OLG Frankfurt am Main, 22.08.2018 – 4 U 159/17

März 16, 2019

OLG Frankfurt am Main, 22.08.2018 – 4 U 159/17
Orientierungssatz:

Soweit der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt er bei Zahlungen in der Regel mit bedingtem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, weil er es für möglich hält, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, und dies billigend in Kauf nimmt, indem er dennoch an einen Gläubiger leistet.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Juli 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-04 O 398/16) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.265,32 € festgesetzt.
Gründe

I.

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A (künftig: Schuldner) das beklagte Land in Höhe von 39.265,32 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf Rückerstattung von Zahlungen in Anspruch, die auf Steuerschulden der X OHG bzw. des Schuldners geleistet wurden.

Der Schuldner war Gesellschafter und Geschäftsführer der X OHG. Die einzige Mitgesellschafterin schied nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt „Anfang 2014“ aus der Gesellschaft aus. Gemäß § 8 des – nicht vorgelegten – Gesellschaftsvertrags wuchs damit unstreitig der Geschäftsanteil der Mitgesellschafterin beim Schuldner an.

Unter dem 30.08.2012 mahnte das Finanzamt Stadt1 bei der OHG am 10.08.2012 fällig gewesene Umsatzsteuer für Juni 2012 an, unter dem 27.09.2012 dann am 10.09.2012 fällig gewesene Umsatzsteuer für Juli 2012 und unter dem 03.01.2013 am 10.12.2012 fällig gewesene Umsatzsteuer für Oktober 2012. Auf die Anlagen K 10 bis K 12 wird Bezug genommen. Namens der OHG bat der Schuldner mit Schreiben vom 08.03.2012 um eine Stundung offener Umsatzsteuern bis zum 10.04.2013, welche das Finanzamt verweigerte (Anlagen K 13 und K 14). Unter dem 20.02.2014 kündigte das Finanzamt eine Vollstreckung wegen rückständiger Lohnsteuer, Solidaritätszuschläge und Kirchensteuer an (K 15). Unter dem 27.02.2014 mahnte es am 10.02.2014 fällig gewesene Umsatzsteuer für Dezember 2014 sowie eine am selben Tag fällig gewesene Umsatzsteuervorauszahlung an (K 16). Am 21.03.2014 wurde eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung an die Bank der OHG wegen einer Forderung des Fiskus in Höhe von 11.889,71 € zugestellt, am 10.01.2014, 10.02.2014 und 10.03.2014 fällig gewesener Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen sowie wegen am 10.01.2014 fällig gewesener Lohn- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlags nebst Säumniszuschlägen (K 17). Am 27.03.2014 wurde der zu vollstreckende Betrag an das Finanzamt überwiesen. Diese Zahlung ficht der Kläger nicht an. Angefochten sind folgende Zahlungen und Überweisungen:

Zahlung vom 03.06.2014 in Höhe von 4.412,44 €,

zwei Zahlungen vom 02.07.2014 in Höhe von 2.594,00 €, und 2.966,51 €,

eine Überweisung vom 02.10.2014 in Höhe von 13.350,97 €, die im Wesentlichen Umsatzsteuer für Mai, Juni und Juli 2014 betroffen hat und der die Zustellung einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung an die Bank vom 24.09.2014 über denselben Betrag vorausgegangen war,

eine Zahlung vom 02.12.2014 in Höhe von 2.541,85 €,

zwei Zahlungen vom 05.01.2015 in Höhe von 3.221,18 € und 4.838,87 € sowie

eine Zahlung vom 02.02.2015 in Höhe von 5.339,50 €.

Auf den am 30.03.2015 beim Amtsgericht Stadt2 eingegangen Insolvenzantrag hin wurde am 24.04.2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. In Unkenntnis der Beendigung der OHG unternahm das Finanzamt am 14.05.2015 noch einen fruchtlosen Vollstreckungsversuch in das ursprünglich der OHG gehörende Konto, worauf es am 28.05.2015 die Mitteilung der Bank über Erlöschen der OHG erhielt. Am 23.01.2017 wurde die Löschung der OHG im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger hat behauptet, dass der Schuldner seit Anfang 2014 nur rund 30% der Miete für die Gewerberäume an die Vermieterin gezahlt habe. Diese hat – vom Kläger bestrittene – Forderungen in Höhe von 179.835,34 € zur Tabelle angemeldet, darüber hinaus nicht bestrittene titulierte Rückstände aus den Monaten Januar bis April 2014 in Höhe von 38.748,88 €. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass es alleine entscheidend sei, dass der Schuldner das Fitnessstudio unter der Steuernummer der früheren OHG weiter geführt habe. Daraus ergebe sich auch die Kenntnis des Fiskus‘ bezüglich des Unternehmens und der Steuernummer. Daher habe das Finanzamt über alle Informationen bezüglich der Gesellschaftssituation des Steuerschuldners verfügt.

Das beklagte Land hat den Vortrag des Klägers zu den Mietschulden zunächst mit Nichtwissen bestritten, sich aber nach der Vorlage des Tabellenauszugs und der Forderungsanmeldung des Bevollmächtigten der Vermieterin durch den Kläger nicht mehr dazu erklärt. Es hat weiter darauf abgestellt, dass die zögerlichen Leistungen auf die Steuerschuld auch darauf beruhen könnten, dass der Schuldner eine Liquiditätsreserve habe erhalten wollen. Unter Bezugnahme auf ein Urteil des 19. Zivilsenats des OLG Frankfurt (19 U 250/12) hat es eine objektive Gläubigerbenachteiligung in Abrede gestellt. Vor allem hat sich das beklagte Land auf § 15 HGB berufen und geltend gemacht, dass es nicht habe davon ausgehen können, dass der Schuldner Steuer- und potentieller Insolvenzschuldner sein könnte. Daher fehle es an einer Kenntnis sowohl der Zahlungsunfähigkeit als auch eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Zuletzt hat sich das beklagte Land auf eine zu § 750 ZPO ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (VII ZB 64/16) berufen, in welcher der Bundesgerichtshof für den Fall der Vollstreckung durch eine OHG aus einem von einer GbR erwirkten Titel einen Nachweis der Titelgläubigereigenschaft der OHG in der Form des § 750 Abs. 2 ZPO gefordert hat. Das beklagte Land meint, dass sich daraus im Umkehrschluss ergebe, dass es so behandelt werden müsse, als habe es die in den letzten drei Monaten vor Stellung des Insolvenzantrags geflossenen Zahlungen von der OHG erhalten, weshalb dann eine kongruente Deckung vorliege.

Wegen des Parteivorbringens im ersten Rechtszug und insbesondere der erstinstanzlichen Antragstellung wird nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Anfechtbarkeit der gegenständlichen Zahlungen und Überweisungen daran scheitere, dass das beklagte Land keine Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gehabt habe. Es habe nach § 15 HGB und unter Rechtsscheinsgesichtspunkten von einem Fortbestehen der OHG ausgehen dürfen. Ein Rückschluss von den Vermögensverhältnissen der OHG auf die des Schuldners sei nicht zulässig. Eine Kenntnis des Landes von der „privaten“ wirtschaftlichen Situation des Schuldners sei nicht dargetan.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 17.07.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 21.07.2017 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt, die er mit einem am 12.09.2017 per Fax und am 13.09.2017 im Original eingegangen Schriftsatz begründet hat und mit der er seine Klageanträge weiter verfolgt. Er stellt darauf ab, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Rechtsnachfolge stattgefunden habe, sondern dass eine „Personenidentität“ zwischen der OHG und dem Schuldner bestehe. Es könne nicht sein, dass eine Anfechtbarkeit zwar bei einem Fortbestand der OHG bestanden hätte, nach dem Ausscheiden der vorletzten Gesellschafterin aber nicht mehr bestehen solle. Der Kläger macht geltend, dass unstreitig dem Finanzamt „sämtliche Tatsachen hinsichtlich des Steuerschuldners im Hinblick von § 133 InsO“ bekannt gewesen seien (Bl. 213 d.A.). Die Behörde habe lediglich falsche rechtliche Schlussfolgerungen gezogen und sich über die Rechtsform des Steuerschuldners geirrt. Die Kenntnis des beklagten Landes vom Vorsatz eines Schuldners könne sich immer nur auf den Vorsatz einer natürlichen Person beziehen. Auf einen Hinweis des Senats hin trägt der Kläger ergänzend vor, es sei einer OHG immanent, dass deren Gesellschafter in ihr ihren wirtschaftlichen Mittelpunkt hätten und vom wirtschaftlichen Erfolg der OHG abhängig seien. Wenn die OHG außerstande sei, ihre Gläubiger zu bezahlen, sei es denklogisch, dass auch die Gesellschafter erst recht keine Zahlungen erhielten und über keine eigenen liquiden Mittel verfügten. Die finanzielle Lage der Gesellschaft entspreche in der Regel auch der finanziellen Lage des Gesellschafters. Es sei eine allgemeine Lebenserfahrung, dass die Gesellschafter alle verfügbaren Mittel der Gesellschaft zur Verfügung stellten. Schließlich macht der Kläger geltend, dass die Zahlung vom 01.10.2014 in Höhe von 13.350,97 € nach § 131 Abs. 1 Satz 1 InsO anfechtbar sei, sofern es sich dabei um eine Drittschuldnerleistung handeln sollte, und dass darüber hinaus alle angefochtenen Zahlungen von dem Bankkonto, über das nach der Beendigung der OHG die alleinige Verfügungsgewalt gehabt habe, an das beklagte Land auf Steuerschulden der OHG unentgeltliche Leistungen des Schuldners „im Dreiecksverhältnis“ darstellten, die nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar seien.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 39.265,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.04.2015 an den Kläger zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Zurückweisung der Berufung.

Es verteidigt das angefochtene Urteil und das stellt darauf ab, dass es nicht mit dem Schuldner als Steuerschuldner zu tun gehabt habe und daher nicht in der Lage gewesen sei, sich eine Vorstellung von dessen wirtschaftlicher Situation zu machen. Das beklagte Land bestreitet den auf den Hinweis des Senats hin gehaltenen Vortrag des Klägers.

Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, auf die Sitzungsniederschrift vom 21.02.2018 sowie auf die Hinweisbeschlüsse des Senats vom 28.02.2018 und vom 07.05.2018 Bezug genommen. Auf in den Schriftsätzen des Klägervertreters vom 30.05.2018 sowie des Beklagtenvertreters vom 04.06.2018 gestellte Anträge der Parteien hin hat der Senat das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und Schriftsatzschluss auf den 01.08.2018 bestimmt.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis zutreffend.

1. Für die Anfechtbarkeit kommt es auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners, nicht auf die der OHG an, weil die angefochtenen Leistungen erfolgten, nachdem der Gesellschaftsanteil der Mitgesellschafterin dem Schuldner angewachsen und die OHG beendet war.

Zwar hat der Kläger nicht vorgetragen, zu welchem genauen Zeitpunkt die Mitgesellschafterin des Schuldners aus der OHG ausgeschieden ist. Er hat vielmehr lediglich ausgeführt, dies sei „Anfang 2014“ gewesen. Doch datiert die erste angefochtene Zahlung vom 03.06.2014. Dies war zweifellos nach „Anfang 2014“.

Unstreitig fand gemäß § 8 des (nicht vorgelegten) Gesellschaftsvertrags eine Anwachsung statt. Damit fielen Vermögen und Verbindlichkeiten der OHG dem Schuldner zu. Er wurde primärer Steuerschuldner, war nicht mehr lediglich Haftungsschuldner nach §§ 128 S. 1 HGB und 69 AO, ohne dass es einer Festsetzung gegen ihn o.ä. bedurft hätte.

2. Die objektiven Voraussetzungen wie auf Seiten des Schuldners auch die subjektiven Voraussetzungen sowohl einer Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO wie auch einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO (a.F.) – letzteres bezüglich der Zahlungen ab dem 05.01.2015 – liegen vor

Der Schuldner war bereits am 03.06.2014 zahlungsunfähig. Er hatte seine Zahlungen eingestellt i.S.von § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO. Bestehen im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung fällige Verbindlichkeiten anderer Gläubiger, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, kann dies eine Zahlungseinstellung indizieren (BGH v. 9.6.2016 IX ZR 174/15). Im vorliegenden Fall bestanden vor dem 03.06.2014 und bis zur Insolvenzeröffnung Mietrückstände aus den Monaten Januar bis April 2014 in Höhe von 38.748,88 €, die bei Insolvenzeröffnung sogar tituliert, aber nicht beglichen worden waren. Nach näherer Darlegung der wirtschaftlichen Situation des Schuldners in der Replik hat das beklagte Land sich nicht mehr zu diesem Punkt erklärt, weshalb der Vortrag des Klägers als unstreitig zu behandeln ist.

Hinzu kommt, dass die Vermieterin der Geschäftsräume ein für die Fortführung unentbehrlicher Gläubiger war, vergleichbar einem unentbehrlichen Lieferanten. Die Nichtbegleichung von Forderungen derartiger Gläubiger ist ein weiteres Indiz für eine Zahlungseinstellung (BGH, a.a.O. u. v. 6.12.2012 IX ZR 3/12). Aufgrund der Zahlungseinstellung jedenfalls ab dem 03.06.2014 wird die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ab diesem Zeitpunkt vermutet.

Die angefochtenen Zahlungen haben die Gläubiger benachteiligt, wie sich daraus ergibt, dass der Schuldner die titulierten Mietrückstände bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeglichen hat, dass also die Zahlungen an den Fiskus die verfügbare Vermögensmasse, aus der die übrigen Gläubiger hätten befriedigt werden können, vermindert hat. Der o.g. Entscheidung des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt, in der eine Gläubigerbenachteiligung verneint wurde, lag eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde: Dort hatte die Bank die Überweisung an das Finanzamt von einem auf den Schuldner lautenden Konto vorgenommen, obwohl die Pfändungs- und Überweisungsverfügung sich gegen die – erloschene – GbR richtete. Im vorliegenden Fall lautete das Konto noch auf die nicht mehr existierende OHG.

Der Schuldner kannte seine Zahlungsunfähigkeit. Die Vermutung des § 130 Abs. 2 InsO, wonach für den Gläubiger die Kenntnis der Umstände, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gleich steht, gilt erst recht für den Schuldner. Unerheblich ist dabei, ob der Schuldner / der Gläubiger die Umstände rechtlich zutreffend bewertet. Im vorliegenden Fall wusste der Schuldner um seine titulierten und dennoch nicht beglichenen Mietrückstände der Monate Januar bis April 2014, so dass gesetzlich vermutet wird, dass er seine jedenfalls ab dem 03.06.2014 bestehende Zahlungsunfähigkeit kannte.

Soweit der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt er bei Zahlungen in der Regel mit zumindest bedingtem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, weil er es zumindest für möglich hält, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können, und dies billigend in Kauf nimmt, indem er dennoch an einen Gläubiger leistet. Dies gilt auch im vorliegenden Fall für den Schuldner.

3. a) Indessen ist die am 02.10.2014 erfolgte Überweisung von 13.350,97 € nicht anfechtbar, weil bereits nicht dargetan ist, dass die auf die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 22 09.2014 hin erfolgte Überweisung als Rechtshandlung des Schuldners zu werten wäre. Dem Schuldner – als aus Sicht des Fiskus Geschäftsführer der OHG – wurde diese Verfügung erst mit Schreiben vom 07.10.2014 (K 18, Bl. 110 d.A.) zur Kenntnis gegeben, noch dazu mit dem Hinweis, dass die OHG sich jeder Verfügung über den pfändbaren Teil der Ansprüche gegen die Bank zu enthalten habe. Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass die Bank die Überweisung veranlasst hat. Entgegen stehende Anhaltspunkte trägt der Kläger nicht substantiiert vor. Eine vom Anfechtungsgegner durch eine Vollstreckungsmaßnahme bewirkte Vermögensverlagerung beruht dann nicht auf einer Rechtshandlung des Schuldners, wenn dieser sich darauf beschränkt, die Vollstreckung hinzunehmen. So liegt es im vorliegenden Fall bezüglich der Überweisung der 13.350,97 €.

Eine Anfechtbarkeit jener Überweisung vom 02.10.2014 nach §§ 130, 131 InsO kommt wegen des zeitlichen Abstandes zu dem am 30.03.2015 beim Insolvenzgericht eingegangenen Insolvenzantrag nicht in Betracht.

b) Nicht nur diese Überweisung ist, sondern auch alle weiteren angefochtenen Zahlungen sind weder nach § 133 noch nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO (a.F.) anfechtbar, weil eine Kenntnis des Fiskus von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht festgestellt werden kann.

(1) Schon im Ausgangspunkt ist der Behauptung des Klägers nicht zu folgen, dass dem Finanzamt „sämtliche Tatsachen hinsichtlich des Steuerschuldners im Hinblick von § 133 InsO“ bekannt gewesen seien. Diese – im Übrigen bestrittene und nicht unter Beweis gestellte – Behauptung kann nicht zutreffen, weil die Aktiva und Passiva der OHG noch vor Beginn des Zeitraums, in den die angefochtenen Zahlungen fallen, zu den bereits im Vermögen des Schuldners befindlichen Aktiva und Passiva hinzugekommen sind. Auch wenn mithin nicht nur die wirtschaftliche Situation der OHG vor deren Beendigung, sondern auch die des Schuldners vor der dem Fiskus nicht bekannten Anwachsung für dessen Liquiditätssituation nach der Anwachsung und somit bei Beginn des Anfechtungszeitraums mit bestimmend war, ist nicht ersichtlich, wodurch das Finanzamt – in Unkenntnis der Anwachsung – Kenntnis von die Vermögenslage des Schuldners betreffenden Umständen hätte erlangen können, aus denen sich zwingend dessen Zahlungsunfähigkeit ergeben würde.

(2) Zwar folgt der Senat nicht der Auffassung des beklagten Landes, dass das Finanzamt sich keine Vorstellung über die wirtschaftliche Situation des Schuldners habe machen können. Denn alle OHG-Gesellschafter sind über § 128 Satz 1 HGB und die geschäftsführenden Gesellschafter – wie der Schuldner – zudem auch über § 69 AO in der Mithaftung für die Steuerschulden der OHG. Insbesondere droht ihnen daher das Risiko einer Strafbarkeit nach § 370 AO. Deshalb lässt das Zahlungsverhalten der OHG durchaus Schlüsse auf die wirtschaftliche Situation ihrer Gesellschafter zu. Indessen ist der Senat der Auffassung, dass das dem beklagten Land erkennbare Zahlungsverhalten der OHG – sowohl zu Zeiten ihres Bestehens wie zu Zeiten nach ihrer dem beklagten Land nicht erkennbaren Beendigung – bereits keine Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit der OHG vor Augen geführt hat. Dass der Fiskus Kenntnis von den nicht ausgeglichenen Mietrückständen der OHG bzw. des Schuldners gehabt hätte, ist weder dargetan worden noch sonst ersichtlich. Zahlungen der – vermeintlichen – OHG an das Finanzamt mögen zwar schleppend geflossen sein, sie sind aber geflossen. Die beiden vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unternommenen Vollstreckungsversuche des Fiskus – einer vor und einer während des Anfechtungszeitraums – waren erfolgreich, was bedeutete, dass auf dem noch auf die OHG lautenden Konto Liquidität vorhanden war. Die vom späteren Schuldner namens der OHG unter dem 08.03.2012 angebrachte Stundungsbitte indziert keine (drohende) Zahlungsunfähigkeit, weil weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass die OHG trotz der Versagung der Stundung die gegenständliche Umsatzsteuer nicht beglichen hätte. Die vom Kläger vorgelegten Mahnungen des Finanzamtes betreffen spätere Veranlagungszeiträume. Und auch insoweit ist nicht dargetan, dass die angemahnten Zahlungen nicht erfolgt wären.

(3) Wären dem beklagten Land entgegen der Beurteilung des Senats zwingende Anhaltspunkte für eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der OHG bekannt gewesen, so hätte dies grundsätzlich noch keine Kenntnis des Landes von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners indiziert.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es keinesfalls zwingend, dass ein OHG-Gesellschafter keine anderen Einnahmequellen neben seiner Beteiligung an der Gesellschaft hat, dass er alle verfügbaren Mittel der OHG zur Verfügung stellt, so dass die finanzielle Lage der OHG seiner wirtschaftlichen Situation entspricht, und dass er zuvörderst für eine Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger sorgt und sich nicht etwa am verbliebenen Gesellschaftsvermögen bereichert. Da abweichende Vermögensverhältnisse und Verhaltensweisen von OHG-Gesellschaftern zu beobachten sind, z.B. die Ausplünderung der Gesellschaft, gibt es keine allgemein gültigen Erfahrungssätze mit dem vom Kläger postulierten Inhalt, wobei der Kläger in einem Punkt schon selbst lediglich Regelhaftigkeit, nicht aber Allgemeingültigkeit behauptet. Mithin ergeben sich aus den dem beklagten Land zuzurechnenden Kenntnissen seiner mit der OHG befassten Mitarbeiter keine Anhaltspunkte, aus denen zwingend auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Schuldners A hätte geschlossen werden müssen. Nach allem hat der Kläger mit seinem Vorbringen zur behaupteten Kenntnis des Landes von einer Zahlungseinstellung oder von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der OHG noch keinen hinreichend substantiierten Vortrag zu einer Kenntnis des Landes von einer Zahlungseinstellung oder von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners A gehalten. Entgegen der Auffassung des für eine entsprechende Kenntnis des Landes darlegungs- und beweisbelasteten Klägers ist das beklagte Land keinesfalls verpflichtet, zur steuerlichen Situation des Schuldners vorzutragen. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A, nicht etwa über das der OHG, und sollte daher in der Lage sein, auch die steuerliche Situation „seines“ Schuldners anhand dessen Unterlagen erfassen zu können. Für ein diesbezügliches Unvermögen des Klägers ist nichts ersichtlich.

c) Die angefochtenen Zahlungen sind auch nicht nach § 134 InsO anfechtbar. Mit der Beendigung der OHG ist nicht nur das Vermögen der OHG einschließlich des Bankkontos beim Schuldner angewachsen, sondern wurde der Insolvenzschuldner auch primärer Schuldner für steuerliche Verbindlichkeiten der früheren OHG. Mit der Begleichung dieser Steuerschulden hat er daher keinesfalls eine unentgeltliche Leistung auf fremde Schuld erbracht, sondern eigene Steuerschulden beglichen.

4. Nach allem hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Deshalb hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist mangels des Vorliegens eines Revisionsgrundes nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 GKG und 3 ZPO.

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