OLG Frankfurt am Main, 26.09.2017 – 11 U 12/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 26.09.2017 – 11 U 12/16
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. Dezember 2015 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 104.185,42 € nebst Zinsen in Höhe von 4 % aus 51.071,17 € am 11. Oktober 2000, aus 77.452,42 € vom 12. Oktober 2000 bis zum 16. Oktober 2000, aus 104.185,42 € vom 17. Oktober 2000 bis 23. November 2004 und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 104.185,42 € seit dem 24. November 2004 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 22 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 78 % zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervenienten haben der Kläger 22 % und die Nebenintervenienten 78 % selbst zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe

I.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 I Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main Bezug genommen. Diese werden lediglich zur besseren Verständlichkeit des Berufungsurteils wie folgt zusammengefasst.

Der Kläger macht gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht Schäden aus Aktienkäufen geltend, die nach seinem Vortrag maßgeblich von den Ad-hoc-Mitteilungen (Sekundärmarktinformationen) der Beklagten zu 1) vom 23.03.2000 (Anlage K 34), 24.08.2000 (Anlage K 105) bzw. 09.10.2000 (Anlage K 118) beeinflusst worden seien.

Der Beklagte zu 2) war von Sommer 1997 bis Juli 2001 Vorstandsvorsitzender der damals unter A AG (folgend auch A genannt) firmierenden Beklagten zu 1). Der Nebenintervenient zu 2) (B) war von Sommer 1997 bis 31.10.1999 Finanzvorstand, danach bis zu seinem Ausscheiden am 03.12.2000 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 1), zuständig u.a. für den Bereich Public and Investor Relations.

Die Beklagte zu 1) erwarb mit Kaufvertrag vom 18.02.2000 und Wirkung zum 21.03.2000 sämtliche Anteile an der „C“. Mit Wirkung zum 12.05.2000 erwarb die Beklagte zu 1) insgesamt 100% an der „D.“, womit sie indirekt 50% der Anteile an der „F“, einer Holdinggesellschaft, die sämtliche Rechte an der E – Gruppe bündelte, erwarb. Mit der Firma G GmbH & Co. KG schloss die Beklagte zu 1) im Jahr 2000 einen Lizenzvertrag, wobei der schriftliche Vertrag erst nach dem 11.09.2000 unterzeichnet wurde.

Der Kurs der Aktie der Beklagten zu 1) lag am 30. Oktober 1997 (Börseneinführung) bei etwa 18,- €. Vom 03.01.2000 bis Anfang März 2000 stieg die Aktie und erreichte ihren Höchststand mit ca. 118,– € am 15.02.2000. Ab Mitte März 2000 sank der Börsenkurs kontinuierlich und lag am 25.08.2000 bei ca. € 55,– €, am 06.10.2000 bei ca. 59,– € und fiel im Verlauf des 09.10.2000 auf einen Schlusskurs von 39,74 €. In der Folgezeit sank der Börsenkurs bis zum 30.11.2000 auf rund 19,- € ab, ehe er nach einer von der Beklagten zu 1) am 01.12.2000 herausgegebenen Gewinnwarnung bis zum Ende des Jahres 2000 auf rund 5,50 € fiel (Anlage K 25).

Wegen zwei in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.8.2000 enthaltenen Fehlinformationen sind der Beklagte zu 2) und der Nebenintervenient zu 2) rechtskräftig wegen unrichtiger Darstellung der Gesellschaftsverhältnisse gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG verurteilt worden (Urteil des LG München I vom 8.4.2003, Anlage K 67, bestätigt durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2004, Anlage K 218).

Der Zedent (Herr H) erwarb ab dem 09.10.2000 und sodann am 10.10.2000, 13.10.2000, 16.11.2000, 22.11.2000, 23.11.2000 und am 29.11.2000 insgesamt 9700 Aktien der Beklagten zu 1) und wendete dafür insgesamt 252.855,75 € auf. Am 01.12.2000 erfolgte eine Gewinnwarnung der Beklagten zu 1). Der Zedent gab am 04.12.2000 den Auftrag an seine Banken, sämtliche dieser Aktien zu verkaufen; ihm wurden dann letztlich insgesamt 120.021,93 € gutgeschrieben. Herr H hat seine Ersatzansprüche an den Kläger, seinen Neffen, abgetreten. Der Kläger hat von den Beklagten Ersatz der Kaufpreise für die erworbenen Aktien unter Abzug der o. g. Gutschrift, hilfsweise Ersatz des Kursdifferenzschadens verlangt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 22.12.2015, auf das wegen der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ergebe sich insbesondere nicht aus § 826 BGB. Hinsichtlich der Ad-hoc-Mitteilung vom 22.03.2000 könne jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagten vorsätzlich wesentliche Informationen verschwiegen hätten. Dass es an einem bewussten Verschweigen des Bestehens einer Put-Option fehle, ergebe sich bereits daraus, dass dieser Umstand öffentlich bekannt gewesen sei. Darüber hinaus sei das Oberlandesgericht München in einem Parallelrechtsstreit zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Ad-hoc-Mitteilung nicht als unzureichend und damit falsch einzuordnen sei, was dazu führe, dass das Gericht nicht zu der Überzeugung gelange, dass die Beklagten die Anleger vorsätzlich durch eine fehlerhafte Meldung getäuscht hätten.

Hinsichtlich der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000 fehle es ebenfalls an einer vorsätzlichen Veröffentlichung falscher Unternehmenszahlen. Zum einen handele es sich bei der Verbuchung der Beiträge der E-Beteiligung bereits ab dem 01.01.2000 (statt dem 12.05.2000) und des Vertrages mit der G GmbH & Co. KG bereits im ersten Halbjahr 2000 (statt erst zum Zeitpunkt des schriftlichen Vertrages im September 2000) um lediglich buchhalterische Mängel. Faktisch seien jedoch beide Geschäfte existent gewesen, so dass der tatsächliche Wert der Aktie hiervon nicht beeinflusst gewesen sei, sondern nur der jeweilige Tageskurs. Andererseits sei diese Ad-hoc-Meldung vom 24.08.2000 zwar hinsichtlich der berücksichtigten Umsatzzahlen der C fehlerhaft. Diese Unrichtigkeit betreffe jedoch nur einen um 3,3 Millionen DM zu hoch angegebenen Umsatz dieser Firma. Angesichts des Gesamtumsatzes der Firma C von DM 87,4 Millionen sowie einer angegebenen Gesamtsumme des Konzerns der Beklagten zu 1) von DM 603,9 Millionen schließe das Gericht jedoch aus, dass eine Absenkung dieses Umsatzes um DM 3,3 Millionen für die Bewertung der Aktie der Beklagten zu 1) irgendeine Rolle gespielt habe. Schon aufgrund dieser fehlenden objektiven Eignung zur Kursbeeinflussung vermöge das Gericht subjektiv keinen Vorsatz der Beklagten festzustellen.

Hinsichtlich der Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2000 könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagten vorsätzlich verschwiegen hätten, dass die Jahresprognosen für das Jahr 2000 nicht mehr zu realisieren gewesen seien. Die Beklagten hätten substantiiert vorgetragen, dass sie aufgrund der innerhalb der Beklagten zu 1) erstellten Aufstellung über die erwarteten Umsatz- und Ergebnisentwicklungen für das Geschäftsjahr 2000 (sog. „Forecasts“ vom 03. und 04.11.2000) davon ausgehen konnten, dass die ursprüngliche Prognose bei dem erwarteten Verlauf der Geschäfte habe erreicht werden können. Weiter stehe der Feststellung eines Schädigungsvorsatzes entgegen, dass die Beklagten es auch nicht billigend in Kauf genommen hätten, dass Anleger durch die Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung vom 09.10.2000 zum Kauf von Aktien der Beklagten zu 1) motiviert worden wären. Diese Mitteilung beinhalte objektiv betrachtet keine positiven Informationen über das Unternehmen der Beklagten zu 1), die geeignet wären, einen Kaufanreiz für Anlageinteressenten zu begründen. Es erscheine deshalb wenig wahrscheinlich, dass die Beklagten damit gerechnet haben sollten, mit einer Mitteilung dieses Inhalts Anlageinteressenten gewinnen zu können.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens sein bisheriges Klageziel weiter.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 132.833,82 € nebst Zinsen pro Jahr i. H. v. 4 % aus 51.071,17 € am 11.10.2000 und aus 77.452,42 € vom 12.10.2000 bis 16.10.2000 und aus 104.185,42 € vom 17.10.2000 bis 19.11.2000 und aus 130.410,90 € vom 20.11.2000 bis 23.11.2000 und aus 155.073,60 € vom 24.11.2000 bis 26.11.2000 und aus 202.781,62 € vom 27.11.2000 bis zum 30.11.2000 und aus 252.855,74 € vom 1.12.2000 bis zum 5.12.2000 und aus 132.833,82 € seit dem 6.12.2000 bis Rechtshängigkeit sowie aus dem sich ergebenden Gesamtbetrag i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe des erlittenen Kursdifferenzschadens, vorläufig beziffert mit 124.923,17 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.260 € am 11.10.2000 und aus 38.825 € vom 12.10.2000 bis 16.10.2000 und aus 59.426,01 € vom 17.10.2000 bis 19.11.2000 und aus 74.888,66 € vom 20.11.2000 bis 23.11.2000 und aus 87.934,12 € vom 24.11.2000 bis 26.11.2000 und aus 101.030,09 € vom 27.11.2000 bis 30.11.2000 und aus 124.923,17 € ab 1.12.2000 zu zahlen, dessen genaue Bestimmung gemäß § 287 ZPO in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zedenten, Herrn H.

Auf den Beweisbeschluss vom 8. Juni 2017 (Bl. 1754 d. A.) und auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Juli 2017 (Bl. 1804/1811 d. A.) wird verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel des Klägers ist nur teilweise begründet. Ihm stehen gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche in der tenorierten Höhe zu, weil der Beklagte zu 2) am 24. 8. 2000 eine falsche Sekundärmarktinformation (Ad-Hoc-Mitteilung) in Bezug auf die Beklagte zu 1) veröffentlicht hat, die den Zedenten, Herrn H zum Kauf von 2.500 Aktien der Beklagten zu 1) vom 9. bis 13. Oktober 2000 bewogen hat. Weitergehende Ersatzansprüche sind nicht gegeben. Dazu im Einzelnen:

1. Die Beklagten haften dem Kläger nach §§ 826, 31, 398 BGB auf Schadensersatz, weil der Beklagte zu 2) dem Zedenten, Herrn H durch bewusst unrichtige Herausgabe von Halbjahreszahlen am 24. August 2000 in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat. Unabhängig davon ergibt sich die Haftung der Beklagten auch aus §§ 823 II BGB i. V. 400 AktG, 31, 398 BGB, der neben dem Tatbestand der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zur Anwendung kommt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 10. 5. 2005, 5 U 133/03, Tz. 55 bei juris). H hat seine Schadensersatzansprüche – unstreitig – wirksam an den Kläger abgetreten.

a) Der Beklagte zu 2) hat in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 eine unrichtige Darstellung des Vermögensstandes der Beklagten zu 1) in dreierlei Hinsicht gegeben: Zum einen war die Einbeziehung der Zahlen der E – Beteiligung unter Verwendung der Bezeichnung „Halbjahreszahlen“ falsch, weil sie aus der maßgeblichen Sicht eines bilanzkundigen Lesers den Eindruck erweckte, als handele es sich um die Wiedergabe des Ergebnisses des Quartalsberichts, bei dem der gesamte Umsatz dieser Beteiligung im ersten Halbjahr zu 50 % dem Konzern zuzuschlagen sei. Tatsächlich wurde dabei in Abweichung vom eigentlichen Quartalsbericht verschwiegen, dass die 50 %-ige Beteiligung an der E-Gruppe erst zum 12. Mai 2000 erfolgte. Die Angabe des richtigen Stichtages ist erforderlich, um „gekaufte Ergebnisse“ des erworbenen Unternehmens von denjenigen des Erwerbers und den nach dem Zusammenschluss gemeinsam erwirtschafteten Ergebnissen abzugrenzen. Dies hatte zur Folge, dass ein Umsatzanteil von 138,189 Mio. DM, der auf den Zeitraum vom 1. Januar bis 11. Mai 2000 entfiel, zu Unrecht einbezogen worden war. Soweit das Landgericht angenommen hat, dies sei für den tatsächlichen Wert der Aktie „irrelevant“, kann der Senat dieser nicht näher begründeten Einschätzung nicht folgen.

Zum anderen war in dieser Ad-hoc-Mitteilung der Umsatz aus dem Lizenzvertrag zwischen der Beklagten zu 1) und der Fa. G in Höhe von DM 60 Mio. fälschlich in die Halbjahreszahlen eingestellt worden, obgleich der Vertrag im ersten Halbjahr noch nicht geschlossen war und daher noch nicht hätte berücksichtigt werden dürfen.

Drittens war auch der die C betreffende Umsatz um 3.3 Mio. DM zu hoch dargestellt.

Diese unrichtige Darstellung dieser Einzelwerte hat zu einer falschen Darstellung des Konzernumsatzes für das erste Halbjahr 2000 geführt und war geeignet, den Börsenkurs der Aktien der Beklagten zu 1) i. S. des § 15 WpHG a. F. erheblich zu beeinflussen. Darüber herrscht zwischen den Parteien kein Streit.

b) Sowohl dem Beklagten zu 2) als auch dem damaligen Finanzvorstand der Beklagten zu 1), dem Nebenintervenienten zu 2) waren die Unrichtigkeiten jedenfalls hinsichtlich der „E“ – Beteiligung und der Beteiligung an der „G“ auch bewusst, ebenso wie der Umstand, dass die Umsätze und Erträge für die Bewertung der Aktien der Beklagten zu 1) erheblich waren. Dennoch gaben sie die falschen Zahlen bekannt, um den Aktienkurs positiv zu beeinflussen.

Diese Feststellung des Senats beruht auf den Feststellungen des Landgerichts München in dem gegen den Beklagten zu 2) und den Nebenintervenient zu 2) ergangenen Strafurteil vom 8. April 2003 (Az.: 4 KLs 305 Js 52373/00 – Anlage K 67, veröffentlicht in NJW-RR 2003, 2328 ff.). Die Strafkammer hat im Einzelnen begründet, dass die Zahlen unrichtig dargestellt wurden, dass und warum die Verurteilten damit zumindest rechneten und dass sie dies billigten, weil sie den Kurs der Aktie beeinflussen wollten (Anlage K 67, UA S. 14, S. 31 ff). Die dagegen gerichtete Revision ist durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2004 verworfen worden (Az.: 1 StR 420/03 – Anlage K 218, veröffentlicht in WM 2005, 223 ff.). Der Kläger hat sich ausdrücklich auf die Feststellungen in den vorliegenden Strafurteilen berufen und sie in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt.

Der dagegen erhobene Einwand der Beklagten, das Strafurteil könne in dem hiesigen Verfahren keine Bindungswirkung entfalten, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg, denn der Senat ist nicht gehindert, die Strafurteile urkundsbeweislich zu verwerten und sich von der Richtigkeit der darin festgestellten Tatsachen im Wege der freien Beweiswürdigung zu überzeugen (vgl. OLG Frankfurt, aaO., Rn. 62, juris, m.w.N.). Die Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts München sind überzeugend. Substantielle Einwände gegen die vom Landgericht München herangezogenen Indizien haben die Beklagten nicht vorgebracht.

c) Die vorsätzliche Veröffentlichung der unwahren Halbjahreszahlen in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.08.2000 ist auch als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB einzustufen, was vom Vorsatz des Beklagten zu 2) erfasst war. Der Senat schließt sich auch in dieser Frage den Erwägungen an, die in der oben bereits zitierten Entscheidung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 10. Mai 2005 in einem gegen die Beklagten gerichteten Parallelverfahren angestellt worden sind. Dieser hat folgendes ausgeführt:

„…Für [Anm.: die Feststellung der Sittenwidrigkeit] genügt zwar nicht die bloße Tatsache eines Verstoßes gegen eine gesetzliche Vorschrift und der Vermögensschädigung Dritter. Die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens muss sich vielmehr aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben. Das ist hier aber deshalb der Fall, weil der Beklagte zu 2 die Schädigung eines großen Anlegerkreises aus Eigennutz billigend in Kauf nahm. Die „Beschönigung“ der Halbjahreszahlen hatte ganz offensichtlich das Ziel, mit Erfolgsmeldungen den Markt zu beeindrucken, um den Kurs stabil zu halten. Dazu kann auf die der Ad-hoc-Mitteilung vorangestellten Schlagzeilen verwiesen werden („Dynamisches Wachstum ungebrochen“, „Konzernumsatz per 30. Juni um 195 % auf 603,9 Mio. DM gestiegen (teilkonsolidiert)“, „EBITDA steigt um 65,9 Prozent auf 236,0 Mio. DM“, „EBIT erhöht sich um 39,8 Prozent auf 158,9 Mio. DM“, Nettoergebnis liegt mit 110,8 Mio. DM um 132,8 Prozent über dem Vorjahreswert“).

Diese beeindruckenden Erfolgsmeldungen wären ohne die unrichtige Darstellung nicht möglich gewesen. Gegenteiliges behaupten auch die Beklagten nicht. Ausweislich der späteren Ad-hoc-Mitteilung vom 9. Oktober 2000 war es auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, die für die E-Gruppe erforderlichen Zahlen, die eine Zuordnung gestattet hätten, vorzulegen. Wie sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung in der Ad-hoc-Mitteilung vom 24. August 2000 ergibt, hätte bei zutreffenden Angaben insbesondere offenbart werden müssen, dass statt eines positiven ein negatives Ergebnis zustande gekommen war. Diese Manipulation der Zahlen zeigt, dass der Beklagte zu 2 bedenkenlos bereit war, sich über grundlegende Anforderungen des Kapitalmarkts hinwegzusetzen, um ungerechtfertigt positive Vorstellungen über den Wert der Aktie zu erzeugen und aufrechtzuerhalten.

Mit der Veröffentlichung der unrichtigen Darstellung verfolgte der Beklagte zu 2 auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise eigene Zwecke, denn er war als Hauptaktionär der größte Nutznießer, wenn der Kurs nicht verfiel. Vorrangiges Ziel oder gar Endziel mussten solche eigenen Zwecke im Rahmen des § 826 BGB nicht sein (BGH NJW 2004, 2668, 2671 [BGH 19.07.2004 – II ZR 217/03])…“ (Tz. 64 bei juris)

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte können diese Erwägungen auch im vorliegenden Rechtsstreit Geltung beanspruchen. Die Beklagte zu 1) muss sich das deliktische Verhalten des Beklagten zu 2) zurechnen lassen (§ 31 BGB).

d) Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Kausalitätsnachweis bei Anlageentscheidungen auf dem sog. Primär- bzw. Sekundärmarkt ist geklärt, dass eine irgendwann einmal erfolgte Täuschung durch die Organe der Gesellschaft vor der Kaufentscheidung weder für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den entsprechenden Schutzgesetzen (z.B. § 400 AktG) noch nach § 826 BGB genügt (vgl. BGHZ 160, 134-149; BGH NJW-RR 2008, 1004; OLG München, Urteil vom 07. Dezember 2011 – 15 U 1868/11 -, Rn. 18, juris).

Vielmehr muss der Anleger im Rahmen der Informationsdeliktshaftung in vollem Umfang nachweisen, dass ein konkreter Kausalzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung und seiner individuellen Anlageentscheidung besteht. Das gilt auch dann, wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen sein sollte; das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung reicht nicht aus (BGH, Urteil v. 19. 7. 2004, Az. II ZR 218/03 = BGHZ 160, 134 – Infomatec I Rn. 41 ff. bei juris; BGH, ZIP 2007, 679; NJW 2008, 76; NJW-RR 2008, 1004; ZIP 2008, 407 [BGH 07.01.2008 – II ZR 229/05]). Auch der Ersatz eines Kursdifferenzschadens kommt deshalb nur beim Vorliegen eines solchen Kausalzusammenhangs in Betracht (BGH, Beschluss vom 28. November 2005 – II ZR 246/04 -, juris).

Bei der Prüfung dieser Frage kann ggf. zu Gunsten des Anlegers angenommen werden, dass sich im Einzelfall – je nach Tragweite der Information – aus positiven Inhalten einer Ad-hoc-Mitteilung eine „Anlagestimmung“ für den Erwerb von Aktien bilden kann. Ausmaß und (zeitliche) Tragweite einer solchen Stimmung lassen sich aber nicht pauschal feststellen, sondern müssen einzelfallbezogen mit Rücksicht auf die individuellen Vorkenntnisse, Anlageziele und Überlegungen des Aktionärs ermittelt werden. Auch die durch eine positive Ad-hoc-Mitteilung verursachte Anlagestimmung endet jedenfalls dann, wenn im Lauf der Zeit andere Faktoren für die Bewertung des Wertpapiers bestimmend werden, etwa eine wesentliche Änderung des Börsenindex oder neue Unternehmensdaten bzw. eine neue Ad-hoc-Mitteilung. Bei der Beurteilung, wie lange eine (positive) Anlagestimmung von einer unrichtigen Ad-hoc-Mitteilung ausgehen kann, verbietet sich aber jede schematische Betrachtungsweise, weil die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienkäufers durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren beeinflusst wird, bei denen auch spekulative Elemente eine Rolle spielen können (BGH Urteil v. 19. 7. 2004, II ZR 218/03 – Infomatec I, Tz. 42 und 44 bei juris).

Es war daher notwendig, die Motivationslage des Zedenten im jeweiligen Zeitpunkt der Aktienkäufe aufzuklären. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass der Inhalt einer Ad-Hoc-Mitteilung nicht die einzige Ursache für die Anlageentscheidung sein muss und dass es deshalb ausreichen kann, wenn sie lediglich für die Erwerbsvorgänge mitursächlich geworden ist (OLG München NZG 2005, 404 [OLG München 11.01.2005 – 30 U 335/02]). Da die Entscheidung zum Aktienerwerb in aller Regel – so auch hier – von einer Vielzahl von rationalen wie auch irrationalen Überlegungen beeinflusst wird, muss dennoch individuell geprüft werden, ob ggf. andere Faktoren für die Kaufentscheidung in den Vordergrund gerückt und somit bestimmend geworden sind.

e) Der Kläger hat bewiesen, dass die unrichtigen Halbjahreszahlen für die Entscheidung von Herrn H, am Morgen des 9. Oktober 2000 insgesamt 500 Aktien der Beklagten zu 1) zu einem Preis von 25.376,25 € (einschließlich der Kaufnebenkosten) zu erwerben, (mit-)ursächlich war. Dies ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen H, aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ankauf und dieser Ad-hoc-Information und aus den aktenkundigen Umständen seiner Kaufentscheidung.

Herr H hat dem Senat glaubhaft vermittelt, dass er über die einschlägigen Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse Kenntnis von den in der Ad-Hoc-Mitteilung eingestellten fehlerhaften Unternehmensdaten, namentlich des Konzern-Halbjahresumsatzes, des EBITDA und des EBIT erhalten hat. Er hat nachvollziehbar geschildert, dass schon die Presseveröffentlichungen über den Erwerb der Fa. D. im Frühjahr 2000 und dem damit verbundenen Erwerb von Anteilen an der F sein Interesse an der Beklagten zu 1) geweckt hatten, weil diese Beteiligung die Möglichkeit eröffnete, in die aus seiner Sicht sehr gewinnträchtige „E“ zu investieren. Der Senat glaubt Herrn H, dass er sich nach Kenntnis von den Halbjahreszahlen im August/September 2000 erstmals ernsthaft mit einer Kalkulation des Kurs-Gewinn-Verhältnisses sowie des Gewinnwachstums des Unternehmens beschäftigt und auf dieser Grundlage für sich die Entscheidung getroffen hat, die Aktie bei einem Kurs von ca. 50 € zu kaufen.

Der Zeuge hat den Eindruck hinterlassen, dass er zum einen damals schon sehr erfahren mit Aktienanlagen war, zum anderen, dass er seine Anlageentscheidungen im Wesentlichen nach rationalen Kriterien, nämlich vor allem im Hinblick auf den Geschäftsgegenstand und die Geschäftschancen des Unternehmens, zum anderen nach dem sog. Kurs-Gewinn-Verhältnis und dem Gewinnwachstum des Unternehmens und zuletzt aufgrund seiner persönlichen Einschätzung der Unternehmensleitung getroffen hat. Das hat er beispielsweise durch seine eindeutige Zurückhaltung gegenüber Aktien des sog. „Neuen Markts“, zum anderen durch seine anfängliche Skepsis in Bezug auf die aus seiner Sicht bis dahin unvollständigen Unternehmensdaten der Beklagten zu 1) demonstriert. Es spielt daher keine Rolle, dass Herr H allein die Veröffentlichung der Unternehmensdaten Ende August 2000 noch nicht zum Anlass genommen hat, Aktien der Beklagten zu 1) zu erwerben, sondern dass er sich entschieden hat, erst bei einem „realistischen“ Preis von 50 €/Aktie einzusteigen.

Herr H hat den Senat auch davon überzeugt, dass die über den Fernsehsender „…“ am Morgen des 9. Oktober 2000 veröffentlichten Daten über die Ad-Hoc-Mitteilung der Beklagten vom selben Tag keine substantiellen Zweifel an seiner bisherigen Einschätzung geweckt haben, so dass die fehlerhafte Ad-Hoc-Mitteilung vom August 2000 für seine erste Anlageentscheidung mitbestimmend geblieben ist. Er konnte sich nicht mehr an Einzelheiten dieser TV-Information erinnern, hat aber im Gedächtnis behalten, dass zum einen lediglich von einer reinen „Phasenverschiebung“ gesprochen worden ist, zum anderen, dass die korrigierten Umsatzzahlen im Verhältnis zu den Jahresprognosen unbedeutend gewesen sind.

Da sich der Aktienkurs von ca. 60 € im August/September auf ca. 55 € Anfang Oktober und am Morgen des 9. Oktober 2000 dann auf ca. 52 € vermindert hatte, waren die von Herrn H errechneten Parameter nun gegeben, so dass er trotz gewisser Bedenken annahm, es „wagen zu können“ eine beschränkte Anzahl von Aktien zu dem von ihm aufgrund der im August veröffentlichten Umsatz- und Gewinnzahlen als „realistisch“ eingestuften Kurs kaufen zu können. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass die fehlerhafte Ad-Hoc-Mitteilung für diesen Kauf mitbestimmend geworden ist.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung vom August 2000 auch für die unmittelbar darauffolgenden Kaufentscheidungen des Zedenten vom Nachmittag des 9. Oktober, vom 10. Oktober und vom 13. Oktober 2000 prägend geblieben ist.

Der Zeuge H hat eindrücklich dargelegt, dass er am Nachmittag des 9. Oktober 2000 zum zweiten Mal Aktien der Beklagten zu 1) gekauft hat, nachdem er ein Interview mit deren damaligem Finanzvorstand, dem Nebenintervenienten zu 2) gesehen und nachdem er bemerkt hat, dass der Aktienkurs in der Zwischenzeit nochmals deutlich auf einen Preis von ca. 40 €/Aktie nachgegeben hatte (Kaufpreis: 42,60 € bzw. 42,59 €/Aktie). Ausweislich seiner eigenen Schilderung, die mit den historischen Daten unter www.yahoo.de gem. Anlage K 25 übereinstimmt, hatte die Aktie zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zum Vortag (Aktienkurs ca. 59 €) um 22 €, d. h. rund ein Drittel ihres Werts verloren und war somit nach eigener Einschätzung von Herrn H deutlich unterbewertet. Er sah in dem Kursrutsch eine irrationale Reaktion des Anlegermarktes.

In dieser Einschätzung des deutlichen Preisverfalls der Aktie sieht der Senat zu diesem Zeitpunkt noch keine Abkehr von den bis dahin vorherrschenden Investitionserwägungen des Herrn H, die maßgeblich auf den von der Beklagten zu 1) veröffentlichten fehlerhaften Umsatzzahlen und Prognosen beruhten. Herr H hat nämlich plausibel geschildert, dass es dem damaligen Finanzvorstand, dem Nebenintervenienten zu 2) gelungen war, ihn davon zu überzeugen, dass die Fehlmeldung nur auf einem Buchungsfehler beruhte, der nachvollziehbar erläutert worden ist und der sofortige organisatorische Konsequenzen nach sich ziehen sollte. Auch wenn somit aufgrund des persönlichen Vertrauens, das der Finanzvorstand durch seine Äußerungen in dem Interview bei Herrn H erwecken konnte, ein neues, emotional besetztes Motivationselement bei dem Anleger hervorgerufen worden ist, so hat dieses doch lediglich dessen persönliche Einschätzung von der Werthaltigkeit des Unternehmens und dessen Aktien bestätigt, und ihn dahingehend beruhigt, dass die am 24. August 2000 veröffentlichten Kennzahlen weiterhin ihre Gültigkeit behalten haben.

Der Senat folgt den Bekundungen des Zeugen, der trotz seines erkennbaren Interesses am Ausgang des Verfahrens einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen hat. Dazu hat beigetragen, dass der Zeuge auch gewisse Selbstzweifel gegenüber den eigenen Überlegungen und eine bestimmte Leichtgläubigkeit gegenüber dem überzeugenden Auftreten des Beklagten zu 2) und des Nebenintervenienten zu 2) eingeräumt hat, die sich auf seine Anlageentscheidungen ausgewirkt hat. Bezogen auf die Anlageentscheidungen vom 9.-13. 10.2000 konnte H den Senat aber davon überzeugen, dass er sich nach wie vor maßgeblich auf die Informationen aus der Ad-hoc – Mitteilung vom 24. 8. 2000 stützte. Für den unmittelbar nach dem Fernsehinterview am 9. Oktober 2000 angeordneten Kauf von 140 bzw. 460 Aktien zum Gesamtpreis von 25.694,92 € (Kurswerte 42,60 € und 42,59 €), für den am 10. Oktober 2000 getätigten Kauf von 700 Aktien zum Gesamtpreis von 26.381,25 € (Kurswert: 37,50 € + Nebenkosten mit Valuta 12.10.2000) sowie für den am 13. Oktober 2000 getätigten Kauf von 700 Aktien zum Gesamtpreis von 26.733,00 € (Kurswert 38,00 € + 133,00 € Provision mit Valuta 17. 10. 2000) ist die fehlerhafte Ad-Hoc-Mitteilung und die dadurch hervorgerufene Anlagestimmung des Herrn H noch bestimmend gewesen.

Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Korrektur der am 24. August 2000 veröffentlichten Zahlen durch die Mitteilung vom 9. Oktober 2000 nicht nur den drastischen Kurssturz der Aktie verursacht, sondern auch ein erhebliches Echo in der Wirtschaftspresse hervorgerufen hat, über die sich H eingehend informiert hat. Er hat ausführlich dargelegt, dass ihm ab dem 10. Oktober 2000 zahlreiche Analystenmeinungen und darüber hinaus auch einige kritische Presseveröffentlichungen in Bezug auf die Beklagte zu 1) bekannt geworden sind.

Am 12. Oktober 2000 kam allerdings eine neue Information hinzu, die aus Sicht von Herrn H von dritter Seite veröffentlicht wurde, zugleich aber die in der Presse veröffentlichten beschwichtigenden Stellungnahmen des Beklagten zu 2) (Anlagen K 130 – 134) bzw. des Nebenintervenienten zu 2) bestätigte und daher sein Vertrauen in den Fortbestand der im August 2000 bekannt gegebenen Halbjahreszahlen bestärkte.

Nach Aussage des Zeugen hat die Agentur Reuters über ihre Wirtschaftspublikation „Datastream“ Daten über die Gewinnprognosen der Beklagten zu 1) veröffentlicht, die er als Bestätigung seiner eigenen Berechnungen des Kurs-Gewinn-Verhältnisses und der Gewinnerwartungen angesehen hat. Diese Aussage des Zeugen deckt sich mit der Presseveröffentlichung in der Zeitschrift „K“ vom 12. Oktober 2000, in der ein Gewinnverhältnis je Aktie von 0,94 € für das Jahr 2000 und von 1,34 € für das Jahr 2001 angegeben worden sind (Anlage K 146).

Herr H hat glaubhaft versichert, dass ihn diese „Drittmeldung“ zu der Einschätzung gebracht hat, dass die erheblich divergierenden Einschätzungen der Analysten und vor allem dass der massive Kursverlust der Aktie keine Bedeutung hatten, so dass er – entgegen dem Markttrend – auf Basis seiner bisherigen, auf den Inhalt der Ad-hoc-Mitteilung vom 24.8.2000 gestützten, Einschätzung weiter zukaufen konnte.

f) Nach dem Aktienkauf vom 13. Oktober 2000 hat Herr H zunächst „eine Pause eingelegt“ und erst ab dem 16. November 2000 weitere Aktien der Beklagten zu 1) erworben. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass auch diese Aktienkäufe noch von der fehlerhaften Ad-Hoc-Information vom 24. August 2000 mitbestimmt waren. Mit Recht haben die Beklagten in ihren Stellungnahmen zum Beweisergebnis hervorgehoben, dass sich nicht ausschließen lässt, dass bei Herrn H zu diesen späteren Kaufzeitpunkten nicht mehr die rationale Einschätzung des Aktienwerts auf Grund der im August 2000 veröffentlichten Zahlen im Vordergrund stand, sondern dass vielmehr emotionale Faktoren, im Zusammenwirken mit seinem Interesse, Spekulationsgewinne zu erzielen, die dominante Rolle gespielt haben.

Das wird zunächst durch die Kaufpreise der Aktie plastisch untermauert, denn sie lagen im November zunächst bei ca. 60 % und dann nur noch bei ca. der Hälfte des Aktienkurses von 40 €/Aktie, den der Zeuge auf Basis der im August 2000 veröffentlichten Daten schon als „deutlich unterbewertet“ angegeben hat. H hat am 16. November 2000 weitere 1.000 Aktien der Beklagten zu 1) zum Preis von 26,10 €, am 22. November 2000 wiederum 1.200 Aktien zum Preis von 20,45 €, am 23. November 2000 zunächst 1.300 und dann 1.200 Aktien zum Preis von 18,95 € und 19,02 € und zuletzt am 29. November 2000 nochmals 2.500 Aktien zum Preis von 19,93 € gekauft.

Hinzu kommt, dass H in der Zwischenzeit die Presseveröffentlichungen gelesen hatte, in denen berichtet worden war, dass die Aktie der Beklagten zu 1) noch stärker gefallen ist, als die anderen Werte des zum Jahresende 2000 „strauchelnden“ sog. Neuen Marktes. Selbst wenn in der Zwischenzeit bei der Beklagten zu 1) ein neuer, von außen kommender Finanzvorstand eingesetzt worden ist, so konnte sie objektiv keine Belege für die Anleger liefern, die ihre Äußerung einer reinen „Phasenverschiebung“ des Gewinns bestätigt hätten. H hat dann auch mehrmals betont, dass er sich in der Folge immer wieder durch das eloquente und optimistische Auftreten des Beklagten zu 2) angesprochen gefühlt habe. Wenn er dann zu Protokoll gegeben hat, er habe sich am 16. November 2000 entschlossen, die weiteren Aktien zum Kurs von 26,00 € zu kaufen, weil er annahm, damit keine größeren Verluste hinnehmen zu müssen, so wird deutlich, dass sein Spekulationsinteresse „die Überhand gewonnen“ hatte.

2. Weitergehende Schadensersatzansprüche wegen der Ad-Hoc-Mitteilungen vom 22. März 2000 und vom 9. Oktober 2000 stehen dem Kläger nicht zu. Ansprüche aus § 823 II BGB i. V. § 15 WpHG a. F. bzw. § 88 BörsenG scheiden aus Rechtsgründen aus, weil diese Vorschriften keine Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB sind (BGHZ 160, 134 – Infomatec I, Tz. 18 bei juris). Ansprüche aus § 823 II BGB i. V. § 400 AktG scheiden für diese Meldungen ebenfalls aus, weil sie keinen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens geben (BGH aaO., Tz. 26 bei juris). Auch Ansprüche aus § 826 BGB sind insoweit nicht gegeben:

a) Ein Ersatzanspruch des Klägers in Bezug auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 22.3.2000 scheidet schon deshalb aus, weil H in seiner Vernehmung klargestellt hat, dass erst die Veröffentlichung Ende August 2000 überhaupt sein Interesse geweckt hat, sich mit den Unternehmensdaten der Beklagten zu 1) näher zu beschäftigen. Daher fehlt es hier von vornherein an der Kausalität zwischen den hier streitgegenständlichen Pflichtverstößen des Beklagten zu 2) und dem durch den Kaufentschluss verursachten Schaden.

Unabhängig davon lassen sich auch keine hinreichenden Feststellungen zum subjektiven Tatbestand einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch den Beklagten zu 2) treffen.

Der Senat folgt im Ergebnis der entsprechenden Bewertung des Landgerichts. Die Frage, ob die im Rahmen dieses Unternehmenskaufs eingeräumte Option, deren Ausübung bei Abschluss des Vertrages ungewiss war, veröffentlicht werden musste, wird von den hiermit befassten Gerichten unterschiedlich bewertet und namentlich vom Oberlandesgericht Frankfurt in der oben zitierten Entscheidung und vom Oberlandesgericht München in der in der Berufungserwiderung zitierten Entscheidung verneint. Vor diesem Hintergrund kann dem Beklagten zu 2) jedenfalls kein vorsätzliches Verschweigen vorgehalten werden. Entsprechendes gilt für die nicht veröffentlichten Modalitäten dieses Kaufs, die in der eben zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts München als übliche und damit nicht veröffentlichungspflichtige Mittel einer Unternehmensbeteiligung angesehen werden.

b) Mit entsprechenden Überlegungen lässt sich auch im Hinblick auf die Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2000 nicht feststellen, dass sie in weitergehendem Umfang als oben erörtert die dargestellten Anlageentscheidungen des Zeugen H beeinflusst hätte. Wie bereits dargelegt, war Herr H durch die Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2000, in der klargestellt wird, dass die in der vorangegangenen Unternehmensmitteilung vom 24.8.2000 dargestellten Umsatzzahlen in Bezug auf die C und in Bezug auf das Zahlenwerk der „E“ korrigiert werden müssen, zunächst nicht merklich in seiner positiven Anlagestimmung beeinträchtigt, hat dann aber nach dem deutlichen Kursverfall und den Drittmeldungen seine Anlageentscheidungen auf „neue Grundlagen“ gestellt, wobei das spekulative Element immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.

Unabhängig davon lässt sich auch der Vorwurf des Klägers, der Beklagte zu 2) habe es vorsätzlich unterlassen, bereits am 9.10.2000 oder in der Folgezeit bis zum Abschluss der streitgegenständlichen Aktienkäufe eine Gewinnwarnung zu veröffentlichen, nicht bestätigen. Der Kläger stützt sich vor allem auf das im Strafverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen I (Anlage K 234 und K 237 sowie Bl. 1361 ff. d. A.). Hieraus lässt sich aber nicht zwingend ableiten, dass es der Beklagte zu 2) bzw. der Nebenintervenient zu 2) vorsätzlich unterlassen hätten, eine Gewinnwarnung zu veröffentlichen:

Dem Gutachten des Sachverständigen I lässt sich zwar entnehmen, dass bereits am 9.10.2000 bei Anwendung der Maßstäbe der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns absehbar gewesen ist, dass die Prognoseziele der Beklagten zu 1) nicht mehr zu erreichen waren. Der vom Kläger daraus gezogene Schluss, die Verantwortlichen der Beklagten zu 1) hätten um die Unerreichbarkeit der Prognosen gewusst und diese zumindest billigend in Kauf genommen, ist aber nicht zutreffend.

Die Aussagen des Sachverständigen können lediglich belegen, dass die Unerreichbarkeit der Prognosen für den Beklagten zu 2) und den Nebenintervenienten zu 2) bei sorgfältigem Verhalten erkennbar gewesen waren, nicht aber, dass sie sie tatsächlich erkannt haben. Die Beklagten berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, dass am 9.10.2000 große Transaktionen im Verhandlungsstadium gewesen seien, durch die die Mindereinnahmen bei der Expo 2000 und aus der E Beteiligung weitgehend hätten ausgeglichen werden können („W“ – Deal, „X“ – Deal, „Y“ – Deal und „Z“ – Deal). Die letzten beiden Geschäftsabschlüsse sind nach ihrem Vortrag unerwarteterweise nicht zustande gekommen.

Dass den Verantwortlichen der Beklagten zu 1) bereits am 9.10.2000 bzw. innerhalb des Anlagezeitraums des Zeugen H positiv bekannt gewesen ist, dass diese Geschäfte nicht umsatzrelevant werden würden, hat der Kläger nicht hinreichend vorgetragen und auch nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt. Er kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass anlässlich der Vorstandssitzung vom 23. Oktober 2000 ein Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1) erläutert haben soll, die bisherigen Prognosen seien bei normalem Geschäftsverlauf nicht mehr zu erreichen. Zum einem lässt dies keine Rückschlüsse auf einen Vorsatz des Beklagten zu 2) bzw. des Nebenintervenienten zu 2) am 9.10.2000 zu. Darüber hinaus ist es unstreitig, dass der Vorstand der Beklagten zu 1) in der Sitzung vom 23.10.2000 beschlossen hat, die Haltbarkeit der Prognoseziele mittels zweier sogenannter „Forecasts“ zu überprüfen.

Ausweislich dieser am 3. bzw. 4.11.2000 erstellten „Forecasts“ (Anlagen K 23 und K 24) waren die Prognoseziele noch erreichbar. Es ist nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zu 1) und der Nebenintervenient zu 2) den für die Erstellung der „Forecasts“ zuständigen Mitarbeitern bewusst falsche Zahlen geliefert hätten, um die Aufrechterhaltung der Prognosen wider besseres Wissen durchzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn die vom Kläger angeführte interne Darstellung der Controlling – Abteilung der Beklagten zu 1) berücksichtigt wird. Die Beklagten haben nämlich mit Recht eingewandt, dass sich die Diskrepanzen zwischen den dort und den in den „Forecasts“ aufgeführten Zahlen damit erklären lassen, dass die noch in Verhandlung befindlichen Verträge von der Controlling – Abteilung nicht berücksichtigt worden sind.

Die Beklagten haben dargelegt, dass sie bis in den November 2000 hinein davon ausgegangen sind, dass der „Y“ – Deal noch zustande kommen werde. Diesem Vortrag ist der Kläger nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten. Soweit er ausführt, bereits am 11.10.2000 habe es zwischen dem auf Seiten der Firma Y eingesetzten Mitarbeiter J und dem Beklagten zu 2) ein Gespräch gegeben, nach dem „die [Verhandlungen] als gescheitert angesehen werden mussten“, handelt es sich um eine Wertung und nicht um eine in das Wissen des Zeugen gestellte Tatsachenbehauptung, so dass diesem Vortrag nicht nachzugehen war.

Es ist zuletzt auch ohne Belang, ob der „Y“- Deal bereits unmittelbar nach der Erstellung der „Forecasts“, aber noch vor dem 29.11.2000 oder ob er erst danach scheiterte. Nach dem Gutachten des Sachverständigen I war die Nichterreichbarkeit der Umsatzziele auch bei Anwendung der Maßstäbe der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht absehbar, wenn lediglich der „Y- Deal“ nicht berücksichtigt worden wäre.

Es spielt hier zuletzt auch keine Rolle, ob die Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2000 deshalb fehlerhaft war, weil darin verschwiegen worden ist, dass die avisierten Umsatz- und Gewinnziele mit den ursprünglichen Umsatzträgern nicht mehr erreicht werden konnten. H hat in seiner Vernehmung klargestellt, dass ein etwaiger „Umsatzträgerwechsel“ für seine Kaufentscheidungen keine Rolle gespielt hat, weil er seine Erwartungen ausschließlich auf das aus seiner Sicht vielversprechende Engagement in der E gründete, das für das Geschäftsjahr 2000 und für die Folgejahre erhebliche Gewinne in Aussicht stellte.

3.Die Nebenforderungen des Klägers folgen aus §§ 849, 246 BGB bzw. aus §§ 291, 288, 286 BGB. Der Schaden des Klägers in Höhe der Kaufpreise und der Kaufnebenkosten ist auf die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zurückzuführen, so dass der Ersatzbetrag ohne näheren Nachweis ab dem Schadensereignis bis zur Rechtshängigkeit mit dem gesetzlichen Zinsfuß des § 246 BGB und dann mit den gesetzlichen Verzugszinsen verzinst werden muss.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf einer einzelfallbezogenen Anwendung anerkannter Rechtssätze.

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