OLG Frankfurt am Main, 06.11.2018 – 8 U 76/15

März 15, 2019

OLG Frankfurt am Main, 06.11.2018 – 8 U 76/15
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.03.2015 (2/14 O 406/13) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die am XX.XX.196X geborene Klägerin nimmt den Beklagten – gesamtschuldnerisch mit der im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main, 2/14 O 153/14 / 18 U 93/14 OLG Frankfurt am Main beklagten X GmbH – auf Schmerzensgeld (mindestens 50.000,00 €) und Feststellung der Ersatzpflicht aller materiellen und künftigen immateriellen Schäden wegen vermeintlich fehlerhafter Behandlung und Aufklärung vom 08.10.2003 bis 14.06.2004 in Anspruch.

Nach der Entfernung einer gutartigen Mamma-Zyste wurden der Klägerin am 07.03.2000 beidseits Brustimplantate eingesetzt. Es waren Silikonimplantate McGhan Style 120, 220 cc.

Am XX.XX.2003 verunfallte die Klägerin als angeschnallte Fahrerin auf der Autobahn. In der Folgezeit litt sie unter Schmerzen in der rechten Brust. Am 12.03.2003 ließ sie eine Mammographie durchführen.

Die Klägerin stellte sich am 08.10.2003 bei dem Beklagten vor. Dieser untersuchte die Klägerin am 10.12.2003 im Rahmen der Erstattung eines plastisch-chirurgischen Fachgutachtens vom 27.02.2004 (Bl. 124-126 d.A.) zur Verfolgung der Ansprüche gegenüber dem Unfallgegner. Zum Untersuchungstermin brachte die Klägerin die Mammographiebilder mit. Im Gutachten wird der Befund mitgeteilt, bei der klinischen Untersuchung habe sich im Bereich der rechten Brust ein deutlicher Druckschmerz im oberen inneren Quadranten gezeigt. Bei tiefer Palpation lasse sich eine circa 4 cm lange Lücke im Implantat tasten; die Umgebung sei schmerzhaft verhärtet. Die mitgebrachten Mammographiebilder vom 12.03.2003 zeigten eindeutig einen Riss im rechten Implantat. Der Beklagte empfahl der Klägerin titanbeschichtete B-Implantate der X GmbH. Diese Implantate wurden unter Verwendung von Vorprodukten hergestellt, die von dem französischen Unternehmen Poly Implantat Prothese (PIP) bezogen wurden. Die von der beklagten GmbH titanisierten Silikonhüllen wurden abschließend von dem Unternehmen PIP mit den titanisierten Verschlussteilen mit Silikon befüllt und verschlossen. Die Implantate waren CE-zertifiziert.

Am 08.10.2003 (Bl. 134 d.A.), 08.06.2004 (Bl. 131 d.A.) und 14.06.2004 (Bl. 132 d.A.) besprach der Beklagte mit der Klägerin die Durchführung und die Risiken des Eingriffs; die Aufklärungsinhalte sind im Einzelnen streitig.

Den Implantataustausch nahm der Beklagte am 14.06.2004 vor. Es fanden sich intakte Implantate; im craniomedialen Quadranten der rechten Brust zeigte sich eine Ruptur der Implantatkapsel mit narbigen Verwachsungen (OP-Bericht vom 14.06.2004, Bl. 135 d.A.). Der Klägerin wurden Implantate (310 cc) mit der Chargennummer … eingesetzt.

Im Februar 2012 erfuhr die Klägerin, dass sie Betroffene des sogenannten PIP-Skandals sein könne. Sie begab sich in die Behandlung von Frau C, Krankenhaus1 in Stadt1, die am 21.02.2012 eine Kapselfibrose 3-4 befundete (Patientenkartei Anlagenband) und eine Impantatentfernung sowie Bruststraffung empfahl. Falls die Bruststraffung zu klein sein sollte, riet sie zur Eigenfettimplantation oder kleineren Implantaten. Die beidseitige Explantation und Bruststraffung nahm C am 23.02.2012 vor. Es fanden sich ausweislich des Operationsberichtes vom 23.02.2012 (Anlagenband) intakte Implantate und eine zarte Kapsel. Der pathologische Befund vom 27.02.2012 (Anlagenband der BA 18 U 93/14) beurteilte fibrosiertes Kapselgewebe mit Fremdkörperreaktion in der Umgebung doppelt brechenden Fremdmaterials. Die Klägerin erhielt die Implantate ausgehändigt. Sie verwahrte sie zunächst im Kühlschrank und ließ sie später im X Labor für Materialprüfung in Stadt2 lagern.

Die Klägerin hat behauptet, vor dem Eingriff hätte der Beklagte eine MRT- oder CT-Untersuchung veranlassen müssen, bei der sich gezeigt hätte, dass das rechte Brustimplantat nicht rupturiert sei, so dass der Austausch am 14.06.2004 nicht indiziert gewesen sei.

Der Beklagte habe erklärt, die besten, teuersten und sichersten Implantate zu verwenden. Diese könnten nicht mehr reißen und würden praktisch keine Kapseln mehr im Gewebe bilden. Die Implantate würden damit ein Leben lang halten und müssten nicht mehr entfernt werden. Diese Aussagen seien der wesentliche Grund dafür gewesen, dass sie sich für den Austausch entschieden habe.

Die B-Implantate seien nicht mit dem zugelassenen Silikon NUSIL MED3 – 6300, sondern mit einem anderen, medizinisch nicht zugelassenen Silikon gefüllt gewesen. Zumindest das rechte Implantat sei mikrorupturiert oder habe Gel ausgeschwitzt („Gel-bleeding“), wodurch Silikon ausgetreten sei. Durch das Silikon seien eine Vielzahl gesundheitlicher Beeinträchtigungen und entzündlicher Körperreaktionen verursacht worden. Die Beeinträchtigungen seien mit der Entfernung der Implantate am 23.02.2012 überwiegend weggefallen. Wegen der im Einzelnen behaupteten Beeinträchtigungen und Reaktionen wird auf Seite 4 des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 226 d. A.). Diese hätten dazu geführt, dass sie 2007 eine Haushaltshilfe in Vollzeit habe einstellen und Ende 2007 ihre selbständige Tätigkeit als Beruf1 habe aufgeben müssen.

Sie habe erst nach Einsichtnahme in ihre Patientenakte im Mai 2012 erfahren, dass das durch den Beklagten am 14.06.2004 entfernte Brustimplantat intakt gewesen sei. Den Befund der Mammographie vom 12.03.2003 (Anlage K 8, Bl. 202 d.A.) habe sie erst auf explizite Nachfrage im Februar 2012 erhalten.

Intraoperativ habe sich bei der Explantation der Implantate am 23.02.2012 ein Defekt am rechten Implantat gezeigt. Postoperativ habe sie unter Schmerzen und weiteren Beeinträchtigungen gelitten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darstellung auf Seite 5 des Tatbestands des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 227 d. A.).

Die Parteien haben die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Anträge gestellt.

Der Beklagte hat behauptet, die am 14.06.2004 intraoperativ festgestellten Befunde, ein Riss der Implantatkapsel und narbige Verwachsungen bei intakten Implantaten hätten die Beschwerden der Klägerin nach dem Unfall erklärt, und einen Austausch der Implantate indiziert. Die Klägerin habe bereits bei der ersten Vorstellung am 08.10.2003 den Wunsch nach größeren Implantaten (330 cc) geäußert. Das Gutachten vom 27.02.2004 habe lediglich dazu gedient, die Kostenzusage des Haftpflichtversicherers zu erwirken. Am 19.05.2004 habe die Klägerin größere Implantate (350 cc) gewünscht, diesen Wunsch habe sie am 14.06.2004 in doch eher kleinere Implantate (290 cc) revidiert.

Er habe der Klägerin nicht erklärt, dass die einzusetzenden Implantate ein Leben lang halten würden und es keine Risiken gebe. Die Klägerin hätte den Austausch in jedem Fall vornehmen lassen, denn 2012 habe sie sich in Kenntnis aller Umstände wieder grundsätzlich mit dem Einsatz von Silikonimplantaten einverstanden erklärt.

Nach dem Eingriff vom 14.06.2004 habe er der Klägerin bei der Visite erklärt, dass er eine gute Nachricht habe, das Implantat sei intakt und es habe kein Silikon austreten können.

Der Beklagte hat sich mit den von der Klägerin vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden auseinandergesetzt und die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Akten des abgetrennten Verfahrens 2/14 O 153/14 Landgericht Frankfurt am Main beigezogen. Es hat nach informatorischer Anhörung der Parteien die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe Behandlungsfehler des Beklagten nicht hinreichend substantiiert und schlüssig dargelegt. Ihre Behauptung, vor der Operation vom 14.06.2004 sei zwingend eine MRT- oder CT-Untersuchung durchzuführen gewesen, da nur diese Methoden der Befunderhebung eine zuverlässige Beurteilung der Implantate ermögliche, sei zu pauschal und genüge den Anforderungen an die Substantiierungspflicht im Arzthaftpflichtprozess nicht. Ihre Behauptung, dass eine Indikation für einen Implantatwechsel bei ausgeschlossener Implantatruptur nicht gegeben gewesen sei, sei nicht nachzuvollziehen, da sie nach dem Verkehrsunfall unter Schmerzen in der rechten Brust gelitten habe.

Auch von einer mangelhaften präoperativen Aufklärung durch den Beklagten sei nicht auszugehen. Das Einverständnis in die Operation und die Aufklärung seien insbesondere auch schriftlich erfolgt bzw. schriftlich dokumentiert. Fraglich sei zudem, ob die Klägerin überhaupt aufklärungsbedürftig gewesen sei, da ihr bereits im Jahr 2000 Brustimplantate eingesetzt worden waren. Im Übrigen habe sie auch nicht nachvollziehbar darlegen können, sich im Fall einer präoperativ ausgeschlossenen Ruptur nicht für den streitgegenständlichen Eingriff entschieden zu haben, da sie im Rahmen der informatorischen Anhörung angegeben habe, sie hätte die Implantate unbedingt loswerden wollen.

Gegen das Urteil vom 26.03.2015 richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge unverändert weiterverfolgt.

Dass sie ihrer Darlegungs- und Substantiierungspflicht nicht genügt habe, habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft unter Verletzung der Prozessleitungspflicht festgestellt. Es wäre deshalb – wie beantragt – durch Sachverständigengutachten zu klären gewesen, ob dem Beklagten ein Befunderhebungsfehler durch präoperative Nichtveranlassung einer MRT- oder CT-Untersuchung unterlaufen sei, da ausschließlich bei Schmerzen in der rechten Brust ein Implantataustausch am 14.06.2004 nicht indiziert gewesen sei.

Ein Aufklärungsfehler sei dem Beklagten deshalb anzulasten, weil er erklärt habe, die titanbeschichteten Implantate würden ein Leben lang halten. Dieser Umstand sei für die Klägerin besonders wichtig gewesen, da sie weitere Operationen in Zukunft habe vermeiden wollen. Ihre Erklärung bei der informatorischen Anhörung am 12.02.2015 „die Dinger loswerden“ zu wollen, sei ausschließlich vor dem Hintergrund erfolgt, dass der Beklagte einen Riss im rechten Brustimplantat mitteilte und sie deshalb große Angst gehabt habe, dass sich Silikon in ihrem Körper verteilen könne.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 26.03.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (2/14 0 406/13)

den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 50.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

festzustellen, dass der Beklagte – gesamtschuldnerisch mit der vor dem Landgericht Frankfurt am Main (2/14 O 153/14 / 18 U 93/14 OLG Frankfurt am Main) in Anspruch genommen X GmbH – verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren, materiell und – im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren – immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr anlässlich der Implantation von Brustimplantaten mit der Bezeichnung „B“ im Jahr 2004 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Beklagte wiederholt und vertieft die Einrede der Verjährung.

Er behauptet, selbst wenn eine MRT- oder CT-Untersuchung eine Ruptur ausgeschlossen hätte, wäre aufgrund der Schmerzen der Klägerin die Operation indiziert gewesen. Deshalb sei das Landgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klägerin dem Eingriff vom 14.06.2004 auch dann unterzogen hätte, wenn die entsprechenden Untersuchungen negativ gewesen wären. Es komme hinzu, dass die Klägerin die Schmerzen zum Anlass dafür genommen habe, eine Größenanpassung vornehmen zu lassen, so dass ein Austausch auch dann erfolgt wäre, wenn der Beklagte nicht klinisch einen Riss, bzw. einen möglichen Riss festgestellt hätte.

Er habe der Klägerin nicht präoperativ gesagt, dass die Implantate aufgrund einer speziellen Titanbeschichtung ein Leben lang halten würden.

Letztlich wiederholt und vertieft der Beklagte den Einwand der hypothetischen Einwilligung. Die Klägerin hätte das Risiko eines Gel-Bleeding in jedem Fall in Kauf genommen, auch in Kauf hätte nehmen müssen, da die Kapsel defekt war.

Der Senat hat die Akten 2/14 O 153/14 Landgericht Frankfurt am Main / 18 U 93/14 OLG Frankfurt am Main beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Nach dem nicht rechtskräftigen Urteil vom 12.08.2014 des Landgerichts Frankfurt am Main sind die Implantate der Charge Nummer … mit dem medizinisch zugelassenen Silikon NUSIL MED3 – 6300 befüllt.

Der Senat hat die Parteien informatorisch angehört. Gegenstand der Anhörung waren u. a. das Operationseinverständnis der Klägerin vom 08.06.2003 und die Risikoaufklärung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 19.07.2016 verwiesen (Bl. 315ff. d. A.). Weiter hat der Senat nach dem Beschluss vom 13.09.2016 (Bl. 352f. d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des E vom 03.05.2017 (Bl. 385ff. d. A.), das der Sachverständige am 16.10.2018 mündlich erläutert hat (Bl. 486ff. d. A.).

II.

A. Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519 und 520 ZPO).

B. Die Berufung ist nicht begründet.

1. Der Feststellungsantrag ist zwar insgesamt zulässig. Der materielle Anspruch kann noch nicht insgesamt für die Zukunft beziffert werden, da nach dem Vortrag der Klägerin mit der Entfernung der Implantate am 23.02.2012 die gesundheitlichen Beeinträchtigungen überwiegend, aber nicht komplett weggefallen sind.

Die Möglichkeit für sogenannte Spätschäden, mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich bei der Bemessung einer bestimmten Schmerzensgeldsumme zu rechnen ist, besteht. Wie sich die vorgetragenen noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin entwickeln werden, ist ungewiss.

2. Ein Schmerzensgeldanspruch besteht aber nicht.

a) Ein Behandlungsfehler des Beklagten ist nicht festzustellen. Er nahm am 14.06.2004 keinen nicht indizierten Eingriff vor. Vielmehr hat der Senat die Überzeugung gewonnen (§ 286 ZPO), dass die Parteien eine medizinisch nicht notwendige Operation aus ästhetischer Indikation vereinbarten und der Beklagte diese durchführte. Eine solche Operation wird von der Krankenkasse nicht bezahlt. Der Eingriff wird durch das Operationseinverständnis für eine medizinisch nicht notwendige Operation aus ästhetischer Indikation vom 08.06.2004 (Bl. 131 d.A.) und das Operationseinverständnis zum Austausch der Brustimplantate gegen größere silikongelgefüllte Implantate vom 14.06.2004 (Bl. 132 d.A.) bezeichnet. Dies gilt, obgleich der Operationsbericht vom 14.06.2004 (Bl. 135 d. A.) die Diagnose „Verdacht auf Implantatruptur rechts nach Verkehrsunfall“ nennt. Denn weder der informatorisch angehörte Beklagte noch die informatorisch angehörte Klägerin hatten eine nachvollziehbare Erklärung für die Bezeichnung als kosmetische Operation, wenn doch der Verdacht auf eine Implantatruptur und etwa auslaufendes Silikon bestanden habe. Der Beklagte erklärte, dass es einen medizinisch indizierten Anteil – Verdacht auf eine Ruptur rechts – und einen kosmetischen Anteil des Eingriffs – Vergrößerung der Implantate auf Wunsch der Klägerin – gegeben habe. Dass gleichwohl aber nur ein Einverständnis für eine kosmetische Operation eingeholt worden sei, beruhe darauf, dass sein Sekretariat nicht so genau hingesehen habe. Dieses vorgebrachte Argument überzeugt den Senat nicht. Zwar ist das Operationseinverständnis vom 08.06.2004 vorgedruckt, das vom 14.06.2004 ist aber bezüglich Operation und Risiken nicht vorgedruckt. Hier hat der Beklagte handschriftliche Eintragungen vorgenommen und die Operation selbst als Austausch der Brustimplantate gegen größere silikongel-gefüllte Implantate bezeichnet. Die Angabe der sich in ihrer Rolle ersichtlich unwohl fühlenden Klägerin, dass sie sich damals auch gefragt habe, warum nur eine kosmetische Operation bezeichnet war, wenn doch die mitgebrachten Mammographiebilder eindeutig einen Riss im rechten Implantat zeigten, sie nach der Erklärung des Beklagten aber ja nur ein Formblatt unterschreibe und also unterschrieben habe, überzeugt ebenfalls nicht. Wie kann eine geleistete Unterschrift unter zwei Operationseinverständnissen lediglich eine Formsache sein? Es kommt hinzu, dass der plastische Chirurg F, an den sich die Klägerin als Arzt ihres Vertrauens nach dem Verkehrsunfall zunächst wandte, eine Behandlung/einen Eingriff ablehnte, da er, so die informatorisch angehörte Klägerin , „keine Unfallgeschichten machen wolle“. F wollte die Implantate demnach nicht austauschen. Das versteht sich insofern, als der schriftliche Befund der Mammographie vom 12.03.2003 (Anlage K 8, Bl. 202 d.A.), wonach „kein Nachweis einer Inlay-Ruptur“ beurteilt wird, an ihn gegangen ist. Dass der Beklagte aber gleichwohl auf den mitgebrachten Mammographiebildern vom 12.03.2003 im Fachgutachten vom 27.02.2004 den Befund mitteilt: „Die mitgebrachten Mammographiebilder zeigen eindeutig einen Riss im rechten Implantat“ (Bl. 126 d.A.), dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass das Gutachten zur Verfolgung der Ansprüche gegenüber dem Unfallgegner erstattet worden ist. Dies klingt auch in der Erklärung der Klägerin an, dass es ja so gewesen sei, dass die Unfallversicherung des damaligen Unfallgegners die Kosten getragen habe. Dass das Gutachten lediglich dazu diente, die Kostenzusage des Haftpflichtversicherers zu erwirken, erklärte der Beklagte bereits mit Klageerwiderung vom 07.04.2014 (Bl. 104 d. A.).

So versteht sich auch das Verhalten der Klägerin, 7 Monate nach der Mammographie vom 12.03.2003 zugewartet zu haben, bevor sie sich am 08.10.2003 bei dem Beklagten vorstellte. Wäre sie tatsächlich nach dem Verkehrsunfall vom XX.XX.2003 in Sorge gewesen, ob ein Implantat beschädigt sei und Silikon austreten könne, so wäre aber spätestens nach Fertigung der Mammographie und der Ablehnung einer Behandlung durch F und dem anschließend aufgesuchten G schnelles Handeln zu erwarten gewesen. Dies gilt auch insoweit, als zwischen der Untersuchung vom 10.12.2003 und dem Eingriff vom 14.06.2004 weitere 6 Monate liegen. Bei einem rupturierten Implantat mit der Möglichkeit des Silikonaustritts wäre zumindest jetzt ein zeitnaher Eingriff zu erwarten gewesen. Aber offensichtlich sollte die Kostenübernahme der Versicherung des Unfallgegners abgewartet werden.

Vereinbarten die Parteien aber eine medizinisch nicht notwendige Operation aus ästhetischer Indikation und führte der Beklagte diese durch, so stellen sich die weiteren Fragen nach präoperativ zu veranlassender MRT- oder CT-Untersuchung nicht.

b) Der Beklagte haftet des Weiteren auch nicht unter dem Gesichtspunkt der eigenmächtigen Behandlung, da nicht festzustellen ist, dass sich durch den Eingriff vom 14.06.2004 ein aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hat.

Der Sachverständige Professor E hat zwar souverän und versiert erläutert, dass das am 14.06.2004 eingesetzte und am 23.02.2012 explantierte rechte titanbeschichtete B-Brustimplantat der X GmbH mit der Chargen-Nummer … rupturiert gewesen sei. Von einem Gel-Bleeding spreche man nämlich nur, wenn ganz geringe Mengen Silikon austreten. Das untersuchte rechte Implantat zeige aber den Austritt von sicht- und fassbaren Mengen von Silikon. So sei das rechte Implantat bei der Untersuchung im Mai 2017 nicht einfach aus der Verpackung zu lösen gewesen. Auf der Innenseite des Plastikbeutels fanden sich Silikonspuren. Die Innenseite des Verpackungsbeutels war an mehreren Stellen in typischer Weise mit Silikonmaterial behaftet. Im Gegensatz zum linken Implantat zeigten sich nach 24 Stunden auf dem Blatt Papier, auf dem das rechte Implantat von dem Sachverständigen gelagert worden war, typische Silikonspuren, die wie Fettflecken auf dem Papier imponieren. Dies belegen die vom Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 16.10.2018 vorgelegten Originalfotographien zum Gutachten vom 03.05.2017. Zudem demonstrierte Professor E eindrucksvoll an den in Augenschein genommenen Implantaten, dass das linke Implantat völlig unauffällig imponierte, während sich das rechte Implantat an einer bezeichneten Stelle klebrig anfühlte und dort feine Silikonfäden zu ziehen waren. All das lässt nur den Schluss auf ein rupturiertes Implantat zu.

Dabei geht der Sachverständige davon aus, dass der Zustand des Implantats bei seiner Untersuchung im Mai 2017 dem Zustand am Tage des Ausbaus am 23.02.2012 entsprochen hat. Denn die dem Sachverständigen bekannt gegebene Aufbewahrung der am 23.02.2012 explantierten Implantate hat nach seiner fachkundigen Erklärung keinen Einfluss auf den festgestellten Zustand des rechten Implantats gehabt. So sei es keineswegs erforderlich, derartige Implantate im Kühlschrank zu lagern, wobei eine Lagerung dort aber auch nicht schadet.

Professor E hat auch keinen Zweifel daran gelassen, dass über das Risiko einer (Implantat-) Ruptur bereits im Jahr 2004 aufzuklären war (und aufgeklärt worden ist). Nach den dem mit Arzthaftungsverfahren ständig befassten Senat auch aus anderen Verfahren bekannten Erfahrungen kommt es nämlich aus verschiedenen Gründen immer wieder zu gerissenen Implantaten, wobei in der Regel Silikon austritt und es zu lokalen Reaktionen, wie lokale Gewebereaktionen oder einer Lymphknotenschwellung kommen kann. Darüberhinaus handelt es sich bei einer medizinisch nicht notwendigen Operation aus ästhetischer Indikation um einen hoch elektiven Eingriff. Damit hat eine „schonungslose“ Aufklärung zu erfolgen.

Nach den Erklärungen der informatorisch angehörten Parteien im Termin vom 13.09.2016 hat der Beklagte die Klägerin aber nicht über das Risiko der Implantatruptur (und auch nicht über das des Gel-Bleedings) aufgeklärt. Der Beklagte hat angegeben, die Klägerin über die Risiken unterrichtet zu haben, die in dem Operationseinverständnis vom 14.06.2004 (Bl. 132 d. A.) handschriftlich verzeichnet sind. Dort ist aber das Risiko der Ruptur (und auch das des Gel-Bleedings) nicht genannt.

Die Klägerin war über das Risiko der Implantatruptur aufzuklären. Dass sie dieses kannte, da das rechte Implantat infolge des Unfalls vom XX.XX.2003 rupturiert gewesen sei, ist gerade nicht festzustellen. Denn dass die Parteien von einem Verdacht auf eine Implantatruptur infolge des Unfalls ausgingen, versteht sich im Hinblick auf die vereinbarte medizinisch nicht notwendige Operation aus ästhetischer Indikation nicht. Aber selbst unterstellt, dass die Parteien von einem Verdacht auf eine Implantatruptur infolge des Unfalls ausgingen, ist eine Kenntnis der Klägerin nicht festzustellen. Denn diese würde sich allenfalls darauf beziehen, dass es bei massiver Druckeinwirkung von außen – angeschnallte Fahrerin auf der Autobahn – zu einer Ruptur kommen kann, nicht aber, dass Implantatrisse auch unabhängig von äußerer Krafteinwirkung, etwa wegen Materialermüdung, auftreten können.

Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte das Risiko der Implantatruptur insoweit verharmlost hat, als er der Klägerin erklärt habe, dass die streitgegenständlichen Implantate „ein Leben lang halten würden“, hat er sie jedenfalls schon nach seinen eigenen Angaben bei der informatorischen Anhörung nicht über das (aufklärungspflichtige) Risiko einer Implantatruptur aufgeklärt.

Gleichwohl haftet der Beklagte nicht, da die Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats bewiesen hat, dass die hier festzustellende Ruptur in den Schutzzweck-Zusammenhang der Aufklärung fällt (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, C. V., Rdnr. 157). Es ist nämlich nicht bewiesen, dass das rechte Implantat bei Ausbau am 23.02.2012 durch C rupturiert war. Im Operationsbericht des Krankenhauses1 in Stadt1 heißt es, dass die Implantate intakt und die Kapsel zart sind bzw. ist. Vor diesem Hintergrund, so der Sachverständige Professor E nachvollziehbar, gebe es keinen Anhalt für einen Austritt von Silikon (aufgrund einer Ruptur). Grundsätzlich sei es, wie der Sachverständige weiter erläuterte, so, dass wenn ein Implantat kaputt sei, so wie er es im konkreten Fall vorgefunden habe, dies auch entsprechend dokumentiert werde. Das mache man deswegen, weil es in einem derartigen Fall zu einer Erhöhung der postoperativen Komplikationsrate kommen könne. Damit versteht sich die Beurteilung der Pathologie vom 27.12.2012 „fibrosierte Kapselgewebe mit Fremdkörperreaktion in der Umgebung doppeltbrechenden Fremdmaterials“ aber nicht. Der Sachverständige erläuterte nämlich insofern, dass das, was im Pathologiebericht als doppeltbrechendes Fremdmaterial beschrieben wird, das Silikon sein kann. Dabei handele es sich allerdings nur um eine Hypothese. Letztendlich sei es der Versuch herauszufinden, was damals gefunden worden sei; dies wäre eigentlich Aufgabe des Pathologen gewesen.

Die beiden Umstände können nach der Erläuterung des Sachverständigen aber insoweit zusammengeführt werden, als die Implantate makroskopisch intakt gewesen sind, es aber gleichwohl zu einem Silikonaustritt gekommen ist. So etwas kommt nach der langjährigen Erfahrung des Sachverständigen E tatsächlich vor. Es handele sich allerdings nur um eine Hypothese.

Da mit dem Sachverständigen eindeutig von einem rupturierten rechten Implantat auszugehen ist, ist die Sache hier aber nicht ganz stimmig. Zwei Erklärungen sind nach der eingehenden Erläuterung des Sachverständigen möglich: Das rechte Implantat ist entweder von der Operateurin des Krankenhauses in Stadt1 falsch beurteilt worden, was durchaus passieren könne. Denn das in Augenschein genommene Implantat zeigt, dass die eingerissenen Stellen sich auf eine ganz bestimmte Region des Implantats konzentrieren. Damit ist es durchaus möglich, dass dieses als intakt beschrieben wird, wenn das Implantat in der Weise rausgenommen wird, dass man es genau an dieser Stelle ergreift und den Blick auf das übrige Implantat richtet.

Es ist aber auch durchaus möglich, dass das Implantat bei dem Ausbau am 23.02.2012 unbeabsichtigt beschädigt worden ist und dies von der Operateurin nicht erkannt wurde. Diese Möglichkeit erläuterte der Sachverständige anschaulich, als die Herausnahme des Implantates mit einem Harken an der „kritischen“ Stelle erfolgte und es dabei bei einem zu festen Einharken oder einem zu festen Zug zu den Einrissen kam. Das versteht sich gleichermaßen. Welcher der beiden möglichen Erklärungen aber der Vorzug zu geben sei, konnte der Sachverständige nicht sagen. Anhaltspunkte dafür, dass die eine oder andere Möglichkeit zutreffe, hatte er keine. Bei beiden handele es sich um Hypothesen.

Ist damit aber nicht festzustellen, dass das rechte Implantat vor dem Ausbau am 23.02.2012 rupturiert war, so hat sich kein Risiko der Operation vom 14.06.2004 verwirklicht. Dass das intakte Implantat bei erneuter Explantation beschädigt werden kann, ist kein Risiko der Implantation. Allein dem Eingriff immanente Gefahren sind dem Schutzzweck der Aufklärung zuzurechnen.

c) Ist aber nicht festzustellen, dass sich ein dem Eingriff immanentes Risiko verwirklicht hat, so stellt sich die Frage der hypothetischen Einwilligung der Klägerin nicht.

d) Das gilt auch für die Frage, mit welchem Silikon das streitgegenständliche Implantat befüllt war.

Unabhängig davon ist in diesem Rechtsstreit nicht aufzuklären, ob das streitgegenständliche Implantat nicht mit dem medizinisch zugelassenen Silikon, sondern mit einem anderen nicht medizinisch zugelassenen Silikon befüllt war. Denn selbst wenn das Implantat nicht mit einem medizinisch zugelassenen Silikon befüllt gewesen sein sollte, konnte der Beklagte dies 2004 nicht wissen. Frühestens 2010 ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen PIP nicht zulassungsfähiges Silikon verwandte.

e) Ist nach all dem kein Schmerzensgeldanspruch gegeben, so ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

f) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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