OLG Frankfurt am Main, 18.01.2018 – 8 W 28/17

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 18.01.2018 – 8 W 28/17
Leitsatz:

Selbst wenn ein Verhalten oder eine Äußerung eines Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hat, kann dieser durch eine entsprechende Erläuterung, Klarstellung oder Entschuldigung ein ursprünglich berechtigtes Misstrauen ausräumen.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 23. Mai 2017 in Verbindung mit dem Beschluss vom 22. Juni 2017 über die Nichtabhilfe wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf € 12.020,40 festgesetzt.
Gründe

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung der zukünftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzpflicht der Beklagten. Er behauptet hierzu eine fehlerhafte ärztliche Behandlung durch den Beklagten zu 1 am … April 2012.

Mit Beweisbeschluss vom 28. Mai 2015 (Bl. 146 ff. d. A.) ordnete das Landgericht an, dass über einzelne Behauptungen des Klägers und der Beklagten durch „Einholung eines Sachverständigengutachtens“ Beweis erhoben werden soll. Mit Beschluss vom 30. Juni 2015 (Bl. 155 f. d. A.) wurden Herr A und Herr B als Sachverständige bestellt.

Unter dem 4. November 2015 legte der Sachverständige A sein schriftliches Gutachten vor, das beim Landgericht am 5. Februar 2016 einging. Wegen des Inhalts wird auf das Sachverständigengutachten (Bl. 181 ff. d. A.) Bezug genommen.

Sodann legte unter dem 1. August 2016 der Sachverständige B sein schriftliches Gutachten vor, das beim Landgericht am 5. August 2016 einging. Wegen des Inhalts wird auf das Sachverständigengutachten (Bl. 213 ff. d. A.) verwiesen.

Innerhalb der den Parteien durch die Einzelrichterin mit Verfügung vom 9. August 2016 (Bl. 239 RS d. A.) gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO gesetzten und sodann für die Beklagten zuletzt bis zum 7. Dezember 2016 verlängerten Frist lehnten die Beklagten sodann den Sachverständigen B mit Anwaltsschriftsatz vom 7. Dezember 2016 (Bl. 266 ff. d. A.) „wegen Besorgnis der Befangenheit“ ab.

Zur Begründung führten die Beklagten u. a. aus, der Sachverständige habe sich auf die Seite der Klägerin geschlagen, indem er trotz des von ihm als streitig erkannten Sachverhalts seine Bewertung darauf gestützt habe, dass „die von der Probandin geschilderte Beschwerdesymptomatik im Sinne einer initial hochgradigen Einschränkung des Gesichtsfeldes nach rechts unmittelbar nach dem Mobilisationsmanöver an der Halswirbelsäule durch [den Beklagten zu 1] aufgetreten ist“ (S. 20 des Gutachtens, Bl. 232 d. A.).

Während hierbei noch am ehesten nur zu vermuten sei, dass der Sachverständige eine Manipulation des Beklagten zu 1 an der Halswirbelsäule unterstelle, stelle er dies an anderer Stelle ausdrücklich fest: „[…] warum bei den von der Probandin geschilderten Beschwerden im Anschluss an die Manipulation der Halswirbelsäule[…]“ (S. 21 des Gutachtens, Bl. 233 d. A.).

Dass der Sachverständige von einer manuellen Therapie ausgehe, zeige auch seine Forderung, dass „vor Beginn einer manuellen Therapie eine klinisch neurologische und bildgebende Diagnostik (hätte) erfolgen müssen“ (S. 22 des Gutachtens).

Der Sachverständige gehe aber auch noch weiter, indem er feststelle, dass „die Probandin dies klar verständlich und sofort mitgeteilt hat“ (S. 20 des Gutachtens).

Zwar habe die Klägerin sowohl im Verfahren als auch wohl im Untersuchungsgespräch mit dem Sachverständigen solche Behauptungen aufgestellt, die Beklagten hätten diese aber jeweils bestritten. Trotzdem unterstelle der Sachverständige allein aufgrund der Angaben der Klägerin, dass (1) der Beklagte zu 1 eine Manipulation an der Halswirbelsäule vorgenommen habe, dass (2) sich bei der Klägerin unmittelbar eine neurologische Symptomatik eingestellt und dass (3) der Beklagte zu 1 auf entsprechende Angaben der Klägerin nicht reagiert habe.

Damit entscheide der Sachverständige nicht nur über den der Bewertung zugrundezulegenden Sachverhalt, sondern nehme auch noch eine Qualifikation der angeblichen Äußerungen der Klägerin als „sofort, klar und verständlich“ vor.

Diese Unterstellung der Behauptungen der Klägerin durch den Sachverständigen sei auch keineswegs unmaßgeblich für die Bewertung des Sachverständigen, da dieser genau hierauf einen Behandlungsfehlervorwurf stütze. Denn nach dem vom Sachverständigen behaupteten Sachverhalt „hätte hier zum einen eine ergänzende neurologisch orientierende Untersuchung erfolgen müssen und selbst bei beginnender Rückbildung schon innerhalb der Praxisräume wäre ein sofortiges notfallmäßiges Vorstellen in einer Schlaganfallspezialstation sprich Stroke Unit unabdingbar zu fordern gewesen“ (S. 21 des Gutachtens).

Dass die Angaben der Klägerin zur Behandlungssituation bei lebensnaher Betrachtung völlig unplausibel seien, erwäge der Sachverständige nicht im Ansatz.

Wegen der näheren Einzelheiten des Befangenheitsgesuchs wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 7. Dezember 2016 (Bl. 266 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 (Bl. 279 ff. d. A.) äußerte sich der Sachverständige zu dem Ablehnungsgesuch u. a. dahin, dass nach seiner Erinnerung bei der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Hanau vom 19. März 2015 die Angaben der Probandin von ihrem Ehemann, der bei der Untersuchung am … April 2012 mit im Untersuchungszimmer des Beklagten zu 1 gewesen sei, bestätigt worden seien. Dabei sei auch angesprochen worden, dass der Beklagte zu 1 eine manuelle Maßnahme am Hals respektive der Halswirbelsäule der Probandin vorgenommen habe.

Aufgrund der in den Akten dokumentierten Abläufe nach den Aussagen im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Hanau, der Karteiauszüge des Beklagten zu 1 und den Angaben der Probandin im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung am 25. Mai 2016 sei er – der Sachverständige – in Bezug auf die vom Landgericht gestellten Fragen davon ausgegangen, dass eine entsprechende Konsultation und eine manuelle Maßnahme am … April 2012 in den Behandlungsräumen des Beklagten zu 1 stattgefunden hätten.

Wenn nun diese Abläufe nicht stattgefunden haben sollten, was ihm – dem Sachverständigen – unabhängig von den Angaben der Klägerin aus den Akten nicht erkenntlich gewesen sei, dann würde dies für die von dem Landgericht gestellten Fragen im Gutachtenauftrag bedeuten, dass die Angaben der Klägerin, die Angaben im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Hanau und die Angaben in der Kartei des Beklagten zu 1 nicht wahr seien. Dies sei für ihn – den Sachverständigen – zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung nicht erkennbar gewesen; es könne von ihm auch nicht beurteilt werden, inwieweit die in der Aktenlage vorhandenen Dokumentationen wahrheitsgemäß seien.

Im Falle jeweils nicht den Tatsachen entsprechender Aussagen und Dokumentationen in den Akten müsste – so der Sachverständige weiter – zu den von dem Landgericht gestellten Fragen zum Teil wie folgt ergänzt werden: „Wenn die dem Gutachter vorliegenden Angaben in der Aktenlage den tatsächlichen Abläufen entsprechen und mit den Angaben der Probandin im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 25. Mai 2016 übereinstimmen, dann wäre davon auszugehen, dass […]“

Der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dem Ablehnungsgesuch dargestellte Ablauf sei anhand der zur Verfügung gestellten Akten und den vom Landgericht gestellten Fragen nicht erkennbar gewesen, so dass von Seiten des Sachverständigen aus keine Veranlassung bestanden habe, die von der Klägerin geschilderten und mit der Aktenlage übereinstimmenden Abläufe in Frage zu stellen.

Unter Würdigung der in der Aktenlage dokumentierten und im Rahmen der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Hanau erörterten Abläufe sowie den Schilderungen der Klägerin seien die Abläufe von neurologischer Seite aus medizinisch plausibel.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Januar 2017 (Bl. 299 f. d. A.) stellten die Beklagten einen weiteren Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen B, da dieser in seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2016 bestätigt habe, sich letztlich auf einen einseitig von der Patientin vorgetragenen Sachverhalt gestützt zu haben. Dass dieser möglicherweise unzutreffend sein könnte, sei dem Sachverständigen nicht in den Sinn gekommen, obwohl die Beklagten einen gänzlich anderen Hergang behauptet hätten.

Damit habe der Sachverständige sich – bewusst oder unbewusst – auf die Seite der Patientin geschlagen. Die Behauptung, dass sich eine abweichende Sachverhaltsschilderung aus den ihm überlassenen Unterlagen nicht ergeben habe, treffe dabei erkennbar nicht zu, da dem Sachverständigen offensichtlich nicht lediglich die Behandlungsdokumentation, sondern die gesamte Gerichtsakte übersandt worden sei, aus der sich die abweichende Schilderung der Beklagten eindeutig ergeben habe. Auch ungeachtet dessen spiegele sich die Sachverhaltsschilderung der Klägerin nicht einmal in der Behandlungsdokumentation wider. Dann könne es aber nicht angehen, dass der Sachverständige die Behauptungen der Klägerin insgesamt für plausibel gehalten habe, zumal wenn dies die Behauptung beinhaltet habe, dass die Klägerin noch in der Praxis der Beklagten über Probleme beim Sehen berichtet und der Beklagte zu 1 dies als unerheblich abgetan haben solle.

Der Sachverständige müsse die Bewertung des Behandlungsgeschehens auf die Behandlungsdokumentation stützen. Wenn er meine, darüber hinausgehen und Parteiangaben berücksichtigen zu dürfen, müsse er aber zumindest die Hergangsschilderung beider Seiten berücksichtigen (freilich ohne eine Beweiswürdigung vornehmen zu dürfen). Sei ihm dies – aus welchem Grund auch immer – nicht möglich, müsse er kenntlich machen, dass er seine Bewertung auf eine einseitige Sachverhaltsschilderung stütze, ohne die andere Partei hierzu gehört oder deren Vortrag zur Kenntnis genommen zu haben. Jedenfalls der unterbliebene Hinweis, einzig die Schilderung der Klägerin der Bewertung zugrunde gelegt zu haben, lasse eine Parteilichkeit besorgen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Befangenheitsgesuchs wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 23. Januar 2017 (Bl. 299 f. d. A.) Bezug genommen.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 23. Mai 2017 wies das Landgericht die Ablehnungsgesuche zurück (Bl. 314 ff. d. A.). Ein Grund zur Besorgnis der Befangenheit liege nicht vor.

Gegen diesen ihren Prozessbevollmächtigten am 1. Juni 2017 (Bl. 323 d. A.) zugestellten Beschluss des Landgerichts haben die Beklagten mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Juni 2017 (Bl. 326 ff. d. A.) – beim Landgericht per Fax noch am selben Tage eingegangen – sofortige Beschwerde erhoben. Die Beklagten haben zur Begründung u. a. ausgeführt, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei hier sehr wohl die Besorgnis der Befangenheit gegeben. Entgegen der Ansicht des Landgerichts komme es nicht darauf an, dass der Sachverständige die möglichen Alternativen nicht mit der Genauigkeit eines Juristen unterschieden habe. Es gehe vielmehr darum, dass der Sachverständige entgegen seinem Gutachtenauftrag überhaupt keine Sachverhaltsalternative berücksichtigt, sondern einzig die ersichtlich streitigen Behauptungen der Klägerin seiner Sachverhaltsbewertung zugrunde gelegt habe. Wenn keine Unterscheidung vorgenommen werde, könne sich denklogisch auch nicht die Frage nach der Genauigkeit einer solchen Unterscheidung stellen. Zudem überzeuge der Ansatz des Landgerichts nicht, dass offenbar nur Juristen, nicht aber Mediziner zu einer genauen Unterscheidung von Sachverhaltsalternativen in der Lage sein sollen.

Es überzeuge auch nicht, dass der Sachverständige durch die Formulierung des Beweisbeschlusses zur Würdigung der vorangegangenen Beweisaufnahme verleitet worden sei. Selbst wenn man dies aber unterstellen wolle, ändere dies nichts daran, dass der Sachverständige eine entsprechende Beweiswürdigung vorgenommen und sich hierbei auf die Seite der Klägerin geschlagen habe.

Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 16. Juni 2017 (Bl. 326 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 22. Juni 2017 (Bl. 328 f. d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zwar nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 406 Abs. 5 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Notfrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, weil das Landgericht das Ablehnungsgesuch der Beklagten im Ergebnis zu Recht abschlägig beschieden hat. Denn das zulässige (1) Ablehnungsgesuch ist unbegründet (2).

1. Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO haben die Beklagten hier gewahrt. Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Landgericht am 7. Dezember 2016 und damit vor Ablauf der zuletzt bis zum 7. Dezember 2016 verlängerten Frist eingegangen, welche das Landgericht zur Stellungnahme zu dem Gutachten des Sachverständigen B vom 1. August 2016 gesetzt hatte. Dies war rechtzeitig. Die Frist zur Ablehnung eines Sachverständigen läuft nämlich grundsätzlich gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab, falls sich der Ablehnungsgrund erst aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens ergeben soll und die Partei sich deshalb zunächst mit dem Inhalt dieses Gutachtens auseinandersetzen musste (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005, 1869, 1870; Senat, Beschluss vom 17.11.2016 – 8 W 68/16, juris).

Auch in Bezug auf das weitere Ablehnungsgesuch aus dem Anwaltsschriftsatz vom 23. Januar 2017 (Bl. 299 f. d. A.) ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO hier gewahrt.

2. Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 2 ZPO). Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 09.06.2016 – 8 W 33/16, juris; Beschluss vom 17.11.2016 – 8 W 68/16, juris; BGH, Beschluss vom 11.04.2013 – VII ZB 32/12, NJW-RR 2013, 851).

Es kann im Streitfall offen bleiben, ob sich nach diesen Maßstäben aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen B Anhaltspunkte für die Annahme ergeben haben, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl. in diesem Zusammenhang OLG München, Beschluss vom 27.02.2006 – 1 W 907/06, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.09.2012 – 13 W 93/12, juris; Mettler, IBR 2012, 678).

Denn selbst wann man davon ausginge, dass die von den Beklagten beanstandeten Formulierungen in dem Gutachten die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hätten begründen können, hat der Sachverständige diesen (etwaigen) Eindruck der Besorgnis der Befangenheit durch die Ausführungen in seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2016 (Bl. 279 ff. d. A.) jedenfalls wieder ausgeräumt.

Wenn nämlich ein Verhalten oder eine Äußerung eines Sachverständigen zunächst die Besorgnis der Befangenheit begründet hat, kann dieser durch eine entsprechende Erläuterung, Klarstellung oder Entschuldigung ein ursprünglich berechtigtes Misstrauen ausräumen (vgl. Senat, Beschluss vom 11.04.2016 – …/15, Entscheidungsumdruck, S. 9; Beschluss vom 17.11.2016 – 8 W 68/16, juris; LG Marburg, Beschluss vom 20.05.2014 – 5 O 66/11, juris; Greger, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 406, Rdnr. 12; Dick, IBR 2015, 1029; in Bezug auf die Parallelbestimmung des § 74 StPO so auch BGH, Beschluss vom 12.09.2007 – 1 StR 407/07, NStZ 2008, 229, 230; Krause, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Band 2, 26. Aufl. 2008, § 74, Rdnr. 11).

Es gilt insoweit nichts anderes als hinsichtlich der dienstlichen Erklärung eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richters (vgl. den Wortlaut des § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO: „Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden“), bei dem ein Eingeständnis eigenen Fehlverhaltens, eine Klarstellung oder gar eine Entschuldigung spätestens in seiner dienstlichen Stellungnahme ebenfalls grundsätzlich geeignet ist, eine zuvor gegebene Besorgnis der Befangenheit auszuräumen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 13.10.2005 – 5 StR 278/05, NStZ 2006, 49; Beschluss vom 26.10.2011 – 5 StR 292/11, NStZ 2012, 168; Beschluss vom 18.08.2011 – 5 StR 286/11, juris; BGH, Beschluss vom 11.05.2016 – 4 StR 428/15, juris; Cirener, in: Graf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar StPO, Stand: 24.08.2017, § 26, Rdnr. 9; Scheuten, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, § 26, Rdnr. 7). Eine vernünftig abwägende Partei kann hier der Klarstellung des Sachverständigen aus seinem Schreiben vom 28. Dezember 2016 entnehmen, dass dieser – sofern erforderlich – zur Korrektur seiner der Begutachtung zugrundeliegenden Annahmen bereit und fähig ist.

Der Sachverständige hat darin erläutert, warum er davon ausgegangen ist, dass „eine entsprechende Konsultation und eine manuelle Maßnahme am … April 2012“ in den Behandlungsräumen des Beklagten zu 1 stattgefunden hätten. Diese Erläuterungen mögen die Beklagten nicht überzeugen, sie geben jedoch bei vernünftiger Betrachtung keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln, zumal da dieser insoweit nicht nur die Ausführungen der Klägerin und ihres Ehemannes, sondern auch die Dokumentation des Beklagten zu 1 in seine Überlegungen einbezogen hat.

In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es das Landgericht angesichts des streitigen Sachverhalts hier versäumt hat, gemäß § 404a Abs. 3 ZPO zu bestimmen, „welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll“. Das Landgericht hat vielmehr Beweisfragen zu der entsprechenden Behauptung der Klägerin („Manipulation an der Halswirbelsäule“) als auch zu den Behauptungen der Beklagten („Mobilisierung der Halswirbelsäule, also das sanfte Drehen des Kopfes von rechts und links“) formuliert und den Sachverständigen lediglich aufgefordert, „an dieser Stelle bei seiner Einschätzung auch die Behauptung der Klägerin zugrunde [zu] legen, dass ein ruckhaftes Drehen des Kopfes von rechts nach links erfolgte und ein Knacksen wahrzunehmen sei“. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass den Ausführungen des Sachverständigen bisweilen Unsicherheiten über den zugrunde zu liegenden Sachverhalt zu entnehmen sind (s. etwa S. 5 des Gutachtens, Bl. 217 d. A.: „Durch die Manipulation (ruckartig nach Aussage der Probandin; Mobilisation nicht ruckartig nach Aussage [des Beklagten zu 1])“).

Der Sachverständige hat in seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2016 zugleich klargestellt, dass seine Ausführungen zu den von dem Landgericht gestellten Fragen im „Falle jeweils nicht den Tatsachen […] entsprechenden Aussagen und Dokumentationen“ wie folgt ergänzt werden müssen: „Wenn die dem Gutachter vorliegenden Angaben in der Aktenlage den tatsächlichen Abläufen entsprechen und mit den Angaben der Probandin im Rahmen der ambulanten Untersuchung am 25. Mai 2016 übereinstimmen, dann wäre davon auszugehen, dass […]“. Damit hat der Sachverständige der Sache nach deutlich zu erkennen gegeben, dass er gewillt ist, denjenigen Lebenssachverhalt seiner Beurteilung zugrunde zu legen, den ihm das Landgericht als Beurteilungsgrundlage vorgibt.

Vor diesem Hintergrund kann auch keine Rede davon sein, dass die Stellungnahme des Sachverständigen vom 28. Dezember 2016 Anlass gibt, an dessen Unvoreingenommenheit zu zweifeln.

Die Fortsetzung der Beweisaufnahme wird dem Landgericht Gelegenheit geben, dem Sachverständigen gemäß § 404a Abs. 3 ZPO unmissverständlich vorzugeben, von welchem tatsächlichen Ablauf der Behandlung und von welchem Inhalt der diesbezüglichen Kommunikation der Beteiligten dieser fortan ausgehen soll.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (vgl. zur Notwendigkeit einer Kostenentscheidung im Falle einer erfolglosen Beschwerde gegen eine ein Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung etwa BGH, Beschluss vom 06.04.2005 – V ZB 25/04, NJW 2005, 2233).

5. Den Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst der Senat gemäß § 3 ZPO mit einem Drittel des Hauptsachewertes (vgl. Senat, Beschluss vom 20.04.2015 – …/15, Entscheidungsumdruck, S. 6; Beschluss vom 01.10.2015 – 8 W 33/15, Entscheidungsumdruck, S. 8 f.; Beschluss vom 17.11.2016 – 8 W 68/16, juris; Beschluss vom 12.10.2017 – 8 W 19/17, juris; ebenso BGH, Beschluss vom 15.12.2003 – II ZB 32/03, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.10.2014 – 15 W 53/14, IBRRS 2015, 0003; Berger, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 5, 23. Aufl. 2015, § 406, Rdnr. 78). Hierbei ist von einem Hauptsachewert in Höhe von € 36.061,19 auszugehen (Wert des Antrags zu 1: € 17.500,00; Wert des Antrags zu 2: € 1.960,99; Antrag zu 3: € 12.620,00; Antrag zu 4: € 980,20; Antrag zu 5: € 3.000,00).

Es bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die hierfür in § 574 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht gegeben sind.

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