OLG Frankfurt am Main, 15.01.2018 – 8 U 121/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 15.01.2018 – 8 U 121/16
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 12.05.2016 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung haben die Kläger zu 1) und 2) zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention hat die Streithelferin zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die 2. Instanz wird auf EUR 350.000,- festgesetzt.
Gründe

I.

Die Kläger machen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus Verletzung von Pflichten eines zwischen den Parteien ehemals bestehenden Steuerberatungsvertrages geltend.

Die Kläger hatten bis 2003 ihren Wohnsitz in Deutschland.

Der Kläger zu 2) gründete 1995 die X GmbH & Co. KG mit Sitz in Österreich, deren alleiniger Kommanditist er war. Die X GmbH & Co. KG führte auf von ihre erzielte Kapitalerträge in Österreich Kapitalertragssteuer ab, für die Jahre 1995 bis 1999 insgesamt EUR 218.409,- und für die Jahre 2000 bis 2003 insgesamt EUR 196.276,-. Diese Kapitalerträge wurden in Deutschland bei der Einkommenssteuererklärung zunächst nicht berücksichtigt.

Eine Betriebsprüfung der deutschen Finanzbehörden kam zu dem Ergebnis, dass die Kapitalerträge der X GmbH & Co. KG als Einkünfte des Klägers in Deutschland zu versteuern seien. Das Finanzamt Stadt1 erließ daraufhin am 25. Juli 2005 hinsichtlich der Kläger entsprechende Änderungsbescheide für die Jahre 1995 bis 2003. Daraus ergab sich einschließlich Verspätungszuschlägen, Zinsen, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer eine Nachzahlungspflicht von nahezu EUR 785.000,- an Kapitalertragssteuer beziehungsweise Einkommenssteuer.

Der Kläger zu 2) beantragte für die X GmbH & Co. KG in Österreich die Rückerstattung der in den Jahre 1995 bis 2004 einbehaltenen Kapitalertragssteuer, zugleich legte er auch über seinen deutschen Steuerberater A Einspruch gegen die deutschen Steuerbescheide ein. A informierte den Kläger zu 2) in diesem Zusammenhang über die Möglichkeit, zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ein Verständigungsverfahren nach dem deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern und Einkommen und vom Vermögen; ursprünglich 1995, neu 2000) zu beantragen. Noch 2005 wechselte der Kläger zu 2) seinen deutschen Steuerberater und ließ sich durch die B GmbH, dort den Zeugen Z1, vertreten. Auch mit diesem führte er ein Gespräch über die Möglichkeit eines Verständigungsverfahrens. Zur Durchführung eines solchen Verfahrens kam es zunächst nicht, wobei die Parteien über die Gründe dafür streiten.

Der Zeuge Z1 wechselte sodann zu der Beklagten, die Kläger folgten ihm als Mandanten.

Im Juni und Juli 2009 wies das Finanzamt die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2003 „zumindest teilweise“ zurück. Die Kläger ließen daraufhin durch die Beklagte Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg (Az.: …) erheben. Das Finanzgericht beraumte einen Termin an, der auf einen angeblich nicht begründeten Antrag des Zeugen Z1auf den 26. Juli 2011 verlegt wurde.

Der Kläger entschloss sich nunmehr, ein Verständigungsverfahren zu beantragen. Dies geschah mit Schreiben der Beklagten vom 07. Juni 2011.

Da der Zeuge Z1 erkrankt war, bemühte sich die Beklagte um eine neuerliche Terminsverlegung, die das Finanzgericht aber ablehnte. Die Beklagte übertrug daraufhin die Vertretung der Kläger auf den Rechtsanwalt und Steuerberater RA1, der sich aber in den Fall kurzfristig nicht mehr einarbeiten konnte. Im Termin wies das Finanzgericht darauf hin, dass die Erfolgschancen der Klage sehr gering seien und legte den Klägern die Rücknahme der Klage nahe. Sie sollten sich hierzu bis Ende August 2011 äußern.

Das Finanzgericht hatte neuen Termin für den 16. Mai 2012 anberaumt, diesen aber von Amts wegen verlegt. Der sollte dann am 09. Juli 2014 stattfinden. Der Zeuge Z1 sowie der Rechtsanwalt und Steuerberater RA1 waren zwischenzeitlich bei der Beklagten ausgeschieden. Die Vertretung der Kläger übernahmen die Mitarbeiter der Beklagten C und D. Der Kläger zu 2) verlangte von diesen eine erneute Terminsverlegung, die das Finanzgericht jedoch ablehnte. Daraufhin kündigte der Kläger zu 2) mit Schreiben vom 04. Juli 2014 das Mandat mit der Beklagten.

In dem Termin am 09. Juli 2014 war das Verhandlungsklima „vergiftet“, weil die neuen Vertreter der Kläger auf Hinweise des Gerichts nicht reagieren konnten. Das Finanzgericht vertagte den Termin nochmals auf den 22. Mai 2015.

Gegen die Steuerveranlagung in Österreich setzte sich der Kläger, vertreten durch die Y Z Steuerberater GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Streithelferin ist, sowohl behördlich als auch gerichtlich mit der Begründung zur Wehr, dass die X GmbH & Co. KG in den Jahren 1995 bis 2003 keine gewerblichen, sondern ausschließlich vermögensverwaltende Tätigkeiten ausgeübt habe, was zur Folge gehabt hätte, dass die Kapitalerträge nicht eigenständig in Österreich zu versteuern gewesen wären. Das österreichische Bundesfinanzgericht wies den Antrag auf Rückerstattung der in Österreich von 1995 bis 1999 einbehaltener Kapitalertragssteuer mit Entscheidung vom 13. November 2014 als rechtskräftig verspätet zurück (Anlage K 16, Bl. 79 ff. d. A.).

Im Termin vor dem Finanzgericht am 22. Mai 2015 kam es zu einer gütlichen Einigung, wonach Aufwendungen für Depot- und Verwaltungskosten und für steuerliche Beratung in geänderten Einkommenssteuerbescheiden für 1995 bis 2003 berücksichtigt werden sollten. Der Rechtsstreit wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll des Finanzgerichts vom 22. Mai 2015 verwiesen (Anlage K 15, Bl. 74 ff. d. A.). Das Finanzamt erließ am 02. Juli 2015 entsprechende neue Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 2003.

Ein von den Klägern Ende 2014 gegen die Beklagte eingeleitetes Güteverfahren blieb ohne Erfolg.

Die Kläger haben behauptet, sie hätten die Beklagte Anfang 2008 mit ihrer Vertretung beauftragt. Weder Herr A noch der Zeuge Z1 hätten die Einleitung eines Verständigungsverfahrens empfohlen oder über die Frist dafür belehrt. Der Kläger zu 2) habe die Vorstellung gehabt, dass ein Verständigungsverfahren erst notwendig sei, wenn eine Doppelbesteuerung endgültig feststehe, über Bestandskraft oder Rechtskraft habe er sich keine Gedanken gemacht. Erst unmittelbar vor der Antragstellung habe der Zeuge Z1 die Einleitung empfohlen. Das Verfahren über die Erstattung der Kapitalertragssteuer in Österreich für die Jahre 2000 bis 2003 sei noch anhängig. Voraussichtlich werde Kapitalertragssteuer erstattet werden, wenn sie die Zahlung gemäß den deutschen Steuerbescheiden vom 02. Juli 2015 nachgewiesen hätten.

Die Kläger meinen, die Beklagte habe ihnen zu einem früheren Zeitpunkt die Einleitung eines Verständigungsverfahrens empfehlen müssen. In diesem Fall hätten sich Deutschland und Österreich darauf verständigt, dass das Besteuerungsrecht in Deutschland liege.

Die Kläger meinen weiter, die Beklagte habe das Verfahren vor dem Finanzgericht verzögert und seit dem 26. Juli 2011 nicht mehr betrieben. Dadurch sei ihr zumindest ein Zinsschaden entstanden. Es sei im Übrigen sehr wahrscheinlich, dass das Finanzgericht bei unverzögertem Prozessverlauf zugunsten einer Besteuerung Österreichs entschieden hätte.

Die Parteien haben die in dem Urteil des Landgerichts wiedergebenden Anträge gestellt.

Die Beklagte hat behauptet, sie sei erst 2009 von den Klägern beauftragt worden. Bereits A und nochmals der Zeuge Z1 hätten auf die Fristen für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens hingewiesen. Letzterer habe auch darauf hingewiesen, dass dies notwendig zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sei. Der Kläger zu 2) habe ein Verständigungsverfahren aber abgelehnt, da es ihm darum gegangen sei, weder in Deutschland noch in Österreich Steuern für die Kapitalerträge der X GmbH & Co. KG zahlen zu müssen. Erst als er eingesehen habe, dass dies nicht zu erreichen sei, habe er seine Meinung über ein Verständigungsverfahren geändert.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 12. Mai 2016 verwiesen (Bl. 187 ff. d. A.).

Hiergegen wendet sich die Berufung der Kläger, die das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung des Berufungsgerichts stellen. Die Feststellung des Landgerichts, wonach der Verständigungsantrag gemäß Art. 25 DBA BRD/A in Österreich spätestens bis Ende 2004 hätten gestellt werden müssen und danach eine Verständigung beider Staaten hinsichtlich der Handhabe der Besteuerung für die Jahre 1995 bis 1999 nicht mehr möglich gewesen sei, sei fehlerhaft. Vielmehr sei die 3-Jahres-Frist bei Erteilung des Mandats an die Beklagte noch nicht abgelaufen gewesen, da maßgeblicher Startpunkt für die Einleitung des Verfahrens die zuletzt ergangenen Bescheide – hier des deutschen Fiskus im Jahr 2005 – gewesen sein. Das rechtzeitig durchgeführte erfolgreiche Verständigungsverfahren hätte zu einer Aufhebung der zunächst bestandskräftigen erscheinenden Steuerbescheide des österreichischen Fiskusses geführt. Eine Doppelbesteuerung wäre hierdurch vermieden worden. Den Berufspflichten der Beklagten, die den Kläger bereits seit 2008 vertrat, hätte es oblegen, aus dem übernommenen Steuerberatungsvertrag sachgerecht zu beraten und zu vertreten. Es stelle daher eine Pflichtverletzung dar, dass die Beklagte das Verständigungsverfahren nicht zu einem früheren Zeitpunkt eingeleitet habe bzw. den Klägern empfohlen habe, ein solches anzustoßen. ES hätte der Beklagten, hier dem Zeugen Z1, oblegen, entsprechende Fristen zu überwachen. Des Weiteren sei auch die Feststellung des Landgerichts, wonach es hinsichtlich der doppelten Besteuerung für die Jahre 2000 bis 2003 bereits an einem Schaden fehle, weil nach dem Vortrag der Kläger zu erwarten sei, dass die Kapitalertragssteuer für diese Jahre erstattet werde, fehlerhaft. Darüber hinaus sei es auch fehlerhaft, insoweit das Landgericht ausgeführt habe, ein Schaden durch die Verzögerung des Verfahrens vor dem Finanzgericht könne dann nicht eintreten, wenn – wie vor Vorprozess geschehen – die Rechtsangelegenheit durch Vergleich beendet werde. Die Kläger seien vielmehr wegen des vergifteten Verhandlungsklima durch die schuldhafte enorme zeitliche Verzögerung der Beklagten allein aus prozesstaktischen Gründen gezwungen, den sich am 22. Mai 2015 bietenden Vergleich zu schließen, alleine um den Schaden zu minimieren. Ohne die Versäumnisse der Beklagten wäre das Finanzgericht von einer Steuerpflicht der hier gegenständlichen Kapitalerträge in Österreich ausgegangen. Im Übrigen hätte sich das in der mündlichen Verhandlung des Finanzgerichts gefundene Ergebnis bereits vier, mindestens aber drei Jahre früher erreichen lassen, wenn die Beklagten den Prozess nicht durch Nichtbetreiben verzögert hätten. In diesem Fall hätten die Kläger Zinslauf und Versäumniszuschläge aus den Steuerbescheiden des Finanzamts Stadt1 vom 02. Juli 2015 sparen können; denn diese Steuerbescheide wären dann bereits im Jahr 2011, spätestens im Jahr 2012 ergangen.

Die Kläger beantragten,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2016, Az.: 2-23 U 310/15 aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, den Klägern sämtliche Schäden zu ersetzen, die daraus resultieren,

hilfsweise

festzustellen, dass die Beklagte den Klägern alle Schäden zu ersetzen hat, die darauf resultieren,

– dass die Beklagte einen Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahren nach Art. 21 DBA Deutschland/Österreich betreffend die doppelte Besteuerung von Kapitalerträgen der Kläger, bzw. der X GmbH & Co. KG nicht innerhalb der 4-Jahres-Frist, soweit Art. 21 des DBA-AT 1954 Anwendung findet, bzw. nicht innerhalb der 3-Jahres-Frist des Art. 25 Abs. 1 DBA-AT 2000 gestellt hat und

– dass die Beklagte das finanzgerichtliche Verfahren der Kläger vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg, Az.: … nicht betrieben und den Klägerin hierdurch die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung genommen und jedenfalls eine erhöhte Zahllast in Form eines längeren Zinslaufs und in Form von Versäumniszuschlägen verursacht hat.

Die Streithelferin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2016, Az.: 2-23 U 310/15 aufzuheben festzustellen, dass die Beklagte den Klägern alle Schäden zu ersetzen hat, die darauf resultieren,

– dass die Beklagte einen Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahren nach Art. 21 DBA Deutschland/Österreich betreffend die doppelte Besteuerung von Kapitalerträgen der Kläger, bzw. der X GmbH & Co. KG nicht innerhalb der 4-Jahres-Frist, soweit Art. 21 des DBA-AT 1954 Anwendung findet, bzw. nicht innerhalb der 3-Jahres-Frist des Art. 25 Abs. 1 DBA-AT 2000 gestellt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Standpunkte. Den Klägern sei es in beiden Besteuerungsverfahren zuvörderst darum gegangen, weder in Deutschland noch in Österreich Steuern für die Kapitalerträge der X GmbH & Co. KG zahlen zu müssen. Daher hätten die Kläger auch im Rahmen der jeweiligen Steuerfestsetzungsverfahren gegenläufige Argumentationslinien gefahren. Die Streithelferin habe die Kläger in Anbetracht der anstehenden Steuerfestsetzung in Deutschland bereits am 07. Juli 2005 auf die Notwendigkeit der Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach dem DBA Österreich – Deutschland sowie die hierfür geltenden Fristen hingewiesen. Der Kläger habe demnach bereits im Jahre 2005 Kenntnis sowohl von der Möglichkeit als der eventuellen Notwendigkeit der Einleitung eines Verständigungsverfahrens gehabt. Auch der Zeuge Z1 habe die Kläger nach Übernahme des Mandats auf die Möglichkeit der Durchführung eines Verständigungsverfahrens sowie die hierfür geltenden Fristen hingewiesen. Erst mit der zurückweisenden Entscheidung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 27. Mai 2011 (Anlage B 13, Anlagenband), womit eine alleinige Steuerveranlagung der Kläger in Österreich abgelehnt wurde und durch die bisherigen Maßnahmen der österreichischen und deutschen Steuerbehörden den Klägern eine endgültige Doppelbesteuerung drohte, hätten sich die Kläger letztendlich doch entschlossen, ein Verständigungsverfahren einzuleiten. Dies geschah nach vorheriger Rücksprache mit dem Beklagten seitens der Beklagten am 07. Juni 2011. Im Übrigen sei das Verständigungsverfahren bereits schon vor Mandatsübernahme durch die Beklagte Anfang 2008 verfristet gewesen. Darüber hinaus hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben, da den Klägern bewusst gewesen, dass die Möglichkeit der Durchführung eines Verständigungsverfahrens jedenfalls im Jahr 2009 zu verfristen drohte. Die Beklagten hätten des Weiteren entgegen den Behauptungen der Kläger das Klageverfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg weder nicht weiterbetrieben noch die Kläger hierüber im Unklaren gelassen. Bereits im Erörterungstermin vom 26. Juli 2011 habe im Übrigen die Richterin am Finanzgericht E als Berichterstatterin die Erfolgschancen der anhängigen Klage als sehr gering eingeschätzt. Die letztlich mit dem Finanzamt Stadt1 getroffene Einigung sei in jedem Stadium des Verfahrens möglich gewesen, jedoch von den Klägern stets abgelehnt worden. Im Übrigen hat die Beklagte auch insoweit die Einrede der Verjährung erhoben.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Y und Z1. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 13. Oktober 2017 (Bl. 214 ff. d. A.) Bezug genommen. Des Weiteren wurden der Kläger zu 2) informatorisch angehört.

II.

A. Die Berufung ist zulässig. Die Einlegungs- und die Begründungsfrist sind gewahrt. Das Rechtsmittel ist nach § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO statthaft.

Insoweit die Kläger mit Schriftsatz vom 17. August 2015 (Bl. 237 ff. d. A.) den in der ersten Instanz gestellten Klageantrag als Hauptantrag weiterverfolgen und den – seitens des Landgerichts nach erfolgter Auslegung angenommen Feststellungsantrag – ausdrücklich als Hilfsantrag stellen, ist diese Klageerweiterung gemäß § 533 Nr. 1 und 2 ZPO zulässig. Zwar hat die Beklagte in die Klageerweiterung nicht eingewilligt, sie ist jedoch sachdienlich. Die Sachdienlichkeit einer zweitinstanzlichen Klägeränderung oder Klageerweiterung ist objektiv unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen. Entscheidend ist, ob eine Zulassung der Klageänderung den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem weiteren Prozess vorbeugt (Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Auflage 2016, § 533, Rn. 5 m.w.N. – zitiert nach beck-online). So liegt es hier.

B. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

1. Die Kläger haben weder einen Leistungs- noch einen Feststellungsanspruch auf Ersatz von Schäden, die ihnen daraus entstanden sind, dass die Beklagte einen Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens betreffend die doppelte Besteuerung von Kapitalerträgen der Kläger bzw. der X GmbH & Co. KG erst am 07. Juni 2011 stellte (§§ 675, 611, 280 BGB i.v.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsvertrag).

a) Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Steuerberatungsauftrags verpflichtet, seinen Auftraggeber allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und die Geschäfte so zu erledigen, dass Nachteile für ihn – soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind – vermieden werden (Heermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 675, Rn. 41; BGH NJW 2011, 2889 [BGH 09.06.2011 – IX ZR 75/10] – zitiert nach beck-online). Verletzt der Steuerberater seine Vertragspflichten schuldhaft, ist er dem Mandanten nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Die Rechtsprechung legt dabei für die Haftung des Steuerberaters wie des Rechtsanwalts vergleichbare Maßstäbe an. Den Mandanten trifft im Regressprozess die Beweislast für einen Beratungsfehler oder unzulängliche Sachaufklärung (Heermann in : a.a.O., Rn. 44). Erweist sich der Mandant für die ihm eingehend erteilten Hinweise und Gestaltungsvorschläge als unzugänglich, ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Beraters, die Eindringlichkeit seiner Belehrung zu steigern, deshalb nach einiger Zeit die bisher erfolglose Beratung zu wiederholen und auf diese Weise den Versuch zu unternehmen, dass der Mandant doch noch die sachgerechten Maßnahmen ergreift. Es muss immer die freie Entscheidung des Mandanten bleiben, ob dieser den Vorschlägen seines Beraters folgt oder die ihm empfohlenen Maßnahmen unterlässt. Hat der Berater die ihm obliegende Aufgabe erfüllt und zeigt sich der Auftraggeber unbedingt und endgültig uneinsichtig, entstehen daraus in der Regel keine zusätzlichen Pflichten zu weitergehender Tätigkeit. Deshalb braucht der Berater bei einem Dauermandat die Sache nicht von sich aus in bestimmten Zeitabständen immer wieder ansprechen, solange dafür kein hinreichender Anlass besteht. Ein solcher wäre etwa dann gegeben, wenn der Mandant seinerseits das Thema wieder aufgreift, dem Berater in diesem Zusammenhang neue bedeutsame Umstände bekannt werden (BGH, Urteil v. 04.06.1996 – IX ZR 246/95, NJW 1996, 2571, zitiert nach beck-online).

So liegt es hier.

Nach den getroffenen Feststellungen haben die insoweit beweisbelasteten Kläger nicht beweisen, dass die Stellung des Antrages auf Einleitung des Verständigungsverfahrens durch den Zeugen Z1 erst am 07. Juni 2011 pflichtwidrig war.Entgegen den Ausführungen des Klägers in seiner informatorischen Anhörung des Klägers in dem Termin des Senats vom 23. Oktober steht vorliegend nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Thematik des Verständigungsverfahrens mit dem Zeugen Z1 erst im Jahr 2010 oder 2011 überhaupt zur Sprache gekommen ist. Vielmehr geht der Senat aufgrund der glaubhaften Zeugenaussagen der Zeugen Y und Z1 sowie der hierzu ergänzend vorgelegten Unterlagen davon aus, dass der Kläger seit langem, nämlich seit 1996, über die Bedeutung und die Fristen des Verständigungsverfahrens für seine Einkünfte aus der X GmbH & Co. KG mit Sitz in Österreich unterrichtet war.

Der Zeuge Y hat hierzu ausgeführt, dass er schon 1996 den Kläger zu 2) auf das Verständigungsverfahren hingewiesen habe. Der Zeuge Y hat weiter ausgeführt, auch anlässlich der Jahresbesprechung am 07. Juli 2005 erneut mit dem Kläger zu 2) über die Frage des Verständigungsverfahrens gesprochen zu haben. Hintergrund des Gesprächs war, dass nunmehr die ersten Bescheide in Deutschland eingegangen waren, die ebenfalls eine Besteuerung der Erträge der X GmbH & Co. KG vorsahen. Der Zeuge Y hat ausgeführt, anlässlich dieser Besprechung die Empfehlung abgegeben zu haben, in Deutschland ein Verständigungsverfahren einzuleiten. Ob der Zeuge Y den Kläger zu 2) auch über die Fristen für die Einleitung des Verständigungsverfahrens aufgeklärt hat, war diesem nicht mehr im Einzelnen erinnerlich. Jedenfalls hat der Zeuge Y in einem dem Besprechungstermin vom 07. Juli 2005 nachfolgenden Schreiben vom 20. Juli 2005 (Bl. 269 d. A.) dem Kläger zu 2) erläutert, dass er nunmehr innerhalb von drei Jahren das Verständigungsverfahren einleiten müsse. Insoweit der Kläger zu 2) behauptet, dieses Schreiben vom 20. Juli 2005 sei ihm nicht mehr erinnerlich und es befinde sich auch nicht bei seinen Unterlagen, folgt jedenfalls aus den weiteren seitens des Zeugen Y in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen, dass die Einleitung des Verständigungsverfahrens weiterhin Thema blieb.Der Zeuge Z1, der erst später die Beratung des Klägers übernahm, hat ausgesagt, dass er den Kläger zu 2) mehrfach auf das Verständigungsverfahren hingewiesen habe. Er hat weiter dargelegt, dem Kläger zu 2) auch die Frist von 3 Jahren mitgeteilt zu haben. Der Kläger zu 2) habe das Verständigungsverfahren zunächst nicht einleiten wollen, da er die Möglichkeit gesehen habe, dass er in beiden Ländern nicht besteuert zu werden.

An der Glaubwürdigkeit beider Zeugen bestehen keine Bedenken.

Entgegen der Rechtsansicht der Kläger stellt es auch keine Pflichtverletzung des Z1 dar, dass dieser den Tag des Fristablaufs für das Verständigungsverfahren nicht notiert und die Kläger nochmal erneut auf deren Ablauf hingewiesen hat. Sowohl der Zeuge Y wie auch der Zeuge Z1 haben die Kläger grundsätzlich auf die Möglichkeit eines Verständigungsverfahrens sowie dessen Fristen hingewiesen. Wie ausgeführt, braucht der Berater bei einem Dauermandat die Sache nicht von sich aus in bestimmten Zeitabständen immer wieder ansprechen, solange dafür kein hinreichender Anlass besteht. Ein solcher hinreichender Anlass bestand vorliegt nicht, da die Kläger immer noch auf die Möglichkeit hofften, dass sowohl Österreich als auch Deutschland von einer Besteuerung absehen würden. Insoweit war auch widersprechender Vortrag vor den jeweiligen Finanzbehörden in Österreich und Deutschland erfolgt. Einen solchen hinreichender Anlass konnte der Zeuge Z1 erst in der zurückweisenden Entscheidung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 27. Mai 2011 (Anlage B 13, Anlagenband) sehen, womit eine alleinige Steuerveranlagung der Kläger in Österreich abgelehnt wurde und durch die bisherigen Maßnahmen der österreichischen und deutschen Steuerbehörden den Klägern eine endgültige Doppelbesteuerung drohte. Sodann wurde auch nach vorheriger Rücksprache das Verständigungsverfahren am 07. Juni 2011 eingeleitet.

b) Die Frage einer pflichtgemäßen Beratung kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, da die Kläger nicht nachgewiesen haben, bei einer entsprechenden Aufklärung das Verständigungsverfahren auch fristgerecht eingeleitet zu haben.

Auf einen Beweis des ersten Anscheins können sich die Kläger vorliegend nicht berufen. Im Rahmen von Verträgen mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte nur, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend unterrichteten Mandanten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahe gelegt hätten. Die Beweiserleichterung für den Mandanten gilt also nicht generell. Sie setzt einen Tatbestand voraus, bei dem der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und einem bestimmten Verhalten seines Mandanten typischerweise gegeben ist, beruht also auf Umständen, die nach der Lebenserfahrung eine bestimmte tatsächliche Vermutung rechtfertigen (BGH, Urteil vom 05.02.2009 – IX ZR 6/06, NJW 2009, 1591 – zitiert nach beck-online).

Vorliegend ist hingegen nicht festzustellen, dass die Kläger auch bei ausdrücklicher Beratung über das Ende der Frist zur Einleitung des Verständigungsverfahrens, dieses fristgerecht eingeleitet hätten. Der Zeuge Y hat in seiner Vernehmung dargelegt, dass er dem Kläger zu 2) eine entsprechende Empfehlung gegeben habe, die dieser jedoch nicht weiterfolgt habe. Dies folgt im Übrigen auch insbesondere aus dem sich widersprechenden Vortrag der Kläger vor den österreichischen und deutschen Finanzbehörden, wodurch erreicht werden sollte, dass es in keinem der beiden Länder zu einer Besteuerung kommt. Die Einleitung eines Verständigungsverfahrens wäre vielmehr hier aus Sicht der Kläger nicht zielführend gewesen.

2. Die Kläger haben des Weiteren weder einen Leistungsanspruch noch einen Feststellungsanspruch auf Ersatz von Schäden, die den Klägern daraus entstanden sind, dass die Beklagte das finanzgerichtliche Verfahren der Kläger vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg, Az.: …, nicht betrieben und ihnen hierdurch die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung genommen wurde (§§ 675, 611, 280 BGB i.v.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsvertrag).

Wie ausgeführt, ist der Steuerberater im Rahmen des ihm erteilten Steuerberatungsauftrags verpflichtet, seinen Auftraggeber allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und die Geschäfte so zu erledigen, dass Nachteile für ihn – soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind – vermieden werden (Heermann in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 675, Rn. 41; BGH NJW 2011, 2889 [BGH 09.06.2011 – IX ZR 75/10] – zitiert nach beck-online). Verletzt der Steuerberater seine Vertragspflichten schuldhaft, ist er dem Mandanten nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.

Entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts steht der Geltendmachung eines Schadens nicht der in dem finanzgerichtlichen Verfahren geschlossene Vergleich entgegen. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden kann zwar ausnahmsweise durch Handlungen des Mandanten oder eines Dritten unterbrochen sein. Wenn der Mandant eine durch den Berater infolge fehlerhafter Beratung ausgelöste oder beeinträchtigte rechtliche Auseinandersetzung durch einen Vergleich abschließt, kommt eine Unterbrechung regelmäßig nicht in Betracht (Fischer in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, 43. Edition, § 675, Rn. 27 m.w.N.). Fehler eines neu zugezogenen Anwalts unterbrechen den Zurechnungszusammenhang zwischen Anwaltsfehler und Schaden nur dann, wenn sie auf einer Entschließung des neuen Anwalts beruhen, die gemessen an den Maßstäben sachgerechter Berufsausübung sachfremd und nicht mehr nachvollziehbar ist (Fischer in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.). So liegt es hier hingegen nicht.

Vorliegend ist bereits eine Pflichtverletzung der Beklagten bei Betreiben des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht ersichtlich. Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen. Nach der in der FGO geltenden Offizialmaxime wird das finanzgerichtliche Verfahren durch das Gericht betrieben. Soweit die Kläger darauf abstellen, die Beklagte habe das Verfahren gegen den Willen der Kläger verzögert, liefert ihr Sachvortrag hierzu keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insoweit sie abstellen, eine durch die Beklagte verursachte „vergiftete“ Verhandlungsatmosphäre habe zu einer nachteiligen Einschätzung der Rechtslage durch das Gericht geführt, finden sich auch hierzu keine hinreichenden Anhaltspunkte. Vielmehr hat bereits im Erörterungstermin vom 26. Juli 2011, bei dem der Kläger zu 2) auch zugegen war, die Richterin am Finanzgericht E als Berichterstatterin die Erfolgschancen der anhängigen Klage als sehr gering eingeschätzt. Insoweit wäre auch bereits zu diesem Zeitpunkt eine Einigung mit dem Finanzamt Stadt1 möglich gewesen.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da weder eine grundsätzliche Bedeutung der Sache gegeben ist, noch zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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