OLG Frankfurt am Main, 03.05.2018 – 16 U 79/17

März 18, 2019

OLG Frankfurt am Main, 03.05.2018 – 16 U 79/17
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 7.4.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt, 25. Zivilkammer, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.400,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2017 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrages zu 1. im Übrigen in der Hauptsache erledigt ist.
2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.978,40 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Gründe

I.

Der Kläger hat in erster Instanz aus abgetretenem Recht der Bank1 die Beklagte auf Übertragung von je 7.000 Stck. dreier Wertpapiere (Optionsscheine für den Erwerb von Aktien der Fa. A SE) an die Bank1 zum Zweck der Einbuchung in sein Depot zu einem jeweils bestimmten Kurs (0,32 €, 0,37 € und 0,43 € je Stck.) in Anspruch genommen. Der Wert der Wertpapiere betrug bei Klageeinreichung rund 56.210,- € (näher Klageschrift S. 15 f.).

Die Parteien streiten darüber, ob der von der Bank1 für den Kläger als Kommissionärin am 22.4.2015 abgeschlossene Kaufvertrag aufgrund der von der Beklagten am selben Tag erklärten Aufhebung wegen eines sog. „Mistrades“ (Abschluss zu einem nicht marktgerechten Preis) auf der Grundlage der zwischen der Beklagten und der Bank1 getroffenen „Vereinbarung über die Aufhebung außerbörslich abgeschlossener Geschäfte“ (Anlage K 4, im Folgenden: Mistrade-Vereinbarung) wirksam beendet worden ist.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass der Kläger bestritten hat, dass der Grund für die Aufhebung eine „fehlerhafte Preisfeststellung“ seitens der Beklagten gewesen sei. Vielmehr sei die kurz vor dem Kauf erfolgte Gewinnwarnung von A SE und die Entwicklung der Referenzaktie von der Beklagten offensichtlich nicht umgesetzt worden. Der Grund für den angebotenen Preis sei deshalb nicht eine falsche Dateneingabe sondern eine falsche Datenerhebung gewesen. Die angegebene Begründung für die Aufhebung, wonach die „falschen Preise“ an „fehlerhaften Updates für den Referenzkurs des Basiswerts“ gelegen habe (E-Mail Anlage L 6), sei (deshalb) zu pauschal und nicht nachvollziehbar. Zwischen den Parteien ist in diesem Zusammenhang streitig, ob nach der Gewinnwarnung um 18:27 Uhr der Handel mit der A SE-Aktie an der B ausgesetzt worden ist.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Es hat einen Anspruch des Klägers auf Übertragung der Wertpapiere aus abgetretenem Recht nach § 433 Abs. 1 BGB deshalb als nicht gegeben angesehen, weil die Beklagte wirksam ihr Aufhebungsrecht aus der Mistrade-Vereinbarung ausgeübt habe. Diese sei, auch wenn sie eine allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen würde, wirksam vereinbart, weil das Aufhebungsrecht nicht im Sinne der §§ 307 Abs. 1, 310 BGB unangemessen sei. Dies deshalb, weil das Aufhebungsrecht an einen bestimmten Grund geknüpft sei (technischer Fehler, Irrtum bei der Eingabe oder Irrtum bei telefonischer Vereinbarung), das Aufhebungsrecht binnen einer kurzen Frist ausgeübt werden müsse und ein Anspruch auf Vertrauensschadensersatz im Sinne von § 122 BGB für den Vertragspartner vorgesehen sei. Nicht zu beanstanden sei auch der Schwellenwert, ab dem ein nicht mehr marktgerechter Preis anzunehmen sei (10 % bei mindestens 0,003 € Abweichung oder 2,50 € Abweichung je Stck.). Dieser sei nicht „zu weitläufig“. So sehe § 27 II der Bedingungen der B sogar einen Schwellenwert von weniger als 10 % für einen „Mistrade“ vor. Die Vereinbarung weiche also insoweit nicht vom Üblichen ab.

Es seien auch, so das Landgericht weiter, die Voraussetzungen der Mistrade-Vereinbarung für ein Aufhebungsrecht der Beklagten gegeben. Die Schwellenwerte seien erreicht, weil die Abweichung des vereinbarten Preises vom Marktpreis für die drei Wertpapiere im Mittel rund 50 % betrage. Die fehlerhafte Preisbildung habe auch auf „einer technischen Störung im Handelssystem“ beruht. Die Beklagte habe darüber hinaus den „Mistrade“ der Bank1 ordnungsgemäß im Sinne von Ziff. 4 der Mistrade-Vereinbarung angezeigt. Insbesondere sei inhaltlich angegeben worden, dass der Grund für die falschen Preise „an fehlerhaften Updates für den Referenzkurs des Basiswertes“ gelegen habe.

Darüber hinaus bestehe, selbst wenn der Vertrag nicht wirksam aufgehoben worden sei, kein Anspruch des Klägers, weil dessen Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstoße. Der Kläger habe nämlich die Ad-hoc-Gewinnwarnung von A SE gekannt und müsse als Daytrader den Irrtum der Beklagten in der Preisbildung als überwiegend wahrscheinlich zumindest in Erwägung gezogen haben. Dafür spreche die von ihm vorgenommene Stückelung zu je 7.000 Stck. und die damit einhergehende Vermeidung der automatischen Blockierung der Order. Der Empfänger eines Vertragsangebots, der den Kalkulationsirrtum des anderen kennt oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzieht, und das Angebot annehme handele in unzulässiger Rechtsausübung, wenn die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit er der seinen erstinstanzlich zuletzt gestellten Klageantrag weiterverfolgt.

Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Annahme, die Mistrade-Vereinbarung sei wirksam. Die Auffassung des Landgerichts, dass die Schwellenwerte in Nr. 2 Abs. 2 der Vereinbarung „nicht zu weitläufig“ seien, beruhe auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage. Die Schwellenwerte, insbesondere der von 10 %, könnten nicht mit den im Börsenhandel im DAX und MDAX verglichen werden, weil im außerbörslichen Handel mit „hochvolatilen Zertifikaten“ die Preise erheblich größeren Schwankungen unterworfen seien. Nach den Bedingungen hier genüge für die Annahme eines Mistrades eine zu geringe Abweichung vom Marktpreis. Dadurch könne die Beklagte sich „quasi bei jedem Handel“ von Geschäft lösen. Der Kläger belegt dies mit der Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages, wonach bei Stückpreisen für Wertpapiere unter 1,- € die Differenz zwischen „Geld- und Briefkurs“, also die „Handelsspanne“ bereits mehr als 10 % betrage. Die Beklagte könne damit praktisch jeglichen Wertpapierhandel stornieren lassen. Angemessen sei ein Schwellenwert von etwa 50 %. Der Kläger wiederholt in diesem Zusammenhang seinen Vortrag, dass der Erwerb zu einem Zeitpunkt stattgefunden habe als die „Kursfeststellung an der B wegen einer Ad-hoc-Mitteilung ausgesetzt“ gewesen sei und die Beklagte wegen Mistrade erst storniert habe als der Handel mit den Aktien wieder aufgenommen worden war und sich für sie in ungünstiger Richtung entwickelt habe. Dies zeige, dass die Regelung in der Mistrade-Vereinbarung keine „angemessene Bandbreite in der Kursfeststellung“ zulasse.

Das Landgericht, so der Kläger, habe deshalb nicht offen lassen dürfen, ob die Mistrade-Vereinbarungen allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen. Bei der Prüfung der Wirksamkeit seien über § 307 Abs. 1 BGB hinaus auch die § 308 Nr. 1, 2- 4 BGB als Maßstab anzulegen. Denn das Landgericht habe bei der Beurteilung der Angemessenheit zu Recht nicht allein die Auswirkungen auf die Direktbank (hier: Bank1) sondern auch auf die Enderwerber berücksichtigt, welche Verbraucher seien.

Der Kläger vertritt des Weiteren die Auffassung, dass auch die Voraussetzungen für die Aufhebung nach Ziff. 2 der Mistrade-Vereinbarung entgegen der Meinung des Landgerichts nicht gegeben seien. Die Formulierung „fehlerhafte Updates…“ solle zwar wohl auf einen technischen Fehler hinweisen. Er habe aber in erster Instanz dargelegt, dass die fehlerhafte Preisfeststellung auf „Unzulänglichkeiten in der internen Organisationsstruktur der Beklagten“, nämlich keine Kursanbindung an die B Börse und infolgedessen Fortdauer des Angebots auf der Grundlage des ausgesetzten (Aktien)Kurses, begründet gewesen sei. Dies stelle aber, ähnlich wie die Verwendung veralteter Preislisten, eine Verwendung fehlerhaften Datenmaterials dar, was nur einen unbeachtlichen Motivirrtum begründe.

Der Geltendmachung des Anspruchs stehe auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Der Kläger habe den Anspruch schon nicht in unredlicher Weise erworben. Denn er habe lediglich die Gewinnwarnmeldung von A SE gekannt, nicht aber gewusst wie sich der Aktienkurs entwickelt, was der „richtige Preis“ für die Option sei und wie die Beklagte den Kurs berechnet. Dass er, wie das Landgericht meine, einen „Irrtum als wahrscheinlich“ angesehen habe, könne angesichts des spekulativen Charakters des Handels mit Aktien und Optionen nicht hinreichend sein. Der Kläger vertritt des Weiteren die Auffassung, dass die Beklagte auch nicht schutzwürdig sei, weil sie entgegen aufsichtsrechtlichen Vorgaben (Art. 22 und 23 EG Richtlinie 206/48/EG und Rundschreiben der Bafin vom 14.12.2012 (BK 1, Bl. 284) kein Sicherungssystem gegen einen Kalkulationsirrtum bei der Preisfeststellung installiert habe. Darüber hinaus fehle es für das Durchgreifen des Einwands arglistigen Verhalten daran, dass die Vertragsdurchführung für die Beklagte nicht schlechthin unzumutbar sei, weil sie nicht dargelegt habe, dass das Geschäft zu einer „existentiellen Bedrohung“ bei ihr führe.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Aufhebung des Wertpapierkaufs aufgrund der vereinbarten Mistrade-Regelung wirksam sei. Es handele sich um eine Individualvereinbarung. Die Beklagte wiederholt hierzu ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach über die Mistrade-Vereinbarung mit der Bank1 über ein 1/2 Jahr verhandelt worden sei und insbesondere der Schwellenwert von 10 % individuell ausgehandelt worden sei. Es habe auch keine Mehrfachverwendungsabsicht bestanden. Die Beklagte sei nicht als Verwenderin anzusehen, weil es eher Zufall sei, von wem der beiden Vertragspartner die im beiderseitigen Interesse liegende Regelung eingebracht werde. Soweit der Kläger auf Mistrade-Vereinbarungen der Beklagten mit anderen Banken verweise (Anlage K 8) seien diese gerade nicht vollkommen identisch. Sie verweist auf die Mistrade-Regelungen, welche als Anlage L 4 vorgelegt wurden, bei denen auch ein anderer Schwellenwert vereinbart sei. Jedenfalls sei die Regelung über das Aufhebungsrecht angemessen. Zum einen sei es beiderseits ausgestaltet und an enge Frist- und Formerfordernisse gebunden. Zum anderen entsprächen die Schwellenwerte, insbesondere der von 10 % Abweichung, vom Marktpreis dem an börslichen und außerbörslichen Handelsplätzen Üblichen (Sachverständigengutachten). Das Landgericht habe in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Mistrade-Regelung der B Börse verwiesen, weil dort neben Aktien auch Zertifikate, wie die hier gekauften, gehandelt würden. Der Hinweis auf einen fehlenden „liquiden Handel“ durch Angebot und Nachfrage bei den hiesigen Zertifikaten sei insofern unrichtig, als der Preis vom Basiswert (Kurs der Aktie) abhänge, der gehandelt werde. Der sogenannte Spread zwischen Brief- und Geldkurs habe mit der Abweichung zum Marktpreis nichts zu tun, weil für die Regelung hier der tatsächliche Briefkurs mit dem marktüblichen Briefkurs verglichen werde. Der Beklagten stehe nach der Vereinbarung auch kein „willkürliches Aufhebungsrecht“ zu, weil dieses neben der Abweichung ab dem Schwellenwert an das Vorliegen eines Fehlers oder Irrtums gebunden sei. Die §§ 308, 309 BGB finden nach Meinung der Beklagten auch dann keine Anwendung, wenn bei der Angemessenheitsprüfung die Interessen der Kunden der Bank1 zu berücksichtigen seien, weil dies nichts daran ändere, dass die Vertragspartner Unternehmer sind. Schließlich verweist sie erneut darauf, dass ein Aufhebungsrecht bei einem Mistrade nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt (16 U 174/08) sogar einen Handelsbrauch darstelle und schon deshalb nicht unangemessen sein könne.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung nach der Mistrade-Vereinbarung hier auch gegeben seien. Der Grund für den Mistrade sei unstreitig ein „technischer Fehler“ i.S. vom Ziff. 2 Abs. 1, a) der Vereinbarung gewesen und dies dementsprechend vom Landgericht auch im unstreitigen Teil des Sachverhalts festgehalten worden. Entgegen der Darstellung des Klägers beruhe die Abweichung nicht auf einem Organisationsverschulden. Sie verweist auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach der Handel mit der Aktie von A SE weder an der Börse in Stadt1 noch in Stadt2 ausgesetzt gewesen sei und dass sie ihren Referenzkurs auch nicht allein aus der Börse Stasdt1 beziehe. Die Vermutungen des Klägers erfolgten „in’s Blaue hinein“ und stellten auch ein unsubstantiiertes Bestreiten dar. Der Vortrag in der Berufungsbegründung zum Organisationsverschulden der Beklagten sei auch in der Berufungsinstanz nicht zuzulassen. Die Beklagte legt im Übrigen dar, warum auch die weiteren Voraussetzungen (Überschreiten des Schwellenwertes von 10 %, Form- und Frist der Erklärung, insbesondere die Begründung des Mistrades) gegeben seien.

Die Beklagte wiederholt ihren Standpunkt, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Kläger sich als unzulässige Rechtsausübung darstelle, weil der Kläger die „fehlerhaften Preise“ für die Optionen erkannt und dies bewusst ausgenutzt habe. Denn er habe eingeräumt, dass er die ad-hoc-Mitteilung von A SE gekannt habe und habe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den entsprechenden Schluss gezogen. Dafür spreche die Schnelligkeit seiner Order, die vorgenommene Stückelung und dass er das Zertifikat nach der Aufhebung nicht erneut gekauft habe. Entgegen der Meinung des Klägers setze das Berufen auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht voraus, dass sie infolge der Durchführung des Geschäfts in eine existentielle Bedrohung gerate. Für die Voraussetzung, dass ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar sei, bildeten „erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten“ lediglich eine Möglichkeit. Hier genüge dafür die erhebliche Preisdifferenz von rund 50 %.

In seiner Replik vertritt der Kläger die Auffassung, dass keine „unstreitige und bindende Feststellung“ hinsichtlich des Vorliegens eines technischen Fehlers im Sinne der Mistrade-Regelung gegeben sei. Denn er habe sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch nochmals mit Schriftsatz vom 4.4.2017 (S. 4 und 8) das Vorliegen eines technischen Fehlers bestritten.

Der Handel mit den von der Bank1 am 22.4.2015 für den Kläger erworbenen Optionsscheinen wurde während des Berufungsverfahrens eingestellt; Das Wertpapierversprechen ist abgelaufen.

Der Kläger hat daraufhin beantragt,

die Beklagte in Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, an den Kläger einen Schadensersatz in Höhe 22.400,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2017 zu zahlen.

Den bisherigen weitergehenden Leistungsantrag hat er für erledigt erklärt.

Der Forderung liegt der Kurs der Wertpapiere am 6.3.2017, dem Tag der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, zugrunde, der an diesem Tag für alle gekauften Optionsscheine zusammen 30.240,00 € betrug. Der Kläger berechnet seinen Schaden davon ausgehend unter Abzug des vereinbarten Preises von 7.840,00 €, mithin auf 22.400,00 €.

Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und die Abweisung der Klage auch in der geänderten Form beantragt.

Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung bislang keine ausreichende tatsächliche Grundlage dafür besteht, um feststellen zu können, dass „ein Fehler im technischen System“ im Sinne von Nr. 2 a) der Mistradevereinbarung vorgelegen hat. Die nach § 314 ZPO Beweiskraft entfaltende tatbestandliche Feststellung des Landgerichts „einer technischen Störung im Handelssystem“ sei dafür nicht ausreichend.

Die Parteien haben daraufhin ergänzend vorgetragen:

Hinsichtlich der Funktionsweise ihres Handelssystems trägt die Beklagte vor, dass die Kurse oder Taxen des Basiswertes (hier: A SE-Aktie) in ihr System eingespeist und dort zur Bepreisung eigener Produkte (hier: die „Knock-out-put-Optionsscheine) weiterverarbeitet werden. Sie habe hier die Zahlen für den Referenzwert über die Nachrichtendienste C und D und zwar allein die der E GmbH verwendet. Aus den eingelieferten Kursen und Taxen errechne ihr Datenverarbeitungssystem einen eigenen Referenz- oder Spotpreis. Aus diesem Referenz-/Spotpreis werde sodann in einem weiteren Schritt der Preis für die eigenen Produkte errechnet. Dieser erscheine als indikativer Preis auf verschiedenen Internetseiten, unter anderem der Homepage der Beklagten. Wegen des Ablaufs dieser Berechnungsvorgänge wird auf die Graphik im Schriftsatz vom 8.3.2018, S. 3 (Bl. 365 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte legt die Kursentwicklung an den drei Börsen – B, X Börse, Börse E – am 22.4.2015 ab 18:27:53 Uhr dar (Bl. 365 f. mit Anlage L 08). Zusammengefasst sei an allen drei Börsen der Kurs der Aktie zwischen 18:27 Uhr und 18.32 Uhr gefallen und er sei zu den drei Kaufzeitpunkten deutlich gefallen gewesen, wobei die Kurse der X Börse in Zeitnähe am niedrigsten und die der B Börse relativ am Höchsten lagen (graphische Übersicht Bl. 366 d.A.). Die Screenshots der Kurse sind in einer internen E-Mail vom 23.4.2015 eines Herrn F an einen Herrn G – offenbar aus Anlass der Geltendmachung eines Mistrades gegenüber einer anderen Bank (H AG) – enthalten (L 08). Im (englischsprachigen) Text heißt es auf die Frage, wie es zu dem Punkt, dass die falschen Preise ausgewiesen wurden, gekommen sei, dass E die einzige Börse gewesen sei, die zu dieser Zeit einen Umsatz/Fluktuation („turnovers“) gezeigt habe. Der eigene Preis („fair spot refs“) sei auf Grundlage von E kalkuliert worden, wo riesige Fluktuation/Umsatz bestanden habe.

Aufgrund der an allen drei Börsen fallenden Preise für den Basiswert von ca. 57,- € auf ca. 53,- € hätte, so die Beklagte, der Preis für die Optionsscheine, weil ein Hebelprodukt, normalerweise überproportional steigen müssen. Diese Preisänderung sei aber nicht „reflektiert“ worden. Der Referenz-/Spotpreis für den Basiswert A SE-Aktie sei im System nicht entsprechend angepasst worden und habe weiter bei rund 57,- €/Stck. gelegen (näher Bl. 367 d.A.). Der Grund dafür sei eine Softwarestörung im Handelssystem gewesen, die dazu führte, dass die geänderte Taxe der Aktie im System nicht aktualisiert wurde. Die Störung habe zwischen Datenverarbeitungssystem und Preisberechnungssystem gelegen, Dort seien die zu hohen Taxen der Aktie weiterverarbeitet worden.

Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte allein die Taxen der Börse E zugrunde gelegt habe. Dies werde erstmals behauptet. In erster Instanz sei mindestens inzident behauptet worden, dass die Beklagte die Kurse der B heranziehe. Von der B (B) aber hätten von 18.30:44 bis 18:32.00 Uhr keine Referenzkurse ermittelt werden können, was sich auch aus den Screenshots (L 8) und der erstinstanzlich von ihm vorgelegten Times & Sales-Liste ergebe, und dies sei der Grund für die zu niedrige Preisberechnung der Beklagten für die Optionen. Der Kläger sieht in dem Inhalt der E-Mail vom 23.4.2015 einen Beleg dafür, dass zur Rechtfertigung des Mistrades im Nachhinein die Kurse der Börse E herangezogen worden seien.

Das Berufungsgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 9.4.2018 am selben Tage Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen I. Wegen seiner Bekundungen wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 9.4.2018 verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht der Bank1 gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der von ihr bis zum Ablauf der Handelbarkeit zu Unrecht unterlassenen Übertragung der je 7.000 Stck. Wertpapiere WKN CC13J4 WKN CC80UX und WKN CC52YU aus den §§ 281 Abs. 1 und 2, 433 Abs. 1 S. 2, 453 Abs. 1 BGB i.V.m. § 398 BGB zu.

1. Es ist über den geänderten Klageantrag zu entscheiden, weil die vom Kläger vorgenommene Klageänderung, statt Verurteilung zur Einbuchung der Wertpapiere nunmehr Schadensersatz in Geld, nach § 264 Nr. 3 ZPO, welcher auch im Berufungsverfahren gilt, zulässig ist. Der Kläger macht wegen einer später eingetretenen Veränderung (Auslauf des Wertpapierversprechens und Ende des Handels) das Schadensersatzinteresse wegen der verweigerten Einbuchung der Wertpapiere geltend.

2. Es ist nach dem Parteivortrag davon auszugehen, dass zwischen der Beklagten und der Bank1 am 22.4.2015 jedenfalls noch vor 19:16 Uhr (telefonische Aufhebungserklärung) ein Kaufvertrag über die oben genannten Wertpapiere zu den im ursprünglichen Klageantrag genannten Kursen (Preisen) zustande gekommen ist. Die Parteien haben zwar nicht vorgetragen, durch welche technischen Vorgänge Angebot und Annahme seitens der Bank1 und der Beklagten erklärt worden sind. Der Kläger hat jedoch unter Vorlage der Wertpapierabrechnungen der Bank1, die den erfolgten Kauf bestätigen (Anlage K 2), vorgetragen, dass die Bank1 seine Order zum Kauf der Papiere ausgeführt habe, und die Beklagte ist dem nicht konkret entgegen getreten, sondern hat sich nur darauf berufen, dass der Wertpapierkaufvertrag aufgrund der vereinbarte Mistrade-Regelung aufgehoben sei.

3. Der Vertrag ist nicht durch das mündliche Aufhebungsverlangen der Beklagten vom 22.4.2015 und dessen schriftliche Bestätigung am 23.5.2015 aufgrund der Mistrade-Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Bank1 vom 19.9.2014/22.9.2011 aufgehoben worden. Es fehlt bereits an einem „Mistrade“ im Sinne von Ziff. 2 (1) dieser Vereinbarung, nämlich dem von der Beklagten geltend gemachten Grund, dass der Preis des Geschäfts auf einem Fehler im technischen System der Beklagten beruhe. Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob die zwischen der Beklagten und der Bank1 geschlossene Mistrade-Vereinbarung und das darin vereinbarte Aufhebungsrecht für den Fall einer Abweichung des vereinbarten Preises vom Marktpreis um mindestens 10%, wenn dieser auf einem Fehlers im technischen System beruht, ist nicht wegen Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB unwirksam ist.

a) Von einem Fehler im technischen System der Beklagten als Ursache für die zu niedrigen Preise der Optionsscheine ist nicht schon aufgrund der Beweiskraft des Tatbestandes nach § 314 ZPO auszugehen. Zwar wird im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils als unstreitig geschildert, dass aufgrund „einer technischen Störung im Handelssystem“ die alten nur bis 18:27:56 Uhr gültigen Briefkurse hinterlegt gewesen seien. Die Formulierung wiederholt jedoch nur abstrakt die rechtsbegrifflichen Voraussetzungen für das Eingreifen der genannten Bestimmung der Vereinbarung. Daraus ergibt sich nicht, worin der konkrete Fehler im Sinne einer Störung vorhandener technischer Systeme bestand. Zwar trifft es zu, dass eine Partei Anspruchs- oder Einwendungsvoraussetzungen grundsätzlich nicht näher substantiieren muss, sondern es für den schlüssigen Vortrag genügen kann, den entsprechenden Umstand mit einem abstrakten Begriff vorzutragen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Gegenseite den behaupteten Umstand mit einem konkreten Gegenvortrag in Abrede stellt. In diesem Fall müssen abstrakte Begriffe, wie hier „technische Störung im Handelssystem“, näher ausgefüllt werden. Der Kläger hat in erster Instanz eine andere Ursache für die zu niedrige Kursausweisung auf der Handelsplattform der Beklagten zum Zeitpunkt des Kaufs zumindest aufgezeigt: Danach beziehe die Beklagte ihre Werte (für den Basiskurs) nämlich von der B Börse und dort sei nach der Gewinnwarnung der Handel mit der Aktie ausgesetzt gewesen. In diesem Falle habe eine falsche Datenerhebung und nicht eine falsche Dateneingabe der Ausweisung des Preises zugrunde gelegen. Dementsprechend hätte die Beklagte näher vortragen müssen, worin der technische Fehler im System oder die technische Störung bestand und inwiefern er für die Ausweisung des alten Kurses verantwortlich war. Dies ergab sich nicht aus der auch im landgerichtlichen Urteilstatbestand wiedergegebenen Begründung für die Geltendmachung des Mistrades am Abend des Kaufs in der E-Mail von 19:45 Uhr (Anlage L 6), dass die zu geringe Ausweisung des Preises „an fehlerhaften Updates für den Referenzkurs des Basiswerts“ gelegen habe. Zwar deutet der Begriff „fehlerhafte Updates“ in der Umgangssprache auf einen technischen Grund in dem Sinne hin, dass ein Computerprogramm nicht aktualisiert war. Die Formulierung kann hier jedoch mindestens auch dahin zu verstanden werden, dass dem Berechnungssystem nicht der aktuelle Kurswert der bezogenen Aktie vorlag.

b) Voraussetzung des hier von der Beklagten in Anspruch genommenen Mistrades ist nach dem Wortlaut von Ziff. 2 (1) a) der Mistrade-Vereinbarung, dass die Abweichung des angegebenen Preises vom marktgerechten Preis „aufgrund eines Fehlers im technischen System einer der beiden Vertragsparteien oder eines dritten Netzbetreibers“ zu Stande gekommen ist. Die Regelung ist dahin auszulegen, dass ein Versagen vorhandener technischer Einrichtungen, also von Computerhardware oder einem Programm oder technischer Verbindungen zu einem anderen Rechner oder Informationspool, Ursache für den zu niedrig ausgewiesenen Preis (Kurs) für die Wertpapiere war. Dass ergibt sich aus dem Wortlaut, wonach es sich um einen „Fehler“ im technischen System handeln muss. Dieser Begriff impliziert, dass ein technisches System an sich vorhanden sei muss, welches auf eine Kursänderung des Basiswerte (hier: A SE-Aktie) an sich zeitnah reagieren, d.h. den neuen Preis berechnet und auf der Handelsplattform der Beklagten ausweisen kann. Ein Fehler ist dann gegeben, wenn dieses an sich funktionsfähige System im Einzelfall versagt. Die Bank1 hat dies in ihrem Schreiben an den Kläger (Anlage in K 3) treffend dahin formuliert, dass eine „technisch begründete Fehlfunktion des Handelssystems“ gegeben sein müsse. Dafür, dass nur ein Versagens eines technischen Systems gemeint ist, spricht auch die zweite Alternative der Bestimmung, wonach ausreichend ist, wenn der Fehler bei einem „dritten Netzbetreiber“ lag. Dass ein „Fehler“ in diesem Sinne nur ein Versagen eines vorhandenen und dem Zweck rechtzeitiger Kursumrechnung und -anzeige grundsätzlich genügenden technischen Systems sein kann, zeigt zudem der Vergleich mit den Irrtumsfällen des § 119 Abs. 1 BGB: Ein Irrtum ist nicht gegeben, wenn sich eine Person über bestimmte Umstände keine Gedanken gemacht hat. Ebenso liegt es, wenn ein geeignetes technisches System für eine markgerechte Preisanpassung und -ausweisung gar nicht vorhanden wäre. Ursache wäre dann nicht ausreichende organisatorische Vorkehrungen und nicht ein „technischer Fehler“. Bei elektronischen Erklärungen liegt im Fall fehlerhafter Bedienung und Eingabe eines falschen Buchungscodes oder Preises ein Erklärungsirrtum vor, die Verwendung von falschem Datenmaterial begründet dagegen kein Anfechtungsrecht.

Nur die vorgenannte enge Auslegung, wonach ein (einmaliges) technisches Versagen an sich vorhandener und funktionsfähiger technischer Einrichtungen einen Mistrade im Sinne dieser Bestimmung rechtfertigt, ist auch vor dem Hintergrund, dass für die für einen Mistrade notwendige Preisabweichung zwischen tatsächlichem und marktgerechtem Preis ein Schwellenwert von bereits 10 % genügt, als interessengerecht anzusehen. Denn auch bei einer Abweichung von nur 10 % muss sich auch einem in der Branche Kundigen die Gefahr eines Mistrades noch nicht aufdrängen. Die Beklagte wäre sonst in weitem Maß zur Annullierung sich für sie als ungünstig erweisender Geschäftsabschlüsse befugt.

c) Die Beklagte, welche nach Ziff. 2 (2), letzter Absatz der Mistrade-Vereinbarung die Beweislast trifft, konnte nicht beweisen, dass ein „Fehler im technischen System“ in dem vorgenannten Sinne Ursache dafür war, dass die Ausweisung der auf ihrer Internetseite als indikative Preise veröffentlichten Stückpreise für die drei Optionskäufe der Bank1 auf einem „Fehler“ in ihrem technischen System in dem vorgenannten Sinne beruht hat.

Dabei mag dahin gestellt bleiben, ob nicht schon ihr Vortrag im Schriftsatz vom 8.3.2018 einen solchen Fehler nicht hinreichend beschreibt, was zweifelhaft ist, weil allein die Einspielung der zutreffenden Kurse und Taxen durch den Nachrichtendienst in ihr technisches Handelssystem und die Tatsache dargelegt wird, dass die am Ende berechneten Produktpreise nicht der Veränderung der Kurse des Basiswertes entsprochen hätten, wobei der Fehler irgendwo zwischen Datenverarbeitungs- und Preisberechnungssystem gelegen habe liegen müssen. Jedenfalls konnte der vom Gericht trotz seiner Beschäftigung bei der Beklagten durchaus als glaubwürdig anzusehende Zeuge I keine wesentlich weitergehenden Angaben machen. Der technische Fehler, der zu der genannten Nichtanpassung der Produktpreise an die Veränderung der Kurse des Basiswertes geführt haben soll, ist auch danach letztlich nicht greifbar. Seine Annahme beruht nur auf einem Rückschluss des Zeugen und der anderen Beteiligten aus der später festgestellten Nichtanpassung des Produktpreises für die Optionsscheine.

aa) Der Zeuge hat die vorgetragenen Tatsachen zwar insofern präzisieren können als er angab, dass schon der Spotpreis, das heißt der interne, realistische Schätzpreis für den Basiswert (Aktie) sich nicht verändert habe, obwohl an den Börsen die Aktie schon wesentlich tiefer gehandelt worden sei. Da die Einlieferung der Daten durch D (Nachrichtendienst) korrekt gewesen sei, müsse es eine technische Störung bereits bei der ersten Verarbeitung der eingelieferten Werte (Schaubild Bl, 365 oben, zweiter Kasten) gegeben haben.

Der Zeuge selbst hat seine Kenntnis der geschilderten Vorgänge nicht aufgrund eigener Beobachtung sondern sie seien ihm von dem Händler Herrn J vermittelt worden. Dieser habe auf seinem Bildschirm zwei Preise, den Preis, zu dem die Basisaktien aktuell gehandelt werde und den internen Spotpreis. Eine nähere Prüfung der technischen Vorgänge und der Ursachen dafür durch den Zeugen selbst oder die für den Computersupport zuständige IT-Abteilung im Hause der Beklagten ist jedoch nicht erfolgt. Der Zeuge und seine Abteilung haben es dabei belassen, dass ein Hinweis auf einen „Systemfehler“ vorlag, sind dem jedoch aus ökonomischen Gründen nicht nachgegangen , weil es – was der Zeuge anhand von Zahlen belegt hat – gemessen an der Gesamtzahl der Trades eine nur sehr geringe Zahl von Vorfällen, bei denen „zu falschen Preises gehandelt“ werde, vorkommen. Nähere Nachforschungen zu den technischen Ursachen wurden nicht angestellt. Tendenziell gegen einen technischen Fehler, wenn auch nicht zwingend, spricht, dass lediglich ein Produkt der Beklagten, das auf der Referenzaktie A SE basierende Optionswertpapier, an diesem Tag falsche automatisiert erstellte Produktpreise aufwies. Zwar mag es, worauf die Beklagte hinweist, in EDV-Systemen zu temporären/singulären Datenverlusten kommen. Wenn diese und ihre Ursache aber nicht ermittelt werden können, ist letztlich auch die hinreichend sichere Feststellung nicht möglich, dass eine technische Störung vorlag.

Trotz des Umstandes, dass das Handelssystem der Beklagten ein „voll automatisierter Prozess“ ist, ist es nach Auffassung des Gericht nicht möglich, die Überzeugung vom Vorliegen eines „technischen Fehler“ allein durch einen Rückschluss daraus zu gewinnen. Dieser bestünde darin, dass daraus, dass korrekte Daten über Aktienkurse und -taxen eingegeben, als Ergebnis des Datenverarbeitungsvorgangs danach aber kein daraus an sich folgender Spotpreis oder Produktpreis ausgewiesen wurde, darauf geschlossen wird, dass ein technischer Fehler in der Hard- oder Software dafür verantwortlich sein müsse. Dieser Schluss ist deshalb nicht mit hinreichender Sicherheit möglich, weil die beschriebene Abweichung auch andere Ursachen haben kann. So kann das Computerprogramm, welches den Spotpreis errechnet, nicht ausreichend auf für einen so starken Abfall eines Aktienkurses in so kurzer Zeit wie dies bei der A SE-Aktie an diesem Tag geschehen ist, ausgelegt sein und deshalb den richtigen Spotpreis erst mit einer zeitlichen Verzögerung von einigen Minuten abbilden. Dies wäre aber ein Organisationsmangel bei der Einrichtung der Systeme und kein technischer Fehler. Für diese Ursache spricht hier, dass der Zeuge letztlich keine überzeugend exakten Angaben dazu machen konnte, wie lange das Handelssystem auf der Internetseite den zu niedrigen Preis ausgewiesen hat, wie lange also die technische Störung angedauert hat. Er hat angenommen, dass dies etwa 40 Minuten gedauert habe, weil der Händler J etwa 40 Minuten nach den Käufen des Klägers den Mistrade angezeigt habe. Dies muss jedoch keineswegs bedeuten, dass auch die technische Störung so lange angedauert hat. Vor allem jedoch konnte der Zeuge nicht bekunden, wie denn die technische Störung behoben worden ist, was von daher verständlich ist, dass von seiner Abteilung dazu keine Nachforschungen angestellt worden sind. Nach seiner Bekundung wurde nach Entdecken des Fehlers, also nach etwa 40 Minuten, lediglich der Handel mit dem Wertpapier unterbrochen. Ob und in welcher Weise der Fehler, der zu der falschen Preisausweisung geführt hat, abgestellt wurde, vermochte der Zeuge nicht anzugeben. Nach dem Prinzip der unter unveränderten Umständen fortdauernden Ursache muss jedoch am System bzw. der Hard- oder Software etwas verändert worden sein, wenn der Fehler nach Wiederaufnahme des Handels nicht mehr aufgetreten ist. Damit kann die Möglichkeit, dass lediglich eine zeitliche Verzögerung der Spotpreisberechnung wegen Überforderung der Software durch den schnellen Kursverfall der Referenzaktie ursächlich war, nicht als ausgeräumt betrachtet werden. Dieser Zweifel wird noch dadurch verstärkt, dass bereits die Mistrademeldung der Beklagten vom 22.4.2015 um 19.45 Uhr (Anlage L 6) mit ihrer Formulierung, dass die falschen Preise „an fehlerhaften Updates für den Referenzkurs des Basiswerts“, wodurch die Produktpreise falsch berechnet worden seien, mehrdeutig beschreibt. Dies kann einerseits bedeuten, dass keine aktuellen Kurse/Taxen von Börsen für die A SE-Aktie vorlagen, oder andererseits, dass der (interne) Spotpreis für diesen Basiswert nicht zutreffend berechnet worden war.

Da die technischen Vorgänge, die damals zu der zu niedrigen Berechnung des Produktpreises für die Optionen geführt haben, nicht aufgeklärt worden sind und auch nichts dafür ersichtlich ist, dass diese heute reproduzierbar wiederholt werden könnten, sieht das Gericht keine Veranlassung ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen. Für eine sachverständige Beurteilung der Frage, ob die dem Aktienkurs nicht adäquate Berechnung des Spotpreises und dann des Produktpreises auf einen technischen Fehler beruhte, fehlt es an tatsächlichen Anknüpfungspunkten.

4. Dem Anspruch an den Kläger abgetretenen Anspruch der Bank1 auf Erfüllung des Wertpapierkauf durch Einbuchung der Wertpapiere und dementsprechend auch dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung steht entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.

Dieser Einwand wäre gerechtfertigt, wenn der Beklagte gewusst hat, dass der bei seiner Order auf der Handelsplattform für die Wertpapiere ausgewiesene Preis/Kurs auf einem Irrtum oder technischen Fehler bei der Beklagten beruht. Denn ein einseitiger Kalkulationsirrtum berechtigt zwar nicht zur Anfechtung, kann aber den Einwand unzulässige Rechtsausübung begründen, wenn der Empfänger ein Vertragsangebot annimmt, obwohl er wusste oder sich treuwidrig der Kenntnisnahme entzog, dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum des Erklärenden beruhte, sofern die Vertragsdurchführung für den Erklärenden schlechthin unzumutbar ist. Dies hat der BGH gerade in dem einen Mistrade betreffenden Fall klargestellt (BGH WM 2002, 1687 [BGH 25.06.2002 – XI ZR 239/01]).

Das Landgericht dürfte hier jedoch bereits zu Unrecht eine treuwidrige Ausnutzung eines Irrtums durch den Kläger als gegeben angesehen. Eine positive Kenntnis ist ohnehin nicht ausreichend belegt. Für ein treuwidriges Sich-Verschließen bzw. einem Sich-Verschließen der nahen Möglichkeit eines Irrtums oder technischen Fehlers der Beklagten bei der Preisfestsetzung genügt es nicht, dass der Klägers „den Irrtum bei der Preisbildung als überwiegend wahrscheinlich zumindest in Erwägung gezogen hat“.

Abgesehen davon ist diese Feststellung des Landgerichts nicht durch hinreichende Indiztatsachen aus dem Parteivortrag gedeckt. Das Landgericht entnimmt dies hauptsächlich dem Umstand, dass der Kläger eingeräumt hat, er habe bei seiner Order die Gewinnwarnung der A SE von 18.27:58 Uhr gekannt (Protokoll Bl. 153 d.A.) und er als langjähriger Daytrader mit diesem Geschäftsfeld vertraut sei. Wenn der Kläger allein die Gewinnwarnung der A SE kannte, muss dies jedoch nicht bedeuten, dass er auch wusste, dass die Beklagte irrtümlich oder aufgrund eines technischen Fehlers zu niedrige Preise ausweist. Der Kläger kann aufgrund der ad-hoc-Meldung mit Gewinnwarnung die Erwartung gehabt haben, dass der Kurs der A SE-Aktie sinken werde, sich der Preis für die Optionen (Zertifikate) darauf hin erhöht und deshalb in Erwartung baldiger Kurserhöhung die Optionen noch günstig erwerben wollen. Dabei würde es sich um eine typische und zulässige Spekulation handeln.

Eine hinreichende Basis für eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von einer irrtums- oder fehlerbedingt zu niedrigen Preisfestsetzung wäre allenfalls dann gegeben, wenn der Kläger bei seiner Order auch wusste, dass der Kurs der A SE-Aktie tatsächlich bereits signifikant gefallen war. Es ist nämlich anzunehmen, dass er die Preisbildungs-Konstruktion dies hiesigen Wertpapiers (Optionsschein), wonach sich sein Wert jedenfalls in umgekehrter Richtung zum Aktienwert bestimmt, kannte. Dies ist jedoch weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt und ergibt sich auch nicht aus dem zeitlichen Ablauf: Die erste Order gab der Kläger 2 3/4 Minuten und 45 Sekunden nach der Ad-hoc-Meldung um 18.30:44 Uhr ab. Zu diesem Zeitpunkt war der Kurs der Aktie zwar an der Börse „Trademark“ in Stadt1 bereits von (57,76 € auf 54,- € gefallen (Anlage L 5, Bl. 119). Es ist jedoch nicht belegt oder unter Beweis gestellt, dass der Kläger von dieser Kursentwicklung an der X Börse „Trademark“ bereits Kenntnis hatte. Für die B Börse ist eine eindeutige fallende Kursentwicklung nicht erkennbar. Aus der Anlage L 8 (Bl. 372) ergibt sich für den Verkaufspreis sogar zuletzt ein Anstieg von 54,- € auf 55,- € und für den Ankaufspreis fehlen in der unmittelbaren Zeit vor 18.30:45 Uhr die festgesetzte Werte.

Die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers von einer irrtums- oder technikbedingt zu niedrigen Preisfestsetzung ergibt sich auch nicht hinreichend sicher aus weiteren Indizien. Dass der Kläger drei gestückelte Order (verschiedener Wertpapiere der WKN nach) in kurzer Frist abgegeben hat, kann auch darauf beruhen, dass er eben noch bevor die Börse und die Beklagte auf die ad-hoc-Mitteilung reagieren die Optionen zum bisherigen Preis erwerben wollte, was bei einer manuellen Prüfung durch die Beklagte sich möglicherweise hätte verzögern können. Es muss nicht notwendig bedeuten, dass er eine irrtümliche oder durch technische Fehler verursachte Preisfestsetzung erkannt hat.

5. a) Der Kläger kann, nachdem die Optionsscheine nicht mehr handelbar sind und das Wertpapierversprechen abgelaufen ist, aus §§ 281 Abs. 1, 283 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, weil der Leistungsgegenstand damit untergegangen und der bisherige Klageantrag dadurch erledigt ist.

b) Der Schaden besteht in dem Wert den die Optionsscheine, zu dem Zeitpunkt gehabt haben, zu dem der Kläger sie weiterveräußert hätte bzw. hätte von der Bank1 weiterveräußern lassen, wenn die Beklagte sie ihm vertragsgemäß eingebucht hätte, abzüglich des Kaufpreises, den er bzw. die Bank1 an die Beklagte zu zahlen hätte (Differenzschaden) . Der Kläger hat schon in der mündlichen Verhandlung vom 11.1.2018 unbestritten angegeben, dass er die Papiere ungefähr zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in erster Instanz veräußert hätte. Der Wert betrug nach dem damals, am 6.3.2017 gültigen Kurs unstreitig 30.240,- €. Abzüglich des vereinbarten Kaufpreises von 7.840,- € ergibt sich mithin ein Differenzschaden von 22.400,- €. Der Kläger kann seinen Schaden zu diesem Zeitpunkt – schon vor Eintritt der Unmöglichkeit – berechnen, weil die Beklagte die Einbuchung der Wertpapiere endgültig verweigert hatte und deshalb eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich war.

c) Soweit der Streitgegenstand sich durch die Änderung von dem ursprünglichen Antrag auf Einbuchung der Optionsscheine auf das Schadensinteresse verringert hat ist auf die einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Klägers hin die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, weil nach den Ausführungen oben 2. – 3. der ursprüngliche Klageantrag aus § 443 Abs. 1 S. 2 BGB begründet war.

d) Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Zwar war bei Zinsbeginn am 6.3.2017 noch kein Zahlungsantrag gestellt, in der Verzinsung setzt sich jedoch der Schaden fort, der aus unterlassenen Einbuchung der Wertpapiere gemäß dem damaligen Antrag entstanden war. Der Kläger kann jedoch nicht, wie beantragt, acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz aus § 288 Abs. 2 BGB beanspruchen. Dieser gilt nur für Entgeltforderungen (vereinbarte Gegenleistungen für Dienstleistungen und Waren), zu denen nicht auch Schadensersatzansprüche zu zählen sind.

e) Der Kläger kann aus Verzug (§ 280 Abs. 1, 286 BGB) Erstattung der ihm für die Beauftragung des Klägervertreters vorgerichtlich entstandenen Kosten beanspruchen. Für die in der Kostenrechnung (Klageschrift S. 23) angesetzte Gebühr ist der Kläger zu Recht vom damaligen Wert der Optionsscheine von 40.229,- € als Gegenstandswert ausgegangen, weil sich bei der Lieferung/Einbuchung von Wertpapieren der Gegenstandswert nach § 6 ZPO bestimmt (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl., § 3 Rz. 86). Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass der angesetzte Gebührensatz von 2,5 für die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG überhöht ist. Zwar ist eine über die Mittelgebühr von 1,3 hinausgehender Gebührensatz gerechtfertigt, weil der Rechtsstreit eine Spezialmaterie (Wertpapierhandel; Mistrade-Regeln) betrifft, er ist indes nicht ungewöhnlich umfangreich, der sich der Streitstoffe auf die Wirksamkeit der Aufhebung nach den Mistrade-Vereinbarung und deren Wirksamkeit konzentrierte. Es erscheint deshalb ein Gebührensatz von 1,8 angemessen. Dies ergibt eine Gebühr von 1.958,40 € und zzgl. Pauschale nach Nr. 7002 von 20,- € mithin 1.978,40 €.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 i.V.m. 97 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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