängliche Risikoübernahme ihr auch durch die Rabatte (ab dem 01.01.2003 gewährte die Beklagte der Klägerin 2 %, ab dem 01.01.2007 3 % Nachlass auf den Rechnungsbetrag), die die Beklagte ihr gewährte, und durch die Bonuszahlungen (in den Jahren 1999 bis 2002 Beträge von insgesamt 485.000,- €) vergütet wurden.

Dass die Bonuszahlungen durch § 7 Abs. 3 der Kooperationsvereinbarung begründet gewesen sein sollen, geht jedenfalls aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben vom 16.1.2003 (Anlage GvW 15, Anlagenband 2) nicht hervor. Darin ist nur von einer Zahlung wegen der guten Zusammenarbeit die Rede, nicht von einer Verpflichtung der Beklagten aufgrund § 7 Abs. 3. Im Übrigen wäre auch nicht erklärlich, wieso diese Zahlungen, wenn sie nach dem Vertrag immer angefallen wären, nur in drei Jahren erfolgten und in den anderen nicht, ohne dass die Klägerin das monierte.

Es mag sein, dass die Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell der Beklagten entgegenkam, weil ihr hierdurch die Errichtung ihrer eigenen Bio-Märkte erleichtert wurde. Diese Umstellung war aber in der Kooperationsvereinbarung von Anfang an als Ziel festgelegt und kein späteres, besonderes Entgegenkommen der Klägerin. Der Vertrag war darauf angelegt, dass die Beklagte immer selbständiger werden sollte, was dafür spricht, dass sie dann auch ihre Preise in Grenzen frei kalkulieren können durfte.

(b) Dass die Beklagte teilweise nach dem Vorbringen der Klägerin von Investitionskostenbeitrag statt von Gewinn gesprochen hat, sieht der Senat nicht als verschleiernd an, denn wenn nur Gewinn ausgewiesen wird, gibt es nicht gleichzeitig einen Investitionskostenbeitrag. Auch nach der Diktion der Klägerin (Berufungsbegründung, S. 22, Bl. 729) sind der Gewinn der Beklagten und der Investitionskostenbeitrag der Klägerin wirtschaftlich das Gleiche.

(c) Über die Frage, ob und wie Preisverhandlungen erfolgt sind oder nicht, musste nicht Beweis erhoben werden, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt.

Wenn die Klägerin, wie sie vorträgt, der Beklagten uneingeschränkt vertraut hat, dann kann dieses Vertrauen auch der Grund dafür gewesen sein, dass keine Preisverhandlungen wie mit anderen Handelspartnern geführt wurden, weil man davon ausging, dass die Beklagte die Preise auch für die Klägerin angemessen kalkulieren würde. Außerdem hat die Klägerin, wie dargelegt, Bonuszahlungen und Rabatte erhalten.

(d) Es ist nicht zutreffend, dass die Klägerin bei dem von der Beklagten vertretenen Verständnis des Kooperationsvertrages, das vom Senat geteilt wird, einer deutlichen Erhöhung der Vergütung nur in Folge der Umstellung der Einkaufsorganisation hätte zustimmen müssen und das unverständlich erscheint.

Es erscheint vielmehr durchaus möglich, dass mit der Umstellung im Jahr 1990 gar keine so deutliche Erhöhung verbunden war, sondern von der Beklagten lediglich etwas anders kalkuliert wurde. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass allein die Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell nicht zu Preiserhöhungen geführt habe (Schriftsatz vom 29.04.2016, Bl. 338). Zudem wäre bei der Klägerin eine erhebliche, unverhältnismäßige Preiserhöhung seit 1990 nicht unbemerkt geblieben und hätte die Klägerin daran Anstoß nehmen können.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte in ihrer Preisgestaltung völlig frei gewesen wäre. Sie musste sich vielmehr sehr wohl nach den Marktpreisen richten, denn die Klägerin traf nach dem Kooperationsvertrag keine Abnahmepflicht und wenn sie die Preise der Beklagten nicht akzeptiert hätte (wovon bei völlig überzogenen Preisen sicher auszugehen gewesen wäre), dann hätte die Beklagte, die an die Exklusivitätsregelung des § 4 gebunden war, ihre Produkte nicht ohne weiteres anderweitig verkaufen können.

(e) Auch die einverständliche Aufhebung des § 7 Abs. 2 der Kooperationsvereinbarung im Jahr 2010 (Anlagen GMW 4, Anlagenband 1) spricht für das von der Beklagten vertretene und vom Senat geteilte Verständnis der Kooperationsvereinbarung. Auch wenn § 7 Abs. 2 nicht die Höhe der von der Klägerin an die Beklagte zu zahlenden Gegenleistung betrifft, betrifft er aber die Preise und kann sich auf den Gewinn der Klägerin auswirken. Wenn die Klägerin infolge der Aufhebung der genannten Regelung von der Notwendigkeit einer Preisabsprache mit der Beklagten befreit wird, somit ihre Kalkulation und Preise frei gestalten, höhere Gewinne erwirtschaften bzw. Einfluss auf den Absatz nehmen kann, dann spricht das dafür, dass die Parteien durch die „gelebte Praxis“ und die Kündigung von § 7 Abs. 2 der Beklagten ebenfalls mehr Freiheit und Selbständigkeit in Bezug auf ihre Preiskalkulation gegenüber der Klägerin zubilligen wollten.

Das Verhältnis hat sich durch die einvernehmlich geänderte und gelebte Verfahrensweise einem „normalen“ Verhältnis zwischen selbständigen Unternehmen angenähert und sich von der engen Kooperation, die die Geschäftsbeziehung zu Beginn geprägt hat, entfernt.

Dass die Parteien bei Aufhebung des § 7 Abs. 2 im Jahr 2010 die übrige Kooperationsvereinbarung ausdrücklich bestätigt haben, spricht auch nicht gegen eine Zäsur im Jahr 1990 mit der Umstellung auf das Zwischenhändler-Modell. Die Parteien können nach 20 Jahren der unproblematischen Zusammenarbeit nach der Zäsur auch einfach davon ausgegangen sein, dass es keiner Korrektur des Vertrages bedurfte, wofür das Absehen einer Neuregelung im Mai 2010 spricht.

(f) Zuletzt ist unwahrscheinlich, dass die Klägerin, wie sie behauptet, tatsächlich erst durch die E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 17.02.2014 erfuhr, dass die Beklagte ab 1990 eine Gewinnmarge berechnete.

Unstreitig veröffentlichte die Beklagte Bilanzen, die jedenfalls der Gründer der Klägerin bis 2007 auch regelmäßig einsah und aus denen sich der erzielte Gewinn der Beklagten ergab.

b) Aus den genannten Gründen steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Rückerstattung der behaupteten Überzahlung aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Kooperationsvertrag zu. Es fehlt an einer Pflichtwidrigkeit der Beklagten, da die von ihr gestellten Rechnungen auf der Grundlage des einvernehmlich geänderten Vergütungsmodus‘ zu den Bedingungen der Preislisten erfolgt sind und somit Rechnungstellung und Bezahlung vertragsgemäß waren. Die Klägerin hat nicht zur Überzeugung des Senats bewiesen, dass die Beklagte nach dem Kooperationsvertrag nur ihre Einkaufspreise zuzüglich Kosten hätte abrechnen dürfen und deswegen die von ihr vorgenommene Preiskalkulation unter Berücksichtigung eines Gewinnanteils vertragswidrig war.

2. Die Erledigung des ursprünglichen Klageantrages zu 2) (Unterlassungsantrag) war nicht festzustellen, weil der Antrag von Anfang an unbegründet und damit abzuweisen war. Die Beklagte war nicht zur geforderten Unterlassung der Belieferung anderer Kunden verpflichtet, weil ihre außerordentliche Kündigung des Kooperationsvertrages vom 18.11.2014 wirksam war.

a) Nach § 8 Abs. 2 des Kooperationsvertrages war eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt, wenn wesentliche Grundlagen des Vertrages auf Dauer missachtet werden. Daneben stand die nicht abdingbare Kündigungsmöglichkeit nach § 314 BGB, wonach ein wichtiger Grund erforderlich ist, auf Grund dessen dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

b) Dabei ist nicht entscheidend, ob die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben vom 18.11.2014 alle Kündigungsgründe vollständig angegeben hat. Die Kündigung bedarf gar keiner Begründung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Auflage, § 314 Rdnr. 10) und auch das Nachschieben von Kündigungsgründen ist möglich, wenn diese im Zeitpunkt der Kündigung schon vorlagen (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Auflage, § 314 Rdnr. 7 und 10).

c) Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass aufgrund der Gesamtsituation der Beklagten ein Festhalten an dem Kooperationsvertrag bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist am 31.12.2016 nicht mehr zumutbar war.

Zu dieser Gesamtsituation, die für die Beklagte nicht haltbar war, gehörten die Kürzungen der Rechnungen durch die Klägerin, die zu Außenständen von nahezu 2 Millionen EUR vor Ausspruch der Kündigung geführt haben, die Ankündigung weiterer Rückforderungen, die Auslistung von Produkten der Beklagten bei Fortgeltung der Exklusivbindung der Beklagten und die Einführung der Marke X-Bio, die damit einherging, dass die Klägerin an Lieferanten der Beklagten herantrat und gleichzeitig von der Beklagten die Offenlegung der Einkaufspreise verlangte. Der Senat sieht aus den oben genannten Gründen in Übereinstimmung mit dem Landgericht (S. 15 f des Urteils) die vorgenommene und angekündigte weitere Kürzung der Rechnungsbeträge als vertragswidriges Verhalten der Klägerin an, das die Klägerin auch im Rahmen der Suche nach einer einvernehmlichen Lösung nie zur Disposition gestellt hat. Es handelte sich damit bei der der Kündigung vorausgehenden Situation auch nicht nur um Meinungsverschiedenheiten, vielmehr war der Schluss auf ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis gerechtfertigt.

aa) Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit der Beklagten die Einführung von XBio schneller und weitreichender umgesetzt hat als ursprünglich geplant. Ersichtlich gab es hierzu aber eine Strategie und die Einführung der Eigenmarkte wurde bereits vor der Kündigung angekündigt und eingeleitet. In Anbetracht dessen, dass einer solchen Einführung längere Überlegungen vorausgehen, bedeutet das, dass die Klägerin sich schon seit längerem mit dem Gedanken der Einführung einer Eigenmarke getragen haben muss. Die Domain XBio wurde von der Klägerin am 05.11.2014 angemeldet (Anlage GvW 42, Bl. 435), die Anmeldung der Wort-Bildmarken erfolgte am 19.11.2014 (Anlage GvW 43, Bl. 441 ff.), auch die Entwicklung dieser Wortbildmarke muss längere Zeit zuvor vorbereitet worden sein.

Auch wenn zunächst nur sieben Produkte ausgelistet und durch Produkte der Marke XBio ersetzt werden sollten (E-Mail der Klägerin vom 10.11.2014, Anlage GvW 22, Anlagenband 2), wurde damit aber nach Ansicht des Senats das Prinzip des Kooperationsvertrages teilweise ausgehebelt. Zwar war es der Klägerin vertraglich nicht ausdrücklich verboten, andere Bio-Produkte anzubieten, allerdings war nach dem Vertrag klar, dass sie dem Vollsortiment der Beklagten keine massive Konkurrenz, noch dazu durch eine Eigenmarke, machen darf, denn die Beklagte konnte nach § 4 des Kooperationsvertrages nur eingeschränkt auf andere Vertriebskanäle ausweichen (und vor allem nur mit Zustimmung der Klägerin!) und war insofern teilweise auf die Klägerin angewiesen. Das Anbieten einer Bio-Eigenmarke durch die Klägerin stellte daher durchaus eine Abkehr von dem bisherigen Vertriebsmodell zwischen den Parteien dar. Auch mit der Auslistung/dem Ersatz von nur sieben Produkten war der Wechsel in der Angebotspalette für Kunden erkennbar und konnte er zu einer generellen Umorientierung der Kunden zu den X-Bio-Produkten führen, insbesondere falls diese von den Konsumenten als besser oder billiger wahrgenommen werden würden.

Dass die Klägerin auch zuvor schon andere Bio-Produkte führte, bedeutet diesbezüglich nichts anderes. Zunächst handelte es sich hierbei nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nur um einen „geringeren Umfang“ (Schriftsatz vom 16.11.2015, Bl. 150). Des Weiteren müssen dies nicht zwingend Produkte gleicher Art wie die der Beklagten gewesen sein. Diese Produkte wurden zudem in Konkurrenz zu denen der Beklagten angeboten, nicht aber dafür (ähnliche oder gleiche) Produkte der Beklagten ausgelistet. Mit Einführung von X-Bio wurden die Produkte aber nicht mehr nur nebeneinander angeboten, sondern die Produkte der Beklagten ausgelistet. Damit wurde der Beklagten ein entscheidender Vertriebskanal für diese Produkte (1/3 ihres Umsatzes machte die Beklagte mit der Klägerin) genommen.

Die Auslistung der Produkte der Beklagten hat auch nicht deshalb weniger Gewicht, weil sie nicht auf eine völlige Vernichtung der Beklagten gerichtet war. Es ist zwar richtig, dass die Klägerin die Produkte der Beklagten sämtlich hätte auslisten können, wenn sie die Beklagte hätte vernichten wollen, allerdings hätte sie sich dann selbst eindeutig vertragswidrig verhalten und außerdem wären ihr selbst dann auch erheblicher Umsatz und Gewinn entgangen. Sie konnte daran also kein Interesse haben bzw. dieses Vorgehen wäre für sie selbst auch sehr riskant gewesen. Die Bedrohlichkeit der Situation für die Beklagte wird dadurch nicht erheblich vermindert.

bb) Auch wenn die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben nicht ausdrücklich die Einführung von XBio erwähnt hat, hatte sie – z. B. im Schreiben vom 11.11.2014 (Anlage GMW 10, Anlagenband 1) – zuvor schon hierauf Bezug genommen.

Ferner hatte die Beklagte in dem genannten Schreiben beanstandet, dass die Klägerin seit Wochen massiv an die Hersteller der F-Produkte herantrete, um sie für die Herstellung der X-Eigenmarke zu gewinnen und ihnen dabei die Auslistung der F-Produkte bereits ankündige (Anlage GMW 10, Anlagenband 1).

Es ist zwar zutreffend, dass die Beklagte kein alleiniges Bezugsrecht von ihren Lieferanten hatte. Es ist aber durchaus ein bedrohliches Szenario und ein Vertrauensbruch, wenn der Hauptvertragspartner (1/3 des Umsatzes) bei einer überschaubaren Anzahl von Lieferanten (vgl. Geschäftsführung der Klägerin in der M vom XX.XX.2014, Anlage GvW 23, Anlagenband 2) die eigenen Lieferanten anspricht, um diese für die Belieferung einer neuen konkurrierenden Biomarke zu gewinnen, bei deren Ausbau die Produkte der Beklagten ausgelistet werden, zumal die Beklagte weiterhin nicht unbeschränkt an andere Abnehmer liefern durfte.

cc) Die Beklagte durfte das Schreiben der Klägerin vom 30.06.2014 (Anlage GMW 8, Anlagenband 1) auch als ultimative Aufforderung verstehen.

Mit diesem Schreiben machte die Klägerin für den Abrechnungszeitraum der Geschäftsjahre 2011 bis Juli 2014 eine Überzahlung von 21.244.709,- € gegenüber der Beklagten geltend. Sie schrieb: „Wir erwarten bis zum 31.07.2014 Ihren Vorschlag für die Regulierung. Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass sich bei Anwendung der in der Kooperationsvereinbarung vereinbarten reinen Aufwandsvergütung ein deutlich höherer Differenzbetrag zur Regulierung ergäbe. Ausdrücklich behalten wir uns vor, auch Differenzbeträge aus vorvergangenen Geschäftsjahren geltend zu machen.“ Außerdem wurde mitgeteilt, dass Rechnungen nur noch unter Vorbehalt gezahlt würden. Die „Vorgehensweise für die Zukunft“ sah eine festgelegte Handelsspanne fest, die durch Rückerstattungen auch eingehalten werden musste und eine Überprüfung der „Angemessenheit der Leistungen“ durch die Klägerin und eine „degressive, maximal konstante Entwicklung“.

Mit diesem Schreiben wurde durchaus eine bedrohliche Situation in Aussicht gestellt, denn es wurden 21 Millionen EUR binnen einen Monats gefordert und (erheblich) höhere Rückforderungen in den Raum gestellt. Außerdem wurde die Zahlung von Rechnungen unter Vorbehalt angekündigt und für die Zukunft eine für die Beklagte uninteressante Vorgehensweise als einzig akzeptable angekündigt, die bedeutete, dass der Beklagten jede Möglichkeit der Gewinnsteigerung genommen worden wäre und ihr Gewinn ständig von der Klägerin hätte überprüft werden können. Dies kombiniert mit der Exklusivitätsvereinbarung in § 4 der Kooperationsvereinbarung, die die Beklagte daran hinderte, unbeschränkt an andere zu liefern, hätte für die Beklagte bedeutet, dauerhaft in ihrem Wachstum gehemmt zu sein.

dd) Dass die Beklagte nicht in eine wirtschaftlich schlechte Situation geriet, macht ihre Kündigung nicht unwirksam. Es war der Beklagten insbesondere nicht zumutbar, mit einer Kündigung bis zum Eintritt ernsthafter wirtschaftlicher Konsequenzen durch die zu befürchtende weitere Auslistung ihrer Produkte aus den klägerischen Filialen zu warten. Die Auslistung aller Produkte hätte – wie dargelegt – zu einem Rückgang von 1/3 des Umsatzes der Beklagten geführt, bei gleichzeitiger Weitergeltung der Exklusivitätsvereinbarung, also mit nur sehr geringer Kompensationsmöglichkeit der Beklagten. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagten die sofortige Lösung von der vertraglichen Bindung möglich sein, um sich neue Vertriebswege suchen und auf weitere Auslistungen reagieren zu können.

ee) Aus dem Schreiben der Beklagten vom 19.11.2014 (Anlage GMW 15, Anlagenband 1) und den Ausführungen im Lagebericht zum Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2013/2014 vom 15.12.2014 (Schriftsatz der Klägerin vom 16.11.2015, Bl. 149, Anlage GMW 25, Bl. 166 ff.) kann nicht geschlossen werden, dass die Situation von der Beklagten nicht als bedrohlich empfunden wurde bzw., dass sie aus eigennützigen Gründen kündigte.

In dem Schreiben vom 19.11.2014 teilte die Beklagte ihren Lieferanten mit: „Aufgrund der aktuellen Situation hat F sich entschieden, diese Vereinbarung zu beenden, um das Unternehmen F weiterzuentwickeln und neue Wege gehen zu können“. Das Schreiben bezieht sich auf die Berichterstattung in der O vom XX.XX.2014 und in der M vom XX.XX.2014 (Anlage GvW 23, Anlagenband 2), in der die mit der Einführung der Marke X-Bio verbundenen Konsequenzen ausführlich unter Betonung der „Preisführerschaft“ der Klägerin, die „sich ihrer Stärke als Marktführer sehr bewusst sei und gegenüber der Industrie höhere Forderungen stelle“ behandelt werden (O vom XX.XX.2014). Das auf diese Berichterstattung, in der auch als denkbar angesehen wird, dass die Klägerin ihre „Eigenmarke preislich unter F platziere“, Bezug nehmende Schreiben stellt sich somit als Reaktion auf das in der einschlägigen Presse diskutierte geänderte Auftreten der Klägerin am Markt dar. Insofern ist es naheliegend, dass die Beklagte ihren Lieferanten gegenüber die Situation positiv darstellen und sich nicht als „getriebenes“ oder wirtschaftlich geschwächtes Unternehmen präsentieren wollte.

Das Gleiche gilt für den Lagebericht der Beklagten vom 15.12.2014 zum Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2013/2014 (Anlage GMW 25, Bl. 166), in dem sie angab: „Unser Handelspartner X Deutschland hat angekündigt, im Jahr 2015 eine Bio-Lebensmittel-Eigenmarke zusätzlich zu unseren F Produkten neu anzubieten. Daraus entsteht das Risiko eines sinkenden Umsatzes mit diesem Handelspartner. Gleichzeitig bietet diese Entwicklung aber auch die Chance, die möglicherweise reduzierten Umsätze mit X Deutschland, durch neue Handelspartner zu kompensieren oder gar über zu kompensieren.“ Dies bedeutet nicht, dass die Beklagte die Kündigung als für sich wirtschaftlich vorteilhaft angesehen oder sich nicht in ihrer wirtschaftliche Existenz bedroht gesehen hätte, sondern der Bericht enthält nur die Darstellung der aufgrund der Kündigung geänderten Situation und die sich daraus ergebenden Risiken und Chancen, wobei letztere naturgemäß zur Außendarstellung betont wurden, um sich als handlungsfähiges Unternehmen zu präsentieren.

ff) Zuletzt spricht auch die Ankündigung der Beklagten gegenüber der Klägerin vor der Kündigung, dass in Zukunft Schwierigkeiten bei der Belieferung der Klägerin nicht auszuschließen seien, nicht gegen die dargelegten Kündigungsgründe. Zum einen können derartige Lieferschwierigkeiten im Raum gestanden haben, weil die Beklagte infolge der durch die Klägerin gekürzten Rechnungen geringere Einnahmen erzielt hatte. Zum anderen kann die Beklagte Lieferschwierigkeiten in Aussicht gestellt haben, um die Klägerin zur Zahlung zu bewegen. Beides ließe den wichtigen Grund für die Kündigung nicht entfallen.

Insgesamt erachtet der Senat in der Gesamtschau der vorgenannten Gründe in Übereinstimmung mit dem Landgericht die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für die Beklagte als unzumutbar.

Eine Fortsetzung der vertraglichen Geschäftsbeziehung unter den aufgeführten, von der Klägerin geschaffenen Umständen hätte bedeutet, dass die Beklagte weiterhin aufgrund der Exklusivbindung in § 4 des Kooperationsvertrags außerhalb ihrer eigenen Filialen keine anderen Vertriebswege ohne Zustimmung der Klägerin hätte aufbauen können, während gleichzeitig die Klägerin die Produkte der Beklagten nach Belieben aus ihren Filialen hätte auslisten und durch Produkte anderer Hersteller ersetzen und der Beklagten damit den Marktzugang erheblich erschweren können. Damit wäre bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dessen fristgerechter Beendigung die Beklagte in eine einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von der Klägerin geraten, die der Senat als nicht vom Wesen der bisherigen Zusammenarbeit der Parteien gedeckt und der Beklagten als nicht zumutbar erachtet.

d) Die Kündigungsfrist des § 314 Abs. 3 BGB hat die Beklagte mit ihrer Kündigung vom 18.11.2014 gewahrt. So hat der eingesteuerte Rabatt im November 2014 noch angedauert und die Parteien haben bis zu diesem Zeitpunkt noch Verhandlungen hinsichtlich einer zukünftigen Zusammenarbeit geführt. Die Einführung von X-Bio und die Auslistung von Waren der Beklagten wurden der Beklagten erst im November 2014 bekannt.

Auch hatte die Beklagte die Klägerin mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 11.11.2014 (Anlage GMW 10, Anlagenband 1), abgemahnt und die außerordentliche Vertragsbeendigung bei fortbestehendem vertragswidrigem Verhalten der Klägerin angekündigt.

3. Da die außerordentliche Kündigung der Beklagten wirksam war, ist der Feststellungsantrag als Klageantrag zu 3) ebenfalls unbegründet, unabhängig von seiner Zulässigkeit.

4. Auch hinsichtlich der Widerklage ist die Berufung unbegründet.

a) Wie oben ausgeführt, war die Abrechnungsweise der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht zu beanstanden, so dass diese die in Rechnung gestellten Beträge schuldete und zu Unrecht ab dem 07.08.2014 einen Betrag in Höhe von 2.345.432,76 € zurückhielt.

b) Der Klägerin stand und steht auch kein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf eine von der Beklagten zu erteilende Auskunft zu. In § 5 des Kooperationsvertrages ist eine Auskunftspflicht der Beklagten jedenfalls nicht ausdrücklich geregelt, ebenso wenig wie an anderer Stelle des Kooperationsvertrages. Die Klägerin hat auch über Jahre hinweg unstreitig keine Auskunft verlangt.

Allein der Umstand, dass die Beklagte im Rahmen der Gespräche über die Fortsetzung der Zusammenarbeit anlässlich der Krise im Herbst 2013 Auskunft erteilt hat, unter anderem mit dem Tortendiagramm (Anlage GMW 7, Anlagenband 1), kann nicht dahingehend verstanden werden, dass auch sie von einem Auskunftsanspruch der Klägerin ausging und bedeutet schon gar kein rechtliches Anerkenntnis (das als ein solches nach §§ 780, 781 BGB auch der Schriftform bedurft hätte) eines solchen.

c) Der Zinsanspruch der Beklagten auf den einbehaltenen Betrag ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges der Klägerin aus §§ 286 Abs. 1. Satz 1, 288 Abs. 2 BGB.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; das Rechtsmittel der Klägerin war erfolglos.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat hat die beanstandete, unterlassene Beweisaufnahme durchgeführt. Bei der Entscheidung handelt es sich ansonsten um eine Einzelfallentscheidung aufgrund tatrichterlicher Beweiswürdigung.

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