OLG Frankfurt am Main, 26.09.2017 – 3 U 86/17

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 26.09.2017 – 3 U 86/17
Leitsatz:

1.

Den formellen Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung ist genügt, wenn diese im zehnten und letzten Abschnitt des nur eine DIN A4-Seite umfassenden Antragsformulars enthalten, abweichend von den darüber stehenden Abschnitten in Fettdruck gehalten ist und sich direkt über der Unterschriftszeile befindet.
2.

Die Ausübung eines Widerrufsrechts ist nach Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag 24 Jahre nicht nur erfüllt, sondern ihn auch laufend erweitert und umgestaltet hat.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17.03.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden (Az. 9 O 60/17) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert für die Berufung wird auf 19.510,31 € festgesetzt.
Gründe

I.

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die Darstellung im Hinweisbeschluss vom 01.09.2017 (Bl. 216 ff. d.A.) sowie den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 137 ff. d.A.) verwiesen.

Auf den Hinweisbeschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.09.2017 (Bl. 240 ff. d. A.) Stellung genommen, auf den verwiesen wird.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage nach den erstinstanzlichen Anträgen stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel der Klägerin war gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch ist aus Gründen der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil erforderlich. Zur Begründung wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 01.09.2017 (Bl. 216 ff. d.A.) verwiesen.

1. Soweit die Klägerin auf die Hinweise des Senats mit Schriftsatz vom 18.09.2017 Stellung genommen hat, gibt das darin Vorgebrachte keine Veranlassung, von der Einschätzung im Hinweisbeschluss abzuweichen:

Anders als in der durch die Klägerin angeführten Entscheidung des BGH vom 16.10.2013 (Az. IV ZR 52/12) trägt hier im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH zu § 8 Abs. 4 S. 4 VVG a. F. die äußere Form der Belehrung dem Aufklärungsziel ausreichend Rechnung, so dass eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers gewährleistet ist (siehe nur BGH Beschluss vom 16.11.1995, Az. I ZR 25/94, Rn. 21, zitiert nach juris). Denn anders als in dem durch den BGH am 16.10.2013 entschiedenen Fall umfasst das Antragsformular hier nur eine klar in zehn Abschnitte untergliederte Seite, deren zehnter und letzter Abschnitt die fettgedruckte Widerrufsbelehrung beinhaltet. Anders als in dem durch den BGH entschiedenen Fall befindet sich die Widerrufsbelehrung in einem eigenen Absatz direkt über der Unterschriftszeile, wobei der die Widerrufsbelehrung enthaltende Abschnitt nur zwei kurze Absätze umfasst.

b) Anders als die Klägerin meint, ist ihr zudem nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Ausübung des Widerrufsrechts nach 24 Jahren im Jahr 2015 verwehrt. Wie auch schon im Hinweisbeschluss ausgeführt, steht der noch laufende Vertrag nur einer Verwirkung entgegen, während sich die Klägerin hier wegen widersprüchlichen Verhaltens nicht mehr auf ihr Widerrufsrecht berufen kann, da die Beklagte aus dem Verhalten der Klägerin – insbesondere der erheblichen Vertragserweiterung – darauf schließen durfte, dass diese den Vertrag fortsetzen wolle und nicht mehr widerrufen werde.

c) Entgegen der durch die Klägerin vertretenen Meinung hat die Rechtssache auch weder grundsätzliche Bedeutung noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Denn über die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsfrage, wie die Regelung § 8 Abs. 4 S. 4 VVG a. F. („Der Versicherungsnehmer ist über sein Widerrufsrecht schriftlich zu belehren“) auszulegen ist, sind in der Rechtsprechung keine unterschiedlichen Auffassungen geäußert worden (Zöller-Heßler, 30. Auflage 2014, § 522 Rn. 38). Der Bundesgerichtshof hat vielmehr in seiner Entscheidung zu § 8 Abs. 4 S. 4 VVG a. F. vom 16.10.2013 seine ständige Rechtsprechung seit dem Jahr 1995 (Beschluss vom 16.11.1995, Az. I ZR 25/94, Rn. 21, zitiert nach juris) zu dieser Regelung fortgeführt, nach der erforderlich ist, dass die äußere Form der Belehrung dem Aufklärungsziel Rechnung trägt, so dass nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen um das es geht zu vermitteln, als Belehrung im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 4 VVG a. F. angesehen werden kann.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO. Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts folgt den nicht angegriffenen Vorgaben des Landgerichts.

Vorausgegangen ist unter dem 1. September 2017 folgender Hinweis (die Red.):

In dem Rechtsstreit (…)

wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.

Nach Vornahme der gemäß § 522 I und II ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Abweisung ihrer Klage in erster Instanz. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Versicherungsvertrags.

Im November 1991 beantragte die Klägerin, die damals noch den Nachnamen X trug, bei der Beklagten den Abschluss einer Kapitallebensversicherung mit Rentenwahlrecht über eine Versicherungssumme von 18.493,- DM bei einem monatlichen Beitrag von zunächst 50,- DM beginnend ab 01.12.1991 über eine Laufzeit von 33 Jahren. Weiter beantragte die Klägerin die laufende Erhöhung der Beiträge und Leistungen sowie die Auszahlung der Versicherungssumme zu gleichen Teilen nach 12, 16, 24, 29 und 33 Jahren. Die Beklagte nahm den Antrag umgehend an.

Der nur eine DIN A 4-Seite umfassende Antrag enthielt direkt über der Unterschriftszeile folgenden im Gegensatz zum übrigen Text fettgedruckten Abschnitt, der mit einem Querstrich vom Rest des eine Seite umfassenden Antragsformulars abgegrenzt war:

Wegen der Einzelheiten der Widerrufsbelehrung wird auf die Anlagen K1/BLD 1 a im Anlagenband verwiesen.

In der Folge nahm die Klägerin die Erhöhung der Beiträge auf 55,- DM ab Dezember 1993, auf 60,50 DM ab Dezember 1995, auf 66,55 DM ab Dezember 1997, auf 73,20 DM ab Dezember 1999, auf 80,52 € ab Dezember 2001 und auf 45,28 € (88,56 DM) widerspruchslos hin.

Im November 1998 beantragte die Klägerin beginnend ab 01.01.1999 statt den zunächst vereinbarten Teilauszahlungen ab dem 12. Vertragsjahr die Auszahlung der Versicherungssumme erst nach Ende der Laufzeit von 33 Jahren und zugleich eine Erhöhung der Versicherungssumme von 18.493,- DM auf 60.342,- DM (Anlage BLD 2, Bl. 55 d. A.). Im September 2000 setzte die Klägerin statt ihrer Eltern ihren Ehemann als Bezugsberechtigten für den Todesfall ein. (Anlage BLD 3, Bl. 56 d. A.). Im Juni 2005 beantragte die Klägerin die Umstellung auf jährliche Zahlungsweise jeweils zum Beginn des Versicherungsjahres (Anlage BLD 5, Bl. 58 d. A.).

Mit Schreiben vom 03.12.2015 (Anlage K 4) erklärte die Klägerin, vertreten durch die Deutsche Verrechnungsstelle für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen den Widerruf des Versicherungsvertrags (Anlage K 4). Bis Dezember 2015 hatte die Klägerin Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 11.504,70 € an die Beklagte geleistet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei mangels einer hinreichend deutlichen Widerrufsbelehrung nicht verfristet.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Ausübung des Widerrufsrechts sei verwirkt, jedenfalls aber rechtsmissbräuchlich.

Im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und diese Entscheidung begründet wie folgt:

Ein Widerrufsrecht habe der Klägerin nicht mehr zugestanden. Zwar sei das Widerrufsrecht der Klägerin aus § 8 Abs. 4 VVG a. F. mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung nicht verfristet. Denn die Form der Belehrung trage dem Aufklärungsziel nicht ausreichend Rechnung. Die Belehrung weiche im Schriftbild nicht von dem übrigen Inhalt des Antrags ab. Auch sei die Widerrufsbelehrung in dem mit der Überschrift „Unterschriften“ versehenen Absatz abgedruckt, so dass bei dem Versicherungsnehmer der Eindruck erweckt werde, es seien nur noch die abschließenden Unterschriften zu leisten. Auch fände sich vor der Widerrufsbelehrung noch der Hinweis auf die Schlusserklärung.

Der Klägerin sei es aber unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs verwehrt, sich auf ihr Widerrufsrecht zu berufen. Es lägen über die Vertragstreue hinausgehende Umstände vor, aufgrund der sich die Ausübung des Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich darstelle. Die Klägerin habe über eine Vertragslaufzeit von 24 Jahren mehrfach gestaltend in das Vertragsverhältnis eingewirkt und damit ihren Willen dokumentiert, am Vertrag festhalten zu wollen. Die Beklagte habe damit trotz der nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung darauf vertrauen können, dass die Klägerin den Vertrag fortführen werde.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und auch fristgerecht begründeten Berufung, die sie begründet wie folgt:

Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass bereits das vertragskonforme Verhalten der Klägerin ausreiche, ihr unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs die Berufung auf ihr Widerrufsrecht zu verwehren.

Allein der Umstand, dass die Klägerin gestaltend auf das Vertragsverhältnis eingewirkt habe, lasse nicht den Schluss darauf zu, dass sie am Vertrag habe festhalten wollen.

Einer Verwirkung des Widerrufsrechts komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Versicherungsvertrag noch laufe und die Beklagte der Klägerin als Versicherungsnehmerin keine korrigierte Widerrufsbelehrung habe zukommen lassen. Allein das vertragstreue Verhalten des Versicherungsnehmers in dem Glauben, ihm stehe keine Widerrufsrecht zu, könne keinen besonderen Umstand begründen, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer nur seine Beiträge zahle oder den Vertrag wie die Klägerin aktiv manage.

Der Klägerin stehe ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch in Höhe von 19.510,31 € zu, der sich aus den Beiträgen in Höhe von insgesamt 11.504,70 € abzüglich der Risikokosten von 921,35 € und zuzüglich der Nutzungsentschädigung von 8.926,96 € zusammensetze.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 17.03.2017 (Az. 9 O 60/17 abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19.510,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.12.2015 zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte betont, der Widerruf der Klägerin sei schon verfristet. Die Widerrufsbelehrung sei auch formell ordnungsgemäß. Die Form der Belehrung trage dem Aufklärungsziel Rechnung und sei geeignet, einen durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmer auf sein Widerrufsrecht hinzuweisen, da sie sich durch Fettdruck vom übrigen Inhalt des Antragsformulars hervorhebe und sich direkt über der Unterschriftszeile befinde.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Weder die vorgebrachten Berufungsgründe noch die gemäß § 529 Abs. 2 S. 2 ZPO von Amts wegen durchzuführende Prüfung lassen erkennen, dass die Klageabweisung auf einer Rechtsverletzung beruht oder dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin gegen die Beklagte kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch zusteht. Dem hat der Senat lediglich noch folgendes hinzuzufügen:

1. Das Widerrufsrecht der Klägerin aus § 8 Abs. 4 VVG a. F. war am 03.12.2015 bereits verfristet. Die Widerrufsfrist von zehn Tagen aus § 8 Abs. 4 S. 1 VVG a. F. hat bereits mit Unterschrift der Klägerin unter das Antragsformular im November 1991 zu laufen begonnen und ist nach Fristablauf erloschen. Denn entgegen der durch die Klägerin vertretenen Auffassung genügt die Widerrufsbelehrung im Versicherungsantragsformular formell und inhaltlich den durch den BGH mit Urteil vom 16.10.2013 (Az. IV ZR 52/12) aufgestellten Anforderungen:

a) Formell ist dem BGH nach erforderlich, dass die äußere Form der Belehrung dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Danach kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung im Sinne des § 8 Abs. 4 S. 4 VVG a. F. angesehen werden (BGH, Urteil vom 16.10.2013, Az. IV ZR 52/12, Rn. 14 f., zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 20.07.2016, Az. IV ZR 166/12, Rn. 12 f., zitiert nach juris). Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung gerecht: Denn die Belehrung ist im zehnten und letzten Abschnitt des nur eine DIN A 4-Seite umfassenden Antragsformulars enthalten, der abweichend von den darüber stehenden Abschnitten in Fettdruck gehalten ist, wobei sich der die Widerrufsbelehrung enthaltende zweite und letzte Absatz dieses Abschnitts direkt über der Unterschriftszeile befindet. Auch für den BGH sind der Fettdruck und die Lage direkt über der Unterschriftszeile wesentliche Kriterien für eine formell ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung (BGH, Beschluss vom 14.05.2014, Az. IV ZA 5/14, Rn. 17, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 16.10.2013, Az. IV ZR 52/12, Rn. 15, zitiert nach juris.

Dem steht abweichend von der durch die Klägerin vertretenen Meinung nicht entgegen, dass der Abschnitt an der Seite mit „Unterschriften“ betitelt ist ohne Hinweis auf die Widerrufsbelehrung. Denn die Widerrufsbelehrung befindet sich direkt über der schmalen Unterschriftszeile, so dass sichergestellt ist, dass auch mit dem Titel „Unterschriften“ der Blick des durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Versicherungsnehmers direkt auf die fettgedruckte Widerrufsbelehrung gelenkt wird. Auch der nur zweieinhalb Zeilen umfassende erste Absatz des Abschnitts mit dem Hinweis auf die Schlusserklärung ist nicht geeignet, von der Widerrufsbelehrung abzulenken. Selbst wenn der Hinweis zunächst zu einer Einsicht in die auf der Rückseite des Vertragsformulars befindliche Schlusserklärung führt, wird der Versicherungsnehmer seine Aufmerksamkeit doch anschließend umgehend wieder auf die Widerrufsbelehrung richten. Denn auch die Schlusserklärung auf der Rückseite des Antragsformulars weist mit dem einzigen fettgedruckten Satz der Erklärung auf die Widerrufsmöglichkeit hin. Auch wird der fettgedruckte, auch die Widerrufsbelehrung enthaltende Abschnitt über der Unterschriftszeile mit den Worten: „Bevor sie diesen Antrag unterschreiben (…)“ eingeleitet, die zu einer sorgfältigen Durchsicht des vollständigen insgesamt nur zwei kurze Absätze umfassenden Abschnitts anhalten.

b) Inhaltlich muss dem BGH nach die Widerrufsbelehrung möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Verbrauchers eindeutig sein (BGH, a.a.O). Auch diese inhaltlichen Anforderungen erfüllt die Belehrung: Der Belehrungstext gibt inhaltlich umfassend und zugleich kurz und deutlich die gesetzliche Regelung des Widerrufsrechts in § 8 Abs. 4 S. 2 VVG a. F. wieder, nach der der Versicherungsnehmer innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsvertrags schriftlich widerrufen kann, wobei der Eingang beim Versicherer maßgeblich ist. Dementsprechend lautet der Belehrungstext: „Sie können Ihren Antrag innerhalb von zehn Tagen nach seiner Unterzeichnung widerrufen (…). Der Widerruf wird nur wirksam, wenn er in schriftlicher Form innerhalb der Frist bei der Gesellschaft eingegangen ist.“

Um Missverständnissen bei Unterschrift zunächst nur des Antrags auf Abschluss des Versicherungsvertrags vorzubeugen, stellt die Belehrung zudem klar, dass ein Widerruf auch noch nach Annahme des Antrags durch die Gesellschaft möglich ist.

2. Der Senat teilt zudem die Auffassung des Landgerichts, nach der die Ausübung des Widerrufsrechts im Jahr 2015 nach Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB).

a) Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass das Widerrufsrecht bei Annahme einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht verwirkt wäre. Denn die Beklagte dürfte dann aus dem Verhalten der nicht ordnungsgemäß belehrten Klägerin nicht darauf schließen, diese werde den noch laufenden Vertrag nicht mehr widerrufen. Schutzwürdiges Vertrauen dürfte die Beklagte dabei schon aus dem Grund nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hätte, indem sie der Klägerin keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt und auch die fortbestehende Möglichkeit der Nachbelehrung nicht genutzt hätte (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az. IV ZR 76/11, Rn. 39, zitiert nach juris; a. A., die Verwirkung bejahend: OLG Frankfurt, Urteil vom 12.10.2016, Az. 7 U 114/14, Anlage BLD 13, Bl. 211 d. A; OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014; Az. 20 U 69/14, Rn. 19 f., zitiert nach juris; OLG Köln, Teilurteil vom 13.07.2012, Az. 20 U 36/12, Rn. 7, zitiert nach juris).

b) Unabhängig vom Vorliegen einer ordnungsgemäßen Belehrung ist der Klägerin aber die Berufung auf das Widerrufsrecht im Jahr 2015 infolge ihres widersprüchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt.

Denn hier hat die Klägerin vor Ausübung des Widerrufsrechts über 24 Jahre nicht nur den Vertrag erfüllt, sondern diesen auch laufend erweitert und zudem selbst gestaltend in das Vertragsverhältnis eingegriffen, so dass unabhängig von der Bewertung der Widerrufsbelehrung das Vertrauen der Beklagten in den Fortbestand des Vertrags als schutzwürdig erscheint.

Insbesondere hat die Klägerin im November 1998 die zunächst vereinbarten Teilauszahlungen der Versicherungssumme in gleichen Teilen schon nach 12, 16, 20, 24, 29 und 33 Jahren geändert in eine Auszahlung erst nach 33 Jahren und damit den Vertrag erheblich erweitert sowie auch die Versicherungssumme erheblich – um mehr als das Dreifache – erhöht von zunächst 18.493,- DM auf 60.342 DM. Weiter hat die Klägerin in den Jahren 1993, 1995, 1997, 1999, 2001 und 2003 der laufenden Erhöhung der monatlichen Beiträge um jeweils 10 % von 50,- DM auf schließlich 45,28 € (= 88,56 DM) nicht widersprochen, was einer Beitragserhöhung um insgesamt 77 % entspricht. Auch hat die Klägerin ihren Willen, den Vertrag bis zum Ende fortzuführen dadurch manifestiert, dass sie im Jahr 2000 statt ihrer Eltern ihren Ehemann als Bezugsberechtigten für den Todesfall eingesetzt hat. Schließlich spricht auch die wirtschaftlich belastende Umstellung auf die Zahlung der Beiträge in einer Summe jeweils zu Beginn des Versicherungsjahres im Jahr 2005 für ein Festhalten der Klägerin am Versicherungsvertrag.

Damit zeigt das Verhalten der Klägerin in der Gesamtschau, dass die Klägerin den Vertrag als für sie vorteilhaft angesehen hat und diesen in jedem Fall fortsetzen wollte. Der Widerruf des Vertrags nach 24 Jahren Laufzeit im Jahr 2015 stellt sich demgegenüber als widersprüchliches Verhalten dar, mit dem die Beklagte nicht rechnen musste. Vielmehr haben insbesondere die erhebliche Erweiterung des Vertrags schon im Jahr 1998 und die von Beginn an widerspruchslos hingenommenen erheblichen Beitragserhöhungen für die Klägerin erkennbar ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in den unbedingten Bestand des Versicherungsvertrags begründet (so auch BGH Beschluss vom 27.01.2016, Az. IV ZR 130/15, Rn. 16; BGH, Beschluss vom 11.11.2015, Az. IV ZR 117/15, Rn. 16 ff., zitiert nach juris).

3. Der KIägerin bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Sie wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

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