OLG Frankfurt am Main, 06.12.2018 – 3 U 45/18

März 14, 2019

OLG Frankfurt am Main, 06.12.2018 – 3 U 45/18
Orientierungssatz:

Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann nur dann durch Teilurteil entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
Tenor:

Das am 18.01.2018 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden – Az.: 3 O 118/11 – wird samt des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben und an die 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden, die auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens zu entscheiden haben wird, zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des angefochtenen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe dieses Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Geschäftsversicherung.

Der Kläger ist Zahnarzt und betreibt in der Straße1 in Stadt1 eine zahnärztliche Praxis. Zwischen den Parteien besteht eine Geschäftsversicherung, die auch das Risiko der Betriebsunterbrechung wegen eines Leitungswasserschadens abdeckt, samt Inhaltsversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein nebst den vereinbarten Versicherungsbedingungen (Anlagen Nr. 1 und 2, Bl. 9-42 d.A.) verwiesen. Am 13.09.2010 wurde in den Praxisräumen ein Leitungswasserschaden festgestellt, infolgedessen in erheblichem Umfang Wände durchfeuchtet worden sind, insbesondere im Bereich der Außenwand links vom Fenster des Sterilisationsraumes und der angrenzenden Innenwand. Am 04.10.2010 wurde durch die Zeugin A eine deutliche Schimmelbildung festgestellt und eine Trocknung mit Kondenstrocknern empfohlen. Die von der Zahnärztekammer Hessen beauftragte Firma X stellte klar, dass eine ordnungsgemäße Aufbereitung chirurgisch benutzter Geräte aufgrund der Gefahr einer Rekontamination nicht gegeben sei.

Der Kläger hat behauptet, dass zur Schadensbeseitigung umfangreiche Arbeiten erforderlich gewesen seien. Das gesamte Inventar im Sterilisationsraum und im dritten Behandlungszimmer sei komplett abgerissen und entsorgt worden, die Jalousiekästen seien ausgestemmt worden, die Verkleidung eines Revisionsschachts und ein Teil der Decke seien abgetragen und erneuert worden. Wegen der Nichtnutzbarkeit des Sterilisationsraumes habe der Praxisbetrieb bis zum 02.04.2011 unterbrochen werden müssen. Den Sachschaden hat der Kläger ausweislich der Aufstellung auf Bl. 208f. d.A. mit € 65.503,09 und den Betriebsausfallschaden mit € 185.017,00 beziffert.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die derart lange Betriebsunterbrechung habe nicht auf den Leitungswasserschaden zurückgeführt werden können. Der Betrieb habe nach 8 Tagen wieder aufgenommen werden können. Die Verzögerung beruhe auf massiven Schäden an der Außenfassade des Hauses, die zu einer weiteren Durchfeuchtung der Wände geführt habe. Zudem seien die medizinischen Geräte seit Jahren keiner Intensivreinigung mehr zugeführt worden, weshalb schon aus diesem Grund der Betrieb nicht mehr zulässig gewesen sei.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte mit Teil-Urteil vom 18.01.2018, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, verurteilt, an den Kläger € 71.086,00 nebst Zinsen zu zahlen, sowie die Klage in Höhe eines Betrages von € 103.931,00 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass über die tatsächlichen Unterbrechungskosten durch Teilurteil habe entschieden werden können, da der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif gewesen sei, während hinsichtlich der zerstörten Gegenstände eine Entscheidung noch nicht möglich gewesen sei. Dem Kläger stehe aufgrund des Leitungswasserschadens aufgrund der Betriebsunterbrechung vom 13.09.2010 bis zum 02.04.2011 ein Anspruch gegen die Beklagte zu, da insbesondere der Sterilisationsraum betroffen gewesen sei. Ohne Sterilisationsmöglichkeit sei die Praxistätigkeit praktisch völlig unmöglich geworden. Auch die Dauer sei auf den Leitungswasserschaden zurückzuführen. Nach dem im Parallelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten der Sachverständigen B habe ein Feuchtigkeitseintritt von außen nicht stattgefunden, weshalb als Schadensursache nur der Leitungswasserschaden für den gesamten Zeitraum verbleibe. Die Höhe des Betriebsausfallschadens ergebe sich aus dem nachvollziehbaren und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen C abzüglich der unstreitig bereits gezahlten € 10.000,00.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage in Höhe eines Betrages von € 103.931,00. Das Landgericht habe das Gutachten des Sachverständigen C weder in der vorgelegten Form noch in der Erläuterung verwerten dürfen. Dieses sei in weiten Teilen zum Nachteil des Klägers unrichtig. Das Landgericht habe auch keine kritische Würdigung des Gutachtens vorgenommen. Schon die Vergleichsperiode sei willkürlich gewählt. Die Betriebsausgaben seien fehlerhaft angesetzt worden, insbesondere im Hinblick auf die Position „E Dentallaborkosten“. Auch sei fehlerhaft ein sinkender Trend bei den Einnahmen angenommen worden. Tatsächlich betrage der Gesamtbetriebsunterbrechungsschaden € 252.195,00, von dem der Kläger nur einen Teil geltend gemacht habe.

Er beantragt,

das Teil-Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 18.01.2018 – Az.: 3 O 118/11 – dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere € 103.931,00 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Teilurteil, soweit die Klage abgewiesen wurde. Die zutreffende Beweiswürdigung des Landgerichts sei mit der Berufung nicht zielführend angegriffen worden. Die Erläuterungen des Klägers zu den Betriebsausgaben würden bestritten. Fremdkosten für ein zahntechnisches Labor fielen nicht an.

Mit ihrer Anschlussberufung wendet sich die Beklagte gegen das Teil-Urteil, soweit sie verurteilt wurde. Die Feststellung des Landgerichts zur Dauer der Betriebsunterbrechung aufgrund des Leitungswasserschadens berücksichtige den Vortrag der Beklagten nicht hinreichend. Das Landgericht habe den unter Beweisantritt vorgebrachten Vortrag, dass aus hygienischen Gründen (Verschmutzung und Keimbelastung aufgrund jahrelang fehlender Intensivreinigung) der Praxisbetrieb unabhängig vom Leitungswasserschaden nicht hätte fortgesetzt werden dürfen, nicht berücksichtigt. Auch nach der Beweisaufnahme sei von einem Ende der Unterbrechung Mitte Dezember 2010 auszugehen. Die darüber hinaus fortdauernden Beeinträchtigungen im Behandlungszimmer rührten nicht mehr vom Leitungswasserschaden her. Zudem habe der Kläger gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen. Daher bestehe allenfalls ein Unterbrechungsschaden von € 38.727,64 abzüglich der erbrachten Zahlung von € 10.000,00.

Sie beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Teil-Urteils die Klage – soweit zugesprochen – abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit die Beklagte verurteilt wurde. Die alternative Schadensursache liege nicht vor, da der Leitungswasserschaden die Räume unabhängig vom Zustand der Geräte unbrauchbar gemacht habe. Zudem sei der Vortrag der Beklagten zu unsubstantiiert gewesen. Der Kläger habe die Geräte ordnungsgemäß gereinigt. Hinsichtlich der Keimbelastung habe Herr D keine Laboruntersuchung vorgenommen. Auch die Feststellung des Landgerichts zur Dauer der Betriebsunterbrechung sei zutreffend. Den Kläger habe auch keine Schadensminderungspflicht getroffen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

1. Die Erfolgsaussichten der Berufung und der Anschlussberufung können dahin stehen.

Denn das angefochtene Teil-Urteil des Landgerichts unterliegt nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO der Aufhebung und Zurückverweisung. Zwar hat der Senat grundsätzlich nach § 538 Abs. 1 ZPO die notwendigen Beweise selbst zu erheben und in der Sache zu entscheiden. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil ist und im Hinblick auf die Gefahr divergierender Entscheidungen im Hinblick auf den in erster Instanz verbliebenen Teil eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht angezeigt ist.

a) Das angefochtene Teil-Urteil ist unter Verletzung des § 301 Abs. 1 S. 2 ZPO erlassen worden. Danach kann über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

Durch Teilurteil kann nach § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO nur über einen eigenständigen, einer isolierten Entscheidung zugänglichen Teil des Verfahrensgegenstandes entschieden werden. § 301 Abs. 1 S. 2 ZPO fordert darüber hinaus auch den Erlass eines Grundurteils. Ein einheitlicher Anspruch im Sinne des § 301 Abs. 1 S. 2 ZPO besteht, wenn sich die geltend gemachten Forderungen auf dieselben Anspruchsvoraussetzungen gründen lassen, deren Vorliegen sich aus demselben Lebenssachverhalt ergibt, und sie daher lediglich Einzelposten eines einheitlichen Schuldverhältnisses sind (vgl. BGH NJW-RR 2012, 101 [BGH 09.11.2011 – IV ZR 171/10] mwN). Die Einheitlichkeit des Anspruchs bedeutet dabei noch nicht dessen Unteilbarkeit, auf die es für die Zulässigkeit des Teilurteils nach § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO allein ankommt (vgl. BGH NJW 92, 1769). Die Teilbarkeit hängt vielmehr vom Umfang des Streits ab. Ist der Anspruch schon dem Grunde nach streitig, kann ein individualisierter Teil durch Teilurteil nur dann zugesprochen werden, wenn zugleich ein Grundurteil über die restlichen Anspruchsteile ergeht (vgl. BGH NJW 89, 2821 [BGH 26.04.1989 – IVb ZR 48/88]; NJW 92, 1769 [BGH 21.02.1992 – V ZR 253/90] mwN). daher setzt z.B. ein Teilurteil über den materiellen oder immateriellen Schaden bei streitiger Haftung ein Grundurteil voraus (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1722 [OLG Koblenz 05.06.2003 – 5 U 219/03]). Denn über den Grund des Anspruchs kann nur einheitlich entschieden werden (vgl. Zöller/Feskorn, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 301 ZPO, Rn. 7). Ein Verstoß gegen § 301 ZPO ist ein in der Berufungs- und Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigender (vgl. BGH NJW 2011, 2736; 2001, 155 [BGH 04.10.2000 – VIII ZR 109/99]), in der Regel zur Aufhebung des Teilurteils und auch ohne Antrag (§ 538 Abs. 2 S. 3 ZPO) zur Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO führender wesentlicher Verfahrensfehler (vgl. BGH NJW 2011, 2736 [BGH 11.05.2011 – VIII ZR 42/10]).

So liegt der Fall hier. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche beruhen auf einem einheitlichen zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag, der im Hinblick auf das hier streitgegenständliche versicherte Risiko des Leitungswasserschadens sowohl den Betriebsunterbrechungsschaden, über den durch Teilurteil entschieden wurde, als auch den von der Inhaltsversicherung umfassten Sachschaden an dem Inventar der Praxis umfasste. Zwischen den Parteien war nicht nur die Höhe des Schadens, sondern auch der Grund streitig. Dabei verkennt der Senat nicht, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass es zu einem Leitungswasserschaden kam. Die Beklagte hatte aber mit den Behauptungen, dass auch ein Wassereintritt von außen als Schadensursache in Betracht komme und dass der Praxisbetrieb aufgrund der ohnehin eingetretenen Keimbelastung habe eingestellt werden müssen – mit letzterem Einwand befasst sich das landgerichtliche Urteil gar nicht – die Haftung dem Grunde nach nicht nur im Hinblick auf die Dauer der Betriebsunterbrechung, sondern auch die Ursächlichkeit der Kontamination der angeblich beschädigten Gegenstände aufgrund des Leitungswasserschadens bestritten. Obwohl damit die Kausalität des Leitungswasserschadens (auch hinsichtlich der Kontamination) im Streit stand, hat das Landgericht durch Teil-Urteil über den Betriebsunterbrechungsschaden entschieden, ohne zugleich ein Grundurteil zu erlassen. Dass für das Landgericht die Haftung dem Grunde nach besteht, ergibt sich auch nicht sicher aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Damit besteht die nicht fernliegende Gefahr divergierender Entscheidungen dem Grunde nach, die § 301 Abs. 1 ZPO verhindern will (vgl. nur BGHZ 173, 333), da nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Hinblick auf den geltend gemachten Sachschaden die Ursächlichkeit des Leitungswasserschadens gerade im Hinblick auf die Keimbelastung nicht festgestellt werden kann, die jedoch nach den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils die lange Dauer der Betriebsunterbrechung rechtfertigt. Hinzu kommt, dass auch die gerügten Hygienemängel Einfluss auf die Dauer der Betriebsunterbrechung und den eingetretenen Sachschaden im Hinblick auf einen Teil der Geräte haben.

b) Angesichts dessen ist nach der Überzeugung des Senats zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen die Aufhebung des angefochtenen Teil-Urteils und die Zurückverweisung angezeigt, wofür nach § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO ein Antrag nicht erforderlich ist. Angesichts der ohnehin auch vom Landgericht noch durchzuführenden Beweisaufnahme zur Ursächlichkeit des Leitungswasserschadens unter Berücksichtigung der gerügten Keimbelastung bzw. Hygienemängel in Bezug auf den Sachschaden, ist eine eigene Entscheidung des Senats mit ggf. eigener Beweisaufnahme nur in Bezug auf die Dauer der Betriebsunterbrechung nicht geboten, da – wie dargelegt – bei einem Verstoß gegen § 301 ZPO regelmäßig so zu verfahren ist. Bei dieser Sachlage bestand für den Senat auch kein Anlass dazu, den noch nicht entschiedenen Teil an sich zu ziehen.

2. Über die Kosten des Rechtsstreits und dieses Berufungsverfahrens wird die erste Instanz zu entscheiden haben.

3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO (vgl. OLG München NZM 2002, 1032).

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch rechtfertigt die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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