OLG Frankfurt am Main, 24.10.2017 – 10 U 201/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 24.10.2017 – 10 U 201/16
Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.10.2016 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Gründe

I.

Der Kläger hat die Beklagte nach im Dezember 2015 erklärtem Widerruf auf Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung für einen am 23.6.2009 abgeschlossenen, grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag in Anspruch genommen. Der Vertrag (Anl. K 2, Bl. 7 ff. d.A.) enthielt eine Widerrufsbelehrung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 11 d.A. Bezug genommen wird. Das Darlehen, für welches eine Zinsbindung von 10 Jahren vereinbart war, hatte er gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau aufgenommen, welche ihm ihre Ansprüche abgetreten hat. Die Eheleute zahlten im Zusammenhang mit ihrer Trennung auf ihren Wunsch das Darlehen im Mai 2015 vorzeitig gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zurück.

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft; auf die Schutzwirkung des Musters der Anl. 2 zu § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Widerrufsbelehrung vom Muster abweiche.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB, weil diese im Hinblick auf die entsprechende Vereinbarung der Parteien mit Rechtsgrund gezahlt worden sei. Diese Absprache stelle eine Vereinbarung über die Beendigung des ursprünglichen Darlehensvertrags dar, welcher der Widerruf der Vertragserklärung nicht entgegenstehe. Denn das Widerrufsrecht sei durch die einvernehmliche Beendigung des Vertrags entfallen. Jedenfalls sei der Widerruf nicht fristgemäß erfolgt; die Widerrufsbelehrung sei ordnungsgemäß. In der Formulierung, der Darlehensnehmer sei bei einem Widerruf nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden, liege kein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot. Der zutreffende Hinweis, dass der Widerruf keine Begründung enthalten müsse, unter der Zwischenüberschrift „Form des Widerrufs“ sei ordnungsgemäß. Die Verwendung des unscharfen Begriffs „Exemplar der Widerrufserklärung“ stelle insoweit kein Hindernis dar; aus dem Gesamtzusammenhang ergebe sich, dass damit die „Widerrufsbelehrung“ gemeint sei. Die Formulierung zum Fristbeginn sei nicht irreführend. Ein Widerspruch zur Musterwiderrufsbelehrung sei nicht gegeben. Der Einwand der unzureichenden Hervorhebung der Widerrufsbelehrung greife nicht durch. Selbst wenn man die Widerrufsbelehrung als fehlerhaft ansehe, weil sie nicht dem Muster der BGB-InfoV gefolgt sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Bei der Musterbelehrung handele es sich um keine zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Selbst wenn man die Ausführungen zum Beginn des Fristlaufs nicht teile, stehe der Ausübung des Widerrufsrechts der Einwand der Verwirkung entgegen. Unter anderem hätten der Kläger und seine Mitdarlehensnehmerin im Zusammenhang mit der Anfrage nach der vorzeitigen Auflösung des Darlehensvertrags nicht zu erkennen gegeben, dass sie aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht an dem Darlehensvertrag festhalten wollten. Durch diese Anfrage und die Bereitschaft zur einvernehmlichen Vertragsauflösung im Rahmen der vertraglichen Absprache sei die Beklagte in ihrer Annahme bestärkt worden, dass der Kläger und seine Mitdarlehensnehmerin den Darlehensvertrag ohne Übereilung bewusst eingegangen seien und auch im Nachhinein keine Absicht gehabt hätten, ihr Widerrufsrecht auszuüben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt: Entgegen der Auffassung des Landgerichts betreffe die Frage, ob der Widerruf eine Begründung enthalten müsse, nicht dessen Form, sondern dessen Inhalt. Da es sich hierbei um eine wesentliche Regelung handele, habe „der Gesetzgeber“ diese Belehrung bereits in dem ersten Satz der Musterbelehrung aufgenommen. Unter der Zwischenüberschrift „Form des Widerrufs“ werde dieser Hinweis von einem durchschnittlichen Kunden nicht erwartet. Auch handele es sich bei der fehlerhaften Verwendung des Begriffs „Widerrufserklärung“ anstelle von „Widerrufsbelehrung“ nicht lediglich um einen unscharfen Begriff. Es bestehe die Gefahr, dass der Darlehensnehmer verunsichert werde und deshalb von einem Widerruf Abstand nehme. Der unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“ enthaltene Satzteil „- beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erbrachten Leistung ausgeschlossen ist -“ sei bei einem Darlehensvertrag fehlerhaft, weil der rechtlich unerfahrene (nicht?) geschulte Darlehensnehmer nicht erkennen könne, bei welcher Leistung eine gänzliche oder teilweise Rückgewährung ausgeschlossen sei. Der Hinweis „Dies kann dazu führen, dass der Darlehensnehmer die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen muss“ sei nur bei einem – hier nicht vorliegenden – Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen einzufügen. Hierdurch werde der Darlehensnehmer verunsichert, ob er sein Widerrufsrecht ausüben könne. Gleiches treffe auf die danach folgenden 2 Sätze „Dies gilt auch für den Fall, …, wenn er die Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nimmt“ zu. Auch die drucktechnische Form genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen. Die Beklagte verwende ein viel zu kleines Schriftbild; die Belehrung sei gegenüber den anderen Vertragsteilen drucktechnisch nicht hervorgehoben; die Beklagte verwende auch für andere Vertragsteile einen Rahmen. Das Widerrufsrecht sei auch nicht durch die „Vereinbarung über Zahlung von Aufhebungsentgelt vom 17.04.2015“ erloschen. Die Vereinbarung ziele darauf ab, die vertraglichen Verpflichtungen einvernehmlich zu ändern, nicht hingegen darauf, Pflichten aufgrund gesetzlich bestehender Gestaltungsrechte vollständig und abschließend aufzuheben. Rechtsfehlerhaft sei das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ausübung des Widerrufsrechts gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Die Ausübung des Widerrufsrechts sei 6 1/2 Jahre nach Vertragsschluss und nur 6 Monate nach vollständiger Darlehensrückführung erfolgt. Zwar könne die Vereinbarung über die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich ein Umstandsmoment darstellen. Ein Zeitraum von 6 Monaten zwischen Vertragsaufhebung und Ausübung des Widerrufsrechts sei aber zu gering, um das Zeitmoment bejahen zu können.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 21.10.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.315,81 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.5.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und beruft sich überdies auf Unwirksamkeit des Widerrufs gem. § 218 BGB wegen Verjährung des Anspruchs auf Erteilung einer fehlerfreien Belehrung.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache hat zudem keine grundsätzliche Bedeutung, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht aus anderen Gründen geboten ist (§ 522 Abs. 2 ZPO).

Entgegen der Auffassung des Klägers erfüllt die Widerrufsbelehrung die gesetzlichen Anforderungen (hier: § 355 Abs. 2 BGB i.d.F. vom 2.12.2004), so dass die zweiwöchige Frist im Zeitpunkt des Widerrufs abgelaufen war und der Kläger bereits deshalb keine Ansprüche gegen die Beklagte hat. Soweit er sich darauf beruft, die Belehrung entspreche nicht der Musterwiderrufsbelehrung, so kommt es darauf nicht an; die Übereinstimmung mit der Musterwiderrufsbelehrung nach Anl. 2 zu § 14 der BGB-InfoV ist nur von Bedeutung, wenn die Belehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Unter dem Gesichtspunkt des Deutlichkeitsgebotes des § 355 Abs. 2 BGB a.F ist es unschädlich, dass unter der Zwischenüberschrift „Form des Widerrufs“ darauf hingewiesen wurde, der Widerruf müsse keine Begründung enthalten. Zum einen wird der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher (dazu z.B. BGH, Urteil vom 20.11.2016, XI ZR 434/15, ZIP 2017, 417, 418 [BGH 22.11.2016 – XI ZR 434/15], Tz. 15) die Frage, ob die Widerrufserklärung eine Begründung enthalten muss, als Formalität zur Form im weiteren Sinne rechnen. Zum anderen ist auszuschließen, dass der verständige Verbraucher durch diese textliche Anordnung irritiert wird. Zwar sieht sich der Kläger dadurch bestätigt, dass „der Gesetzgeber“ diese Belehrung bereits in den ersten Satz der Musterbelehrung aufgenommen habe; demgegenüber ist erneut darauf zu verweisen, dass die Übereinstimmung mit dem vom Verordnungsgeber zur Verfügung gestellten Muster lediglich bei einer unwirksamen Belehrung deren Wirksamkeit fingiert, nicht aber eigene Voraussetzungen für die Wirksamkeit schafft.

Die Belehrung ist nicht deshalb falsch oder auch nur entgegen den gesetzlichen Anforderungen nicht ausreichend deutlich, weil als eine Voraussetzung für den Beginn der Frist für den Widerruf die Zurverfügungstellung eines Exemplars „dieser Widerrufserklärung“ angegeben war. Der angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher erkennt, dass es sich bei dem Wort „Widerrufserklärung“ um ein sprachliches Versehen handelte und in Wahrheit die „Widerrufsbelehrung“ gemeint war. Der hinweisende Artikel „dieser“ kann sich nur auf die Widerrufsbelehrung beziehen, die der Bankkunde vor sich hat (ebenso OLG Frankfurt am Main, Beschl. vom 25.07.2016, 19 U 9/16, juris Rnr. 4).

Auch die Formulierung der Belehrung zu den Widerrufsfolgen widerspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a.F. So wird die Gesetzmäßigkeit der Belehrung nicht durch den Satz verfehlt: „Kann ich die von der Bank mir gegenüber erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewähren – beispielsweise, weil dies nach dem Inhalt der erhaltenen Leistung ausgeschlossen ist -, so bin ich verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten“. Denn die Belehrung knüpft zulässigerweise an die abstrakte Regelung des § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB an. Zudem weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Bank dem Darlehensnehmer als vertragliche Leistung die Nutzung des Darlehenskapitals gewährt, die als solche nicht zurückgegeben werden kann.

Unerheblich ist der Umstand, dass der Hinweis „Dies kann dazu führen, dass der Darlehensnehmer die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen muss“ nach der Musterwiderrufsbelehrung Anl. 2 zu § 14 BGB InfoV nur bei einem Fernabsatzvertrag über Finanzdienstleistungen einzufügen war. Denn der Hinweis ist auch für einen nicht im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Darlehensvertrags zutreffend.

Ebenso führen die folgenden Sätze „Dies gilt auch für den Fall, dass er die von der Bank erbrachte Leistung bestimmungsgemäß genutzt hat. Diese Verpflichtung zum Wertersatz kann der Darlehensnehmer vermeiden, wenn er die Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nimmt“ den durchschnittlichen Verbraucher nicht in die Irre. Denn aus der Passage ist zwanglos zu entnehmen, dass es im Fall eines Widerrufs günstiger ist, die ausgezahlte Darlehensvaluta nicht zu verbrauchen, da der Darlehensnehmer sie so zurückerstatten kann, ohne eigene Mittel einzusetzen.

Entgegen der Auffassung des Klägers genügt auch die Gestaltung der Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 a.F. BGB. Das Schriftbild weicht nicht von demjenigen des übrigen Vertragstextes ab. Allein, dass eine einzelne, mehrere Seiten vor der Widerrufsbelehrung befindliche Passage zu den zu stellenden Sicherheiten in einem größeren Schriftbild verfasst ist, ändert daran nichts. Vielmehr ist die Widerrufsbelehrung durch eine schwarze Umrahmung, Fettdruck der Zwischenüberschriften und eine nochmalige Umrahmen der Widerrufsadresse hinreichend deutlich vom übrigen Vertragstext abgehoben. Der Umstand, dass andere Vertragsteile ebenfalls umrahmt sind, lässt die deutliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung nicht entfallen. Zudem befindet sich diese an prominenter Stelle unmittelbar zwischen dem Unterschriftsfeld und dem Feld für die ebenfalls vom Verbraucher zu unterschreibenden Empfangsbestätigung, so dass ein Übersehen der Belehrung ausgeschlossen ist.

Hinsichtlich der weiteren erstinstanzlich behaupteten Fehler der Widerrufsbelehrung wird auf die zutreffende Begründung des Landgerichts Bezug genommen.

Darüber hinaus ist mit dem Landgericht Verwirkung des Widerrufsrechts zu bejahen (§ 242 BGB). Das Widerrufsrecht ist verwirkt, wenn sich der andere Vertragspartner wegen der Untätigkeit des Berechtigten über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des anderen Vertragspartners rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Darlehensgebers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urteile vom 12.7.2016, XI ZR 501/15, NJW 2016, 3518, 3521, 3522, Tz. 41; vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246, Tz. 30; vom 14.3.2017, XI ZR 442/16, WM 2017, 849, 851, Tz. 28). Nach den vorliegenden Umständen hat der Kläger den Widerruf 61/2 Jahre nach dem Zustandekommen des Verbraucherdarlehensvertrags (dazu als maßgeblichem Zeitpunkt BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, NJW 2017, 243, 246, Tz. 31) erklärt. Damit war ein Zeitraum vergangen, der für die Begründung einer Verwirkung des Widerrufsrechts ausreichte. Auch das so genannte Umstandsmoment ist erfüllt. Die Parteien hatten sich auf Wunsch des Klägers und seiner damaligen Ehefrau auf eine vorzeitige Ablösung des auf eine Laufzeit von 10 Jahren angelegten Kredits geeinigt. Damit war der Darlehensvertrag durch Begleichung aller offenen Forderungen beendet (s. zu einem gleichgelagerten Fall Senat, Urteil vom 30.6.2017, 10 U 53/16; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12.9.2017, XI ZR 365/16, Rnr. 8: einvernehmliche Vertragsbeendigung bei der Verwirkung von maßgeblichem Gewicht).

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