OLG Frankfurt am Main, 08.02.2018 – 1 U 196/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 08.02.2018 – 1 U 196/16
Leitsatz:

1.

Auch Herausgabeansprüche wegen verfolgungsbedingten Entzugs von Kunstwerken während der NS-Diktatur unterliegen der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährung.
2.

Ein Ausschluss solcher Ansprüche aus dem Anwendungsbereich der Verjährungsvorschriften würde die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten, nachdem der Gesetzgeber sich für die dreißigjährige Verjährung von Herausgabeansprüchen aus beweglichem Eigentum entschieden hat.
3.

Die Erhebung der Einrede der Verjährung verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der Eintritt der Verjährung auf bloß passivem Verhalten des in Anspruch genommenen Besitzers beruht.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. November 2016 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Der Kläger ist Enkel des bedeutenden jüdischen Kunstsammlers A, der im Jahr 1942 deportiert und schließlich im Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Herausgabe eines Ölgemäldes mit der Bezeichnung „Goldregen, Calla und Iris“.

Dieses Ölgemälde schuf der Maler Hermann Max Pechstein im Jahr 1918. Im Jahr 1919 erwarb der seinerzeitige Leiter der Nationalgalerie Berlin Ludwig Justi das Ölgemälde vom Künstler Pechstein für die Nationalgalerie. Dieses Ölgemälde tauschte Ludwig Justi im Jahr 1925 wieder beim Künstler Pechstein gegen ein oder zwei andere Gemälde. Der Verbleib des Ölgemäldes in der Folgezeit ist zwischen den Parteien streitig. Am 20. März 1928 stellte der Großvater des Klägers der Nationalgalerie u.a. zwei Gemälde von Pechstein für die „Ausstellung neuerer deutscher Kunst aus Berliner Privatbesitz“ leihweise zur Verfügung. Die beiden Gemälde wurden jedoch schon am 4. April 1928 wieder an den Großvater des Klägers zurückgegeben. Ob der Großvater des Klägers das Gemälde „Goldregen, Calla und Iris“ zwischenzeitlich erworben hatte und dieses dann in der Ausstellung aufgrund einer Leihgabe des Großvaters des Klägers gezeigt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Um 1941/42 oder davor gelangte das Ölgemälde in den Besitz des Arztes B, dem Schwiegervater der Beklagten. B war mit einer Jüdin verheiratet, deren Mutter im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurde. Im Jahr 1967 schenkte der Schwiegervater der Beklagten das Ölgemälde seinem Sohn, als dieser und die Beklagte eine größere Wohnung bezogen. Der Ehemann der Beklagten verstarb im Jahr 201X und wurde von der Beklagten allein beerbt.

Mit der Behauptung, er sei Rechtsnachfolger seines Großvaters im Eigentum an dem Ölgemälde „Goldregen, Calla und Iris“, verlangt der Kläger von der Beklagten die Herausgabe. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, sein Großvater habe das Ölgemälde im Jahr 1925 vom Künstler erworben. Noch im Dezember 1938 sei das Ölgemälde im Besitz seines Großvaters gewesen. Diesem sei es dann zwischen 1938 und 1941/42 verfolgungsbedingt entzogen worden.

Die Beklagte hat vorgetragen, ausweislich eines Briefwechsels zwischen ihrem Ehemann und dem Sohn Max Pechstein des Künstlers aus dem Jahr 1989 sei ihr Ehemann davon ausgegangen, dass sein Vater das Ölgemälde vor 1941 direkt vom Künstler erworben habe. Mehr sei ihr zu dem Erwerb nicht bekannt. Bei dem vom Kläger aus der Sammlung seines Großvaters vermissten Werk handele es sich tatsächlich um ein weiteres, ähnliches Blumenstillleben des Künstlers mit der Bezeichnung „Schwertlilien (Calla und Iris)“, aufgeführt im Werkeverzeichnis unter 1918/7. Insofern liege seitens des Klägers eine Verwechslung mit dem streitgegenständlichen Ölgemälde vor. Vorsorglich hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlich von den Parteien gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das am 2. November 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine Klage weiterverfolgt. Er rügt, das Landgericht habe die Erlangung des Besitzes der Beklagten nicht festgestellt. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, seit wann sie mit ihrem Ehemann verheiratet gewesen sei. Ihre Angaben könne er nur mit Nichtwissen bestreiten und habe er mit Nichtwissen bestritten. Zudem habe das Landgericht ihm kein rechtliches Gehör zu der wegen § 1007 BGB entscheidenden Frage gegeben, wann die Beklagte Besitz erlangt habe. Den für § 1007 BGB maßgeblichen Besitz an dem Bild habe die Beklagte erst im Jahr 2013 erlangt. Zuvor habe die Beklagte keinen Mitbesitz gehabt. Bei dem Gemälde habe es sich nicht um gewöhnlichen Hausrat gehandelt, sondern um einen persönlichen Gegenstand ihres Ehemannes.

Das Landgericht habe übersehen, dass die genauen Umstände des Erwerbs in der Familie der Beklagten nach Treu und Glauben für deren Berechtigung zur Erhebung der Verjährungseinrede durchaus relevant seien. Zu den Erwerbsumständen habe die Beklagte aber widersprüchliche Angaben gemacht. Die Einrede der Verjährung greife nicht. Die Einrede der Verjährung sei bei „Raubkunst“ im Wege einer teleologischen Reduktion der Verjährungsvorschriften nicht statthaft. Dies ergebe sich aus den Ereignissen des Holocaust. Da Mord nicht verjähre, müsse dies auch für die im Zusammenhang mit der Ermordung des Eigentümers erfolgte Entziehung seiner Kunstschätze gelten. Dies müsse umso mehr gelten, wenn der gegenwärtige Besitzer seit der NS-Diktatur im Besitz des Bildes sei. Dieser Besitzer sei nicht in gleicher Weise schutzwürdig wie ein gutgläubiger Erwerber nach dem zweiten Weltkrieg. Die Erhebung der Verjährungseinrede sei auch treuwidrig. Die Treuwidrigkeit liege in einem – nach Behauptung des Klägers – unberechtigten Besitz. Dieser sei der Familie der Beklagten jahrzehntelang bekannt gewesen. Die Familie habe seit Jahrzehnten positiv gewusst oder wissen müssen, dass der Erwerb durch den Schwiegervater der Beklagten nicht rechtmäßig gewesen sei. Die Beklagte habe die Einrede gezielt herbeigeführt. Dies sei rechtsmissbräuchlich. Es sei untragbar, wenn eine rechtswidrige Vermögenslage durch Einrede der Verjährung perpetuiert werde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2012 – V ZR 27/10 – Bedeutung für den vorliegenden Fall. Hier wie dort sei der Vermögensgegenstand verfolgungsbedingt entzogen worden und verschollen gewesen. Für eine Treuwidrigkeit der Einrede der Verjährung sprächen auch die weiteren – im Einzelnen von dem Kläger auf Seite 10 ff. der Berufungsbegründung genannten – Umstände.

Schließlich sei eine Ersitzung nicht denkbar. Weder der Schwiegervater der Beklagten noch seine Rechtsnachfolger hätten gutgläubigen Eigenbesitz begründen können. Bei einem Erwerb während der NS-Diktatur in den Jahren 1941 oder 1942 und eigener Verfolgung der Familie der Beklagten hätten konkrete Verdachtsmomente vorgelegen, und es hätten weitere Nachforschungen zur Rechtmäßigkeit des Erwerbes angestellt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn das Gemälde Blumenstrauss (Goldregen, Calla und Iris) von Hermann Max Pechstein, Öl auf Leinwand, 117 x 90 cm, signiert und datiert unten rechts HM Pechstein 1918, im Werkverzeichnis von Aya Soika aufgenommen unter Nr. 1918/8, herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zu Recht Herausgabeansprüche des Klägers nach § 985 BGB und nach § 1007 BGB verneint, weil etwaige Herausgabeansprüche des Klägers jedenfalls verjährt sind und der Beklagten es nicht verwehrt ist, die Einrede der Verjährung zu erheben.

a) Einem etwaigen Herausgabeanspruch des Klägers nach § 985 BGB stände bereits entgegen, dass der Senat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen kann, dass dem Großvater des Klägers das Ölgemälde im Sinne des § 935 Abs. 1 BGB abhanden gekommen ist. Der Senat muss daher nicht der Frage nachgehen, ob das Ölgemälde aus der Sammlung des Großvaters des Klägers stammt. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre völlig offen, wie und unter welchen Umständen das Ölgemälde die Sammlung verlassen hat.

aa) Grundsätzlich muss der Eigentümer, der die Sache nach § 985 BGB vom Besitzer herausverlangt, sein Eigentum beweisen. Er muss dabei die für das Eigentum des Besitzers sprechende Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegen. Dies gilt nicht, wenn dem Kläger als dem früheren Besitzer die Sache abhanden gekommen ist (§ 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dann streitet vielmehr umgekehrt für diesen die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB. Sie beschränkt sich entgegen dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht auf die „Dauer seines Besitzes“, sondern gilt kraft der allgemeinen Rechtsfortdauervermutung bis zum Nachweis des Eigentumsverlustes. Der auf Herausgabe verklagte Besitzer muss dann beweisen, dass der Kläger sein Eigentum an der Sache trotz des dieser infolge des Abhandenkommens anhaftenden Makels – z.B. nach § 937 – verloren hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1994 – II ZR 4/94 – Rn. 16, juris = NJW 1995, 1292, 1293 f.).

bb) Die Beweislast für das Abhandenkommen verbleibt jedoch bei dem Kläger (vgl. Staudinger/Gursky, BGB (Neubearbeitung 2012), § 1006, Rn. 45 – juris; Münchener Kommentar/Oechsler, 7. Aufl. 2017, § 985, Rn. 19; Soergel/Henssler, BGB, 13. Aufl. 2002, § 935, Rn. 24). Nichts anderes ergibt sich auch aus der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 17. September 2010, GRUR-RR 11, 24 ff. – Tiepolo-Gemälde). Auch wenn an die Substantiierung des Abhandenkommens keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (Staudinger/Gursky a.a.O.) und der Nachweis eines Lebenssachverhaltes genügen kann, der bei lebensnaher Betrachtung den Schluss auf das behauptete Abhandenkommen unmissverständlich nahelegt (OLG Hamm, Urteil vom 17. Oktober 1991 – 5 U 117/90 – Rn. 16, juris; Münchener Kommentar/Oechsler a.a.O.: Anscheinsbeweis), liegt ein Abhandenkommen des Ölgemäldes nicht nahe. Insbesondere spricht im vorliegenden Fall keine Vermutung für ein Abhandenkommen, weil ein Verkauf des Gemäldes in gleicher Weise wahrscheinlich ist.

(1) Zur Überzeugung des Senats kann schon nicht von einem Erwerb des Gemäldes durch den Schwiegervater der Beklagten in den Jahren 1941/1942 ausgegangen werden. Soweit es in dem Brief des Ehemannes der Beklagten an den Sohn des Künstlers vom 29. Oktober 1989 heißt: „Zu der mir bisher bekannten Historie des Bildes kann ich nur sagen, dass es von meinem Vater entweder 1941 oder 1942 in Berlin gekauft … wurde“, ergibt sich hieraus nur, dass diese Zeitangabe in der Familie überliefert wurde. Die Beklagte darf zulässigerweise diesen Zeitpunkt des Erwerbes bestreiten, da sie nicht aufgrund eigener Wahrnehmungen Erkenntnisse darüber hat, ob diese Angabe auch zutrifft. Dies gilt umso mehr, als der Sohn des Künstlers in seinem Brief an den Ehemann der Beklagten vom 23. Oktober 1989 ausführt: „wir kommen zurück auf Ihren telefonischen Anruf vom 16.ds.Mts., … in dessen Verlauf Sie uns mitteilten, dass Ihr Vater vor 1941 in Berlin ein Ölgemälde von meinem Vater gekauft habe … .“

Der Kläger räumt selbst mit Schriftsatz vom 26. September 2016 ein, dass es trotz umfangreicher Recherchen nicht möglich gewesen sei, das Schicksal des Gemäldes zwischen 1938 und 1941/42 aufzuklären. Bereits im Jahr 1954 war ein Antrag der Kinder des Großvaters des Klägers auf Rückerstattung wegen fehlender Beweismittel ohne Erfolg geblieben. Auch der Kläger zieht im Schriftsatz vom 26. September 2016 einen verfolgungsbedingten Notverkauf in Betracht. Richtig ist allerdings, dass nach Art. IV § 14 der Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens vom 3. Dezember 1938 es Juden verboten war, Juwelen, Schmuck- und Kunstgegenstände zu erwerben, zu verpfänden oder freihändig zu veräußern, wobei dies für Kunstgegenstände galt, soweit deren Wert 1.000 Reichsmark überstieg. Das Gemälde war aber, wie der Kläger selbst erklärt, offenbar auf keiner der sogenannten „Judenauktionen“ registriert. Vor diesem Hintergrund zieht auch der Kläger im Schriftsatz vom 26. November 2015 in Betracht, dass der Schwiegervater der Beklagten das Bild privat erworben zu haben scheint. Kommt aber ein privater Erwerb in Betracht, ist die vom Kläger aufgezeigte Möglichkeit eines „Erwerbs direkt von einem Nazischergen, der sich des Gemäldes bemächtigt“ habe, nicht die einzige Möglichkeit. Ebenso nicht völlig von der Hand zu weisen ist ein privater Verkauf an einen Dritten, wie auch ein Verkauf unmittelbar an den Schwiegervater der Beklagten nicht völlig außer jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Dass es nach dem Vorbringen der Beklagten hierfür keine Hinweise gibt, besagt nur, dass solche nicht bekannt sind. Der Schwiegervater der Beklagten hatte als Sammler Werke zeitgenössischer Künstler erworben. Erstinstanzlich hat der Kläger diesen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 6. September 2016 nicht bestritten. Unbestritten hat auch der Schwiegervater der Beklagten das Ölgemälde in Berlin erworben, und der Großvater des Klägers lebte bis zu seiner Deportation in Berlin.

(2) An einem Abhandenkommen fehlt es indessen bei einer Veräußerung durch den Eigentümer selbst dann, wenn die Übereignung wegen Wuchers nichtig ist, weil der Eigentümer die Sache willentlich aus der Hand gibt und ein unfreiwilliger Rechtsverlust nicht vorliegt (Staudinger/Wiegand, BGB (Neubearbeitung 2017), § 935, Rn. 12 – juris). Dies gilt auch bei einem wucherischen Erwerb von jüdischen Eigentümern unter Ausnutzung verfolgungsbedingter Notlagen (vgl. dazu Gesetzesantrag des Freistaates Bayern zu einem Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss der Verjährung von Herausgabeansprüchen bei abhanden gekommenen Sachen, insbesondere bei in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut – Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz – KRG, BR-Drs. 2/14; vgl. auch Münchener Kommentar/Oechsler a.a.O. § 935, Rn. 7). Anders wäre die Rechtslage, wenn das Ölgemälde beschlagnahmt worden wäre (sogenannte „Raubkunst“), weil in den Fällen des Besitzverlusts durch Maßnahmen eines Unrechtsregimes ein unfreiwilliger Verlust bejaht wird (vgl. Staudinger/Wiegand a.a.O. § 935, Rn. 18 – juris; Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss der Verjährung von Herausgabeansprüchen bei abhanden gekommenen Sachen, insbesondere bei in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut – Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz – KRG, BR-Drs. 2/14; LG Bonn, Urteil vom 25. Juni 2002 – 18 O 184/01 – Rn. 40, juris zur Beschlagnahme durch die Gestapo; LG Berlin, JR 1948, 52).

(3) Wegen dieser aus § 935 BGB folgenden Differenzierung kann sich der Kläger für den vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf die Empfehlung der Beratenden Kommission in einer anderen Sache berufen. Diese hat betreffend zwei Gemälde von Karl Schmidt-Rottluff gegenüber dem in Anspruch genommenen Land Berlin die Rückgabe an den Kläger mit der Begründung empfohlen, dass „aufgrund der historischen Gesamtsituation, der Verfolgung von A und mangels konkreter gegenteiliger Belege zu vermuten“ sei, „dass die beiden Gemälde NS-verfolgungsbedingt verloren gegangen“ seien (Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung, Pressemitteilung vom 18. November 2011, Anlage K3, Bl. 21 d.A.). Diese Empfehlung ist schon nicht für staatliche Gerichte bindend. Die dort aufgestellte Vermutung ist auch deshalb nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, weil hier ein Verkauf durch den Großvater des Klägers gerade nicht ausgeschlossen werden kann und bei einem Verkauf ein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB nicht vorliegt. Nicht zuletzt fehlt es an einer Vergleichbarkeit des vorliegenden Falles mit dem, der der Empfehlung der Beratenden Kommission zugrunde lag, weil dort feststand, dass das Land Berlin im Jahr 1953 die beiden Werke zu einem auffällig niedrigen Kaufpreis (1.500 DM und 2.000 DM) erworben hatte, und dieser Umstand Anlass für die Annahme eines unfreiwilligen Verlusts seitens des Eigentümers gibt, während vorliegend der Vortrag des Klägers, der Schwiegervater der Beklagten habe das Gemälde zu einem „Spottpreis“ erworben, ersichtlich auf Spekulation beruht.

b) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass etwaige Herausgabeansprüche des Klägers nach § 985 BGB und nach § 1007 BGB jedenfalls verjährt wären.

aa) Die Verjährung des (etwaigen) Eigentumsherausgabeanspruchs gemäß § 985 BGB richtet sich gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den vor dem 1. Januar 2002 geltenden Vorschriften, weil an diesem Tag der Herausgabeanspruch bereits verjährt war. Der Lauf der Verjährung war spätestens im Jahr 1975 vollendet.

Der Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB unterlag der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung (kurz: a.F.). Die Verjährung begann nach § 198 BGB a.F. mit der Entstehung des Anspruchs, d.h., sobald er klageweise geltend gemacht werden kann. Selbst wenn dieser Zeitpunkt erst für das Jahr 1945 oder später angesetzt würde, wäre der Lauf der Verjährung bei Erhebung der Klage im Jahr 2015 vollendet gewesen.

bb) Auch ein etwaiger Herausgabeanspruch des Klägers gemäß § 1007 BGB gegen die Beklagte als Besitzerin wäre verjährt.

(1) Der Herausgabeanspruch unterlag ebenfalls der regelmäßigen dreißigjährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. (vgl. Palandt/Bassenge, 61. Aufl. 2002, § 1007, Rn. 2), deren Lauf mit der Entstehung des Herausgabeanspruchs gegenüber der Beklagten im Jahr 1967 begonnen hätte.

Der Herausgabeanspruch wäre schon im Jahr 1967 entstanden, als der Schwiegervater der Beklagten ihrem Ehemann das Gemälde zur Einweihung der neuen Wohnung schenkte. Denn mit der Schenkung erlangte die Beklagte gleichzeitig Mitbesitz neben ihren Ehemann an dem Gemälde, und Mitbesitz genügt für einen Herausgabeanspruch nach § 1007 BGB. Der Lauf der Verjährung wäre mithin im Jahr 1997 vollendet gewesen.

(2) Die Berufung macht ohne Erfolg geltend, dass die Feststellungen des Landgerichts zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs der Beklagten unvollständig seien.

Der Senat hat die Feststellung des Landgerichts als unstreitig, dass im Jahr 1967 B seinem Sohn das Gemälde schenkte, nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der Kläger hat nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag geltend gemacht, dass die vom Landgericht mit Tatbestandswirkung (§ 314 ZPO) getroffene Feststellung unrichtig sei. Anhaltspunkte, die Anlass für Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung geben könnten, sind auch nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung, ihr Ehemann habe das Gemälde „ca. 1967“, „um das Jahr 1967“, „1967“ geschenkt erhalten und „seit 1967 im gutgläubigen Eigenbesitz gehabt“, nicht bestritten. Soweit nunmehr die Berufung den Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen bestreitet, handelt es sich um neuen Vortrag erstmals in der Berufungsinstanz, der wegen § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen ist.

Das erst jetzt gehaltene Bestreiten der Berufung mit Nichtwissen ist auch nicht nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässig. Ein Verfahrensmangel im ersten Rechtszug ist nicht gegeben. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, zu der Frage Stellung zu nehmen, wann die Beklagte gemäß § 1007 BGB Besitz erlangt hat. Der Kläger hat selbst mit Schriftsatz vom 26. November 2015 darauf hingewiesen, dass die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Erwerbers das Datum des Besitzerwerbs zu beweisen habe. Die maßgebliche Fragestellung hat der Kläger mithin selbst aufgeworfen. Es ist deshalb nicht zu erkennen, dass sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden wäre, zumal die Beklagte schon in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hatte, dass die 30jährige Verjährung im Jahr 1997 endete.

(3) Die Einwände der Berufung gegen die Feststellung des Landgerichts verfangen auch im Übrigen nicht. Ehegatten sind unabhängig von Eigentum und Güterstand Mitbesitzer der gemeinsam benutzten beweglichen Sachen und Räume. Dies ist entgegen der von der Berufung vertretenen Ansicht nicht eine Folge der Pflicht zur Einräumung von Mitbesitz an den Gegenständen des ehelichen Haushalts, sondern der faktischen, mit Besitzwillen einhergehenden Mitbenutzung (Staudinger/Gutzeit, BGB (Neubearbeitung 2012), § 866, Rn. 10 – juris). Mit der schenkweisen Überlassung an ihren Ehemann übte auch die Beklagte die tatsächliche Sachherrschaft im Sinne des § 854 Abs. 1 BGB über das Gemälde gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann aus (§ 866 BGB), weil sich das Gemälde von nun an in der gemeinsamen Ehewohnung befand und gemeinsam von den Eheleuten seinem Zweck entsprechend genutzt wurde. Dieser Zweckbestimmung entsprach es, dass Anlass der Schenkung gerade der Umzug der Eheleute in eine größere Wohnung gewesen war. Deswegen hatte der Ehemann der Beklagten von vornherein keinen Alleinbesitz. Für seinen alleinigen persönlichen Gebrauch war das Ölgemälde nicht bestimmt. Fehl geht daher auch der Hinweis der Berufung, aus dem Umstand, dass bis zum Ableben des Ehemannes der Beklagten ausschließlich mit ihm über die Rückgabe des Bildes verhandelt worden sei, folge, dass die Beklagte keinen Mitbesitz an dem Gemälde gehabt habe.

c) Der Anwendungsbereich der Verjährungsvorschriften ist auch nicht in den Fällen von „Raubkunst“ im Wege teleologischer Reduktion einzuschränken.

Ungeachtet dessen, dass wie oben ausgeführt im vorliegenden Fall schon keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es sich bei dem Ölgemälde um sogenannte „Raubkunst“ handelt, sondern die Möglichkeit eines Verkaufs in Betracht zu ziehen ist, wäre auch bei einem verfolgungsbedingten Abhandenkommen des Gemäldes eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Verjährungsvorschriften nicht eröffnet.

aa) Zu den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gehört auch die teleologische Reduktion. Sie ist dann vorzunehmen, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der vom Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil Sinn und Zweck der Norm, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31. Oktober 2016 – 1 BvR 871/13 – Rn. 22, juris). Sie ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der von ihm gewählten Gesetzesfassung bedacht hat und ihre wortgetreue Anwendung das gesetzgeberische Ziel deutlich verfehlen würde (vgl. BGH, Urteil vom 05. Juli 2007 – IX ZR 185/06 – Rn. 31, juris). Demgemäß handelt es sich nicht um eine Auslegung contra legem, durch die einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein geradezu entgegengesetzter, das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlender oder verfälschender Sinn gegeben würde, und daher auch nicht um einen verfassungsrechtlich unhaltbaren Eingriff in die Kompetenz des Gesetzgebers, wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber auch dann keine einschränkende Formulierung gewählt haben würde, wenn er das Problem erkannt hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1973 – 1 BvL 39/69 – Rn. 50, juris). Richterliche Rechtsfortbildung überschreitet aber die verfassungsrechtlichen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 31. Oktober 2016 – 1 BvR 871/13 – Rn. 23, juris).

bb) So läge der Fall hier, wenn die Verjährungsvorschriften für das Ziel der Wiedererlangung im Zusammenhang mit dem Holocaust verfolgungsbedingt entzogener Kunstwerke eingeschränkt würden. Entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung entspräche eine solche Einschränkung gerade nicht dem Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber diesen Vorschriften gegeben hat. Insbesondere die Ausführungen der Berufung, dass von der Unverjährbarkeit nur Fremdbesitzer betroffen sein würden, „die auf den Ablauf gesetzlicher Fristen zur Legitimierung ihres unlauteren Erwerbs hoffen“, waren bereits Gegenstand der Überlegungen des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, ohne dass aber der Gesetzgeber diese zum Anlass genommen hätte, die Verjährung einzuschränken. So heißt es in Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – 6. Ausschuss – vom 9. Oktober 2001 (BT-Drs. 14/7052, S. 179):

Zu § 194 (Gegenstand der Verjährung)

Der Ausschuss ist der Frage nachgegangen, ob Herausgabeansprüche (auch) bei beweglichen Sachen unverjährbar sein sollen, wie dies im Schrifttum teilweise geordert wird (z. B. Siehr, ZRP 2001, 346). Er hat sich mit der Bundesregierung dagegen entschieden. Die auch im bisherigen Recht schon neben der Ersitzung bestehende Verjährung des Herausgabeanspruchs erscheint im Interesse des Rechtsverkehrs und des Rechtsfriedens notwendig. Nach einer bestimmten Zeit soll die Ungewissheit über das Bestehen und die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs beendet sein. Wegen des hohen Stellenwerts des Eigentums ist im Entwurf für den Herausgabeanspruch aus Eigentum die außerordentlich lange Verjährungsfrist von 30 Jahren gewählt worden. Gegen diese Entscheidung lässt sich auch nicht mit Siehr (ZRP 2001, 346) einwenden, es bestehe kein Bedürfnis für eine Verjährung des Herausgabeanspruchs. Siehr meint, die Verjährung schütze nur den Dieb und andere bösgläubige Besitzer, während die Gutgläubigen bereits durch Ersitzung (§ 937 BGB) oder Ersteigerung (§ 935 Abs. 2 BGB) Eigentum erworben hätten. Tatsächlich schützt die Verjährung des Herausgabeanspruchs auch den gutgläubigen Erwerber. Dieser erwirbt zwar rein rechtlich gesehen wirksam das Eigentum durch Ersitzung oder durch Ersteigerung. Dies enthebt ihn aber nicht der Sorge, dass ihm böser Glaube entgegengehalten wird. Erst nach Ablauf der Verjährung kann auch der gutgläubige Erwerber sicher sein, dass ihm niemand mehr seine Rechte streitig macht. Dies gilt auch und gerade bei Kunstwerken. Gerade bei wertvollen Kunstwerken ist auch der gutgläubige Erwerber der Gefahr ausgesetzt, dass ihm böser Glaube vorgehalten und sein (wirksamer) Erwerb streitig gemacht wird.

Auch nachfolgende Initiativen für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Verjährungsvorschriften in den Fällen von NS-Kunstraub hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister bat mit Beschluss vom 10./.12. Juni 2002 die Bundesministerin für Justiz, im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform die Frage der Unverjährbarkeit dinglicher Herausgabeansprüche zu prüfen. Als Ergebnis der Prüfung hat das Bundesministerium der Justiz im Rahmen des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts mit Schreiben vom 8. März 2004 mitgeteilt, es sei auch nach nochmaliger Prüfung nicht veranlasst, dingliche Herausgabeansprüche unverjährbar zu stellen. Die immerhin dreißigjährige Verjährung sei auch hier durch die mit der Verjährung verfolgten Zwecke gerechtfertigt. Gutgläubige Erwerber müssten vor einer Inanspruchnahme in schwieriger Beweislage geschützt werden (vgl. hierzu Gesetzesantrag des Freistaates Bayern vom 7. Januar 2014 zu einem „Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss der Verjährung von Herausgabeansprüchen bei abhanden gekommenen Sachen, insbesondere bei in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut (Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz – KRG)“, BR-Drs. 2/14, S. 6).

Eine solche weitere Initiative stellte der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern vom 7. Januar 2014 zu einem „Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss der Verjährung von Herausgabeansprüchen bei abhanden gekommenen Sachen, insbesondere bei in der NS-Zeit entzogenem Kulturgut (Kulturgut-Rückgewähr-Gesetz – KRG)“ dar (BR-Drs. 2/14). Mit dem Antrag soll die als „schwer erträglich“ empfundene Rechtslage korrigiert werden, weil durch die Einrede der Verjährung durch den NS-Staat geschaffenes Unrecht auf Dauer perpetuiert werde. Es bestehe die Gefahr, dass die bisherige Verjährungsregelung einen Anreiz für unredliche Besitzer schaffe, Sachen 30 Jahre lang vor dem Eigentümer zu verbergen, was sich insbesondere in den Fällen zur NS-Zeit entzogener, nach langer Zeit unbekannten Verbleibs wieder aufgetauchter Kulturgüter erweise.

Vor diesem Hintergrund, dass der Gesetzgeber trotz dieser Anstöße nicht tätig geworden ist, würde eine Einschränkung der Verjährungsregelungen die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten. Wirkungen einer bereits eingetretenen Verjährung würden rückwirkend wieder beseitigt, und die vom Gesetzgeber mit den Verjährungsvorschriften erstrebten Zwecke einer Befriedung und des Schutzes gutgläubiger Erwerber würden übergangen.

d) Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Die Erhebung der Einrede verstößt nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insoweit kann auch auf die zutreffende Begründung des Landgerichts Bezug genommen werden.

aa) Aus dem von der Berufung angeführten Rechtsgedanken des § 162 BGB, wonach niemand aus seinem treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen dürfe, folgt im vorliegenden Fall nichts anderes. Bloßes Nichtstun reicht nicht, um gegenüber der Einrede der Verjährung den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu rechtfertigen. Der Zweck der Verjährungsregelung gebietet es, hierbei strenge Maßstäbe anzulegen und diesen Einwand nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen, etwa wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein. Dabei kann aber ein bloßes Schweigen des Verpflichteten das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung nicht rechtfertigen (BGH, Urteil vom 01. Oktober 1987 – IX ZR 202/86 – Rn. 16, juris).

In diesem Sinne genügt es auch nicht, wenn der Besitzer die Verjährung dadurch herbeiführt, dass er die Sache bewusst und zielgerichtet verbirgt, sofern sich das Verhalten auf bloße Passivität beschränkt und gerade nicht auf die Vorstellung des Berechtigten eingewirkt wird, die Einrede der Verjährung werde nicht erhoben. Guter Glaube des Schuldners wird für die Verjährung ebenfalls nicht vorausgesetzt (Münchener Kommentar/Grothe, 7. Aufl. 2015, Vor § 194, Rn. 15, beck-online). Auch der Gesetzesantrag des Freistaates Bayern fasst die Rechtslage dahin zusammen, dass die bloße Bösgläubigkeit und ein passives Verhalten nicht ohne Weiteres zur Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung führen (a.a.O.).

Die von der Berufung angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 10. April 1990 – VI ZR 174/89 und vom 09. Juli 1996 – VI ZR 5/95) betreffen den umgekehrten Fall. Dort ging es um die Frage, wann die für den Beginn der Verjährung erforderliche positive Kenntnis des Geschädigten vorliegt. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass entsprechend dem Rechtsgedanken des § 162 BGB dem Geschädigten nicht die Möglichkeit gegeben sein soll, die Verjährungsfrist missbräuchlich dadurch zu verlängern, dass er die Augen vor einer sich aufdrängenden Kenntnis verschließt (a.a.O. Rn. 13 bzw. 16, juris).

Entgegen der von der Berufung vertretenen Ansicht ist auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2012 (Az.: V ZR 279/10) nicht einschlägig. Dort ging es um die umgekehrte Konstellation und die Frage, ob die beklagte Besitzerin gegenüber dem Herausgabeanspruch den Einwand der Verwirkung geltend machen kann.

bb) Im Übrigen bietet der vorliegende Sachverhalt schon keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann der Beklagten bewusst und zielgerichtet das Gemälde bis zum Ablauf der Verjährungsfrist verborgen haben könnte. Richtig ist, dass er erstmals im Jahr 1989 gegenüber dem Sohn Max Pechstein des Künstlers mit einem Telefonat und anschließendem Briefwechsel seinen Besitz und damit den Verbleib des Gemäldes offenbarte. Die Beklagte hat dies damit begründet, dass dies vor dem Hintergrund der vom Sohn des Künstlers geplanten Herausgabe eines Werkverzeichnisses geschah, um das Werk für die Herausgabe des Werkverzeichnisses anzumelden. Wie sich aus dem Briefwechsel ergibt, war tatsächlich ein „Werkverzeichnis der Ölgemälde“ in Vorbereitung. Zu diesem Zeitpunkt wäre zwar ein Herausgabeanspruch nach § 985 BGB verjährt gewesen, nicht aber ein Herausgabeanspruch nach § 1007 BGB.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

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