OLG Frankfurt am Main, 18.07.2018 – 13 U 236/16

März 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 18.07.2018 – 13 U 236/16
Leitsatz:

Nach dem prozessualen Veranlassungsprinzip muss derjenige, dessen Verhalten für die Entstehung der Kosten Anlass gegeben hat, diese auch tragen. Da – ohne Zutun des Anschlussberufungsklägers – infolge der Zurückweisung der Berufung eine Sachentscheidung über die Anschlussberufung nicht ergeht, ist es gerechtfertigt, den Berufungskläger als ursprünglichen Veranlasser der Anschlussberufung (auch) mit deren Kosten zu belasten. Für den Anschlussberufungskläger macht es keinen Unterschied, ob auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung zurückgenommen oder durch Beschluss zurückgewiesen wurde.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.11.2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Anschlussberufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3.389,80 € festgesetzt.
Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch unter Berücksichtigung von Bedeutung, Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache nicht geboten.

Die Berufung hat – wie es in § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weiter vorausgesetzt wird – auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 25.5.2018 (Bl. 254 ff. d. A.) wird insofern Bezug genommen. Die Beklagte hat den Hinweisbeschluss des Senats nicht zum Anlass genommen, sich nochmals zur Hauptsache zu äußern.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 97 Abs. 1 ZPO vom Beklagten zu tragen. Hierzu gehören auch die Kosten der Anschlussberufung. Entgegen der im Schriftsatz vom 6.7.2018 geäußerten Rechtsansicht des Beklagten ist keine Kostenteilung gemäß § 92 Abs. 1 ZPO im Verhältnis der Streitwertanteile von Berufung und Anschlussberufung vorzunehmen.

Wem die Kosten der nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung aufzuerlegen sind, ist in der Zivilprozessordnung nicht speziell geregelt, so dass die allgemeinen Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO maßgeblich sind. Dabei wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt, ob die Kosten der Anschlussberufung dem Berufungskläger aufzuerlegen sind (so z.B. OLG Dresden, Beschluss v. 30.6. 2015, 5 U 375/15, juris Rn. 39; KG, Beschluss v. 30.10.2013, 26a U 98/13, juris Rn. 17 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 14.6.2011, 6 U 278/10, juris Rn. 9; OLG Bremen, Beschluss v. 24.6.2008, 2 U 13/08, juris Rn. 7; OLG Stuttgart, Beschluss v. 16.8.2006, 5 U 29/06, juris Rn. 18) oder nach § 92 Abs. 1 ZPO eine Kostenquotelung vorzunehmen ist (so z.B. OLG München, 11.4.2014, 23 U 4488/13, juris Rn. 6; OLG Celle, Beschluss v. 26.3.2014, 4 U 6/14, juris Rn. 31; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.12.2009, 24 U 79/09, juris Rn. 24; OLG Stuttgart, Beschluss v. 23.3.2009, 12 U 220/08, juris Rn. 5; OLG Dresden, Beschluss v. 17.5.2004, 6 U 2010/03, juris Rn. 10; Zöller/Heßler, ZPO, 32 A. 2018, § 524 Rn. 44; Musielak/Voit, ZPO, 15. A. 2018, § 524 Rn. 31a; differenzierend: MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. A. 2016, § 524 Rn. 60 ff.).

Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs hierzu liegt bislang nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat allerdings entschieden, dass der Berufungskläger, der nach einem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO auf die mangelnden Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels seine Berufung zurücknimmt, nach Wortlaut, Sinn und Zweck der für diesen Fall maßgeblichen Kostenbestimmung (§ 516 Abs. 3 ZPO) auch die Kosten der gemäß § 524 Abs. 4 ZPO hinfällig werdenden Anschlussberufung zu tragen hat (BGH, Urt. v. 7.2.2006, XI ZB 9/05, juris Rn. 6 ff.). Andererseits hat der Bundesgerichtshof zu § 556 Abs. 2 Satz 4 ZPO a. F. die Ansicht vertreten, dass trotz des fehlenden Einflusses des unselbstständigen Anschlussrevisionsklägers auf die Annahme der Revision die Kosten der Anschließung nicht dem Revisionskläger aufzuerlegen sind, sondern vielmehr dem Anschließenden, wenn die Revision nicht angenommen wurde (BGH, Urt. v. 11.3.1981, GSZ 1/80, juris Rn. 4 ff.). Der Bundesgerichthof selbst hat allerdings beiden Verfahren für die hier zur Entscheidung stehende Frage nur eine eingeschränkte Aussagekraft beigemessen (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2006, XI ZB 9/05, juris Rn. 8 a.E.).

Nach Auffassung des Senates sprechen regelmäßig die besseren Gründe dafür, im Fall der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO die Kosten der Anschlussberufung dem Berufungskläger aufzuerlegen. Die Anschlussberufung ist kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb des vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels. Der Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläger hätte das ergangene Urteil hingenommen, wenn die Gegenpartei es nicht angefochten hätte. Nach dem das prozessuale Kostenrecht prägende Veranlassungsprinzip muss grundsätzlich derjenige, dessen Verhalten zur Entstehung von Kosten Anlass gegeben hat, diese auch tragen (BGH, Beschluss v. 13.5.2004, V ZB 59/03, juris Rn. 13). Da – ohne Zutun des Anschlussberufungsklägers – infolge der Zurückweisung der Berufung eine Sachentscheidung über die Anschlussberufung nicht ergeht (§ 524 Abs. 4 ZPO), kommt eine Kostenverteilung nach § 91 ZPO, die ebenfalls Ausdruck des Veranlassungsprinzips ist (vgl. BGH, Beschluss v. 13.5.2004, V ZB 59/03, juris Rn. 13), nicht in Betracht. Es erscheint mithin gerechtfertigt, den Berufungskläger als ursprünglichen Veranlasser der Anschlussberufung mit deren Kosten zu belasten. Ein sachlicher Grund dafür, den Anschlussberufungskläger im Fall der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss kostenrechtlich schlechter zu stellen als im Fall der Rücknahme der Berufung durch den Berufungskläger, ist nicht ersichtlich. Aus Sicht des Anschlussberufungsklägers bedeutet es jedenfalls keinen wesentlichen Unterschied, ob auf den Hinweis des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung vom Berufungskläger zurückgenommen oder durch einen Beschluss des Berufungsgerichts nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen wird.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses beruht auf § 708 Nr.10 Satz 2 ZPO. Die Anordnung einer Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO kommt wegen § 713 ZPO nicht in Betracht.

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus §§ 47 GKG, 3 ZPO.

Vorausgegangen ist unter dem 25.5.2018 folgender Hinweis (die Red.):

In dem Rechtsstreit (…)

wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das am 10.11.2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Darmstadt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 Abs. 1 und 2 ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

Es ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Klage in Höhe von 1.627,30 € stattgegeben hat, weil es aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme als erwiesen angesehen hat, dass der Beklagte bei der Abdeckung der Baugrube die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Die vom Landgericht vorgenommene – überaus sorgfältige und umfassende – Beweiswürdigung ist weder hinsichtlich der in die Betrachtung einbezogenen Überlegungen noch hinsichtlich ihres Ergebnisses in Zweifel zu ziehen.

Das Berufungsgericht ist ohnehin grundsätzlich an die Beweiswürdigung des Landgerichts nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Nach dieser Vorschrift hat das Berufungsgericht die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen und damit auch die Beweiswürdigung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern bei der Feststellung des Sachverhalts ergeben. Im Hinblick auf die an § 286 Abs. 1 ZPO zu messende Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Grundlagen und deren Bewertung durch das erstinstanzliche Gericht in erster Linie darauf zu überprüfen, ob die Begründung der Entscheidung die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet (OLG Celle, Beschluss vom 1.8.2002, 2 U 57/02, juris Rn. 2; KG, Urt. vom 3.11.2003, 22 U 136/03, juris Rn. 7) und nicht unvollständig oder in sich widersprüchlich ist (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.3.2017, 4 U 158/16, juris Rn. 14). Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich allerdings auch daraus ergeben, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Wertung des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme gelangt (BGH, Urteil vom 9.3.2005, VIII ZR 266/03, juris Rn. 7; Urteil vom 22.12.2015, VI ZR 67/15, juris Rn. 7).

Einer Überprüfung gemäß den vorstehenden Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts in jeder Hinsicht stand. Insbesondere sind keine Verfahrensfehler erkennbar, die eine Bindung des Berufungsgerichts an die Feststellungen des angefochtenen Urteils entfallen lassen könnten. Der Senat gelangt auf der Grundlage der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch nicht zu einer abweichenden Wertung des Beweisergebnisses. Hieran vermögen auch die Ausführungen in der Berufungsbegründung des Beklagten nichts zu ändern. Der Beklagte beschränkt sich ohnehin im Wesentlichen darauf, die Beweiswürdigung des Landgerichts durch seine eigene Beweiswürdigung zu ersetzen, ohne konkrete Fehler des Landgerichts vorzutragen. Insbesondere hat sich das Landgericht mit den Aussagen der verschiedenen Zeugen intensiv und in jeder Hinsicht nachvollziehbar auseinander gesetzt. Auch den geänderten Vortrag des Klägers, wonach dieser zunächst behauptet hat, eines der Bretter sei weggerutscht, während er später vorgetragen hat, er sei auf einem der Bretter ausgerutscht, hat das Landgericht in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass das Landgericht den Mitverschuldensanteil des Klägers mit 25 % bewertet hat. Auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts wird insofern Bezug genommen.

Die Anschlussberufung des Klägers verliert nach § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung, wenn die Berufung des Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses. Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer abschließenden Senatsentscheidung nach § 522 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist (zwei statt vier Gerichtsgebühren).

Es ist beabsichtigt, den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren auf 3.389,80 € (Berufung: 1.627,30 €, Anschlussberufung: 1.762,50 €) festzusetzen.

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