OLG Frankfurt am Main, 18.09.2017 – 6 U 92/17

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 18.09.2017 – 6 U 92/17
Leitsatz:

Hat sich ein Anwalt gegenüber dem Gegner tatsächlich nicht als Prozessbevollmächtigter bezeichnet, kann und muss die Zustellung einer Beschlussverfügung zum Zwecke der Vollziehung (§ 929 II ZPO) auch dann an die Partei selbst erfolgen, wenn der Antragstellervertreter den gegnerischen Anwalt in der Antragsschrift fälschlicherweise als Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners aufgeführt hat; dies gilt jedenfalls, wenn das Gericht den Anwalt in der Beschlussverfügung nicht als Prozessbevollmächtigten in das Rubrum aufgenommen hat.
Tenor:

In dem Rechtsstreit (…)

wird die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 8.3.2017 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a. M. auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 II ZPO erfüllt sind. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 30.7.2017 Bezug genommen (§ 522 II 3 ZPO), dessen Begründung nachfolgend wiedergegeben wird:

„Der mit der Berufungsbegründung allein erhobene Einwand, die am 24.11.2016 erfolgte Parteizustellung des Verfügungsbeschlusses an dieAntragsgegnerin selbst habe die Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO nicht gewahrt, greift nicht durch. Wie das Landgericht mit zutreffender Begründung angenommen hat, lagen die Voraussetzungen, unter denen die einstweilige Verfügung zum Zwecke der Vollziehung an den Prozessbevollmächtigten derAntragsgegnerin hätte zugestellt werden müssen nicht vor; denn der Antragsgegnervertreter hatte sich zum Zeitpunkt der Zustellung noch nicht als Prozessbevollmächtigter bestellt (§ 172 I ZPO).

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil v. 12.1.2012 – 6 U 218/11, juris) ist eine Unterlassungsverfügung nur dann zum Zwecke der Vollziehung dem Anwalt desAntragsgegners zuzustellen, wenn derAntragsgegner – entweder selbst oder durch seinen Anwalt – demAntragsteller die Bevollmächtigung zur Prozessführung zur hinreichend sicheren Kenntnis gebracht hat. Daran fehlte es im vorliegenden Fall. Der Anwalt derAntragsgegnerin hat weder in seinem unter dem 24.10.2016 verfassten Antwortschreiben auf die Abmahnung noch in seinem weiteren Schreiben vom 28.10.2016 ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er über die allgemeine Bevollmächtigung zur Vertretung der Interessen derAntragsgegnerin hinaus auch bereits mit der Prozessführung beauftragt worden sei.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragstellervertreter im Rubrum der Antragsschrift den Anwalt derAntragsgegnerin als deren Vertreter („vertreten durch …“) bezeichnet hat. Denn wenn derAntragsteller keine ausreichende Kenntnis über das Bestehen einer Prozessvollmacht des gegnerischen Anwalts hat, kann die bloße, durch keine entsprechende Kenntnis untermauerte Behauptung des Bestehens einer solchen Prozessvollmacht das Erfordernis der Zustellung an die Partei selbst nicht beseitigen. Auch im vorliegenden Fall hätte die Vollziehungsfrist daher zweifellos nicht durch Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Anwalt derAntragsgegnerin gewahrt werden können.

DieAntragsgegnerin beruft sich in diesem Zusammenhang ohne Erfolg auf die Entscheidung BGH NJW-RR 2011, 997 [BGH 06.04.2011 – VIII ZR 22/10]. Dort ging es um die Frage, ob das Gericht die Amtszustellung ohne weitere Prüfung an den vomKläger als Prozessbevollmächtigten des Beklagten bezeichneten Rechtsanwalt bewirken muss. Eine solche Bindung des Gerichts an die Angabe eines gegnerischen Prozessbevollmächtigten durch den Kläger hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis darauf bejaht, dass der Kläger das Risiko der Unrichtigkeit seiner Angabe selbst zu tragen habe (a.a.O. Tz. 15). Diese Erwägung lässt sich auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt nicht übertragen. Denn es gibt keinen Grund, den Antragsteller im Rahmen der von ihm selbst zu bewirkenden Parteizustellung an zuvor gemachten eigenen Angaben festzuhalten. An wen die Zustellung zu erfolgen hat, muss und darf der Antragsteller vielmehr auf Grund seines tatsächlichen Erkenntnisstandes zum Zeitpunkt der Zustellung entscheiden. Wenn er dabei bemerkt, dass er in der Antragsschrift einen Anwalt ohne hinreichende Grundlage als Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners bezeichnet hat, sind insbesondere keine Vertrauensschutzgesichtspunkte erkennbar, die es rechtfertigen könnten, ihn an der Zustellung an den Antragsgegner selbst als den richtigen Adressaten zu hindern.

Schließlich liegt auch kein Fall vor, in dem derAntragsteller möglicherweise dadurch Kenntnis vom Bestehen der Prozessvollmacht des gegnerischen Anwalts erhalten hat, dass das Gericht diesen als Prozessbevollmächtigten desAntragsgegners in das Rubrum der Beschlussverfügung aufgenommen hat (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 21.12.2004 – 6 W 199/04). Denn das Landgericht hat in sein Rubrum den Anwalt desAntragsgegners richtigerweise gerade nicht als Prozessbevollmächtigten aufgenommen.“

An dieser Beurteilung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 6.7.2017 fest. Die von der Antragsgegnerin vertretene Rechtsauffassung liefe darauf hinaus, dass die Beschlussverfügung allein wegen der – unzutreffenden – Angabe eines Antragsgegnervertreters in der Antragsschrift überhaupt nicht im Wege der Parteizustellung hätte vollzogen werden können. Ein solches Ergebnis ist nach Auffassung des erkennenden Senats unvertretbar; es ist insbesondere aus den im Beschluss vom 30.5.2017 genannten Gründen auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht zu rechtfertigen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind auch die in § 522 II Nr. 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen erfüllt.

Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch geprägt, dass sich für die Antragsgegnerin ein Prozessbevollmächtigter tatsächlich nicht bestellt hatte, in der Antragsschrift gleichwohl ein solcher genannt war und das Gericht wiederum ungeachtet dessen und in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Sachlage in das Rubrum der Beschlussverfügung keinen Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin aufgenommen hatte. Diese Fallgestaltung ist derart ungewöhnlich, dass sie eine grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 522 II Nr. 2 ZPO) nicht zu begründen vermag.

Ebenso wenig erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung (§ 522 II Nr. 3 ZPO). Die Vorschrift soll sicherstellen, dass die Beschlusszurückweisung nicht den Weg zum Bundesgerichtshof versperrt (vgl. BVerfG NJW 2007, 3118 [BVerfG 29.05.2007 – 1 BvR 624/03], Rn. 16); diese Erwägung steht im vorliegenden Fall einer Entscheidung nach § 522 II ZPO schon deswegen nicht entgegen, weil im Eilverfahren eine Revision ohnehin nicht statthaft ist (§ 542 II 1 ZPO). Darüber hinaus ist eine Divergenz insbesondere zu den Entscheidungen des OLG Hamm (Urteil vom 12.1.2010 – 4 U 193/09) und des OLG Jena (Beschluss vom 19.1.2011 – 2 W 17/14) ohnehin nicht gegeben. Denn abweichend vom vorliegenden Fall war dort jeweils der in der Antragsschrift benannten Antragsgegnervertreter auch in das Rubrum der Beschlussverfügung aufgenommen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

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