OLG Frankfurt am Main, 31.07.2018 – 20 W 143/18

März 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 31.07.2018 – 20 W 143/18
Leitsatz:

Richtet sich die Namensführung des Kindes wegen dessen gewöhnlichen Aufenthaltes und der nicht eindeutig nachweisbaren Staatsangehörigkeit der nach eigenen Angaben aus Somalia stammenden, als Flüchtlinge anerkannten und nicht miteinander verheirateten Kindeseltern nach deutschem Recht, so kann aus den von den Kindeseltern nach somalischem Recht jeweils geführten und aus drei Eigennamen bestehenden Namensketten im Wege der Namensbestimmung und Namensangleichung nach § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 47 Abs. 1 EGBGB nur ein Name, nicht aber zwei Namen aus der Namenskette des Vaters oder der Mutter zum Familiennamen bestimmt werden.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Standesamtes wird der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden vom 24. Mai 2018 aufgehoben, soweit dort die Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes angeordnet wird.

Der Antrag der Kindeseltern vom 2. März 2018 auf Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes in Name1 Name2 wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche

Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe

I.

Die Antragsteller zu 1 und 2 sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des eingangs bezeichneten, am XX.XX.2017 in Stadt1 geborenen Kindes. Die Kindeseltern sind anerkannte Flüchtlinge, welche beide angegeben haben, somalische Staatsangehörige zu sein. Sie haben vorgeburtlich bei dem Jugendamt der Landeshauptstadt Stadt1 am 8. Februar 2017 zu UR-Nr. …/2017 die Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung und gemeinsamen Sorge abgegeben. In der Geburtsanzeige des Krankenhauses erklärten die Eltern schriftlich, dass das Kind den Vornamen Name3 und den Familiennamen des Vaters Name1 Name2 Name5 erhalten soll.

Die Standesbeamtin beurkundete die Geburt jedoch unter dem 9. März 2017 mit dem Vornamen Name3 und dem von der Mutter abgeleiteten Geburtsnamen Name1 Name4. Zum Vater wurde als Vorname Name1 Name2 und als Familienname Name5 mit dem Zusatz „Identität nicht nachgewiesen“ eingetragen.

Mit am 5. März 2018 bei dem Amtsgericht eingegangenen Antrag erklärten die Eltern, der Name des Kindes solle in Name3 Name1 Name2 geändert werden. In der Kultur und Religion ihres gemeinsamen Heimatstaates Somalia sei es üblich, dass das Kind den Namen des Vaters trage.

Das Standesamt trat dem Berichtigungsantrag entgegen und führte im Wesentlichen aus, die in der Geburtsanzeige des Krankenhauses mitgeteilte Namensführung sei nicht möglich gewesen. Wegen des Flüchtlingsstatus der Eltern und der nicht eindeutig nachgewiesenen somalischen Staatsangehörigkeit könne nur deutsches Recht bei der Namensführung angewendet werden. Da in beiden Ausweisen der Eltern vermerkt sei, dass die Personaldaten auf deren eigenen Angaben beruhen, jedoch nur die Mutter zusätzlich eine Geburtsbescheinigung mit Passfoto der somalischen Behörden vorgelegt habe, worauf bestätigt werde, dass ihre Angaben korrekt sind, sei nur die Mutter im Geburtseintrag des Kindes ohne den einschränkenden Zusatz gemäß § 35 PStV beurkundet worden. Weshalb unter dem 9. August 2017 erneut eine Urkunde über die gemeinsame elterliche Sorge erstellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Eine Erteilung des Namens des Vaters werde wegen dessen ungeklärter Identität nicht für zulässig erachtet und würde für das Kind zu einer Schlechterstellung gegenüber dem Ist-Zustand führen.

Die Richterin des Amtsgerichts ordnete mit Beschluss vom 24. Mai 2018, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, an, dass die Eintragung im eingangs bezeichneten Geburtenregister durch Randvermerk dahingehend zu berichtigen sei, dass der Geburtsname des Kindes Name1 Name2 lautet und mit dem Zusatz „Namensführung nicht nachgewiesen“ zu versehen sei; außerdem sei bei der Kindesmutter der Zusatz „Identität nicht nachgewiesen“ zu ergänzen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Namensführung des Kindes richte sich nach deutschem Recht, da eine Rechtswahl zum somalischen Recht ausgeschlossen sei, weil auch das der Mutter von der somalischen Botschaft ausgestellte „Birth Certificate“ wegen der ungeordneten Lage in Somalia nicht geeignet sei, die Staatsangehörigkeit nachzuweisen, weshalb beide Reiseausweise der Eltern folgerichtig mit dem Vermerk versehen seien, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausweisinhabers beruhen. Das Gericht halte die von den Eltern nach § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB vorgenommene Namensbestimmung für zulässig und die vom Standesamt vorgenommene abweichende Eintragung des Namens der Mutter für unrichtig.

Gegen den die Berichtigung anordnenden Beschluss des Amtsgerichts hat das Standesamt mit am 6. Juni 2018 eingegangenem Schriftsatz, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten verwiesen wird, Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, man gehe damit konform, dass die Identitäten beider Eltern auch angesichts der zwischenzeitlich nachgereichten von der somalischen Botschaft ausgestellten Geburtsurkunde des Vaters nicht nachgewiesen und deshalb die entsprechenden Zusätze anzubringen seien. Nach § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB könne aber nur der Geburtsname, Ehename oder „unechte Doppelname“ eines Elternteils gewählt werden, nicht aber ein Vorname. Vorliegend sei davon auszugehen, dass der Familienname des Vaters „Name5“ laute und deshalb der Geburtsname des Kindes nur auf diesen Namen, nicht aber auf „Name1 Name2“ berichtigt werden könne.

Die Amtsrichterin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 8. Juni 2018 nicht abgeholfen und ausgeführt, bei dem von dem Vater geführten Namen Name1 Name2 Name5 handele es sich nicht um die im deutschen Recht üblichen Vor- und Familiennamen, sondern entsprechend den somalischen Gepflogenheiten um eine Namenskette, weshalb das Gericht die Namenswahl der Eltern für zulässig halte.

Die Kindeseltern haben im Beschwerdeverfahren erklärt, es sei ihr Wunsch, dass sowohl der Sohn Name3 als auch die am XX.XX.2018 geborene Tochter Name6 den Namen Name1 Name2 tragen sollen. In der somalischen Kultur und Tradition sei es üblich, dass die Kinder den Namen des Vaters tragen. Der Name des Vaters sei Name1, Name2 sei der Name von dessen Vater und Name5 der Name von dessen Großvater.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 51 Abs. 1 S. 1 PStG, 58, 63 FamFG zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt wurde. Die Beschwerdeberechtigung des Standesamtes folgt aus § 51 Abs. 2 PStG.

In der Sache für die Beschwerde zunächst insoweit zum Erfolg, als der Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben war, soweit dort die Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes angeordnet wird und der Antrag der Kindeseltern vom 2. März 2018 auf Berichtigung des Geburtsnamens des Kindes in Name1 Name2 zurückzuweisen war.

Zutreffend ist das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen insoweit Bezug genommen wird, davon ausgegangen, dass die Namensführung des Kindes sich im vorliegenden Fall nach Art. 10 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 EGBGB wegen des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes und der nicht eindeutig nachweisbaren somalischen Staatsangehörigkeit nach deutschem Recht richtet (vgl. zum unzureichenden Verwaltungs- und Urkundsverfahren in Somalia auch OLG München FGPrax 2011, 298 [OLG München 15.09.2011 – 31 Wx 273/11]).

Da die Eltern nicht miteinander verheiratet sind, jedoch bereits vor der Geburt des Kindes die entsprechenden Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung und zur Ausübung der gemeinsamen Sorge abgegeben wurden, findet vorliegend § 1617 Abs. 1 BGB Anwendung, wonach die Eltern durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes bestimmen können. Dabei kann grundsätzlich zum Geburtsnamen des Kindes nur der Familienname eines Elternteils gewählt werden (Palandt/Götz, BGB, 77. Aufl., § 1617 Rn. 4).

Allerdings ist im vorliegenden Fall trotz der nicht eindeutig nachgewiesenen somalischen Staatsangehörigkeit davon auszugehen, dass der Vater des Kindes, dessen Namen die Eltern ausweislich ihrer Erklärung in der Geburtsanzeige des Krankenhauses wählen wollten, aufgrund seiner Herkunft gerade keinen Vornamen und Familiennamen führt, sondern dass es sich bei dem von ihm geführten Namen Name1 Name2 Name5 um eine Namenskette handelt, die sich in dieser Reihenfolge aus dem Eigennamen, dem Namen des Vaters und dem Namen des Großvaters zusammensetzt, wie dies den Grundsätzen des islamischen Rechts und des somalischen Rechts entspricht (vgl. Brandhuber/Zeyringer/Heussler, Standesamt und Ausländer, Länderteil Somalia, Stand 2011, S. 11). In diesem Sinne hat denn auch der Antragsteller zu 1 nachvollziehbar die Zusammensetzung und Bildung seines Namens im Schriftsatz vom 27. Juni 2018 erläutert. Im Einklang hiermit steht weiterhin, dass in der zuletzt von dem Antragsteller zu 1 vorgelegten und von der somalischen Botschaft ausgestellten Geburtsurkunde als Name des Vaters Name2 Name5 aufgeführt ist. Zwar wird in dem dem Antragsteller zu 1 von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Stadt1 ausgestellten Passersatz Name1 Name2 als Vornamen und Name5 als Familienname angegeben. Hierin ist jedoch eine rechtsverbindliche Abänderung der Namenskette im Sinne einer Bestimmung von Vor- und Familiennamen nicht zu sehen. Vielmehr beruhen die Angaben – wie dort ausdrücklich angegeben – nur auf den eigenen Angaben des Antragstellers, dem ersichtlich die im deutschen Rechtskreis vorhandene Differenzierung zwischen Vor- und Familiennamen nicht geläufig war, wie durch seine Erläuterung der Namenszusammensetzung im Schreiben vom 27. Juni 2018 bestätigt wird.

Ist – wie im vorliegenden Fall – der Geburtsname eines Kindes aus den Namen der Eltern zu bestimmen, die nach ihrem ausländischen Heimatrecht Namen führen, welche die nach deutschem Recht vorgegebene Aufteilung in Vor- und Familienname nicht kennen, so findet die Vorschrift des Art. 47 Abs. 2 EGBGB Anwendung (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., Art. 47 EGBGB Rn. 8).

Es hat also eine Namensangleichung nach der dort vorgeschriebenen entsprechenden Anwendung des Art. 47 Abs. 1 EGBGB zu erfolgen. Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob bei einer aus mehreren Eigennamen zusammengesetzten Namenskette Nr. 1 oder Nr. 2 des Art. 47 Abs. 1 EGBGB heranzuziehen ist (vgl. für die Anwendung der Nr. 2 bei einer Namenskette nach irakischem Recht OLG München StAZ 2015, 58 und OLG Köln StAZ 2015, 275 [OLG Köln 06.11.2014 – 2 Wx 253/14]). Denn die Kindeseltern wollen ersichtlich nicht die Wahl eines völlig neuen Namens, sondern erstreben die Auswahl eines Namens aus der von dem Vater geführten Namenskette, was vorliegend nach beiden Alternativen grundsätzlich möglich ist. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach deutschem Namensrecht grundsätzlich nicht mehrere Eigennamen zum Familiennamen bestimmt werden können, weil das deutsche Recht einen mehrgliedrigen Familiennamen im Regelfall nicht zulässt (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 – XII ZB 101/14 = StAZ 2015, 78; Staudinger/Hausmann/Hepting, BGB, Bearb. 2013, Art. 47 EGBGB Rn. 40; NK-BGB/Mankowski 2. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn. 22; Henrich StAZ 2007, 197, 198; Hepting StAZ 2008 161, 167 f.; jurisPK-BGB/Janal 7. Aufl. Art. 47 EGBGB Rn. 5; MünchKommBGB/Birk, 5. Aufl., Art. 47 EGBGB Rn. 27). Nur ausnahmsweise kann der Familienname in zweigliedriger Form bestimmt werden, etwa wenn infolge etablierter Verwaltungspraxis oder faktischer Namensführung im Alltag bereits eine entsprechende „Verfestigung“ eingetreten ist und sich ein „echter Doppelname“ gebildet hat (BGH, a.a.O.; Hepting StAZ 2008, 161, 167 f.), woran es hier für das Kind fehlt. Im Übrigen sind alle Eigennamen gleichwertig, weshalb jeder von ihnen als Familienname geeignet ist und es dem Namensträger daher freisteht, welchen er als Familiennamen bestimmt (Hepting StAZ 2008, 161, 167).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen können die Antragsteller als Eltern im vorliegenden Fall für das Kind Name3 somit einen der Eigennamen des Vaters oder auch der Mutter auswählen und zum Familiennamen des Kindes bestimmen, nicht aber wie sie dies im Berichtigungsantrag vom 2. März 2018 und nachfolgend im Beschwerdeverfahren erklärt haben, die beiden aus der Namenskette des Vaters stammenden Namen „Name1 Name2“.

Der diesem Antrag stattgebende Beschluss des Amtsgerichts war deshalb aufzuheben und der Berichtigungsantrag der Antragsteller vom 2. März 2018 zurückzuweisen.

Die Antragsteller als Eltern werden nunmehr gemäß § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 47 Abs. 1 EGBGB eine Namensbestimmung vorzunehmen haben, die sich jedoch – wenn der Geburtsname aus der Namenskette des Vaters ausgewählt werden soll – nach den obigen Ausführungen auf einen dieser Namen beschränken muss. Diese Erklärung der Eltern bedarf gemäß § 1617 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. Art. 47 Abs. 4 EGBGB der öffentlichen Beglaubigung durch das Standesamt. Die darin erfolgte Namensbestimmung gilt dann gemäß § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB auch für die zwischenzeitlich geborene Tochter der Antragsteller zu 1 und 2.

Sollten die Eltern die erforderliche Erklärung zur Namensbestimmung nach § 1617 Abs. 1 BGB nicht zeitnah abgeben, so müsste das in § 1617 Abs. 2 BGB vorgesehene Verfahren vor dem zuständigen Familiengericht eingeleitet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§§ 51 Abs.1 S. 1 PStG, 70 FamFG). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben (Keidel/ Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 70 Rn. 41).

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