OLG Frankfurt am Main, 11.06.2018 – 17 U 37/18

März 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.06.2018 – 17 U 37/18
Tenor:

In dem Rechtsstreit (…)

wird der Kläger darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses.
Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung seiner auf die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags gerichteten Klage.

Der Kläger schloss als Verbraucher am 02.07.2004 mit der Beklagten bzw. mit der A AG, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, drei in einer Vertragsurkunde zusammengefasste Darlehensverträge über die Gewährung von grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen. Gegenstand des Rechtsstreits ist lediglich das von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) gewährte Darlehen im Nennbetrag von 69.000,- € mit zehnjähriger Zinsbindung. Die Vertragsurkunde enthält auf Seite 4 die folgende Widerrufsbelehrung:

„Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht

Ich bin an meine Willenserklärung (Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der Bank1 AG bzw. ihren Kooperationspartnern) nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei Wochen widerrufe.

Form des Widerrufs

Der Widerruf muss in Textform (z.B. schriftlich, mittels Telefax- oder E-Mail-Nachricht) erfolgen.

Der Widerruf muss keine Begründung enthalten.

Fristlauf

Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir

– ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und

– eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages

zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Adressat des Widerrufs

Der Widerruf ist zu senden an die

Bank1 AG Filiale Stadt1, Straße1, Stadt1

oder

Fax-Nr.: … oder E-Mail: …

Die Bank1 ist auch Adressat der Widerrufserklärung, soweit es um den Widerruf der an die Kooperationspartner gerichteten Willenserklärungen geht.

Widerruf bei bereits erhaltener Leistung

Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank oder ihren Kooperationspartnern erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, so muss ich die empfangene Leistung jedoch an die Bank bzw. den jeweiligen Kooperationspartner zurückgewähren und der Bank bzw. den jeweiligen Kooperationspartnern die von mir aus der Leistung gezogenen Nutzungen herausgeben.

Kann ich die von der Bank bzw. dem Kooperationspartner mir gegenüber erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewähren – beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erhaltenen Leistung ausgeschlossen ist -, so bin ich verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten. Dies gilt auch für den Fall, dass ich die von der Bank bzw. dem Kooperationspartner erbrachte Leistung bestimmungsgemäß genutzt habe. Diese Verpflichtung zum Wertersatz kann ich vermeiden, wenn ich die erbrachte Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nehme.

__________________ _______________________________________

Ort / Datum Unterschrift(en) des/der Darlehensnehmer(s)“

Wegen der Einzelheiten der Darlehensverträge wird auf die Ablichtung der Vertragsurkunde (Anlage B 1 – Bl. 36 ff. d. A.) verwiesen.

Im September 2014 zahlte der Kläger das streitgegenständliche Darlehen zurück.

Mit Schreiben vom 22.04.2016 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ihm erteilte Widerrufsbelehrung entspreche nicht den Anforderungen des §§ 355 Abs. 2 BGB a.F. Die Belehrung sei in Bezug auf den Beginn der Widerrufsfrist nicht hinreichend deutlich, da sie das unrichtige Verständnis nahe lege, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Beklagten. Ferner enthalte die Widerrufsbelehrung ergänzende Formulierungen, die für den Kreditnehmer verwirrend und unverständlich seien. Überdies fehle die Anpassung der Belehrung an den Einzelfall, da die Beklagte Gestaltungshinweise in der Belehrung umgesetzt habe, die für den konkreten Vertrag keine Bedeutung hätten. Außerdem sei die Belehrung nicht hinreichend deutlich hervorgehoben und gestaltet. Auf den Musterschutz des § 14 Abs. 1, Abs. 3 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie nicht das in der Anlage 2 der Verordnung aufgeführten Muster verwendet habe. Nach Saldierung der sich aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergebenden wechselseitigen Ansprüche bestehe ein Anspruch des Klägers auf Zahlung in Höhe von 9.354,80 €.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs durch den Kläger bereits abgelaufen gewesen. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung entspreche den Voraussetzungen des § 355 BGB a.F. Insbesondere sei die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist zutreffend.

Im Übrigen sei das Widerrufsrecht verwirkt und die Ausübung rechtsmissbräuchlich.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da der Kläger den Widerruf erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erklärt habe. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung entspreche den gesetzlichen Vorgaben. Dies gelte auch im Hinblick auf die Belehrung über den Fristbeginn. Durch die Verwendung des Possesivpronomens in der Widerrufsbelehrung werde hinreichend deutlich, dass nicht allein die Zurverfügungstellung des bloßen Antragsformulars für den Fristbeginn ausreiche, sondern dass es sich um das Antragsformular mit der bereits enthaltenen Willenserklärung des Klägers handeln müsse. Nicht zu beanstanden sei auch, dass die Belehrung keine umfassende Darstellung der Widerrufsfolgen enthalte. Seinerzeit habe es keine gesetzliche Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsfolgen gegeben. Die Widerrufsbelehrung sei auch hinreichend deutlich gestaltet. Sie befinde sich auf einem gesondert zu unterschreibenden Blatt mit der fett in großen Buchstaben gedruckten Überschrift „Widerrufsbelehrung“ und sei daher auf einen Blick als solche zu erkennen. Soweit der Kläger rüge, die Belehrung enthalte ergänzende und verwirrende Formulierungen, bleibe unklar, welche Formulierung er damit beanstanden wolle. Gleiches gelte für die pauschale Rüge, es fehle an der notwendigen Anpassung der Belehrung an den Einzelfall. Nicht durchgreifend sei schließlich der Einwand, für den Verbraucher sei nicht erkennbar, auf welchen der Darlehensverträge sich die Belehrung beziehe, so dass für ihn unklar bleibe, welchen Vertrag er mit welcher Rechtsfolge widerrufen könne. Es sei nicht zu beanstanden, wenn für mehrere Darlehensverträge nur eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt werde, sofern deutlich werde, dass sich die Hinweise in der Belehrung auf jede der zum Abschluss der Darlehensverträge abgegebenen Willenserklärungen beziehe. Dies gelte auch, wenn mehrere Darlehensverträge in einer Vertragsurkunde zusammengefasst seien. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Aus dem Darlehensvertrag gehe hier hinreichend deutlich hervor, dass der Verbraucher sowohl die mit der Beklagten als auch die mit den Kooperationspartnern geschlossenen Darlehensverträge widerrufen könne, wobei der Widerruf stets gegenüber der Beklagten zu erklären sei. Letztlich komme es darauf jedoch nicht an, da der Ausübung eines etwaigen Widerrufsrechts jedenfalls der Einwand der Verwirkung entgegenstehe. Der Kläger habe ein etwaiges Widerrufsrecht erst 12 Jahre nach Vertragsabschluss ausgeübt. Das erforderliche Umstandsmoment sei darin zu sehen, dass das Darlehen im September 2014 vom Kläger vollständig und vorbehaltlos zurückgeführt worden sei. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen könne das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein. Hier habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger sein etwaiges Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen werde. Sie habe sich auch erkennbar darauf eingerichtet, was sich darin zeige, dass sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin die zu ihren Gunsten bestellten Sicherheiten an den neuen Kreditgeber des Klägers übertragen habe.

Gegen das erstinstanzliche Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er trägt vor, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft entschieden.

Der Widerruf sei rechtzeitig erfolgt, da zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs die zweiwöchige Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft und habe die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Die Belehrung genüge im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht den Anforderungen des in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. geregelten Deutlichkeitsgebots. Auch wenn keine Pflicht zur Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs bestehe, müsse der Verwender den Verbraucher zutreffend belehren. Es sei irreführend und damit fehlerhaft, wenn die Belehrung ausschließlich Hinweise zu den Pflichten des Darlehensnehmers im Falle des Widerrufs enthalte und der Verbraucher nicht darüber aufgeklärt werde, dass er nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte habe. So könne beim Darlehensnehmer fälschlich der Eindruck entstehen, dass lediglich er die Rückgabe der erhaltenen Leistungen schulde, aber seinerseits die erbrachten Leistungen nicht zurückerhalte. Dieses naheliegende fehlerhafte Verständnis sei ohne Weiteres geeignet, einen Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Ferner werde wegen der Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 16.12.2015 – 13 U 18/15 – hingewiesen. Die Argumentation des Oberlandesgerichts Köln lasse sich auf den vorliegenden Fall übertragen, da die Belehrung angesichts von insgesamt drei vertragsgegenständlichen Darlehen nicht erkennen lasse, welche der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen gemeint sei, wenn auf eine Widerrufbarkeit hingewiesen werde.

Die Entscheidung des Landgerichts sei auch deshalb fehlerhaft, weil das Landgericht zu Unrecht eine Verwirkung angenommen habe. Der bloße Zeitablauf reiche nicht aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können. Ein Verhalten, aufgrund dessen die Beklagte darauf hätte vertrauen können, dass der Kläger sein Widerrufsrecht in Zukunft nicht mehr ausüben werde, lasse sich nicht feststellen. Zudem habe die Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergebe, dass sie sich im Vertrauen auf das Ausbleiben eines Widerrufs in ihren Maßnahmen so eingerichtet habe, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Widerrufsrechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Im Übrigen liege auch das erforderliche Zeitmoment nicht vor. Als frühestmöglicher Anknüpfungspunkt für das Zeitmoment komme die Frist von sieben Jahren nach Darlehensrückführung in Betracht, wenn die Bank die mit dem Kunden ausgetauschten Schriftstücke nach § 257 Abs. 4 u.5 HGB vernichten dürfe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.02.2018 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger aus der Rückabwicklung des zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages zu dem Darlehen mit der Nr. … einen Betrag in Höhe von 9.354,80 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senates in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die landgerichtliche Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Der vom Kläger erklärte Widerruf seiner auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen ist unwirksam, weil die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB in der gem. Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (= a. F.) zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen war, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung, die sich auf Seite 4 des Darlehensvertrags befindet, genügt den gesetzlichen Vorgaben. Dies hat der Senat für wortgleiche Widerrufsbelehrungen bereits mehrfach entschieden (z. B.: Senat, Beschluss vom 20. November 2017 – 17 U 161/17 -; Senat, Beschluss vom 31. August 2017 – 17 U 126/17 -, juris; Senat, Beschluss vom 01. September 2016 – 17 U 126/16 -, juris).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung in Bezug auf die Widerrufsfolgen nicht zu beanstanden. Der Einwand des Klägers, in der Widerrufsbelehrung fehle der Hinweis, dass im Falle des Widerrufs die Bank zur Rückgabe der empfangenen Leistungen verpflichtet sei, greift nicht durch. Nach § 355 BGB a.F. ist eine dahingehende Belehrung nicht erforderlich (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07. Juli 2016 – 23 U 188/15 -, Rn. 43, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 05. August 2015 – 23 U 178/14 -, Rn. 55; OLG Celle, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 3 W 34/14 -, Rn. 16, juris). Die Regelung des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F., wonach der Verbraucher über seine Rechte informiert werden müsse, kann für die gegenteilige Auffassung der Kläger nicht fruchtbar gemacht werden (OLG Frankfurt, Urteil vom 05. August 2015 – 23 U 178/14 -, Rn. 56, juris). § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. kann nicht entnommen werden, dass der Adressat der Widerrufbelehrung auf die in Folge des Widerrufs entstehenden wechselseitigen Rechte der Vertragsparteien hingewiesen werden muss. Andernfalls wäre die Regelung des § 312 Abs. 2 BGB a. F., wonach der Verbraucher bei Haustürgeschäften auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB a. F. hinzuweisen ist, überflüssig. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. April 2007 (VII ZR 122/06 -, BGHZ 172, 58-63), folgt nichts anderes. In jener Entscheidung geht es um die Anforderungen an die Widerrufsbelehrung wegen eines aus § 312 Abs. 2 BGB a.F. folgenden Widerrufsrechts. Ein Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 1 BGB a. F. besteht hier jedoch nicht.

Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung bezieht sich erkennbar auf alle drei in einer einheitlichen Vertragsurkunde zusammengefassten Darlehensverträge. Aus dem Deutlichkeitsgebot des § 355 BGB a. F. kann nicht das Erfordernis einer gesonderten Widerrufsbelehrung für jeden Einzelvertrag abgeleitet werden. Diese vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 01. September 2016 – 17 U 126/16 -, Rn. 40, juris), hat der Bundesgerichtshof gebilligt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2017 – XI ZR 318/16 -, Rn. 2, juris).

Schließlich hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung darauf abgestellt, dass ein eventuelles Widerrufsrecht jedenfalls verwirkt wäre.

Auch unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht können im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 11, juris; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15 -, Rn. 39, juris). Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 9, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, Rn. 30, juris).

Das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist hier gegeben. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist insoweit der Zeitraum zwischen dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags und der Erklärung des Widerrufs maßgeblich (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 13, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, Rn. 31, juris). Hier lagen zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrags und der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger 12 Jahre. Ein derart langer Zeitraum ist geeignet, um in zeitlicher Hinsicht den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu begründen.

Soweit der Kläger unter Verweis auf abweichende obergerichtliche Entscheidungen meint, es sei auf den Zeitraum zwischen der Rückzahlung des Darlehens und der Erklärung des Widerrufs abzustellen, bleibt dies angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des Bundesgerichtshofs unbehelflich. Wie der Bundesgerichtshof klargestellt hat, betrifft der Zeitraum zwischen der Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags und dem Widerruf nicht das Zeitmoment (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 14, juris).

Auch das erforderliche Umstandsmoment liegt vor. Zwar reicht die jahrelange unbeanstandete Durchführung des Darlehensvertrages allein nicht aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, Rn. 39, juris). Hier steht allerdings ein darüber hinausgehendes Verhalten des Klägers in Rede, dem die Beklagte entnehmen durfte, der Kläger werde ein eventuelles Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen. Der Kläger hat das unbefristet laufende Darlehen mit Ablauf der Zinsbindungsfrist auf eigenen Wunsch zurückgeführt. Die Beklagte durfte deshalb davon ausgehen, dass der Kläger ein mögliches Widerrufsrecht nicht mehr ausüben werde. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, kann gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags – so wie hier – einvernehmlich erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 16, juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 393/16 -, Rn. 8, juris), und selbst dann, wenn der Darlehensgeber davon ausging oder ausgehen musste, dass die Darlehensnehmer von ihrem Widerrufsrecht keine Kenntnis haben (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 549/16 -, Rn. 16, juris; BGH, Beschluss vom 12. September 2017 – XI ZR 365/16 -, Rn. 8, juris). Soweit der Senat bislang in ständiger Rechtsprechung eine andere Rechtsauffassung vertreten hat (z.B. Senat, Urteil vom 22. Juni 2016 – 17 U 224/15 -, Rn. 62, juris), hält er daran in Ansehung der jüngsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht mehr fest. Während der Bundesgerichtshof in seinen vor dem 10.10.2017 ergangenen Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen ausgeführt hatte, dass die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrages bei der Prüfung, ob der Verbraucher das Widerrufsrecht verwirkt hat, mit zu berücksichtigen sei (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16 -, Rn. 28, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, BGHZ 212, 207-223, Rn. 30), wobei es auf die vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles ankomme (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16 -, Rn. 27, juris), hat er nun darüber hinausgehend deutlich gemacht, dass die Vertragsbeendigung einen so gewichtigen Umstand darstellt, der für sich genommen die Annahme der Verwirkung rechtfertigen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 16, juris). So hat der Bundesgerichtshof die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart, wonach allein der Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht ausreiche, um die Annahme der Verwirkung zu rechtfertigen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 26. Juli 2016 – 6 U 33/16; OLG Stuttgart, Urteil vom 13. Oktober 2015 – 6 U 174/14 -, Rn. 47, juris), als rechtfehlerhaft bezeichnet (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 393/16 -, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15 -, BGHZ 212, 207-223, Rn. 31). Zugleich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Verwirkung selbst dann nicht ausgeschlossen ist, wenn der Darlehensgeber davon ausging oder ausgehen musste, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 17, juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 555/16 -, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 443/16 -, Rn. 26, juris). Damit hat der Bundesgerichthof in Abkehr von seiner früher vertretenen Auffassung die Anforderungen an die Annahme der Verwirkung deutlich abgesenkt. In älteren Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof noch angenommen, dass das Verhalten eines Verbrauchers, der von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis hat, keinen Schluss darauf zulasse, er werde von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen (BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 – XI ZR 248/02 -, Rn. 14, juris); es fehle an dem für eine Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand, wenn der Schuldner davon ausgehen müsse, dass der Berechtigte von den ihm zustehenden Ansprüchen nicht wisse (BGH, Urteil vom 15. September 1999 – I ZR 57/97 -, Rn. 24, juris).

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Landgerichts, wonach die Freigabe der Sicherheiten im Rahmen der Feststellung des Umstandsmoments von Bedeutung ist. Auch insoweit bewegt sich das Landgericht auf der vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Leitlinie (BGH, Beschluss vom 07. März 2018 – XI ZR 298/17 -, juris).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, u.a. des XI. Zivilsenats, setzt die Verwirkung des Weiteren voraus, dass dem Verpflichteten, der sich auf die Nichtausübung des Rechts durch den Berechtigten eingerichtet hat, durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 – XI ZR 434/14 -, Rn. 45, juris; BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 – VII ZR 177/13 -, Rn. 13, juris; BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 – EnZR 23/09 -, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 22. September 1983 – IX ZR 90/82 -, Rn. 9, juris; jeweils m.w.Nw.). Auch in Fällen, wie dem vorliegenden, in denen es um den Widerruf einer Vertragserklärung geht, welche auf den Abschluss eines zwischenzeitlich beendeten Darlehensvertrages gerichtet war, bedarf es für die Annahme der Verwirkung des Vorliegens einer unbilligen Belastung des Darlehensgebers bei Ausübung des Widerrufsrechts (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 21, juris; BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15 -, Rn. 41, juris). Allerdings sind an dieses Kriterium keine hohen Anforderungen zu stellen. Eine unbillige Belastung kann schon dann anzunehmen sein, wenn der Darlehensgeber die vom Darlehensnehmer nach Eintritt der vertrauensbegründenden Umstände erbrachten Leistungen (Zins- und Tilgungsleistungen, Vorfälligkeitsentschädigung etc.) anderweitig verwendet hat. So hat der XI. Zivilsenat die Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts ausdrücklich als frei von Rechtsfehlern bezeichnet (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2017 – XI ZR 82/16 -, juris), wonach von einer Verwirkung auszugehen sei, wenn Zeit- und Umstandsmoment vorlägen und der Darlehensgeber die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung „nach der Lebenserfahrung“ für die Ausreichung neuer Darlehen verwendet habe (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18.01.2016, Az. 5 U 111/15). Der Senat schließt sich der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts an und folgt damit zugleich der Mehrheit der Oberlandesgerichte (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21. Juli 2017 – 19 U 121/17 -, Rn. 26, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juli 2017 – I-9 U 13/17 -, Rn. 29, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Juli 2017 – I-9 U 13/17 -, Rn. 30, juris; OLG Köln, Beschluss vom 13. Juli 2017 – 12 U 183/16 -, Rn. 14, juris; OLG Köln, Beschluss vom 03. Juli 2017 – 12 U 4/17 -, Rn. 20, juris; OLG Hamm, Urteil vom 12. April 2017 – 31 U 52/16 -, Rn. 43, juris; a. A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. Mai 2017 – 17 U 81/16 -, Rn. 68, juris). Da bei einer Bank vermutet wird, dass sie Rückzahlungen ihrer Darlehensnehmer gewinnbringend anlegt (BGH, Beschluss vom 12.01.2016 – XI ZR 366/15 -, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 – XI ZR 79/97 -, Rn. 21, juris; anders ein Architekt bei Zahlung des Architektenhonorars: BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 – VII ZR 177/13 -, Rn. 14, juris), bedarf es in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig keines Vortrags dazu, wozu die Bank die nach Eintritt des berechtigten Vertrauens geleisteten Zahlungen verwendet hat. Wäre die Bank aufgrund des Widerrufs verpflichtet, diese Zahlungen zurück zu gewähren, stellte sich die Ausübung des Widerrufsrechts für sie als unzumutbar nachteilig dar. Entgegen der Argumentation der Kläger ist nicht etwa allein auf die – typischerweise und auch im vorliegenden Fall – nur kurze Zeit zwischen der Einigung über die Darlehensablösung und den Vermögensdispositionen der Beklagten abzustellen. Für eine Verwirkung ist vielmehr der Zeitablauf zwischen Vertragsschluss und Widerruf insgesamt zu berücksichtigen und reicht es aus, dass die Beklagte ihr Vertrauen in den Bestand der Vertragsabwicklung durch die genannten Dispositionen betätigt hat und danach noch einige Zeit bis zum Widerruf vergangen ist (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17 -, Rn. 3, juris).

Da die Beklagte im vorliegenden Fall Zahlungen des Klägers vereinnahmt hat, als sie davon ausgehen durfte, dass dieser ein eventuelles Widerrufsrecht nicht mehr ausüben werde, war es dem Kläger nach den dargelegten Grundsätzen der Verwirkung unter den besonderen Umständen des Einzelfalls verwehrt, den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung wirksam zu erklären.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat dem Kläger zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen unanfechtbaren Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte – abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten – eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von vier auf zwei Gerichtsgebühren halbiert würden.

Der Senat beabsichtigt, den Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz auf 9.354,80 € festzusetzen.

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