OLG Frankfurt am Main, 03.01.2018 – 26 Sch 12/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 03.01.2018 – 26 Sch 12/16
Orientierungssatz:

1.

Art. 103 GG verpflichtet die Schiedsgerichte, in vergleichbarer Weise wie die staatlichen Gerichte, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass das Schiedsgericht dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist.
2.

Da die Gerichte – und wie sie die Schiedsgerichte – nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt.
3.

Dem Schiedsgericht wird daher, nicht anders als dem staatlichen Gericht, bis zum Beweis des Gegenteils unterstellt, dass es den Parteivortrag auch geistig verarbeitet hat. Ein Aufhebungsgrund liegt lediglich dann vor, wenn sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass ein nicht von der Hand zu weisender im Vortrag der Parteien zentral wesentlicher Punkt geistig überhaupt nicht verarbeitet worden ist.

Tenor:

Der in dem Schiedsverfahren zwischen der hiesigen Antragstellerin als Schiedsbeklagter und der hiesigen Antragsgegnerin als Schiedsklägerin vor dem International Court of Arbitration, Fallnummer … durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Schiedsrichter B als Vorsitzendem und den beisitzenden Schiedsrichtern A und C am 20.10.2016 am Schiedsort Rio de Janeiro, Brasilien ergangene Endschiedsspruch wird insoweit für vollstreckbar erklärt, als die dortige Schiedsklägerin und hiesige Antragsgegnerin verpflichtet wurde, zum Ausgleich der im Schiedsverfahren entstandenen Verfahrenskosten € 65.000,00 an die hiesige Antragstellerin zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf € 65.000,00 festgesetzt.
Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs, durch den die von der Schiedsklägerin und hiesiger Antragsgegnerin erhobene Schiedsklage abgewiesen und die Antragsgegnerin zum Ausgleich der Verfahrenskosten in Höhe von € 65.000,00 an die hiesige Antragstellerin verpflichtet wurde.

Gegenstand der von der Schiedsklägerin am 12.02.2015 erhobenen Schiedsklage waren Zahlungsansprüche für die Herstellung und Lieferung von Silikonimplantaten an die Schiedsbeklagte.

Ein zwischen den Parteien im Februar 1995 abgeschlossener und als „WLV“ bezeichneter Vertrag enthält eine Schiedsklausel, wonach alle infolge dieses Vertrages aufkommenden Meinungsverschiedenheiten von einem Schiedsgericht entschieden werden sollen.

Im November 1998 vereinbarten die Parteien, dass die Schiedsklägerin Rechnungen für künftige Lieferungen an eine Drittfirma, die Firma1 mit Sitz in Montevideo/Uruguay ausstellen sollte, die ihrerseits wiederum Rechnungen gegenüber der Schiedsbeklagten erstellen sollte. Nachdem die Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien auf dieser Basis bis etwa Anfang April 2008 abgewickelt wurden, geriet die Schiedsbeklagte und hiesige Antragstellerin mit ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Firma1 in Verzug. In der Folgezeit verlangte die Schiedsklägerin von der Schiedsbeklagten eine unmittelbare Bezahlung der zwischen August und Dezember 2007 erfolgten Lieferungen.

Die Schiedsklägerin hat in dem von ihr eingeleiteten Schiedsverfahren mit Schiedsort in Rio de Janeiro/Brasilien geltend gemacht, dass durch die Einschaltung der Firma1 als „Zahlstelle“ die Schiedsbeklagte in keiner Weise von ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Schiedsklägerin befreit worden sei; weder enthalte der schriftliche Vertrag (WLV) eine entsprechende Vereinbarung noch seien mündliche Vereinbarungen getroffen worden, die die in § 2.2 des WLV vereinbarte Verbindlichkeit der Schiedsbeklagten gegenüber der Schiedsklägerin abgeändert hätten.

Durch in Bezug genommenen, in beglaubigter Abschrift zur Akte gereichten Endschiedsspruch vom 20.10.2016, hat das Schiedsgericht die Zahlungsansprüche der Schiedsklägerin gegenüber der Schiedsbeklagten mit der Begründung abgewiesen, dass durch die im Jahr 1998 vereinbarte Einbeziehung der Drittfirma die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien dergestalt geändert worden seien, dass die Schiedsbeklagte seitdem nicht mehr die Position einer unmittelbaren Vertragspartnerin der Schiedsklägerin innegehalten habe.

Infolge der Klageabweisung wurde die Schiedsklägerin zur Kostenerstattung gegenüber der Schiedsbeklagten in Höhe von € 65.000,00 verpflichtet. In diesem Umfang erstrebt die Antragstellerin nunmehr die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs.

Die Antragsgegnerin tritt dem Vollstreckbarerklärungsantrag entgegen und rügt zunächst die fehlende örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Antragstellerin habe nicht ausreichend dargelegt, welcher inländische Vermögenswert i.S.v. § 1062 Abs. 2 ZPO die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main begründen könne. Auf eine ehemals bestehende Lieferbeziehung zu einer im Gerichtsbezirk ansässigen deutschen Vertragshändlerin könne die örtliche Zuständigkeit nicht gestützt werden, da diese Vertragsbeziehung seit September 2015 faktisch beendet sei.

In der Sache selbst sei dem Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen das rechtliche Gehör die Anerkennung zu versagen.

Insbesondere habe das Schiedsgericht Beweisangebote der Schiedsbeklagten hinsichtlich der im Schiedsverfahren hoch streitigen Frage nach der Unmittelbarkeit der Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien fehlerhaft und ohne hinreichende Begründung übergangen. Die durch verschiedene Procedural Oders des Schiedsgerichts dokumentierte Verfahrenshistorie belege, dass das zentrale Verteidigungsargument der Schiedsbeklagten, wonach die Drittfirma Firma1 lediglich Empfangsbote der Antragstellerin gewesen sei und keine unabhängige, in die Lieferbeziehungen zwischengeschaltete Stellung innegehabt habe, vom Schiedsgericht schlicht ignoriert worden sei.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sei auch darin begründet, dass geraume Zeit vor der mündlichen Verhandlung, mit Schriftsatz vom 02.10.2015 gestellte Beweisanträge im Verhandlungstermin am 13.04.2016 unerörtert geblieben und erst nach der mündlichen Verhandlung ohne weitere Begründung vom Schiedsgericht zurückgewiesen worden seien. Zudem habe das Schiedsgericht einen unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung eingereichten und ebenfalls Beweisangebote enthaltenden Schriftsatz der Schiedsbeklagten vom 08.04.2016 als verspätet zurückgewiesen, weshalb die gebotene umfassende Erörterung des Sach- und Streitstandes unterbunden und der Grundsatz eines fairen Verfahrens verletzt worden sei. Die rechtliche Bewertung des Schiedsgerichts beruhe daher auf einer unter Verletzung rechtlichen Gehörs zustande gekommenen unvollständigen Tatsachenermittlung, weshalb dem Schiedsspruch die Anerkennung im Inland zu versagen sei.

Die Antragsgegnerin beantragt darüber hinaus, über den Vollstreckbarerklärungsantrag nicht ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Anstelle einer Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Auf den Antrag der Antragstellerin ist der Schiedsspruch vom 20.10.2016 gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. den Vorschriften des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (UNÜ) für vollstreckbar zu erklären. Gründe gemäß § 1061 Abs. 2 ZPO festzustellen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist, liegen nicht vor.

1. Der Antrag ist nach §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. ZPO i.V.m. den Regeln des UNÜ statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der angerufene Senat ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung des am Schiedsort Rio de Janeiro/Brasilien ergangenen Schiedsspruchs vom 20.10.2016 nach §§ 1061, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. den Bestimmungen des UNÜ zuständig.

Gemäß § 1062 Abs. 2 ZPO ist im Falle eines ausländischen Schiedsortes für einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung dasjenige Oberlandesgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich Vermögen des Antragsgegners oder der mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder von der Maßnahme betroffene Gegenstand befindet, hilfsweise das Kammergericht.

Der im Streitfall allein in Betracht kommende Anknüpfungspunkt „Vermögen“ ist hinreichend dadurch belegt, dass die Antragsgegnerin unstreitig noch bis weit in das Jahr 2015 hinein Vertrags- und Lieferbeziehungen zu der im Bezirk des hiesigen Oberlandesgerichts ansässigen deutschen Vertriebspartnerin D GmbH unterhalten hat, weshalb sich das Bestehen werthaltiger Forderungen aus dieser Geschäftsbeziehung nicht als rein spekulativ darstellt (vgl. hierzu: MüKo-Münch, ZPO, 5. Auflage 2017, Rdnr. 19 zu § 1062 ZPO). Eine weitergehende Verfestigung oder gar eine genaue Bewertung des Vermögens im Hinblick auf Vollstreckungsaussichten ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht erforderlich (OLG München, Beschluss, vom 12.01.2015, Az.: 34 Sch 17/13, zitiert nach BeckRS). Im Übrigen ist festzustellen, dass sich die Zuständigkeitsrüge der Antragsgegnerin maßgeblich auf die – nicht durchgreifende Rüge – beschränkt, die Antragstellerin habe eine pfändbare Forderung gegenüber der D GmbH nicht ausreichend spezifiziert; hingegen lässt sich dem Vorbringen der Antragsgegnerin nichts dafür entnehmen, dass der ehemals bestehende Rahmenvertrag zur deutschen Vertragspartnerin bereits vollständig abgewickelt sein könnte und offene Forderungen explizit nicht mehr in Betracht kommen können. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts unterliegt bei dieser Sachlage keinen ernsthaften Zweifeln.

2. Der Antrag ist auch begründet.

a) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind erfüllt. Zwar wurde der englischsprachige Schiedsspruch selbst nur in beglaubigter Abschrift vorgelegt; dies genügt jedoch den anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO i.V.m. Art. IV Abs. 1 UNÜ).

Die zur Akte gereichte beglaubigte Übersetzung des Schiedsspruchs aus der englischen Sprache wurde von einer amtlich anerkannten Übersetzerin gefertigt (Art. IV Abs. 2 UNÜ). Im Übrigen sind die Existenz der Schiedsvereinbarung und des Schiedsspruchs zwischen den Parteien unstreitig (vgl. hierzu: Zöller-Geimer, ZPO, 32. Auflage 2018, Rdnr. 2 zu Art. IV UNÜ m.w.N.).

b) Auch die materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs liegen vor. Anerkennungshindernisse nach Art. V UNÜ sind nicht gegeben. Verstöße gegen das rechtliche Gehör (Art. V Abs. 1 lit. b), Abs. 2 lit. b) UNÜ) lassen sich auf der Grundlage des Vortrages der Antragsgegnerin offenkundig nicht feststellen.

Die zunächst allgemein gehaltene Rüge der Antragsgegnerin, wonach das Schiedsgericht ihre gesamte Argumentationslinie schlicht übergangen habe, ist durch den Inhalt des Schiedsspruchs erkennbar widerlegt. Das Schiedsgericht hat die streitige Position der dortigen Schiedsklägerin, insbesondere das Vorbringen zu den von ihr als wesentlich erachteten „drei Tatsachenkomplexen“ nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch in den Entscheidungsgründen verarbeitet. So ist der Vortrag zur behaupteten Funktion der Firma1 als bloßer Zahlstelle wie auch zur beherrschenden Stellung von Gesellschaftern der Antragstellerin und zur möglichen Nutzung der Firma1 als „Steuersparmodell“ im Schiedsspruch als zusammenfassende streitige Position der dortigen Schiedsklägerin wiedergegeben und dieses Vorbringen auch zur Grundlage der Sachentscheidung gemacht worden. Das Schiedsgericht ist unter Verweis auf die zwischen den Parteien langjährig geübte Praxis, Lieferungen mit entsprechender Rechnungsstellung und entsprechenden Packlisten allein und ausschließlich an Firma1 zu adressieren, zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es dem Willen der Parteien entsprach, Firma1 als alleinigen Schuldner der Schiedsklägerin in die Geschäftsbeziehungen einzuschalten und dass infolgedessen die hiesige Antragstellerin und dortige Schiedsbeklagte nicht mehr als Schuldnerin der Warenlieferungen behandelt werden sollte.

Im Weiteren hat das Schiedsgericht die Frage, inwieweit Firma1 von der hiesigen Antragstellerin beherrscht und als Steuersparmodell genutzt wurde, für die maßgebende Frage der Vertragsbeziehungen als irrelevant erachtet. Es kann daher keine Rede davon sein, dass das Schiedsgericht die Argumentationslinie der Antragsgegnerin vollständig missachtet hätte. Allein der Umstand, dass das Schiedsgericht der von der Antragsgegnerin vertretenen (streitigen) Position im Ergebnis nicht gefolgt ist, begründet keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör.

Auch was die Beweisangebote der Antragsgegnerin im Einzelnen angeht, lässt sich eine die Anerkennung des Schiedsspruchs hindernde Gehörsverletzung nicht feststellen.

Den Antrag der Antragsgegnerin auf Auskunft und Herausgabe bestimmter Dokumente, der ausweislich des Schiedsspruchs (vgl. Rz. 18, S. 22 des Schiedsspruchs) und des Verhandlungsprotokolls (dort Ziffer 7.) Gegenstand der Erörterungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht war, hat das Schiedsgericht mit Procedural Order Nr. … vom 18.04.2016 zurückgewiesen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist insoweit nicht ersichtlich, denn der Beweisantrag wurde nicht übergangen, sondern lediglich abschlägig beschieden; die Ablehnung eines Beweisantrages stellt jedoch nicht eo ipso einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs dar. Einer Überprüfung der materiellen Richtigkeit dieser Entscheidung steht im Übrigen das Verbot der révision au fond entgegen.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe erstmals im Schiedsspruch die unzureichende Substantiierung ihres Antrages bemängelt, weshalb ihr die Möglichkeit zu ergänzenden Darlegungen abgeschnitten worden sei. Selbst wenn man dieser Ansicht folgen wollte, so lässt die Antragsgegnerin völlig offen, welcher ergänzende Vortrag von ihr zu erwarten gewesen wäre und inwieweit dieser Vortrag das Schiedsgericht zu einer anderweitigen Einschätzung veranlasst hätte (vgl. zum Kausalitätserfordernis: Zöller-Geimer, a.a.O., Anhang § 1061, Rdnr. 5 zu Art. V UNÜ; OLG Dresden, Beschluss vom 08.09.2017, Az.: 3 Sch 1/17 zitiert nach BeckRS).

Die Beweisanträge zur beherrschenden Stellung von Gesellschaftern der Antragstellerin über Firma1 und zu möglichen steuerorientierten Motiven hat das Schiedsgericht explizit als für die Sachentscheidung nicht relevant erachtet; diese autonome rechtliche Wertung des Schiedsgerichts unterliegt nicht der Nachprüfung durch das staatliche Gericht (vgl. Zöller-Geimer, a.a.O., Rdnr. 11, 11a zu § 1042 ZPO und Rdnr. 40 zu § 1059 ZPO; Müko-ZPO, 5. Auflage 2017, Rdnr. 117 zu § 1042 ZPO). Auch begegnet es entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin keinen Bedenken, dass das Schiedsgericht die Beweisanträge erst im Schiedsspruch zurückgewiesen hat (Zöller-Geimer, a.a.O., Rdnr. 11 zu § 1042 ZPO).

Ungeachtet dessen muss sich die Antragsgegnerin fragen lassen, warum sie die bis dahin fehlende Befassung mit den von ihr im Schriftsatz vom 02.10.2015 gestellten Beweisanträgen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am 13.04.2016 nicht gerügt hat und schließlich fehlt es auch an jeglichen Darlegungen dazu, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen das Schiedsgericht den Beweisanträgen zu den von ihr als „Tatsachenkomplexe 2 und 3“ bezeichneten Umständen zwingend hätte nachkommen müssen und inwiefern sich der behauptete Verfahrensverstoß im Ergebnis des Schiedsspruchs zu ihren Gunsten niedergeschlagen hätte. Mit der schlichten Behauptung, die Beweisanträge wären für die Entscheidung des Sachverhalts relevant und hätten unmittelbar Einfluss auf das Ergebnis des Streits gehabt, wird den Anforderungen an die erforderlichen Kausalitätsdarlegungen nicht Genüge getan.

Eine anerkennungsrelevante Gehörsverletzung ergibt sich schließlich auch nicht bezüglich des „Tatsachenkomplexes 1“, der sich auf die Beweisanträge der Antragsgegnerin zu den im November 1998 getroffenen Abreden durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2 bezieht.

Insbesondere kann die Antragsgegnerin aus dem Umstand, dass der Schiedsspruch die betreffenden Beweisantritte nicht explizit erwähnt bzw. zurückweist, nichts zu ihren Gunsten herleiten.

Art. 103 GG verpflichtet die Schiedsgerichte, in vergleichbarer Weise wie die staatlichen Gerichte, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass das Schiedsgericht dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist. Da die Gerichte – und wie sie die Schiedsgerichte – nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BGH, NJW 1992, 2299 ff. [BGH 14.05.1992 – III ZR 169/90] mit Hinweis auf BVerfGE 5, 22 ff. [BVerfG 25.05.1956 – 1 BvR 128/56] und BVerfGE 22, 267 ff. [BVerfG 19.07.1967 – 2 BvR 639/66]). Dem Schiedsgericht wird daher, nicht anders als dem staatlichen Gericht, bis zum Beweis des Gegenteils unterstellt, dass es den Parteivortrag auch geistig verarbeitet hat. Ein Aufhebungsgrund liegt lediglich dann vor, wenn sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass ein nicht von der Hand zu weisender im Vortrag der Parteien zentral wesentlicher Punkt geistig überhaupt nicht verarbeitet worden ist (OLG München, SchiedsVZ 2014, 257, 261 [OLG München 16.06.2014 – 34 Sch 15/13]; OLG Köln, Beschluss vom 04.08.2017, Az.: 19 Sch 6/17, zitiert nach juris).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Das Schiedsgericht hat den (bestrittenen) Vortrag der Antragsgegnerin, wonach die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien, trotz der ab November 1998 einvernehmlich geänderten Vertragsabwicklung durch Einschaltung der Firma1 im Kern unverändert bleiben sollten, ausweislich der Wiedergabe der streitigen Position der Schiedsklägerin im Schiedsspruch ersichtlich zur Kenntnis genommen. Es hat diesen Vortrag jedoch unter Verweis auf die ab 1998 für die Dauer von annähernd 10 Jahren geänderte Struktur der Geschäfts- und Lieferbeziehungen als widerlegt erachtet. Entsprechend der rechtlichen Würdigung des Schiedsgerichts, die einer Nachprüfung durch das staatliche Gericht entzogen ist, haben die Parteien durch die jahrelang geübte Praxis, Forderungen für die zwischen Ende 1998 und Anfang 2008 erfolgten umfangreichen Warenlieferungen ausnahmslos Firma1 gegenüber in Rechnung zu stellen, die diese ihrerseits wiederum gegenüber der Antragstellerin fakturierte, die Struktur ihrer Geschäftsbeziehungen einvernehmlich dahingehend abgeändert, dass fortan Firma1 alleinige Vertragspartnerin der Schiedsklägerin sein sollte.

Aus Sicht des Schiedsgerichts bedurfte es danach keiner weiteren Aufklärung hinsichtlich der von der Antragsgegnerin unter Beweis gestellten Behauptungen zu den vermeintlichen Abreden im November 1998, weil sich nach seiner Einschätzung die von den Parteien ab 1998 gewollte Struktur ihrer Vertragsbeziehungen in der tatsächlich ausgeübten Art und Weise hinreichend deutlich manifestiert hat. Diese Wertung stellt eine Sachentscheidung des Schiedsgerichts dar, die – sei sie inhaltlich zutreffend oder nicht – von den staatlichen Gerichten zu respektieren ist. Im Übrigen stellt das Übergehen von Beweisanträgen, deren Berücksichtigung das Schiedsgericht zur Wahrheitsfindung als nicht geboten erachtet, weil es den streitigen Sachverhalt bereits als hinreichend geklärt betrachtet, keine bedeutsame Verletzung der Grundsätze über das rechtliche Gehör dar (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Die Rüge der Antragsgegnerin, die rechtliche Bewertung des Schiedsgerichts beruhe auf einer unvollständigen Tatsachenermittlung in Form einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, greift nach alledem nicht durch.

Nichts anderes gilt für die Zurückweisung des unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht eingereichten Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 08.04.2016. Über dessen beabsichtigte sachliche Behandlung wurden die Parteien bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am 13.04.2016 informiert, ohne dass diese, im Ermessen des Schiedsgerichts stehende Entscheidung der rechtlichen Überprüfung durch das staatliche Gericht unterzogen wäre. Ohnehin hat die Antragsgegnerin im hiesigen Verfahren nichts dafür vorgebracht, inwieweit gerade die Berücksichtigung dieses Schriftsatzes eine abweichende Entscheidung des Schiedsgerichts zur Folge gehabt hätte.

3. Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung bedurfte es nicht. Gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO hat das Gericht die mündliche Verhandlung anzuordnen, wenn die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt wird – was vorliegend nicht der Fall ist – oder wenn bei einem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht kommen, wobei die in § 1059 Abs. 2 ZPO genannten Aufhebungsgründen denjenigen des Art. V UNÜ entsprechen. „In Betracht kommen“ solche Aufhebungsgründe im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens, wenn und soweit der Antragsgegner sie begründet geltend macht (vgl. BGH, NJW 1999, 2974 f. [BGH 15.07.1999 – III ZB 21/98]; BGH, SchiedsVZ 2017, 200f. [BGH 02.03.2017 – I ZB 42/16]; OLG München, Beschluss vom 22.11.2016, Az.: 34 Sch 22/16, zitiert nach BeckRS).

Hier hat sich die Antragsgegnerin zwar auf Aufhebungsgründe berufen. Ihr diesbezüglicher Vortrag war jedoch nicht geeignet, das Bestehen von Aufhebungsgründen ernsthaft in Erwägung zu ziehen oder weitere Sachaufklärung in einer mündlichen Verhandlung erwartbar erscheinen zu lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die weitere Nebenentscheidung aus § 1064 Abs. 2, Abs. 3 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO und entspricht dem Wert der von der Antragsgegnerin zu erstattenden Verfahrenskosten des Schiedsverfahrens.

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