OLG Frankfurt am Main, 24.04.2018 – 10 U 116/16

März 18, 2019

OLG Frankfurt am Main, 24.04.2018 – 10 U 116/16
Tenor:

1.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.6.2016, Az.: 2-05 O 355/15, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Kläger aufgrund des unter dem 3.6.2015 erklärten Widerrufs nicht mehr verpflichtet ist, den geschuldeten Zins aus dem Darlehensvertrag zwischen ihm und der Beklagten über 280.000 € mit der Vorgangsnummer … und der Kontonummer … (Vertragsangebot vom 8.8.2007) in Verbindung mit § 488 Abs. 1 S. 2 BGB an die Beklagte zu zahlen.

Es wird weiter festgestellt, dass die primäre Leistungspflicht des Klägers aus dem Darlehensvertrag zwischen ihm und der Beklagten über 280.000 € mit der Vorgangsnummer … und der Kontonummer … (Vertragsangebot vom 8.8.2007) zur Erbringung von Tilgungszahlungen auf dieses Darlehen aufgrund des unter dem 3.6.2015 erklärten Widerrufs erloschen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 75 % und die Beklagte hat 25 % zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 30 % und die Beklagte hat 70 % zu tragen.
3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung für den von ihr zu vollstreckenden Betrag Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags.

Nachdem mehrere Vertragsangebote der Beklagten vorausgegangen waren und in erster Instanz noch zwischen den Parteien streitig war, welches Angebot letztendlich zum Vertragsabschluss führte, wurde in der Berufungsinstanz unstreitig, dass zwischen den Parteien auf Basis des Angebots der Beklagten vom 8.8.2007 durch Vertragsannahme seitens des Klägers am 19.8.2007 ein grundpfandrechtlich besicherter Immobiliardarlehensvertrag über eine Darlehenssumme von 280.000 € zur Darlehensvertragsnr. … zustande kam. Der Vertrag sah eine Zinsfestschreibung bis 30.8.2022 bei einem Zinssatz von effektiv 5,12 % p.a. vor. Der Darlehensvertrag wurde als Fernabsatzgeschäft geschlossen. Bestandteil der Darlehensvertragsurkunde war eine Widerrufsbelehrung. Wegen des Inhalts des Darlehensvertrages und der Gestaltung und des Inhalts der Widerrufsbelehrung wird auf die Vertragsurkunde Anlage K 1 (Bl. 25 ff. d.A.) bzw. auf die in der Berufungsinstanz vorgelegte Anlage B 2 „neu“ (Bl. 755 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 3.6.2015 erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehens (vgl. Anlage K 2, Bl. 29 d.A.). Die Beklagte wies mit Schreiben vom 19.6.2015 darauf hin, dass ein Widerruf wegen Ablaufs der Widerrufsfrist nicht möglich sei. Zugleich bot sie dem Kläger in diesem und einem nachfolgenden Schreiben vom 27.7.2015 den Abschluss eines zinsgünstigeren Darlehensvertrages an (vgl. Anlagen K 3, Blatt 30 d.A. und Anlage K 5, Bl. 35 f. d.A.), was der Kläger aber ablehnte.

Der Kläger hat sich darauf berufen, dass die ihm auf Basis des Angebots der Beklagten vom 8.8.2007 als Anlage K 1 (Bl. 27 R d.A.) erteilte Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß gewesen sei, weswegen der Lauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist nicht begonnen habe. Die Formulierung zum Fristbeginn verstoße in mehrfacher Hinsicht gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ sei unklar. Außerdem werde der Fristbeginn nicht vom Erhalt der Widerrufsbelehrung in Textform abhängig gemacht. Zudem fehle der Zusatz bei Fernabsatzverträgen, wonach die Frist gemäß §§ 312d Abs. 5 Satz 2, 312d Abs. 2 BGB in der Fassung vom 8.12.2004 bis zum 3.8.2009 nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB i.V. mit § 1 Abs. 1, 2 und 4 der BGB-InfoV beginne. Zudem enthalte die Belehrung den unklaren Hinweis, dass die Widerrufsfrist frühestens „mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrags bei der Bank1“ beginne.

Der Beklagten komme die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 der BGB-InfoV nicht zugute, da die verwendete Belehrung nicht dem Muster der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der Fassung vom 8.12.2004 bis zum 31.3.2008 entspreche.

Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung betreffe nicht die streitgegenständliche Belehrung Anlage K 1, sondern eine Belehrung mit anderem Inhalt.

Der Kläger hat erstinstanzlich zunächst die Feststellung beantragt, dass er aufgrund des Widerrufs nicht mehr zur Zahlung des geschuldeten Zinses (Antrag 1) und zur Rückzahlung des offenen Darlehens (Antrag 2) verpflichtet sei und dass die Beklagte ihm zur Leistung von Nutzungsersatz (Antrag 3) sowie zum Ersatz eines etwaigen Zinsschadens (Antrag 4) verpflichtet sei. Mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 27.1.2016 hat der Kläger zahlreiche Hilfsanträge formuliert und den Antrag zu 2) modifiziert. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11.3.2016 hat der Kläger – abweichend von der Darstellung im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung – die Anträge wie im Schriftsatz vom 27.1.2016, Seite 1 und 2 (vgl. Bl. 329 f. d.A.), auf dessen Inhalt insoweit Bezug genommen wird, gestellt.

Die Beklagte hat gemeint, die Feststellungsanträge seien unzulässig. Zudem sei die Klage auch unbegründet, weil die Widerrufsfrist abgelaufen sei. Der Darlehensvertrag sei nach ihrem Angebot vom 17.7.2007 aufgrund der Annahmeerklärung des Klägers vom 25.7.2007 (vgl. Anlage B 2, 91 ff. d.A.) zustande gekommen. Die vom Kläger beanstandete Formulierung finde sich nicht in der streitgegenständlichen Belehrung Anlage B 2 wieder. Die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung, wegen deren Wortlauts auf die Anlage B 2 (Bl. 96 d.A.) verwiesen werde, entspreche inhaltlich der Musterbelehrung aus der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 der BGB-InfoV. Sie habe lediglich eine Umstellung der Anrede auf die erste Person Singular bzw. erste Person Plural anstelle der dritten Person Singular/Plural vorgenommen. Darin liege keine inhaltliche Bearbeitung. Ihr komme deswegen die Gesetzlichkeitsvermutung aus § 14 Abs. 1 der BGB Info-V zugute.

Zudem sei das Widerrufsrecht verwirkt und die Ausübung des Widerrufs sei als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird ergänzend auf die erstinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Willenserklärung, die zum Abschluss des Darlehensvertrages geführt habe, nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet. Zwar sei die verwendete Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß, da die Formulierung „frühestens“ den Fristbeginn nicht deutlich mache. Der Beklagten komme aber die Schutzwirkung des § 14 der BGB Info-V zugute, da die Beklagte das Muster der Anlage 2 verwendet habe. Die verwendete Belehrung weiche lediglich in geringfügigem Umfang von der Musterbelehrung ab, ohne dass eine inhaltliche Bearbeitung vorliege. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsbegründung wird auf das angefochtene Urteil, Seite 5 ff. (vgl. Bl. 605 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gegen das am 22.6.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7.7.2016 Berufung eingelegt und diese – nach gewährter Fristverlängerung bis zum 22.9.2016 – am 21.9.2016 begründet.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Klageabweisung und verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge zum überwiegenden Teil weiter und fügt neue Anträge (zu 3 a) und 3 b), 4), 5 a)) hinzu.

Der Kläger meint, das Urteil des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft. Das Landgericht habe sich mit dem Inhalt der streitgegenständlichen Belehrung, die den Fristbeginn abweichend vom Muster dahin regle, dass die Frist „frühestens mit dem Tag des Eingangs des unterschriebenen Darlehensvertrages bei der Bank1“ beginne, nicht auseinandergesetzt. Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung sei optisch auch nicht ausreichend hervorgehoben und die Anrede („Ich kann/Wir können“ etc.) sei anders als im Muster („Sie können…“ etc.) formuliert. Es liege eine erhebliche Abweichung von der damals gültigen Musterbelehrung vor. Zudem sei das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB auch im Hinblick auf den Fristbeginn („frühestens“) nicht gewahrt.

Die Beklagte schulde ihm Nutzungsersatz für die von ihm bis zum Wirksamwerden des Widerrufs geleisteten Zahlungen. Unter Zugrundelegung von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergäbe sich eine Forderung zu seinen Gunsten von 49.156,60 € – bei 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wäre es eine Forderung von 22.596,88 €. Die Beklagte schulde ihm darüber hinaus die Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen von 264.273,07 €, so dass sich eine Gesamtforderung von 313.429,67 € bzw. 286.869,95 € ergäbe. Dem stünden Ansprüche der Beklagten auf Rückzahlung des Nettodarlehensbetrags von 280.000 € sowie Ansprüche auf Herausgabe von Wertersatz für die Gebrauchsvorteile in Höhe der tatsächlich erbrachten Zinszahlungen von 83.771,49 €, insgesamt also 363.771,49 € gegenüber. Wegen der Einzelheiten der Berechnungen des Klägers wird auf die Berufungsbegründung, Seite 14 ff. nebst Anlagen (Bl. 669 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen seiner vermeintlichen Zahlungsansprüche von 313.429,67 €, hilfsweise 286.869,95 €, und wegen eines etwaigen Anspruchs auf Herausgabe einer löschungsfähigen Quittung hinsichtlich der als Sicherheit dienenden Grundschuld macht der Kläger gegenüber dem Zahlungsanspruch der Beklagten von 363.771,49 € ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Der Kläger meint, es sei ihm nicht zumutbar, die Zahlungen einzustellen, da er die Vollstreckung der Beklagten befürchte. Er verfüge nicht über liquide Mittel in Höhe des Saldos aus dem Rückgewährschuldverhältnis. Diese könne er nur durch Löschung bzw. Übertragung der als Sicherheit dienenden Grundschuld erlangen.

Der Kläger beantragt,

1.
a)

festzustellen, dass er aufgrund des unter dem 3.6.2015 erklärten Widerrufs nicht mehr verpflichtet ist, den geschuldeten Zins aus dem Darlehensvertrag zwischen ihm und der Beklagten über 280.000 € mit der Vorgangsnummer … und der Kontonummer … (Vertragsangebot vom 8.8.2007) in Verbindung mit § 488 Abs. 1 S. 2 BGB an die Beklagte zu zahlen;
b)

hilfsweise festzustellen, dass seine primäre Leistungspflicht aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag über 280.000 € mit der Vorgangsnummer … und der Kontonummer … (Vertragsangebot vom 8.8.2007) zu Zahlung von Zinsen aufgrund des unter dem 3.6.2015 erklärten Widerrufs erloschen ist;
2.
a)

festzustellen, dass seine primäre Leistungspflicht aus dem unter 1. genannten Darlehensvertrag zur Erbringung von Tilgungszahlungen auf dieses Darlehen aufgrund des unter dem 3.6.2015 erklärten Widerrufs erloschen ist;
b)

hilfsweise festzustellen, dass der Darlehensvertrag zwischen ihm und der Beklagten über 280.000 € mit der Vorgangsnummer … und der Kto.-Nr.: … (Vertragsangebot vom 8.8.2007) durch seinen Widerruf vom 3.6.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden ist;
3.
a)

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 313.429,67 € (hilfsweise: 286.869,95 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung dieses Schriftsatzes, Zug um Zug gegen Zahlung von 363.771,49 €, zu zahlen;
b)

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zahlung von 363.771,49 € im Verzug befindet;
4.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn sämtliche Zahlungen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der jeweiligen Zahlung zurückzugewähren, die er zwischen dem 21.9.2016 (Datum dieses Schriftsatzes) und der Rechtskraft dieses Urteils auf den unter 1. genannten Darlehensvertrag geleistet hat, Zug um Zug gegen Zahlung von 363.771,49 €;
5.
a)

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Erklärung der Beklagten vom 19.6.2015 (hilfsweise: aus der Erklärung der Beklagten vom 27.7.2015), dass das unter 1. genannte Darlehen nicht mehr wirksam widerrufen werden könne und sie einer Rückabwicklung dieses Darlehens nicht zustimmen könne, entstehen wird;
b)

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den etwaigen Zinsschaden zu ersetzen, der sich daraus ergibt, dass er nach dem unter dem 3.6.2015 erklärten Widerruf keinen neuen Darlehensvertrag zu den damals üblichen Marktzinsen zur Ablösung des unter 1. genannten Darlehens hat abschließen können.

Mit Schriftsatz vom 13.3.2018 erkennt die Beklagte die Klageanträge zu Ziffer 1. a) und zu Ziffer 2. a) an. Im Übrigen rügt sie die Unzulässigkeit der neuen Anträge und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit sie die Anträge nicht anerkennt. Nachdem die Beklagte zunächst – wie bereits in erster Instanz – geltend gemacht hat, dass für den Vertrag die erstinstanzlich als Anlage B 2 (Bl. 96 d.A.) vorgelegte Widerrufsbelehrung maßgeblich sei und diese der Musterbelehrung entspreche, hat sie nach dem Hinweis der Dezernentin vom 6.10.2017 eingeräumt, dass die Anlage B 2 eine frühere Vertragsversion betreffe, die durch den klägerseits vorgelegten späteren Darlehensvertrag vom 8.8./19.8.2007 (Anlage B 2 „neu“, Bl. 755 ff. d.A.) nebst Widerrufsbelehrung ersetzt worden sei. Soweit der Kläger neue, resp. abgeänderte Anträge stelle, handele es sich um eine unzulässige Klageänderung im Sinne von § 533 ZPO, in die sie nicht einwillige. Zudem sei die Klageänderung auch nicht sachdienlich, da der Kläger nunmehr die Anträge zu 3a) und 3b) erstmals beziffere. Die Berechnungen seien nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen. Der neue Antrag zu 3a) zeige zudem, dass der Kläger in der Lage sei, seine vermeintlichen Ansprüche zu beziffern. Für seine Feststellungsansprüche fehle daher das erforderliche Feststellungsinteresse.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht angebracht und begründet (vgl. §§ 511, 517, 519 f. ZPO).

Die Berufung ist im tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Die Anträge des Klägers zu Ziffer 1. a) und 2. a), gerichtet auf Feststellung, dass er der aufgrund des Widerrufs vom 3.6.2015 nicht mehr zur Zahlung des vertraglich geschuldeten Zinses verpflichtet ist (Ziffer 1. a)) und dass seine primäre Leistungspflicht zur Erbringung von Tilgungszahlungen erloschen ist (Ziffer 2. a)), sind zulässig. Die Beklagte bestreitet die Wirksamkeit des Widerrufs und damit das Zustandekommen eines Rückgewährschuldverhältnisses (vgl. BGH, Urteil vom 16.5.2017 – XI ZR 586/15, Tz. 12, 13, 15). Die im Sinne von § 256 ZPO erforderliche Bestandsbehauptung („Berühmen“) der Beklagten zielt auf das Fortbestehen vertraglicher Erfüllungsansprüche gegen den Kläger aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ab (vgl. BGH, Urteil vom 16.5.2017 – XI ZR 586/15, Tz. 12, 13, 15). Hiergegen kann sich der Kläger grundsätzlich mittels negativer Feststellungsklage zur Wehr setzen. Der Kläger muss sich auch nicht vorrangig darauf verweisen lassen, gegen die Beklagte im Wege der Leistungsklage nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB vorgehen zu können. Anders als in den Fällen, in denen der Klageantrag auf die positive Feststellung gerichtet ist, der Darlehensvertrag habe sich aufgrund des Widerrufs der auf seinen Abschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, lässt sich das hier zur Entscheidung gestellte Begehren, festzustellen, dass die Beklagte gegen den Kläger aufgrund des Widerrufs keine Ansprüche (mehr) aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB hat, nicht mit einer Klage auf Leistung aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB abbilden (vgl. BGH, Urteil vom 16.5.2017 – XI ZR 586/15, Tz. 16). Unschädlich war, dass der die Tilgungszahlungen betreffende Antrag des Klägers zu Ziffer 2. a) – anders als der die Zinszahlungen betreffende Antrag des Klägers zu Ziffer 1. a) – auf Feststellung des Erlöschens der primären Leistungspflicht des Klägers aus dem Darlehensvertrag zur Erbringung von Tilgungszahlungen nicht als negatives Feststellungsbegehren, sondern als positives Feststellungsbegehren formuliert ist. Mit der Feststellung des Erlöschens der primären Leistungspflicht zur Erbringung von Tilgungszahlungen begehrt der Kläger letztlich nichts anderes als die Feststellung, dass der Beklagten durch den Widerruf kein Anspruch mehr auf die vertragsgemäße Tilgung zusteht, so dass die Abweichung zu der vom Bundesgerichtshof gebilligten Formulierung unschädlich ist (vgl. zur Formulierung des negativen Feststellungsbegehrens BGH, Urteil vom 16.5.2017 – XI ZR 586/15).

Das Feststellungsinteresse des Klägers entfällt auch nicht aufgrund des zugleich gestellten Leistungsantrags zu Ziffer 3. a). Der Leistungsantrag ist nicht als vorrangig anzusehen, da eine abschließende Bezifferung aller Rückgewähransprüche bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt ist. Vielmehr hat der Kläger seine Rückforderungsansprüche in Ziffer 3.a) in der Berufungsbegründung nur bis zum 30.8.2016 berechnet, so dass hinsichtlich der nachfolgenden Ansprüche noch Rechtsunsicherheiten bestehen. Da der Leistungsantrag zu Ziffer 3. a) zudem – was noch auszuführen sein wird – als unbegründet anzusehen ist, kann dem Kläger ein berechtigtes Interesse an der negativen Feststellung im tenorierten Sinne nicht aberkannt werden.

Die Feststellungsanträge zu Ziffer 1. a) und 2. a) sind auch begründet.

Nachdem die Beklagte die Klageanträge zu Ziffer 1. a) und 2. a) mit Schriftsatz vom 13.4.2018 anerkannt hat, war insoweit – ohne weitere Sachprüfung – ein Teil-Anerkenntnisurteil zu erlassen.

2. Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsinstanz auf Zahlung Zug um Zug gegen Zahlung (Antrag zu 3. a)), Feststellung des Annahmeverzugs (Antrag zu 3. b)), Feststellung der Verpflichtung zur Rückgewähr Zug um Zug gegen Zahlung (Antrag zu 4.), Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz (Antrag zu 5. a)) klagt, handelt es sich um zulässige, quantitative objektive Klageerweiterungen im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO, die dem Anwendungsbereich der Klageänderung nach § 533 ZPO nicht unterfallen. Die Vorschrift des § 533 ZPO, die die besonderen Voraussetzungen der Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage in der Berufungsinstanz regelt, knüpft an den allgemeinen Begriff der Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO an, wonach eine objektive Klageänderung dann gegeben ist, wenn sich der Streitgegenstand verändert, insbesondere wenn bei gleichbleibenden oder geändertem Klagegrund ein anderer Klageantrag gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 8.12.2005 – VII ZR 138/04, Tz. 24 ff; BGH, Urteil vom 8.12.2005 – VII ZR 191/04, Tz. 13 ff.). Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als Klageänderung anzusehen; § 533 ZPO findet auf sie keine Anwendung (vgl. BGH, wie vor).

Die Anträge des Klägers zu Ziffer 3., 4. und 5. sind jedenfalls unbegründet.

Der Antrag des Klägers zu Ziffer 3. a) auf Zahlung von 313.429,67 € Zug um Zug gegen Zahlung von 363.771,49 € ist unbegründet.

Mit diesem Antrag begehrt der Kläger in der Berufungsinstanz die Rückzahlung von ihm erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und die Herausgabe von Nutzungsersatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz „Zug um Zug“ gegen Zahlung der von ihm aus dem Rückgewährschuldverhältnis zu erbringenden Leistung. In einem solchen Zug-um-Zug Antrag liegt eine Aufrechnung des Darlehensnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 25.4.2017 – XI ZR 108/16 in BKR 2017, 468, Rdnr. 18 ff.). Die Aufrechnung des Klägers gegenüber der Gegenforderung der Beklagten bewirkt nach § 389 BGB das vollständige Erlöschen seiner Forderung, da die Gegenforderung von 363.771,49 € die Forderung des Klägers von 313.429,67 € übersteigt. Verzugszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Berufungsbegründung am 26.9.2016 können mangels Vorliegens einer Hauptschuld nicht mehr verlangt werden. Im Übrigen würde sich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im März 2018 für einen Zeitraum von rund 1,5 Jahren lediglich eine weitere Zinsforderung des Klägers von etwa 30.000 € ergeben, deren Hinzurechnung zur Hauptforderung die Gegenforderung der Beklagten ebenfalls nicht erreicht.

Aus den oben angeführten Gründen ist auch der auf hilfsweise Zahlung von 286.869,95 € Zug um Zug gegen Zahlung von 363.771,49 € gerichtete Antrag des Klägers im Klammerzusatz des Antrags zu Ziffer 3. a) unbegründet.

Auch der weitere Antrag des Klägers zu Ziffer 3. b) auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zahlung von 363.771,49 € im Verzug befindet, ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 293 BGB liegen nicht vor. Der Kläger hat der Beklagten die Zahlung von 363.771,49 € nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Art und Weise angeboten. Abgesehen davon, dass der Kläger – nach Aufrechnung mit seinem Gegenanspruch – der Beklagten sowieso nicht zur Leistung des vollen Betrags, sondern nur noch zur Leistung des Saldos aus dem Rückgewährschuldverhältnis verpflichtet wäre, ist er zu einer Leistung gar nicht imstande. In der Berufungsbegründung, Seite 19, legt er dar, dass er „nicht über liquide Mittel in Höhe des Saldos aus dem Rückgewährschuldverhältnis“ verfüge.

Der neue Antrag des Klägers zu Ziffer 4. auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, an ihn Zahlungen, die er ab dem 21.9.2016 bis zur Rechtskraft des Urteils geleistet habe, nebst Zinsen zurück zu gewähren, Zug um Zug gegen Zahlung von 363.771,49 € ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber einem Feststellungsbegehren scheidet schon begrifflich aus (vgl. Palandt-Grüneberg, 77. Auflage, § 273 Rdnr. 3 und Münchener Kommentar-Krüger, 7. Auflage, § 273 Rdnr. 7).

Der neue Antrag des Klägers zu Ziffer 5. a) auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm aus ihrer Erklärung vom 19.6.2015 (hilfsweise: vom 27.7.2015), wonach das Darlehen nicht mehr widerrufen werden könne und sie einer Rückabwicklung nicht zustimme, entstehen wird, ist unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass und inwiefern dem Kläger infolge der Nichtakzeptanz des Widerrufs durch die Beklagte über die gesetzlich geregelten Widerrufs- bzw. Rücktrittsfolgen nach §§ 357 Abs. 1, 346 BGB a.F. ein weiterer „Schaden“ droht.

Gleiches gilt für den Hilfsantrag des Klägers zu Ziffer 5. b) auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm den Zinsschaden zu ersetzen, der daraus resultiert, dass er nach dem Widerruf keinen neuen Darlehensvertrag zur Ablösung des streitgegenständlichen Darlehens zu den damals üblichen Marktzinsen habe abschließen können. Bei reinen Vermögensschäden genügt – anders als bei der Verletzung eines absoluten Rechts – für das Feststellungsinteresse nicht die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts. Erforderlich ist vielmehr die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts (vgl. nur BGH in NJW 2006, 830 [BGH 24.01.2006 – XI ZR 384/03], Rdnr. 27). Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Zinsschadens besteht nicht. Dass es dem Kläger nach dem Widerruf gelungen wäre, bei einer anderen Bank eine zinsgünstigere Anschlussfinanzierung zu erhalten, kann nicht unterstellt werden. Die von ihm behauptete Werthaltigkeit der Immobilie ist für die Finanzierungszusage einer Bank alleine nicht ausreichend. Vielmehr werden regelmäßig auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des künftigen Darlehensnehmers geprüft, zu denen im Falle des Klägers hier nichts bekannt ist. Zudem hat die Beklagte dem Kläger – seinem eigenen Vortrag zufolge – nach dem Widerruf im Juni und Juli 2015 den Abschluss eines zinsgünstigeren Darlehens mit einer Verzinsung von effektiv 2,10 % p.a. bzw. zuletzt von effektiv 1,81 % p.a. bei zehnjähriger Zinsfestschreibung angeboten. Der von der Bundesbank veröffentlichte Zinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte (MFIs) sah im Juli 2015 eine Verzinsung von effektiv 1,86 % p.a. bei bis zu zehnjähriger Zinsbindung vor. Der von der Beklagten zuletzt angebotene Zinssatz von 1,81 % lag daher sogar unterhalb der marktüblichen Verzinsung.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Bei der Kostenverteilung erster Instanz wurde berücksichtigt, dass der Kläger zwar hinsichtlich der gestellten Feststellungsanträge zu Ziffer 1. zu Ziffer 2. (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 27.1.2016, Bl. 329 f. d.A.) obsiegte. Die Bemessung des Streitwerts erfolgte entsprechend § 9 ZPO auf Basis und beschränkt durch den dreieinhalbfachen Jahresbetrag der monatlichen Zins- und Tilgungsleistung von 1.691,66 €, da der Vertrag eine Zinsbindung bis 30.8.2022 vorsah. Daraus errechnete sich ein zugrunde zu legender Wert von insgesamt 71.049,72 €. Zu Lasten des Klägers war bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, dass er in der Klageschrift zunächst beantragt hatte, festzustellen, dass er zur Rückzahlung des noch offenen Darlehens nicht verpflichtet ist (vormaliger Antrag zu Ziffer 2.). Ausweislich des vorgelegten Kontoauszugs bestand im Dezember 2014 noch eine offene Darlehensschuld von 156.916,84 € (vgl. BK 6, Bl. 688 d.A.), die sich werterhöhend auswirkte. Für den unbegründeten Antrag zu Ziffer 3. auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Nutzungsersatz wurden – da der Anspruch in Bezug auf die Feststellungsanträge zu Ziffer 1. und 2. nicht als Nebenforderung geltend gemacht wurde – zusätzlich die vom Kläger in der Berufungsbegründung, Seite 18 (vgl. Bl. 673 d.A.), angeführte Forderung von 49.156,60 € abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %, mithin also ein Wert von 39.325,28 € zugrunde gelegt. Für den ebenfalls unbegründeten Antrag zu Ziffer 4. auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des Zinsschadens wurde unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlags ein geschätzter Wert von 4.000 € angenommen.

Bei der Kostenverteilung für das Berufungsverfahren wurde berücksichtigt, dass der Kläger hinsichtlich der Hauptsache-Feststellungsanträge zu Ziffer 1.a) und zu Ziffer 2.a) obsiegte. Für den unbegründeten Zahlungsantrag zu Ziffer 3.a) war lediglich ein Auffangstreitwert von 5.000 € zugrunde zu legen, da das Zahlungsbegehren aufgrund des Zug-um-Zug Antrags, der als (Primär-) Aufrechnung zu werten ist, eine negative Forderung aufweist. Dem unbegründeten Antrag zu 3.b) (Annahmeverzug) kam kein eigenständiger Wert zu. Für den Antrag zu 4. auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Rückgewähr der ab dem 21.9.2016 bis zur Rechtskraft des Urteils geleisteten Zahlungen wurden die Zahlungspflichten des Klägers für die (geschätzte) Dauer eines Jahres von 20.299,92 € (1.691,66 € x 12) zugrunde gelegt abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %, mithin also ein Wert von 16.239,94 €. Für die Feststellungsanträge zu Ziffer 5. a) (Schadensersatz) und zu Ziffer 5. b) (Ersatz des Zinsschadens) wurden unter Berücksichtigung von Feststellungsabschlägen Werte von jeweils 4.000 € geschätzt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht nach § 543 ZPO zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichtes in dieser Sache fordern.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.