Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 11.01.2019 Az.: 8 U 8/18 Ordnungsgemäße Aufklärung einer Patientin über gleichwertige Behandlungsalternativen

März 14, 2019

Oberlandesgericht Frankfurt am Main — Urt. v. 11.01.2019
Az.: 8 U 8/18
Ordnungsgemäße Aufklärung einer Patientin über gleichwertige Behandlungsalternativen

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hanau – 04.12.2017 – AZ: 4 O 550/16
OLG Frankfurt am Main, 11.01.2019 – 8 U 8/18
Leitsatz:

Eine Aufklärung einer Patientin über gleichwertige Behandlungsalternativen ist u. a. dann entbehrlich, wenn die Patientin deshalb nicht aufklärungsbedürftig ist, weil sie schon im Bilde ist.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Dezember 2017 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hanau wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten unter dem Gesichtspunkt fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung sowie nicht ordnungsgemäßer Aufklärung auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin ist gesetzlich krankenversichert und verfügt über eine Zahnzusatzversicherung.

Sie befand sich bei der Zahnarztpraxis X in Behandlung und wurde dort von Y betreut (nachfolgend: Hauszahnarzt).

Am 6. April 2012 begab sich die Klägerin das erste Mal in die von den Beklagten betriebene Gemeinschaftspraxis. Es handelte sich dabei um einen Notfall. Die Klägerin verspürte nach einer Behandlung durch ihren Hauszahnarzt im Oberkiefer Schmerzen und eine beginnende Schwellung.

Die Behandlung in der Praxis der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt und auch später im Wesentlichen von einer dort damals angestellten Zahnärztin – der Zeugin B – vorgenommen.

Im Rahmen der Untersuchung wurde festgestellt, dass der Zahn 14 unter der darauf befindlichen Krone weggefault war und dass der Zahn 25 eine Lockerung und eine 5 mm tiefe Tasche aufwies. Weiter wurde bei der Klägerin eine starke Parodontitis mit erheblichem Knochenabbau in der regio 15 festgestellt. Die Sondierungstiefe an Zahn 15 betrug 10 mm. Aufgrund der Diagnosen wurden der Wurzelrest von Zahn 14 und der Zahn 15 extrahiert. Die Klägerin wurde zur Weiterbehandlung und Kontrolle an ihren Hauszahnarzt verwiesen.

Am 8. Mai 2012 stellte sich die Klägerin erneut in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten vor, um dort weiterbehandelt zu werden. Bei der Untersuchung wurde festgestellt, dass der Oberkiefer der Klägerin sanierungsbedürftig war.

In der Folgezeit wurde bei der Klägerin eine Parodontitisbehandlung vorgenommen sowie die Planung und Vorbereitung einer Oberkieferprothese begonnen.

Am 14. November 2012 teilte die Klägerin der Zeugin B mit, dass ihr Hauszahnarzt den Zahn 13 gezogen habe.

Nachdem ein eingegliedertes Langzeitprovisorium mehrfach gebrochen war, wurde am 8. Mai 2013 in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten bei der Klägerin Bruximus (Zähnepressen) festgestellt.

Am 14. Mai 2013 setzte die Zeugin B bei der Klägerin in regio 13 ein Implantat ein. Dieses Implantat im linken Oberkiefer sowie die Zähne 21 bis 23 im rechten Oberkiefer dienten dabei als Pfeiler für die bei der Klägerin sodann am 11. Oktober 2013 von der Zeugin B eingesetzte gaumenfreien Teleskop-Prothese. Die im Bereich der Zähne 21 bis 23 von dem Hauszahnarzt schon vorher eingebrachten Stifte wurden wegen des Risikos der Restzahnzerstörung bei Entfernung belassen.

Der Verlauf war zunächst unauffällig.

Am 20. Februar 2014 teilte die Klägerin der Zeugin B mit, dass sie morgens mit einem dicken Gesicht aufgewacht sei. Vor allem die Wange sei stark geschwollen.

Nachdem sich die Beschwerden nicht besserten, äußerte die Zeugin B am 6. März 2014 den Verdacht auf eine Kiefergelenksfehlfunktion durch Bruximus nachts und tags. Der Klägerin wurde eine sog. Knirscherschiene verschrieben und angepasst, die sie zur Entlastung tragen sollte. Hierdurch verbesserten sich die Beschwerden binnen weniger Wochen.

Am 23. Oktober 2014 stellte die Zeugin B eine Lockerung der Zähne 21 bis 23 fest.

Am 27. Juli 2015 zeigte sich, dass der Zahn 23 wegen erheblicher Aufweichung und Bildung von Karies unter dem zur Stabilisierung des Zahnes gesetzten Stift nicht mehr zu erhalten war.

Die Beklagten stellten der Klägerin für die Behandlung insgesamt € 7.385,70 in Rechnung, die bezahlt wurden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. November 2015 (Bl. 58 ff. d. A.) machte die Klägerin gegenüber den Beklagten geltend, dass die Prothese nicht dauerhaft gehalten habe, weil sich bei den eingebrachten Implantaten die Stifte immer wieder gelöst hätten und herausgefallen seien. Mehrere Nachbesserungsversuche, die Stifte wieder einzukleben, hätten keinen Erfolg erbracht. Infolgedessen hätten zwischenzeitlich sämtliche Implantate durch einen nachbehandelnden Arzt wieder entfernt werden müssen. Vor diesem Hintergrund bestehe der Verdacht einer zahnärztlichen Fehlbehandlung. Die Klägerin forderte die Beklagten zur Übersendung der kompletten Patientendokumentation auf. Gleichzeitig kündigte sie Schadens- und Schmerzensgeldforderungen an und verlangte von den Beklagten Rückzahlung des Behandlungshonorars.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. November 2015 (Bl. 64 d. A.) übersandten die Beklagten der Klägerin die angeforderten Unterlagen. Gleichzeitig wiesen sie deren Forderungen als unbegründet zurück.

Die Klägerin machte mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Januar 2016 gegenüber den Beklagten ergänzend geltend, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein. Sie forderte von den Beklagten Rückzahlung des Honorars in Höhe von € 7.385,70, ein Schmerzensgeld von mindestens € 10.000,00 und Ersatz der Kosten für eine neue Oberkieferversorgung von voraussichtlich € 15.000,00 (Bl. 62 f. d. A.).

Unter dem 5. Februar 2016 erstellte der Hauszahnarzt der Klägerin eine „prothetischen Behandlungsplanung und Kostenaufstellung“, die eine Entfernung der in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten vorgenommenen prothetischen Arbeiten und die Herstellung einer neuen Prothese vorsah (Bl. 117 f. d. A.).

Die Klägerin hat behauptet, dass die zahnärztliche Behandlung in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten nicht dem fachärztlichen Standard entsprochen habe. Die Beklagten bzw. Frau B hätten es versäumt, vorab Knochenqualität und -dichte festzustellen. Das Implantat in regio 13 sei mangels hinreichender Knochendichte nicht stabil gewesen. Die Teleskopkronen an den Zähnen 21 bis 23 seien nicht fachgerecht hergestellt oder eingegliedert worden. Letztendlich sei die Art und Weise der Befestigung der Prothesen von vornherein ungeeignet gewesen. Die Leistungen der Beklagten und der Zeugin B seien für die Klägerin komplett unbrauchbar. Infolge der als grob anzusehenden Behandlungsfehler sei es bei der Klägerin zu einer Bissfehlstellung mit starken Zungen- und Kiefergelenkschmerzen sowie Kaubeschwerden gekommen. Es werde eine langfristige und schmerzhafte Nachbehandlung notwendig sein, welche mit Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme verbunden sei. Die Beklagten und die Zeugin B hätten die Klägerin nicht ordnungsgemäß über die Chancen und Risiken der Behandlung und die Vor- und Nachteile alternativer Behandlungsmethoden aufgeklärt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung bzw. prothetischen Versorgung in 2013 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird; mindestens jedoch € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung,
2.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, € 7.385,37 an die Klägerin nebst Zinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 2.368,10 an die Klägerin nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
4.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung gemäß Ziffer 1 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zudem haben die Beklagten erstinstanzlich widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner einen Betrag von € 1.809,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2016 zu zahlen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass alleinige Ursache der behaupteten Probleme das eigene Verhalten der Klägerin sei. Diese habe es an der ausreichenden Mundhygiene mangeln lassen, die Interimsversorgung nicht konsequent getragen und zahlreiche Termine abgesagt. Hätte die Klägerin die ihr erteilten Hinweise und Anweisungen beachtet und alle angebotenen Termine wahrgenommen, wäre es – so die Beklagten weiter – nicht zum Verlust von weiteren Pfeilerzähnen und damit zur behaupteten Unbrauchbarkeit der Versorgung gekommen. Die Klägerin sei zum Ausgleich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Beklagten in Höhe von € 1.809,75 verpflichtet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (Bl. 132 ff. d. A.), das der Sachverständige A in der öffentlichen Sitzung vom 4. Dezember 2017 mündlich erläutert hat, sowie der informatorischen Anhörung der Klägerin die Klage sowie die Widerklage mit dem angegriffenen Urteil vom 4. Dezember 2017 abgewiesen (B. 184 ff. d. A.).

Zur Begründung hat das Landgericht unter anderem ausgeführt, dass es sich nicht feststellen lasse, dass den Beklagten oder der Zeugin B bei der Behandlung ein vorwerfbarer Fehler unterlaufen wäre. Darüber hinaus hätten die Beklagten und die Zeugin B die Klägerin auch nicht unzureichend über die Chancen und Risiken der Behandlung sowie die Vor- und Nachteile von alternativen Behandlungsmethoden aufgeklärt.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen (Bl. 184 ff. d. A.)

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 21. Dezember 2017 (Bl. 201 d. A.) zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem hier per Fax am 12. Januar 2018 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 205 f. d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. März 2018 (Bl. 215 d. A.) mit Anwaltsschriftsatz vom 20. März 2018, der hier per Fax am 21. März 2018 eingegangen ist (Bl. 216 ff. d. A.), begründet.

Mit der Berufung beanstandet die Klägerin zuvörderst die Einschätzung des Landgerichts, dass sich eine Aufklärungspflichtverletzung nicht nachweisen lasse. Die Klägerin wendet insoweit ein, sie sei nicht über die „bessere“ prothetische Versorgung mittels Implantaten und der damit gegebenen Möglichkeit einer langfristig festsitzenden Prothese ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Wäre eine solche Aufklärung erfolgt, so wäre sie – so die Klägerin weiter – zumindest in einen ernsthaften Entscheidungskonflikt geraten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsbegründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 20. März 2018 Bezug genommen (Bl. 228 ff. d. A.).

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 4. Dezember 2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Hanau (Az.: 4 O 550/16),

1.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld aus der fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung bzw. prothetischen Versorgung in 2013 zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird; mindestens jedoch € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung,
2.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, € 7.385,37 an sie nebst Zinsen in Höhe von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3.

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 2.368,10 an die Klägerin nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
4.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung gemäß Ziffer 1 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 17. April 2018 Bezug genommen (B. 242 ff. d. A.).

Der Senat hat durch die Vernehmung der Zeugin B ergänzend Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 14. Dezember 2018 (Bl. 267 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Beklagten sind nicht verpflichtet, der Klägerin wegen etwaig fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung (a) und/oder wegen einer etwaigen Verletzung von Aufklärungspflichten ein Schmerzensgeld zu zahlen (b).

a. Der Klägerin ist nicht zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters (§§ 525 Satz 1, 286 Abs. 1 ZPO) der Nachweis gelungen, dass der für die Beklagten tätigen Ärztin – der Zeugin B – ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.

Hinsichtlich der von der Klägerin im ersten Rechtszug behaupteten Behandlungsfehler ist der erkennende Einzelrichter dabei gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Landgerichts gebunden, die Klägerin hätte den ihr obliegenden Beweis für ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen nicht geführt. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen, die eine erneute Feststellung gebieten, sind nicht ersichtlich und von der Klägerin in der Berufungsbegründung auch nicht aufgezeigt worden. Die Klägerin ist vielmehr in der Berufungsbegründung auf die erstinstanzlich erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe nicht mehr im Einzelnen zurückgekommen.

b. Auch unter dem Gesichtspunkt einer möglicherweise unzureichenden Aufklärung stehen der Klägerin keine Schmerzensgeldansprüche zu. Die Einwilligung der Klägerin in die Behandlungen ist hier nicht in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Aufklärung unwirksam gewesen.

Jeder (zahn-)ärztliche Eingriff bedarf der Einwilligung der Patientin. Die Einwilligung ist nur wirksam, wenn die Patientin das Wesen, die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs in seinen Grundzügen erkannt hat. Dies setzt eine diagnostisch abgesicherte Aufklärung durch die (Zahn-)Ärztin voraus, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen muss. Dabei muss die Aufklärung die im Großen und Ganzen bestehenden Risiken einer ordnungsgemäßen Behandlung zum Gegenstand haben. Die Intensität der Aufklärung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Im Allgemeinen hat eine (Zahn-)Ärztin einer Patientin nicht ungefragt zu erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere dieser Methoden spricht, solange sie eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29.06.1995 – 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. 2018, Rdnr. A 1221). Die Wahl der Behandlungsmethode ist vielmehr primär Sache der (Zahn-)Ärztin. Stehen jedoch für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen der Patientin führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, muss die Patientin – nach sachverständiger Beratung durch die (Zahn-)Ärztin – selbst prüfen können, was sie an Belastungen und Gefahren im Hinblick auf möglicherweise unterschiedliche Erfolgschancen der verschiedenen Behandlungsmethoden auf sich nehmen will (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.09.1987 – VI ZR 238/86, NJW 1988, 763, 764).

Grundsätzlich muss die (Zahn-)Ärztin im Arzthaftungsprozess darlegen und ggf. beweisen, dass sie die Patientin in genügendem Maße über die Risiken des Eingriffs informiert hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005 – VI ZR 289/03, NJW 2005, 1716, 1717; Senat, Urteil vom 29.11.2016 – 8 U 143/13, juris; Urteil vom 20.02.2018 – 8 U 78/16, MedR 2018, 486, 487). An den der (Zahn-)Ärztin obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung dürfen allerdings keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.1991 – VI ZR 369/90, NJW 1992, 741, 742; Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13, NJW 2014, 1527; Senat, Urteil vom 20.02.2018 – 8 U 78/16, MedR 2018, 486, 487).

Schließlich führen (Zahn-)Ärztinnen in aller Regel eine kaum überschaubare Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, so dass kaum zu erwarten ist, dass sie sich an jedes konkrete Aufklärungsgespräch erinnern (Ort, Umstände, genauer Inhalt). Das Gericht darf daher seine Überzeugungsbildung gem. § 286 ZPO auf die Angaben der (Zahn-)Ärztin über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn ihre Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn die (Zahn-)Ärztin erklärt, ihr sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben (s. BGH, Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13, NJW 2014, 1527, 1528; Senat, Urteil vom 20.02.2018 – 8 U 78/16, MedR 2018, 486, 487).

Nach diesen Maßstäben ist der erkennende Einzelrichter davon überzeugt, dass die Klägerin ordnungsgemäß durch die Zeugin B aufgeklärt worden ist. Insbesondere wurde die Klägerin zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters auch darüber aufgeklärt, dass durch ein Erhöhen der Anzahl der Pfeiler im hinteren Kieferbereich das Risiko des Abbrechens verringert und durch das Setzen weiterer Implantate zudem das Risiko der Hebelwirkung reduziert werden kann.

Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, dass sie die Klägerin bereits am 5. Juli 2012 über die Risiken und Folgen einer Implantation sowie alternativen Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt hat. Auf die Frage hin, ob aus ihrer Sicht bereits am 5. Juli 2012 eine Entscheidung der Patientin für eine bestimmte Art des Zahnersatzes getroffen wurde, hat die Zeugin ausgeführt, dass sie dies aus ihrer Erinnerung nach so langer Zeit nicht mehr sagen könne. Wenn sie jedoch in ihre Dokumentation blicke, dann könne sie dazu sagen, dass zum damaligen Zeitpunkt von Seiten der Patientin noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Es habe zunächst die Frage der Kostenübernahme bei der Zahnzusatzversicherung abgeklärt werden sollen.

Auf den Termin am 14. November 2012 angesprochen, gab die Zeugin an, dass zu diesem Zeitpunkt ein Beratungsgespräch stattgefunden habe. Bei diesem sei zunächst klinisch festgestellt worden, dass der Zahn 13 andernorts gezogen wurde. Dies habe eine neue Planung erforderlich gemacht, da der gezogene Zahn in der vorherigen Planung als Pfeiler eingesetzt werden sollte. Man habe aufgrund der veränderten Umstände mit der Patientin darüber gesprochen, welche Möglichkeiten für einen Zahnersatz vor diesem Hintergrund nunmehr in Betracht kommen könnten. Auch über die Kosten sei die Klägerin informiert worden. Zu einer Entscheidung der Klägerin sei es auch an diesem Tag noch nicht gekommen, da die Planung zunächst neu habe erarbeitet werden müssen. Zudem sei der Patientin der damalige Heil- und Kostenplan zu teuer gewesen.

In diesem Zusammenhang hat die Zeugin glaubhaft angegeben, dass die Patientin darüber aufgeklärt worden sei, dass ein erhöhtes Risiko für eine unzureichende Abstützung bestehe, wenn nicht zwei Implantate eingesetzt werden würden. In der vorherigen Planung – welche der Klägerin zu teuer gewesen sei – seien bereits auch zwei Implantate eingeplant worden. Nachdem der Zahn 13 nun weggefallen ist, habe dies umso mehr gegolten, gerade vor dem Hintergrund des Wunsches der Patientin, dass eine möglichst „gaumenfreie“ Lösung gefunden werden sollte.

Weiter hat die Zeugin ausgeführt, dass es am 18. März 2013 an sechs Zähnen zu der Entfernung der Kronen gekommen sei. Hinsichtlich der Zähne 21-23 seien die alten Stifte dort belassen worden. Ein Ersetzen sei natürlich besser, jedoch auch mit höheren Kosten verbunden. Auf die Tatsache, dass ein gewisses Risiko bestünde, dass die alten Stifte Probleme wie versteckten Karies bergen könnten, sei die Patientin hingewiesen und darüber aufgeklärt worden.

Am selben Tage sei die Klägerin auch darüber aufgeklärt worden, dass in ihrem Fall eine Teleskopversorgung am sinnvollsten erscheine, da diese auch erweiterbar sei und dem Wunsch nach „Gaumenfreiheit“ entspreche. Auch in diesem Termin seien noch einmal die Alternativen in Bezug auf die Teleskopversorgung angesprochen worden.

Zu dem Termin am 28. März 2013 befragt, hat die Zeugin bekundet, dass ab diesem Zeitpunkt Klarheit darüber geherrscht habe, welche Zähne erhalten werden könnten. Auf dieser Grundlage sei die endgültige Planung mit der Klägerin besprochen worden. In diesem Zusammenhang sei auch über Alternativen und Risiken, insbesondere hinsichtlich der gaumenfreien Lösung, gesprochen worden. Die Nachfrage des Klägervertreters, ob auch an diesem Tag noch einmal über die Möglichkeit des Setzens weiterer Implantate gesprochen worden sei, hat die Zeugin verneint. Dies sei bereits in den vorangegangenen Terminen als Ideallösung beschrieben worden, aus Kostengründen von der Klägerin jedoch abgelehnt worden.

Vor diesem Hintergrund ist der erkennende Einzelrichter davon überzeugt, dass die Zeugin B die Klägerin in den Aufklärungsgesprächen vom 5. Juli 2012, 14. November 2012 sowie 18. März 2013 u. a. darüber aufgeklärt hat, dass ein geringeres Risiko bestehe, wenn im hinteren Bereich zusätzliche Pfeiler eingesetzt und so eine Hebelwirkung verringert werden würde. Die Klägerin ist auch explizit darüber aufgeklärt worden, dass ein erhöhtes Risiko für eine unzureichende Abstützung bestehe, wenn nicht zwei Implantate eingesetzt werden würden.

Der Umstand, dass die Klägerin am 28. März 2013 nicht erneut darauf hingewiesen wurde, dass zusätzliche Implantate im hinteren Bereich sinnvoll für die Abstützung seien, steht der Annahme einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht entgegen, da die Klägerin – wie dargelegt – bereits bei früheren Terminen ordnungsgemäß auch und gerade zur Frage etwaiger gleichwertiger Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist.

Eine Aufklärung der Patientin über gleichwertige Behandlungsalternativen ist u. a. dann entbehrlich, wenn die Patientin deshalb nicht aufklärungsbedürftig ist, weil sie schon im Bilde ist (vgl. etwa Spickhoff, in: ders. (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 630e, Rdnr. 12; Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 630e, Rdnr. 29, jeweils m. w. N.). Was die Patientin schon weiß, darüber braucht sie keine Aufklärung mehr (s. Giesen, Arzthaftungsrecht, 4. Aufl. 1995, Rdnr. 307). So liegt es hier.

Es ist auch kein Fall gegeben, in dem eine erneute Aufklärung möglicherweise wegen einer Veränderung der äußeren Umstände erforderlich gewesen sein könnte. Im Vergleich zum Zeitpunkt der Aufklärung am 14. November 2012 hatte sich im Streitfall lediglich der Umstand geändert, dass am 28. März 2013 nunmehr der (weitere) Verlauf der Behandlung endgültig feststand. Eine erhöhte oder veränderte Risikolage bestand dadurch jedoch nicht.

Der Annahme einer hinreichenden Aufklärung der Klägerin stehen auch nicht deren Angaben im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung vor dem Landgericht entgegen. Die Klägerin hat dabei teilweise die Richtigkeit der Eintragungen in der Dokumentation der Beklagten bestätigt und im Übrigen wiederholt erklärt, dass sie sich an den genauen Inhalt des Gespräches nicht mehr erinnern könne. Aufgrund der überzeugenden und glaubhaften Ausführungen der Zeugin B, die nicht mehr in der Praxis der Beklagten tätig ist, sowie der ausführlichen Dokumentation ist der erkennende Einzelrichter des Senats davon überzeugt, dass die Klägerin durch die Zeugin B so aufgeklärt worden ist, wie sich dies aus der umfangreichen Dokumentation der Beklagten sowie den Bekundungen dieser Zeugin ergibt.

2. Vor diesem Hintergrund steht der Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückerstattung des Honorareigenanteils in Höhe von € 7.385,37 zu. Ebenso wenig hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Auch das Feststellungsbegehren der Klägerin muss ohne Erfolg bleiben.

3. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die im Berufungsrechtzug entstandenen Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO.

4. Gründe, die Revision zuzulassen (§543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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