OLG Frankfurt am Main, 01.08.2018 – 4 U 188/17

März 16, 2019

OLG Frankfurt am Main, 01.08.2018 – 4 U 188/17
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.8.2017 (Az. 3-13 O 40/16) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.3.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 165.903,35 €.
Gründe

I.

Die Klägerin begehrt als Insolvenzverwalterin Rückgewähr von an die Beklagte zwischen August 2012 und November 2013 geleisteter Zahlungen über insgesamt 165.903,35 € zzgl. Zinsen wegen Insolvenzanfechtung.

Die Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 12.03.2014 zur Insolvenzverwalterin über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden Schuldnerin) bestellt. Dem ging ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 29.11.2013 voraus.

Die Schuldnerin betrieb einen Obst- und Gemüsehandel und war Mieterin in dem von der Beklagten betriebenen „Frischezentrum“, einem Großmarkt für Obst und Gemüse.

Hinsichtlich des monatlich fälligen Mietzinses (anfänglich i.H.v. 14.332,21 €) war der Lastschrifteinzug vereinbart. Auf die monatlichen Mietzinsforderungen zog die Beklagte vom Konto der Schuldnerin zwischen dem 27.08.2012 und dem 04.11.2013 insgesamt einen Betrag i.H.v. 180.486,20 € ein. Vereinzelt nahm die Schuldnerin auch Überweisungen vor. Regelmäßig kam es zu Rücklastschriften.

Ausweislich der Kontoauszüge des Geschäftskontos der Schuldnerin und dem jeweils angegebenen Verwendungszweck (Anlagen K2 bis K 51) konnte der Mietzins für den Monat September 2012 letztlich erst am 19.11.2012, der Mietzins für den Monat Oktober 2012 am 26.10.2012, der Mietzins für den Monat November 2012 am 03.01.2013, der Mietzins für den Monat Dezember 2012 am 27.12.2012, der Mietzins für den Monat Januar 2013 am 06.02.2013 und der Mietzins für den Monat Februar 2013 am 04.03.2013 erfolgreich per Lastschrift bzw. Überweisung bezahlt werden. Der Lastschrifteinzug für die Mieten der Monate März 2013 sowie April 2013 scheiterte dagegen.

Daraufhin schlossen die Schuldnerin und die Beklagte am 19.04.2013 wegen der ausstehenden Mietzinsforderungen für die Monate März und April 2013 in Höhe von insgesamt 30.023,21 € eine „Teilzahlungsvereinbarung“ (Anlage K 52). Danach verpflichtete sich die Schuldnerin, die Forderung mittels dreier Teilzahlungen zu tilgen. Die am 15.05.2013 und am 14.06.2013 jeweils fälligen 10.000 € sowie die am 15.07.2013 fälligen 10.023,21 € wurden erfolgreich per Lastschrift eingezogen, ohne dass es zu Rücklastschriften kam.

Auch die Mieten für die darauf folgenden Monate Mai 2013 sowie Juni 2013 wurden erfolgreich per Lastschrift am 14.06.2013 und 02.07.2013 eingezogen.

Dagegen wurden die Lastschriften hinsichtlich des Mietzinses der Monate Juli 2013 und August 2013 am 12.08.2013 bzw. 10.09.2013 zurückgebucht. Auch der Einzug der Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 702,10 € scheiterte (erstmals) ab dem Monat Juli 2013.

Ausweislich der dem vorgerichtlichen Schreiben des Beklagtenvertreters vom 18.10.2013 beigefügten Forderungsaufstellung vom 16.10.2013 (Anlage K 54) hatten sich zwischen Juli 2013 und Oktober 2013 Rückstände in Höhe von insgesamt 53.276,69 € angehäuft, die sich bis Anfang November 2013 auf 55.561,64 € erhöht hatten.

Daraufhin einigten sich die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte Anfang November 2013 auf einen Ausgleich mittels wöchentlicher Ratenzahlungen über jeweils 5.500 €. Am 04.11.2013 zahlte die Schuldnerin auf die erste Rate 5.000 €. Danach stellte sie ihre Zahlungen endgültig ein.

Hinsichtlich der einzelnen Lastschriften, Rücklastschriften sowie Überweisungen wird auf die tabellarische Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 3 d.A.), die Kontoauszüge des Geschäftskontos der Schuldnerin (Anlagen K2 bis K 51) sowie die Forderungsaufstellung vom 16.10.2013 (Anlage K 54) Bezug genommen.

Die Klägerin hat auf Grundlage der Insolvenztabelle (Anlage K 60, Bl. 164 ff. d.A.) – unbestritten – vorgetragen, im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen hätten auch gegenüber anderen Gläubigern fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden seien.

Die Klägerin hat weiter behauptet, die Schuldnerin habe am 17.05.2013 die von der Schuldnerin an der Beklagten gehaltenen Gesellschaftsanteile an die Beklagte verkauft. Die Beklagte habe an die Schuldnerin einen Betrag i.H.v. 50.000 € eingezahlt, der auf den Gesamtkaufpreis über 80.000 € angerechnet worden sei. Der Nominalwert der Gesellschaftsanteile habe 137.150 € betragen, so dass die Gesellschaftsanteile deutlich unter dem Nominalwert an die Beklagte veräußert worden seien.

Schließlich hat die Klägerin behauptet, die Beklagte sei bereits im Zeitpunkt der Vornahme der ersten der angefochtenen Zahlungen, d.h. seit Ende August 2012, zahlungsunfähig gewesen. Von dieser Zahlungsunfähigkeit habe die Beklagte Kenntnis gehabt. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Zahlungsunfähigkeit ergebe sich aus den Rücklastschriften, der Teilzahlungsvereinbarung vom 19.04.2013 wegen des Mietrückstandes über 30.023,21 €, der im Oktober 2013 bestehenden Gesamtforderung über 53.276,69 €, sowie aus der – angeblich unter Wert erfolgten – Veräußerung der Geschäftsanteile.

Die Beklagte hat behauptet, von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin keine Kenntnis gehabt zu haben. Sie hat – unbestritten – vorgetragen, die lediglich unwesentlich verspäteten Zahlungen seien seitens der Schuldnerin jeweils angekündigt und von der Beklagten geduldet worden. Es sei gängige Praxis, dass die Abkäufer der im „Frischezentrum“ tätigen Händler ihre Verpflichtungen zur Kaufpreiszahlung nicht pünktlich erfüllen, sodass ihrerseits die Händler mit der Zahlung der Miete in Verzug gerieten. Auch vorliegend seien derartige Stundungsvereinbarungen getroffen, und von der Schuldnerin – zunächst – eingehalten worden. Hätte die Beklagte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin gehabt, hätte sie den Mietvertrag gekündigt.

Hinsichtlich des Parteivortrags im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.08.2017 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Für einen Anspruch nach §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO fehle es zumindest an der Kenntnis der Beklagten von einem etwaigen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin. Die erforderliche Kenntnis von der Zahlungseinstellung der Insolvenzschuldnerin ergebe sich insbesondere nicht aus der Kenntnis des Zahlungsrückstanden ihr selbst gegenüber. Die mehrmalige Rückbuchung von Lastschriften begründe keine Kenntnis der Beklagten, da die Schuldnerin die fälligen Forderungen jeweils wenige Tage bis Wochen später letztlich erfüllt habe. Im Übrigen sei ein solches Vorgehen in diesem Geschäftsbetrieb üblich und von der Beklagten hingenommen worden.

Auch die Teilzahlungsvereinbarung vom 19.04.2013 spreche nicht für eine Zahlungsunfähigkeit. Die Bitte um Ratenzahlung sei nur dann ein Indiz für eine Zahlungseinstellung, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden werde, seine fälligen Verbindlichkeiten auf andere Weise nicht erfüllen zu können. Eine solche Erklärung der Insolvenzschuldnerin habe die Klägerin nicht behauptet. Im Übrigen seien solche Ratenzahlungsvereinbarungen im vorliegenden Geschäftsbetrieb üblich.

Auf die behaupteten Mietrückstände im Zeitraum Juli 2013 bis Oktober 2013 in Höhe von gut 50.000 € ist das Landgericht nicht eingegangen.

Ein Anspruch gem. §§ 143 Abs. 1, 131 Abs. 1 und 2 InsO scheitere an der Tatsache, dass es sich bei den Zahlungen auf die Mietzinsforderungen nicht um inkongruente Deckungsleistungen handele.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter, allerdings abzüglich der Zahlung vom 5.9.2013 über 14.582,85 €. Die Beklagte hat in der Eingangsinstanz behauptet, am 10.09.2013 sei auch insoweit eine Rücklastschrift erfolgt, was die Klägerin mittlerweile unstreitig gestellt hat.

Die Klägerin macht mit der Berufung zum einen geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die gem. § 133 Abs. 1 S. 2 InsO zu vermutende Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes verneint. Aus dem Umstand, dass es sich bei der Schuldnerin um ein gewerbliches Unternehmen handelte, hätte die Beklagte folgern müssen, dass die Verbindlichkeiten ihr gegenüber nicht die einzigen gewesen seien. Auch hätte sich ihr die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Ratenzahlungsvereinbarung vom 19.04.2013 aufdrängen müssen.

Abweichend von ihrem Vortrag in der Eingangsinstanz macht die Klägerin unter Vorlage des notariellen Kaufvertrags vom 23.5.2013 (Anlage K 61, Bl. 184 d.A.) mit der Berufung erstmals geltend, die Schuldnerin habe die von ihr an der Beklagten gehaltenen Gesellschaftsanteile im Nennwert von insgesamt 137.150 € zu einem Kaufpreis i.H.v. insgesamt 80.000 € nicht an die Beklagte, sondern an die A GmbH, veräußert. Die Beklagte habe den Verkauf im Vorfeld „aktiv favorisiert und angeregt“, weil für den Fall einer Insolvenz die Geschäftsanteile in die Insolvenzmasse gefallen, und sodann verwertet worden wären. Im notariellen Kaufvertrag vom 23.5.2013 habe die Schuldnerin der Wahrheit zuwider versichert, gegenüber der Beklagten keine offenen Verbindlichkeiten zu haben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch aus der Teilzahlungsvereinbarung vom 19.04.2013 lediglich die erste Rate über 10.000 € am 16.05.2016 beglichen worden, während die beiden restlichen Raten noch ausstanden. Dessen ungeachtet habe der Aufsichtsrat der Beklagten die zur Wirksamkeit des Kaufvertrages erforderliche Zustimmung erteilt.

Erstmals mit Schriftsatz vom 10.7.2018 bestreitet die Klägerin die von der Beklagten in der Eingangsinstanz unbestritten behaupteten Stundungsabreden sowie eine solche im „Frischezentrum“ bestehende Verkehrssitte.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

unter Abänderung des am 31.8.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 3-13 O 40/16, wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 195.577,82 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 165.903,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 12.3.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kenntnis von der etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei insbesondere deshalb zu verneinen, weil die Beklagte sich sowohl durch eingehende Gespräche mit der Schuldnerin als auch mittels einer Inaugenscheinnahme im Frischezentrum davon haben überzeugen können, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin bis zuletzt im Gange war und die Schuldnerin unbeglichene Außenstände bei ihren Kunden hatte, deren Realisierung einen baldigen Ausgleich der rückständigen Mietforderungen versprochen habe.

Sie rügt den neuen Vortrag der Klägerin, wonach nicht die Beklagte, sondern die A GmbH, die Geschäftsanteile erworben habe, als verspätet. Sie bestreitet die klägerische Behauptung, den Verkauf forciert oder angeregt zu haben.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist mit dem Hauptantrag nur in geringem Umfang begründet.

Die Klägerin hat einen Rückgewähranspruch gegen die Beklagte wegen Vorsatzanfechtung, §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO, allerdings nur i.H.v. 5.000,00 €.

Unproblematisch handelt es sich bei den angefochtenen Zahlungen um Rechtshandlungen, die die Schuldnerin in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat i.S.d. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO. Ist der Gläubiger – wie vorliegend die Beklagte – ermächtigt, die zu seinen Gunsten fälligen Rechnungsbeträge per Lastschrift vom Konto des Insolvenzschuldners bei dessen Kreditinstitut einzuziehen, so ist dies wie eine Leistung des Schuldners selbst zu werten (vgl. MüKo/Kayser, InsO, 3. Aufl., § 129 Rn. 147 m.w.N.).

Die Schuldnerin hat die angefochtenen Zahlungen auch mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz i.S.d. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO erbracht.

Gläubigerbenachteiligungsvorsatz liegt vor, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung seiner Gläubiger zumindest als Folge seines Handelns erkannt und gebilligt hat, d.h. er es zumindest für möglich gehalten hat, dass sein Vermögen nicht zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger ausreicht. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist bereits bei Kenntnis des Schuldners von seiner (drohenden) Zahlungsunfähigkeit zu vermuten. Von Zahlungsunfähigkeit kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt der angefochtenen Handlungen fällige Verbindlichkeiten bestanden, welche bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen werden konnten (vgl. BGH, Urteil 12.10.2006, Az. IX ZR 228/03, WM 06, 2312; BGH, Urteil 30.6.2011, Az. IX ZR 134/10, NZI 11, 589).

Dies war vorliegend der Fall. Die Klägerin hat in der Eingangsinstanz auf Grundlage der zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen vorgetragen, im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen hätten auch gegenüber anderen Gläubigern fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr beglichen worden seien. Dies hat die Beklagte nicht bestritten.

Zu Recht hat das Landgericht die Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin i.S.d. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO verneint, allerdings nur hinsichtlich der Zahlungen bis zum 16.7.2013. Im Zeitpunkt der Zahlung vom 4.11.2013 über 5.000,00 € hatte die Beklagte dagegen Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.

Vermutet wird die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO, wenn der Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners drohte. Dies ist dann der Fall, wenn er Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hinweisen bzw. aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dies ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände festzustellen. Kenntnis von den Verbindlichkeiten gegenüber einem einzigen Gläubiger (dem Anfechtungsgegner selbst) genügt dann, wenn diese über einen längeren Zeitraum hinweg trotz intensiver Beitreibungsversuche ständig in beträchtlichem Umfang nicht ausgeglichen werden und wenn der Gläubiger weiß, dass es noch weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen gibt, was bei gewerblich tätigen Schuldnern allerdings vermutet werden kann. Maßgeblich ist, ob sich die schleppende Tilgung bei einer Gesamtbetrachtung der dem Gläubiger bekannten Umstände, insbesondere der Art der Forderung, der Person des Schuldners und des Zuschnitts seines Geschäftsbetriebes, als ausreichendes Indiz für eine Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit darstellt. Eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung liegt nicht mehr vor, wenn es dem Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung schon seit mehreren Monaten nicht gelungen ist, seine fälligen Verbindlichkeiten auszugleichen und die rückständigen Beträge insgesamt so erheblich waren, dass von lediglich geringfügigen Liquiditätslücken keine Rede mehr sein kann (vgl. nur BGH, Urteil 11.2.2010, Az. IX ZR 104/07, NZI 10, 985; BGH, Urteil 30.4.2015, Az. IX ZR 149/14, NZI 15, 768; Uhlenbruck, 14. Aufl., 2015, § 133, Rn. 70; Mü/Ko, 3. Aufl., 2013, § 133, Rn. 24a, 38a m.w.N.).

Auch die Nichtbegleichung sog. betriebswesentlicher Verbindlichkeiten, wie etwa Löhne, Sozialversicherungsbeiträge, Steuern oder auch Mieten, führt alleine nur dann zu einem zwingenden Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit, wenn diese zum einen in der Höhe nicht unerheblich sind und zum anderen über einen Zeitraum von mehreren Monaten nicht geleistet werden können. Hinsichtlich der zeitlichen Komponente spricht ein Zahlungsrückstand von zumindest 6 Monaten für eine Zahlungsunfähigkeit (vgl. BGH, Urteil 10.7.2003, Az. IX ZR 89/02, NZI 03, 542; BGH, Urteil 13.6.2006, Az. IX ZB 238/05, NZI 06, 591; BGH, Urteil 19.2.2009, Az. IX ZR 62/08, NJW 09, 1202).

Ein mehrmonatiger Zahlungsverzug in nicht unerheblicher Höhe alleine genügt jedoch noch nicht, um einen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit ziehen zu können. Dass ein Schuldner eigenmächtig, d.h. ohne Zahlungsdruck, nicht bei Fälligkeit zahlt, ist für sich betrachtet noch nicht verdächtig. Zusätzlich ist erforderlich, dass Maßnahmen zur Forderungseinziehung getroffen wurden, deren Erfolglosigkeit einen Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage zulassen. Daraus folgt, dass etwa ein Schuldner, der über eine Dauer von 10 Monaten geschuldete Sozialversicherungsbeiträge jeweils um 3-4 Wochen verspätet zahlt, ohne dass er dazu durch Beitreibungsmaßnahmen gezwungen wurde, nicht zwingend als zahlungsunfähig angesehen werden muss (BGH, Urteil, 22.6.2017, Az. IX ZR 111/14, NZI 17, 718; BGH, Urteil 7.11.2013, Az. IX ZR 49/13, NZI 14, 23). Gleiches gilt, wenn etwa Beitragsrückstände über Monate auf einen Betrag von sogar über 100.000 € angewachsen sind, aber keine Maßnahmen der Forderungseinziehung getroffen wurden (BGH, Urteil 3.4.2014, Az. IX ZR 223/13, ZInsO 14, 1057). Selbst bei monatelangem Zahlungsrückstand in nicht unbeträchtlicher Höhe setzt die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit das ernsthafte Einfordern der Forderung voraus (BGH, Urteil 6.7.2017, Az. IX ZR 178/16, NZI 17, 850).

Forderungen, die rechtlich oder auch nur tatsächlich gestundet sind, dürfen bei der Prüfung der Zahlungseinstellung und Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden. Handelt es sich bei der gestundeten Forderung um die einzige offene Forderung, scheitert die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit (BGH, 24.3.2016, Az. IX ZR 242/13, NZI 16, 454; BGH, Urteil 6.12.2012, Az. IX ZR 3/12, WM 13, 174).

1. Zahlungen August 2012 – Juli 2013

Danach lagen die Voraussetzungen für eine Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin nach einer Gesamtwürdigung hinsichtlich der Zahlungen zwischen dem 27.8.2012 und dem 16.7.2013 noch nicht vor. In diesem Zeitraum musste die Beklagte nicht zwingend von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausgehen.

Dass die Beklagte Kenntnis von den offenen Zahlungsforderungen anderer Gläubiger gehabt hätte, hat die Klägerin nicht substantiiert behauptet. Für die Frage, ob der Anfechtungsgegner die (drohende) Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners kannte, genügt alleine der Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Gläubiger bei gewerblich tätigen Schuldnern damit rechnen muss, dass es weitere Gläubiger des Schuldners mit ungedeckten Ansprüchen gibt, nicht. Dieser Umstand ist kein taugliches Indiz, um die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit oder der Zahlungseinstellung zu belegen. Diese Rechtsprechung setzt vielmehr voraus, dass der Gläubiger die (drohende) Zahlungsunfähigkeit bereits kennt, und betrifft allein die daran anschließende Frage, ob die feststehende Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auch die geforderte Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung indiziert. Nur dann, wenn der Anfechtungsgegner nämlich von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners weiß, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig und deshalb damit zu rechnen war, dass auch andere Gläubiger existieren (vgl. BGH, Urteil 22.6.2017, Az. IX ZR 111/14, NZI 17, 718).

Die Kenntnis der gegenüber der Beklagten selbst bestehenden offenen Mietzinsforderungen genügte nicht, um den sicheren Schluss auf die zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ziehen zu müssen.

Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei den Mietzinsforderungen um sog. betriebswesentliche Forderungen handelte und dass es wiederholt zu Rücklastschriften kam.

Allerdings waren diese Forderungen von der Beklagten zum einen gestundet worden und dürfen daher – wie dargelegt – bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden. Die Behauptung der Beklagten, die Schuldnerin habe ihr gegenüber die – geringfügig verspäteten – Zahlungen jeweils zuvor angekündigt, womit die Beklagte einverstanden gewesen sei, hat die Klägerin in der Eingangsinstanz nicht bestritten gehabt. Entsprechendes wurde auch im Tatbestand des angegriffenen Urteils festgestellt. Mit ihrem erstmaligen Bestreiten im Schriftsatz vom 10.7.2018 kann sie in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört werden, § 531 Abs. 2 ZPO.

Zu Unrecht beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf ein Zitat in der Literatur (Uhlenbruck/Mock, 14. Aufl., § 17, Rn. 166). Die dort zitierte Rechtsprechung der BGH, wonach eine Erklärung des Schuldners, zur Begleichung von fälligen Verbindlichkeiten nicht in der Lage zu sein, auf drohende Zahlungsunfähigkeit hindeutet, auch wenn damit die Bitte um Stundung verbunden wird, ist vorliegend nicht einschlägig. Dass die Schuldnerin über die bloßen Stundungsvereinbarungen hinaus erklärt hätte, ohne diese zahlungsunfähig zu sein, hat weder die Beklagte noch die Klägerin behauptet. Vielmehr hat die Beklagte – unbestritten – behauptet, die Schuldnerin habe den Eingang der Zahlungen – mit geringfügiger Verspätung – in Aussicht gestellt gehabt.

Über die Stundungen hinaus hat die Beklagte die fälligen Mietzinsforderungen auch nicht ernsthaft eingefordert gehabt. Die Begleichung der Mietzinsforderungen für die Monate September 2012 bis Februar 2013 erfolgte freiwillig, ohne dass die Beklagte zuvor den Zahlungsrückstand angemahnt hatte. Wie bereits ausgeführt, genügt die Tatsache, dass ein Schuldner eigenmächtig, d.h. ohne Zahlungsdruck, nicht bei Fälligkeit zahlt, für sich alleine nicht, um einen zwingenden Schluss auf Zahlungsunfähigkeit zu ziehen. Zusätzlich ist erforderlich, dass Maßnahmen zur ernsthaften Forderungseintreibung getroffen wurden, deren Erfolglosigkeit einen Rückschluss auf eine ungünstige Vermögenslage zulassen, etwa Titulierungs- oder Vollstreckungsversuche.

Darüber hinaus betrug der Zahlungsverzug nicht einen längeren Zeitraum bzw. mehrere Monate. Die Mietzinsforderungen wurden mit Verzögerungen von lediglich ca. 2 Wochen bis 2 Monaten beglichen. Lediglich der Mietzins für den Monat September 2012 und für den Monat November 2012 wurde mit einer Verzögerung von ca. 2 1/2 bzw. 2 Monaten, und damit mit einer Verzögerung erbracht, die überhaupt als „mehrmonatig“ bezeichnet werden könnte. Allerdings wurde dieses Indiz dadurch entkräftet, dass die Verzögerungen der Mietzinszahlungen für die unmittelbar darauf folgenden Monate Oktober 2012 (ca. 3 Wochen), Dezember 2012 (ca. 3 Wochen), Januar 2013 (ca. 4 Wochen) sowie Februar 2013 (ca. 4 Wochen) vergleichsweise gering waren. Wie bereits ausgeführt, genügt die monatelange, lediglich um jeweils 3 – 4 Wochen verspätete Zahlung selbst betriebswesentlicher Forderungen nicht, um Zahlungsunfähigkeit zu begründen, zumindest dann nicht, wenn – wie vorliegend – den Zahlungen keine ernsthaften Beitreibungsversuche vorangegangen sind.

Gegen eine von der Beklagten erkannte Zahlungsunfähigkeit spricht des Weiteren, dass weder die Dauer der Verzögerungen noch die Höhe der insgesamt offenen Forderungen stetig angewachsen waren. Bis März 2013 war die Schuldnerin dauerhaft nur mit jeweils einer Monatsmiete im Rückstand gewesen. Der Zahlungsverzug reduzierte sich sogar von anfangs ca. 2 1/2 Monaten (September 2012) auf letztlich nur noch ca. 3 – 4 Wochen.

Dies gilt für den vorliegenden Fall umso mehr, als es – unstreitig – gängige Praxis ist, dass die im „Frischezentrum“ tätigen Händler mit der Zahlung der Miete regelmäßig kurzzeitig in Verzug geraten, weil deren Kunden ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Händlern nicht rechtzeitig erfüllen, ohne dass dies auf einer drohenden Zahlungsunfähigkeit beruhen muss. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin in dieser Zeit noch unverändert am Laufen war, was dafür spricht, dass aus Sicht der Beklagten die Schuldnerin in der Lage war, ihren Zahlungsverpflichtungen – wenn auch mit geringfügigem Verzug – nachzukommen. Dazu kommt, dass sich die Beklagte – ebenfalls in der Eingangsinstanz unbestritten – aufgrund eines persönlichen Gespräches mit der Schuldnerin von deren Zahlungsfähigkeit überzeugt hatte.

Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass auch die „Teilzahlungsvereinbarung“ vom 19.04.2013 bzw. der dieser zugrunde liegende Zahlungsrückstand kein tragfähiges Indiz für Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin darstellt. Mit dieser wurde vereinbart, dass der Mietrückstand in Höhe von insgesamt 30.023,21 € (der Mietzins für die Monate März und April 2013) in 3 monatlichen Raten beglichen werden sollte. Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung. Dies ist nur dann anders, wenn es sich um eine sog. „erzwungene Stundung“ handelt oder die Bitte des Schuldners mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten anders nicht begleichen zu können, da die Bitte auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung auf den verschiedensten Gründen beruhen kann, die mit einer Zahlungseinstellung nicht zwingend etwas zu tun haben müssen. Da der Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung eine Stundung enthält, können die von der Vereinbarung erfassten Forderungen nicht für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt werden (vgl. BGH, Beschluss 16.4.2015, Az. IX ZR 6/14, NZI 15, 470; BGH, Urteil 10.7.2014, Az. IX ZR 280/13, ZIP 14, 1887).

Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts hat die Insolvenzschuldnerin nicht erklärt, ihre fälligen Verbindlichkeiten anders als durch Ratenzahlung nicht begleichen zu können. Vielmehr durfte die Beklagte davon ausgehen, dass sich die Schuldnerin die zur Tilgung der Schuld erforderlichen Geldmittel auch anderweitig hätte beschaffen können, etwa durch die Aufnahme eines Darlehens. Auch hat die Klägerin nicht behauptet, dass es sich um eine sog. „erzwungene Stundung“ gehandelt habe, d.h. dass die Beklagte sich gezwungen sah, sich auf eine Stundungsbitte einzulassen, weil sie eine Klage oder Vollstreckung für aussichtlos hielt oder den ohne die Stundung zwingend folgenden sofortigen Zusammenbruch der Schuldnerin nicht verantworten wolle (vgl. BGH, Urteil 14.2.2008, Az. IX ZR 38/04, NZI 08, 299). Wie dargelegt, ging die Beklagte berechtigterweise von einem gesunden Geschäftsbetrieb der Schuldnerin aus.

Die Ratenzahlungsvereinbarung hielt sich auch im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs. Ebenfalls mit der Berufung unangegriffen hat das Landgericht festgestellt, dass im Geschäftsbetrieb des „Frischezentrums“ solche Ratenzahlungsvereinbarungen allgemein üblich sind. Mit ihrem erstmaligen Bestreiten einer solchen Verkehrssitte im Schriftsatz vom 10.7.2018 kann die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört werden, § 531 Abs. 2 ZPO. Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen, § 314 ZPO. Das Berufungsgericht hat von der Richtigkeit der tatbestandlichen Feststellungen auszugehen. Sofern ein Parteivorbringen danach als unstreitig festgestellt ist, ist ein Bestreiten in der Berufungsinstanz als neu i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO anzusehen (vgl. Zöller/Feskorn, 32. Aufl., § 314, Rn. 5 m.w.N.).

Die vollständige Tilgung der Schuld wurde mit der Teilzahlungsvereinbarung vom 19.04.2013 zeitnah und mittels lediglich dreier Raten in Aussicht gestellt. Die vereinbarten drei Raten wurden auch pünktlich entrichtet, so dass sich auch aus der Umsetzung der Teilzahlungsvereinbarung nicht der Verdacht einer Zahlungseinstellung ergab.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt auch die Veräußerung der Gesellschaftsanteile mit notarieller Urkunde vom 23.5.2013 kein tragfähiges, für die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sprechendes Indiz dar.

Zwar ist der erstmals mit der Berufung gehaltene Klägervortrag, die Schuldnerin habe die Gesellschaftsanteile nicht an die Beklagte, sondern ausweislich der notariellen Urkunde vom 23.5.2013 an die A GmbH, veräußert, in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen, nachdem die Beklagte diesen Vortrag lediglich als verspätet gerügt, jedoch in der Sache nicht bestritten hat.

Allerdings rechtfertigt die Veräußerung der Gesellschaftsanteile nicht die Annahme der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt:

Entscheidend ist, dass die Schuldnerin in der Lage war, die Ratenzahlungsvereinbarung vom 19.04.2013 sowie die Mietzinsforderungen für die folgenden Monate Mai und Juni 2013 bei Fälligkeit zu erfüllen. Falls die dafür aufgewandten Mittel aus dem Verkauf der Geschäftsanteile stammen sollten, wäre dies für die Frage der Zahlungsunfähigkeit unerheblich.

Soweit die Klägerin behauptet, die Beklagte habe den Verkauf im Vorfeld „aktiv favorisiert und angeregt“ aus Angst, die Anteile könnten „im Falle einer Insolvenz“ in die Insolvenzmasse fallen und verwertet werden, ist dieser Vortrag zum einen unsubstantiiert. Nicht ersichtlich ist, wann und wodurch die Beklagte vom bevorstehenden Verkauf hätte Kenntnis erlangen sollen und in welcher Weise sie auf den Verkauf Einfluss genommen haben soll.

Zum anderen wäre die Klägerin mit diesem neuen, bestrittenen Vortrag in der Berufungsinstanz ausgeschlossen, § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO.

Darüber hinaus setzt die Vermutung der Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes gem. § 133 Abs. 1 S. 3 InsO voraus, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis von tatsächlichen Umständen hat, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen. Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Anfechtungsgegner bloße Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Schuldners hat, oder wenn er dessen Zahlungsunfähigkeit lediglich vermutet, ohne dass diese Vermutung auf Tatsachen gestützt werden kann. Gegenstand der Kenntnis kann nur die tatsächlich bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit sein (vgl. BGH, Urteil 19.5.2011, Az. IX ZR 9/10, NZI 11, 536 [BGH 19.05.2011 – IX ZR 9/10]; Uhlenbruck/Ede/Hirte, 14. Aufl., § 130, Rn. 61). Vorliegend hat die Klägerin jedoch keine für die Beklagte erkennbaren tatsächlichen Umstände vorgetragen, die bereits im Zeitpunkt der „Teilzahlungsvereinbarung“ am 19.04.2013 zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingedeutet hätten. Dass die Beklagte möglicherweise subjektiv Zweifel an der Zahlungsfähigkeit hatte, genügt nicht. Soweit die Klägerin pauschal behauptet, Hintergrund des Verkaufs der Geschäftsanteile sei die Tatsache gewesen, dass sich die Insolvenzschuldnerin bereits in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden habe, „was die Beklagte auch längst hinlänglich wusste“, ist dies ein unsubstantiierter Vortrag ins Blaue hinein. Die Klägerin trägt keine konkreten, von der Beklagten erkannten Umstände vor, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hingewiesen hätten.

Unerheblich ist insoweit auch, ob die Geschäftsanteile unter Wert veräußert wurden. Selbst wenn es sich um einen erzwungenen „Notverkauf“ gehandelt haben sollte, um aus dem Erlös zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wesentliche Verbindlichkeiten begleichen zu können, änderte dies nichts an der Tatsache, dass die streitgegenständlichen Forderungen beglichen werden konnten, sodass zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden konnte.

Darüber hinaus trägt die Klägerin nicht konkret vor, dass die Beklagte Kenntnis von den Vertragsverhandlungen zwischen der Schuldnerin und der A GmbH hatte, und insbesondere von einem etwaigen erzwungenen Verkauf unter Wert.

Auch die Tatsache, dass der Aufsichtsrat der Beklagten später die erforderliche Zustimmung zum Verkauf der Geschäftsanteile erteilte, obwohl die Insolvenzschuldnerin in dem Kaufvertrag vom 23.5.2013 angab, gegenüber der Beklagten keinerlei Verbindlichkeiten zu haben, während zu diesem Zeitpunkt aus der Teilzahlungsvereinbarung vom 19.4.2014 noch 2 Raten offen waren, führt nicht zwangsläufig zu dem Schluss, dass die Beklagte Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hindeuteten.

Zum einen ist mangels Benennung des exakten Datums der Zustimmungserklärung der Beklagten nicht auszuschließen, dass diese erst nach dem 25.6.2013 erteilt wurde, und damit nach Zahlung der letzten Rate aus der Teilzahlungsvereinbarung vom 19.4.2014, d.h. zu einem Zeitpunkt, als die Schuldnerin tatsächlich keinerlei Verbindlichkeiten mehr bei der Beklagten hatte.

Zum anderen ersetzt – wie bereits ausgeführt – weder ein etwaiges Eigeninteresse der Beklagten an der Veräußerung der Geschäftsanteile noch die etwaige Vermutung von Zahlungsschwierigkeiten die Notwendigkeit der Kenntnis von tatsächlichen Umständen, die zwingend auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hindeuten, woran es vorliegend fehlt.

Festzuhalten bleibt, dass im Zeitraum zwischen August 2012 und Juli 2013 noch keine Anzeichen vorlagen, die aus Sicht der Beklagten zwingend die (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin indiziert hätten.

2. Zahlungen Juli 2013 – November 2013

Dagegen war die Schuldnerin im Zeitpunkt der letzten angefochtenen Zahlung am 4.11.2013 i.H.v. 5.000 € zahlungsunfähig, wovor sich die Beklagte auch nicht verschließen konnte, sodass ein Rückgewähranspruch in dieser Höhe besteht, § 143 Abs. 1 InsO.

Von der Beklagten unbestritten hat die Klägerin unter Vorlage einer Forderungsaufstellung konkret vorgetragen, dass zwischen Juli 2013 und November 2013 Mietrückstände in Höhe von insgesamt ca. 55.000 € aufgelaufen seien. Auf die Mietzinsforderungen für die Monate Juli 2013 bis November 2013 hat die Schuldnerin gar keine Zahlungen mehr erbracht bzw. ist der Lastschrifteinzug endgültig gescheitert. Auch die Anfang November getroffene Ratenzahlungsvereinbarung konnte die Schuldnerin nicht erfüllen. Auf die vereinbarten wöchentlichen Raten á 5.500 € konnte sie lediglich noch eine einzige Teilzahlung am 4.11.2013 über 5.000 € erbringen. Aufgrund dieses mehrmonatigen Zahlungsrückstandes mit einer betriebswesentlichen Forderung in nicht unerheblicher Höhe und aufgrund der Tatsache, dass die Ratenzahlungsvereinbarung von Beginn an nicht eingehalten werden konnte, musste sich der Beklagten im Zeitpunkt dieser letzten Zahlung am 4.11.2013 die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zweifelsfrei aufdrängen. Dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt die drohende Zahlungsunfähigkeit erkannt hatte, ergibt sich auch aus dem Anwaltsschreiben vom 4.11.2013, mit dem die Beklagte für den Fall der Nichteinhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung die sofortige Kündigung des Mietverhältnisses angekündigt hat.

Hinsichtlich der Zahlungen zwischen August 2012 und Juli 2013 besteht auch kein

Rückgewähranspruch wegen inkongruenter Deckungsanfechtung gem. §§ 131 Abs. 1 Nr. 2, 3, 143 Abs. 1 InsO.

Zum einen hat das Landgericht zutreffend befunden, dass diese Zahlungen keine inkongruenten Deckungshandlungen darstellten, da die Beklagte aufgrund des Mietvertrages Anspruch auf die Mietzinszahlungen hatte.

Darüber hinaus erfolgte der letzte erfolgreiche Lastschrifteinzug am 16.7.2013 (die Zahlung am 4.11.2013 war wie ausgeführt bereits gem. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO anfechtbar), und damit nicht wie von § 131 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO gefordert innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (am 5.12.2013).

Der Anspruch auf Verzinsung beruht auf § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Ab Verfahrenseröffnung und der damit einhergehenden Fälligkeit des Rückgewähranspruchs ist der anfechtbar weggegebene Geldbetrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (vgl. BGH, Urteil 1.2.2007, Az. IX ZR 96/04, ZInsO 07, 261). § 288Abs. 2BGB ist nicht anwendbar, da es sich nicht um eine rechtsgeschäftlich begründete Entgeltforderung handelt (vgl. OLG München, Urteil 22.7.2004, Az. 19 U 1867/04, ZIP 2004, 2102).

Der Hilfsantrag rechtfertigt keine weitergehende Abänderung des angefochtenen Urteils zu Gunsten der Klägerin. Die einzigen Unterschiede zwischen Haupt- und Hilfsantrag bestehen darin, dass im Hauptantrag die begehrten Zinsen seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zur Hauptforderung hinzuaddiert worden sind, und dass mit dem Hilfsantrag lediglich Zinseni.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (statt wie im Hauptantrag i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz) beantragt wurden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Klägerin waren die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe aufzuerlegen, da sie nur in verhältnismäßig geringfügigem Umfang obsiegt hat und insoweit keine höheren Kosten entstanden sind.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts für die Berufungsinstanz folgt aus §§ 43, 47, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO. Der Hilfsantrag wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus, da er denselben Streitgegenstand wie der Hauptantrag betrifft, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Die in den Hauptantrag eingerechneten Zinsen wirken sich ebenfalls nicht streitwerterhöhend aus, § 43 Abs. 2 GKG.

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