OLG Frankfurt am Main, 16.11.2018 – 8 W 48/18

März 15, 2019

OLG Frankfurt am Main, 16.11.2018 – 8 W 48/18
Leitsatz:

Als „andere Gründe“ im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO kommen grundsätzlich nur prozessuale Kostenerstattungsansprüche in Betracht.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin vom 27. Juni 2018 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 26. Juli 2018 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 8. August 2018 sowie dem Beschluss vom 8. November 2018 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: die Klägerin) wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Landgericht ihr die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 auferlegt hat.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 13. März 2018 nahm die Klägerin die Klage gegen die Beklagte zu 2 zurück (Bl. 177 d. A.). Diese trat der Klagerücknahme innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht entgegen und stimmte ihr im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2018 ausdrücklich zu (vgl. S. 2 des Protokolls der Sitzung vom 3. Juli 2018, Bl. 218 d. A.).

Die Beklagte zu 2 beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 6. Juli 2018, der Klägerin „nach Klagerücknahme gegen die Beklagte zu 2“ insoweit die Kosten aufzuerlegen (Bl. 224 d. A.).

Die Klägerin hingegen beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Juli 2018, „den Kostenantrag vom 6. Juli 2018 zurückzuweisen und der Beklagten die Kosten der Klageänderung aufzuerlegen“ (Bl. 229 f. d. A.).

Mit Beschluss vom 26. Juli 2018 legte das Landgericht der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 auf (Bl. 233 d. A.).

Gegen diesen ihrer Prozessbevollmächtigten am 3. August 2018 (Bl. 241 d. A.) zugestellten Beschluss hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit einem Anwaltsschriftsatz vom selben Tage sofortige Beschwerde erhoben, der noch am 3. August 2018 beim Landgericht eingegangen ist (Bl. 243 f. d. A.).

Daraufhin berichtigte das Landgericht den Beschluss vom 26. Juli 2018 mit Beschluss vom 8. August 2018 (Bl. 247 f. d. A.) dahingehend, dass die Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 zu tragen hat, „nachdem sie die Klage gegen die Beklagte zu 2 zurückgenommen hat (§ 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO)“.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 24. August 2018 teilte die Klägerin u. a. mit, dass sie die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 26. Juli 2018 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. August 2018 aufrechterhalte (Bl. 249 d. A.). Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben seien „die Kosten der Klagerücknahme der Beklagten zu 1 oder der Beklagten zu 2“ aus einem anderen Grunde im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO aufzuerlegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die Anwaltsschriftsätze der Klägerin vom 3. August 2018 (Bl. 243 d. A.) und vom 24. August 2018 (Bl. 255 f. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 8. November 2018 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 264 f. d. A.).

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 569, 568 ZPO).

2. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.

Die Kostentragungsregelung des § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO stellt sich als Ausprägung des allgemeinen, den §§ 91, 97 ZPO zu Grunde liegenden Prinzips dar, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Zu diesem Zweck fingiert sie im Falle der Klagerücknahme den geltend gemachten Klageanspruch ohne Rücksicht auf seine materiell-rechtliche Begründetheit als für den anhängigen Rechtsstreit nicht bestehend und bildet damit den Rechtsgrund für das prozessuale Unterliegen des Klägers und seine hieran anknüpfende kostenrechtliche Haftung. Diese Haftung kann deshalb auch nicht nachträglich wieder durch eine abweichende Bewertung der materiell-rechtlichen Rechtslage rückgängig gemacht werden, die der vom Gesetzgeber gewollten und in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO kostenrechtlich vollzogenen Fiktion zuwiderläuft (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2011 – VIII ZR 80/10, NJW 2011, 2368, 2369).

Dem steht nicht entgegen, dass § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO eine Berücksichtigung gewisser außerprozessualer Gesichtspunkte bei der Kostenentscheidung zulässt. Denn diese betreffen nur die auch vor Erlass des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I. 1881) von der Rechtsprechung schon anerkannten Ausnahmefälle, dass der Beklagte sich durch außergerichtlichen Vergleich zur Kostentragung verpflichtet oder zuvor wirksam auf eine Kostenerstattung verzichtet hat. Gleiches gilt für den abweichend geregelten Sonderfall des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2011 – VIII ZR 80/10, NJW 2011, 2368, 2369 m. w. N.).

Ist hingegen kein derartiger Ausnahmefall gegeben und nimmt die Klägerin ihre Klage in Bezug auf einen Beklagten zurück, begibt sie sich insoweit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen und hat bei gleichbleibendem Sachverhalt die durch den Rechtsstreit veranlassten Kosten abschließend und ohne Rücksicht darauf zu tragen, ob dieses Ergebnis mit dem materiellen Recht übereinstimmt oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2011 – VIII ZR 80/10, NJW 2011, 2368, 2369 m. w. N.).

Im Streitfall liegen die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO jedenfalls nicht vor. Über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 ist weder bereits rechtskräftig entschieden noch sind sie dieser oder der Beklagten zu 1 „aus einem anderen Grund aufzuerlegen“. Insbesondere ist insoweit kein Raum für materielle Billigkeitserwägungen. Als „andere Gründe“ kommen vielmehr grundsätzlich nur prozessuale Kostenerstattungsansprüche in Betracht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14.06.2010 – II ZB 15/09, NJW-RR 2010, 1476, 1477; Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 269, Rdnr. 41), die hier nicht ersichtlich sind.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Da die sofortige Beschwerde erfolglos bleibt, entsteht eine keiner Ermäßigung zugängliche Gerichtsgebühr (KV Nr. 1810, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG), welche die Klägerin zu tragen hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).

4. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO ersichtlich nicht vorliegen.

5. Einer Festsetzung des Beschwerdewertes bedurfte es nicht, weil die Gerichtsgebühr nach Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG, KV Nr. 1810 eine Pauschalgebühr ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27.06.2018 – 8 W 29/18, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.04.2013 – 15 W 27/13, juris; OLG Naumburg, Beschluss vom 01.02.2011 – 2 W 91/10 -, juris).

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