OLG Frankfurt am Main, 09.11.2017 – 20 W 22/16

März 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.11.2017 – 20 W 22/16
Leitsatz:

Zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Entlassung eines durch die Gesellschafter bestellten Liquidators nach § 66 Abs. 2 und 3 S. 1, GmbHG
Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 3) hat dem Beteiligten zu 4) im Verfahren der Beschwerde entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten. Eine darüber hinausgehende Erstattung notwendiger Aufwendungen im Verfahren der Beschwerde erfolgt nicht.

Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf 60.000,00 € festgesetzt.
Gründe

I.

Gesellschafter der erstmals am 28.06.2010 im Handelsregister eingetragenen Gesellschaft sind ausweislich der letzten zum elektronischen Handelsregister freigegebenen Gesellschafterliste, datierend auf den 09.06.2010, die Beteiligten zu 2) und 3) mit Geschäftsanteilen in Höhe von jeweils 12.500,00 €.

Alleinige Geschäftsführerin der Gesellschaft war zunächst die Beteiligte zu 2). Einzelprokura mit der Ermächtigung zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken hatte Vorname1 Nachname1, der Sohn der Beteiligten zu 3).

Mit Anmeldung vom 21.11.2011 hat der Beteiligte zu 4) – der von Beruf Steuerberater ist – unter Bezugnahme auf einen Gesellschafterbeschluss vom 10.11.2011 die Auflösung der Gesellschaft mit Wirkung zum 13.11.2011 angemeldet. Weiterhin hat er die bislang bestehende Vertretungsbefugnis und die Einzelprokura als erloschen angemeldet sowie seine eigene Bestellung zum alleinigen, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Liquidator. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister der Gesellschaft ist am 29.11.2011 erfolgt. Der genannte Beschluss vom 10.11.2011 ist von Vorname1 Nachname1 gefasst worden, jeweils handelnd als von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter der Beteiligten zu 2) und zu 3).

Die Beteiligte zu 3) wendet sich mit der am 20.08.2015 bei dem Amtsgericht eingegangenen und an dieses gerichteten Beschwerde ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag (Bl. 83 der Akte) gegen den diesen am 20.07.2015 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 15.07.2015 (Bl. 78). Mit diesem Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) vom 26.11.2013 (Bl. 19 ff der Akte) auf Entlassung des Beteiligten zu 4) aus seinem Amt als Liquidator der Gesellschaft sowie den nachfolgenden ergänzenden Antrag auf Bestellung eines neuen Liquidators vom 15.04.2014 (Bl. 50 ff der Akte) zurückgewiesen.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) waren vor dem Amtsgericht und sind im Verfahren der Beschwerde vor dem Senat der Ansicht, der Beteiligte zu 4) müsse als Liquidator der Gesellschaft gemäß § 66 Abs. 3 GmbHG i.V.m. § 375 Nr. 6 FamFG abberufen werden. Es bestünde ein begründetes Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit, da er einseitig Forderungen der Gesellschaft gegenüber der Beteiligten zu 3) verfolge. Gegenüber der Beteiligten zu 2), die er gleichzeitig als Steuerbevollmächtigter vertrete, verfolge er offensichtlich gegebene Schadensersatzansprüche der Gesellschaft nicht, vermutlich, weil er sich der Beteiligten zu 2) gegenüber in einem unüberwindbaren Loyalitätskonflikt befinde. Er habe einseitig gegen die Beteiligte zu 3) Klage auf Zahlung an die Gesellschaft erhoben (Landgericht Darmstadt, Az. A1/13). Bei dieser Klage der Gesellschaft auf Rückzahlung eines der Beteiligten zu 3) gewährten Darlehens über 25.000,00 € lasse er unberücksichtigt, dass es eine Vereinbarung gegeben habe, die der Sohn der Beteiligten zu 3) als Prokurist und Generalbevollmächtigter der beiden Gesellschafterinnen getroffen habe, nach deren Sinn und Zweck die Gesellschaft auf Ansprüche gegen ihre beiden Gesellschafter für den Fall verzichte, dass die Liquidation der Gesellschaft beschlossen und diese abgewickelt werde und die auch Grundlage ihres Einverständnisses zur Bestellung des Beteiligten zu 4) zum Liquidator der Gesellschaft gewesen sei. Da der Beteiligte zu 4) die Abrede der Nichtgeltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft offensichtlich ignoriere, sei er im Rahmen der Unparteilichkeit verpflichtet, konsequenterweise gegenüber allen Gesellschaftern Ansprüche geltend zu machen. Tue er das nicht, verstoße er gegen seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft, die er abwickeln solle. Als Geschäftsführerin, aber auch Gesellschafterin, habe die Beteiligte zu 2) einem umfassenden Wettbewerbsverbot unterlegen. Sie habe jedoch während der Zeit des Bestandes der Gesellschaft alleine bis zum Beschluss der Liquidation, mithin mindestens 18 Monate lang, eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt, indem sie das X Studio Vorname2 Nachname2 betrieben habe, was Schadensersatzansprüche der Gesellschaft aus wettbewerbswidriger Tätigkeit begründe. Die lediglich einseitige Interessenwahrnehmung bestätige sich auch im Hinblick auf das am 29.06.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt (Az. A2/14), mit dem die hiesige Beteiligte zu 3) wegen der Untätigkeit des hiesigen Beteiligten zu 4) im Wege der actio pro socio zu Gunsten der Gesellschaft einen Auskunftstitel gegen die Beteiligte zu 2) auf Rechenschaft bezüglich ihrer Gewinnbeteiligung an der Vorname2 Nachname2 und Vorname3 Nachname2, atyp. Stille BGB- Gesellschaft für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 18.11.2011 erstritten habe. Trotz Rechtskraft dieses Urteils habe der Beteiligte zu 4) in dieser Hinsicht nichts unternommen.

Wegen der Darlegungen der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze vom 26.11.2013 nebst Anlagen (Bl. 19 ff der Akte), vom 04.02.2014 nebst Anlagen (Bl. 46 ff und 90-131, 172 ff der Akte), vom 15.04.2014 nebst Anlagen (Bl. 50 ff der Akte), vom 28.05.2014 (Bl. 63 f der Akte), vom 19.06.2017 nebst Anlagen (Bl. 145 ff der Akte) und 14.09.2017 nebst Anlage (Bl. 280 ff der Akte) Bezug genommen.

Auf die Kopie des im vorgenannten Verfahren des Landgerichts Darmstadt zu Az. A1/13 am 22.07.2014 verkündeten Urteils wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 66 ff der Akte). Mit diesem Urteil ist die hiesige Beteiligte zu 3) verurteilt worden, an die Gesellschaft, gesetzlich vertreten durch den hiesigen Beteiligten zu 4), ca. 25.000,00 € auf ein ihr von der Gesellschaft gewährtes Darlehen zurückzuzahlen. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich unter anderem, dass das Landgericht einen Forderungsverzicht der Gesellschaft auf Rückzahlung dieses Darlehens für nicht bewiesen angesehen hat. Weiterhin ergibt sich, dass das Landgericht die Geltendmachung dieses Darlehensrückzahlungsanspruchs nicht gemäß § 242 BGB als rechtsmissbräuchlich angesehen hat, weil eine Leistung gefordert würde, die alsbald zurück zu gewähren wäre, da das Landgericht mögliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft wegen wettbewerbswidriger Tätigkeit gegen die hiesige Beteiligte zu 2), die im dortigen Verfahren ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils auf „rund 187.000 €“ beziffert worden waren, verneint hat. Auch wird auf die Kopie des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 08.01.2016 zu Aktenzeichen 13 U 81/14 Bezug genommen (Bl. 251 ff der Akte), mit dem dieses die gegen das vorgenannte Urteil eingelegte Berufung der hiesigen Beteiligten zu 3) im Beschlusswege zurückgewiesen hat. Letztlich wird Bezug genommen auf die Kopie des am 29.06.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Darmstadt zu Az. A2/14 (Bl. 151 ff der Akte).

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4) sind dem Entlassungsantrag der Beteiligten zu 3) in den Verfahren vor dem Amtsgericht und dem Senat entgegengetreten. Sie haben unter anderem darauf hingewiesen, dass es einer Abrede bezüglich eines Verzichts auf die Geltendmachung der Gesellschaft zustehender Forderungen nicht gebe. Weiterhin weisen sie unter anderem darauf hin, der Beteiligte zu 4) habe gegenüber der Beteiligten zu 3) ausdrücklich erklärt, dass er sehr wohl sämtliche seitens der Gesellschaft bestehende Forderungen prüfe und diese bestehenden falls auch durchsetzen werde. Tatsächlich seien aber keine offenen Ansprüche gegen die Beteiligte zu 2) gegeben, die – unstreitig – hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe.

Wegen der Darlegungen der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4) im Einzelnen wird auf deren Schriftsätze vom 14.01.2014 nebst Anlage (Bl. 37 ff der Akte) sowie vom 16.08.2017 nebst Anlage (Bl. 244 ff der Akte) Bezug genommen.

Eine Bezugnahme auf den weiteren Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4) an den Senat vom 18.10.2017 (Bl. 293 ff der Akte) ist hingegen entbehrlich, da dieser keine für die vorliegende Entscheidung des Senats erheblichen Ausführungen enthält. Der Senat hat insoweit mangels Gehörserheblichkeit auch davon abgesehen, diesen Schriftsatz den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) vor seiner heute gefassten Entscheidung zur Kenntnis- und ggf. Stellungnahme zu übersenden.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3) ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht den nach § 66 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 66 Abs. 2 GmbHG zulässigen Antrag der Beteiligten zu 3) auf Abberufung des Beteiligten zu 4) als Liquidator der Gesellschaft zurückgewiesen und dadurch bedingt dann auch den weiteren Antrag der Beteiligten zu 3) auf Bestellung eines neuen Liquidators.

Auch die nach § 66 Abs. 1 GmbHG – wie vorliegend – durch die Gesellschaft bestellten Liquidatoren können nach § 66 Abs. 3 S. 1 GmbHG jederzeit durch das Gericht unter denselben Voraussetzungen wie die gerichtliche Bestellung nach § 66 Abs. 2 GmbHG abberufen werden. Voraussetzungen sind somit ein Antrag von Gesellschaftern, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens 10 % des Stammkapitals entsprechen – hier also der Beteiligten zu 3) mit 50% der Geschäftsanteile des Stammkapitals – und außerdem das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Dabei entspricht es einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein wichtiger Grund, der zur Abberufung eines Liquidators ermächtigt, dann vorliegen kann, wenn ohne das Eingreifen des Gerichts ein ordnungsgemäßer, reibungsloser und ungestörter Ablauf der Abwicklung ohne Benachteiligung auch nur eines Beteiligten nicht gewährleistet und somit der Abwicklungszweck gefährdet ist. Dies kann insbesondere bei groben Pflichtverletzungen des Liquidators und seiner Unfähigkeit zur ordentlichen Geschäftsführung, der Gefahr eines Interessenwiderstreits oder des Abschlusses eigennütziger, schädlicher Geschäfte oder bei begründetem Misstrauen gegenüber seiner notwendigen Unparteilichkeit der Fall sein. Dabei kommt es auf ein Verschulden des Liquidators nicht an (vergleiche insgesamt u.a. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 30.08.2005, Az. 1 W 25/04; OLG München, Beschluss vom 20.06.2005, Az. 31 Wx 36/05; OLG Dresden, Beschluss vom 28.07.1999, Az. 15 W 841/99; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.07.1998, Az. 3 Wx 202/98; BayObLG, Beschluss vom 06.12.1995, Az. 3Z BR 216/95, jeweils zitiert nach juris; Haas in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 21. Aufl., 2017, § 66, Rn. 26 und 20 m.w.N. auch zur Lit.).

Einen wichtigen Grund im vorgenannten Sinne kann der Senat hier nicht feststellen.

Die Beteiligte zu 3) führt insoweit letztlich alleine den Umstand an, dass der Beteiligte zu 4) „offensichtlich gegebene Schadensersatzansprüche der Gesellschaft“ gegenüber der Beteiligten zu 2), die er auch als Steuerberater vertrete, nicht verfolge, während er Ansprüche der Gesellschaft gegen sie eingeklagt habe.

Unabhängig von der Frage, ob derartige Schadensersatzansprüche der Gesellschaft tatsächlich bestehen, begründet deren Nichtgeltendmachung durch den Beteiligten zu 4) vorliegend keine grobe Pflichtverletzung, die ein begründetes Misstrauen gegenüber seiner notwendigen Unparteilichkeit begründen könnte.

Der Liquidator einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat nach § 70 S.1 GmbHG die laufenden Geschäfte der Gesellschaft zu beendigen, die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die Forderung derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen, wobei er die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Letztlich hat er das danach verbleibende Vermögen nach § 72 GmbHG an die Gesellschafter auszuschütten.

Insoweit hat sich auch der Beteiligte zu 4) an diesen Anforderungen messen zu lassen. Er hat also zu prüfen, ob er zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Gesellschaft die von der Beteiligten zu 3) behauptete Gesellschaftsforderung gegen die Beteiligte zu 2) geltend machen und erforderlichenfalls titulieren lassen muss.

Allerdings gehen die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4) – unabhängig von der von den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) insoweit aufgeworfenen Frage der jeweiligen Parteistellungen in den unter I. dieses Beschlusses aufgeführten Urteilen des Landgerichts Darmstadt bzw. des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main – in diesem Zusammenhang zu Unrecht wohl davon aus, dass in den Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt (Az. A1/13) und nachfolgend des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Az. 13 U 81/14) bereits entschieden worden ist, dass keine wettbewerbswidrige Tätigkeit der hiesigen Beteiligten zu 2) und somit keine Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen diese bestehen. In den dortigen Verfahren war die Frage des Bestehens derartiger Schadensersatzansprüche, wie sich aus den Gründen der beiden vorgenannten Entscheidungen ergibt, schon nicht im Rahmen einer von der hiesigen Beteiligten zu 3) etwa erklärten Aufrechnung, also durch Geltendmachung einer Gegenforderung zu prüfen, sondern lediglich als eine nicht der Rechtskraft fähige Einwendung gegen die dort gegenüber der hiesigen Beteiligten zu 3) geltend gemachten Darlehensrückforderung.

Davon abgesehen, durfte der Beteiligte zu 4) die entsprechenden Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Darmstadt (Az. A1/13) und in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Az. 13 U 81/14) zum Nichtbestehen eines derartigen Schadensersatzanspruches der Gesellschaft gegen die hiesige Beteiligte zu 2) im Rahmen seiner eigenverantwortlich zu treffenden Entscheidung, ob er den von der Beteiligten zu 3) behaupteten Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Beteiligte zu 2) geltend macht, aber ohne Weiteres berücksichtigen. Im Hinblick auf diese gerichtlichen Feststellungen stellt es jedenfalls keine grobe Pflichtverletzung des Beteiligten zu 4) dar, die ein begründetes Misstrauen gegenüber seiner notwendigen Unparteilichkeit begründen könnte, wenn er unter Berücksichtigung dieser – wenn auch nicht rechtskräftigen – gerichtlichen Feststellungen von immerhin zwei Gerichtsinstanzen zum Nichtbestehen des von der Beteiligten zu 3) behaupteten Schadensersatzanspruches zu dem Ergebnis kommt, von dessen Geltendmachung, die im Falle eines hierzu erforderlichen gerichtlichen Verfahrens darüber hinaus mit einem erheblichen Kostenrisiko für die Gesellschaft verbunden wäre, abzusehen.

Ein begründetes Misstrauen ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligte zu 3) im Wege der actio pro socio zu Gunsten der Gesellschaft einen rechtskräftigen Auskunftstitel gegen die Beteiligte zu 2) im weiteren Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt (Az. A2/14) erstritten hat, auf den der Beteiligte zu 4) bislang keine entsprechenden Vollstreckungsmaßnahmen zu Gunsten der Gesellschaft eingeleitet hat. Es gibt zunächst keinen allgemeinen Grundsatz, wonach ein Liquidator im Rahmen der Abwicklung nach § 70 GmbHG zwingend sämtliche zu Gunsten der Gesellschaft bestehende Titel zu vollstrecken hat. Auch insoweit hat der Beteiligte zu 4) in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob er die Vollstreckung eines Urteils zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Gesellschaft für erforderlich hält. Dass die hier zu Gunsten der Gesellschaft titulierte Auskunft nur dann für diese von Belang sein kann, wenn auch dem Grunde nach der von der Beteiligten zu 3) behauptete Schadensersatzanspruch tatsächlich besteht, ist offensichtlich. Zur Beurteilung dieser Frage des Bestehens dieses Schadensersatzanspruches dem Grund nach durfte der Beteiligte zu 4) aber – wie oben dargelegt – die einen derartigen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach verneinenden Ausführungen des Landgerichts Darmstadt (Az. A1/13) und des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Aktenzeichen 13 U 81/14) heranziehen, ohne dass dies eine grobe Pflichtverletzung darstellt.

Darüber hinaus ist in dem Urteil des Landgerichts Darmstadt zu Az. A2/14 auf dessen Seite 10 ausdrücklich niedergelegt, dass gerade nicht entschieden werden müsse, ob der Gesellschaft der geltend gemachte Schadensersatzanspruch tatsächlich zustehe, es reiche vielmehr schon der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung, hier in Form eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot, aus. Eine tiefergehende Begründung für die Bejahung dieses Verdachts enthält das Urteil nicht. Es weist insoweit lediglich allgemein darauf hin, dass die dortige Klägerin – die hiesige Beteiligte zu 2) – als Geschäftsführerin gemäß § 35 GmbH grundsätzlich während der Dauer ihres Amtes auch ohne dahingehende Vereinbarung oder Satzungsregelung einem Wettbewerbsverbot unterliege und jedenfalls der Umstand, dass die dortige Klägerin – die hiesige Beteiligte zu 2) – die Vorname2 Nachname2 und Vorname3 Nachname2, atyp. Stille BGB-Gesellschaft in die Gesellschaft einbringen sollte, nicht ausreiche, um den begründeten Verdacht eines Schadensersatzanspruches auszuräumen.

Weiterhin kann sich ein begründetes Misstrauen der Beteiligten zu 3) gegen den Beteiligten zu 4) auch nicht darauf stützen, dass sie ihre Zustimmung zu dessen Bestellung zum Liquidator, die sie in Kenntnis dessen Eigenschaft als Steuerberater der Beteiligten zu 2) abgegeben hat, im Hinblick auf die von ihr behauptete Vereinbarung der beiden Gesellschafterinnen erteilt habe, wonach in der Liquidation eine Geltendmachung von Forderungen der Gesellschaft gegenüber ihren Gesellschafterinnen nicht erfolgen solle. Eine derartige Vereinbarung hat die Beteiligte zu 3) über zwei Instanzen der streitigen Zivilgerichtsbarkeit schon nicht beweisen können, so dass auch der Senat keine Veranlassung hat, hier eine weitere Aufklärung von Amts wegen zu betreiben. Davon abgesehen, ist es auch sehr fraglich, ob ein Liquidator zu Lasten der von ihm zu liquidierenden Gesellschaft und damit letztlich auch zu Lasten möglicher Gläubiger der betreffenden Gesellschaft von der Geltendmachung von berechtigten Forderungen der von ihm zu liquidierenden Gesellschaft überhaupt absehen dürfte, auch wenn die Gesellschafter entsprechende Beschlüsse gefasst hätten (zum Vorbehalt des Gläubigerschutzes und des Abwicklungszwecks bei Vorgaben der Gesellschafter an den Liquidator vgl. Haas, a.a.O., § 70, Rn. 12).

Im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen kann der Senat auch nicht erkennen, dass der Beteiligte zu 4) an der ordnungsgemäßen Abwicklung der Gesellschaft unter Berücksichtigung seiner aus §§ 70, 72 GmbHG folgenden Aufgaben aufgrund eines durch dessen Eigenschaft als Steuerberater der Beteiligten zu 2) „unüberwindbaren Loyalitätskonflikts“ gehindert wäre. Davon abgesehen, wird es auch dem Beteiligten zu 4) bewusst sein, dass er sich möglicherweise selbst schadensersatzpflichtig machen kann, wenn er seine gesetzesmäßigen Aufgaben als Abwickler schuldhaft nicht ordnungsgemäß erfüllt, so, wenn er beispielsweise durch die Nichtgeltendmachung berechtigter Gesellschaftsforderungen das an die Gesellschafter auszuschüttende Vermögen zu Unrecht minimiert.

Letztlich begründet auch der weitere Umstand, dass sich der Beteiligte zu 4) durch dieselben Verfahrensbevollmächtigten vertreten lässt, wie die Beteiligte zu 2) im Verfahren vor dem Landgericht Darmstadt zu Az. A2/14, kein begründetes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Beteiligten zu 4). Ob ein derartiges Verhalten der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 4) möglicherweise gegen Standesrecht bzw. § 43a BRAO verstößt, ist hierfür unerheblich.

Mithin belegen die von den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) angeführten Umstände eine grobe Pflichtverletzung des Beteiligten zu 4) oder ein begründetes Misstrauen gegenüber seinen notwendigen Unparteilichkeit nicht.

Andere Umstände, die darüber hinaus einen wichtigen Grund zu dessen Abberufung begründen könnten, sind nicht vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 4) sonstige mögliche Forderungen der Gesellschaft nicht geltend machen würde. Vielmehr ergibt sich auch aus der von den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3) vorgelegten auszugsweisen Korrespondenz im Verfahren des Landgerichts Darmstadt zu Az. A1/13, dass der hiesige Beteiligte zu 4) dort erklärt hat, dass es sich bei der dort gegen die hiesige Beteiligte zu 3) eingeklagten Darlehensrückforderung um die einzige, noch offene Forderung der Gesellschaft handele.

Eines Ausspruchs im Tenor dieses Beschlusses zur Tragung der Gerichtskosten im Verfahren der Beschwerde bedurfte es nicht, da die Beteiligte zu 3) diese Gerichtskosten als Beschwerdeführerin bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung schuldet (§§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG) und kein Anlass zu einer abweichenden Kostenentscheidung insoweit besteht.

Die Entscheidung über die Erstattung entstandener notwendiger Aufwendungen für das Verfahren der Beschwerde folgt aus § 84 FamFG, wonach das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen soll, der es eingelegt hat. Gründe, von diesem gesetzlich normierten Grundsatz im Hinblick auf den Beteiligten zu 4) ausnahmsweise abzuweichen, sieht der Senat im vorliegenden Fall nicht. Allerdings hält der Senat eine Erstattung von den Beteiligten zu 1) und 2) im Verfahren der Beschwerde gegebenenfalls entstandenen notwendigen Aufwendungen nicht für angezeigt, nachdem diese – im Übrigen wie bereits auch im Verfahren vor dem Amtsgericht – im Verfahren der Beschwerde keinerlei Stellungnahmen abgegeben haben.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für die Beschwerde folgt aus §§ 61 Abs. 1, 2, 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG i.V.m. § 375 Nr. 6 FamFG, §§ 66 Abs. 2 und 3 GmbHG. Der Senat hält die Festsetzung des in § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG jedenfalls für Verfahren erster Instanz, bei denen es um die Ernennung oder Abberufung von Personen bei Kapitalgesellschaften geht, normierten Regelwertes von 60.000,00 Euro auch für das Verfahren der Beschwerde für angemessen. Dass diese Festsetzung hier nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig wäre, mithin bei Anwendung von § 67 Abs. 3 GNotKG die Festsetzung eines höheren oder niedrigeren Geschäftswertes erforderlich wäre, kann nicht festgestellt werden, nachdem die Beteiligte zu 3) Ansprüche der Gesellschaft gegen die Beteiligte zu 2) behauptet, die den Betrag von 60.000,00 € weit übersteigen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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