OLG Frankfurt am Main, 03.07.2017 – 23 U 172/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 03.07.2017 – 23 U 172/16
Tenor:

Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.07.2016 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht für die Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte nach einem am 04.11.2015 erklärten Widerruf eines im November 2010 geschlossenen und zum 30.06.2014 einvernehmlich vorzeitig zurückgeführten grundpfandrechtlich besicherten Darlehensvertrags auf Zahlung angeblich überzahlter Beträge sowie auf Freistellung von außergerichtlichen Kosten in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs.1 Nr.1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei verfristet gewesen. Zur Zeit der Widerrufserklärung sei die Widerrufsfrist abgelaufen gewesen, weil die Kläger auf Blatt 8 des Vertrags eine ordnungsgemäße Information über ihr Widerrufsrecht erhalten hätten, nachdem der Verbraucherdarlehensvertrag gemäß Art. 247 § 6 Abs.2 S.3 EGBGB in der maßgeblichen Fassung eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthalten habe, die dem damals gültigen Muster in Anlage 6 entsprochen habe. Insbesondere sei die Widerrufsinformation nicht durch die auf derselben Seite in Fettdruck dargestellte Schufa-Klausel entwertet worden. Denn durch die Überschrift „Widerrufsinformation“ in groß gestaltetem Fettdruck und die ebenfalls in Fettdruck gestalteten Unterüberschiften „Widerrufsrecht“ und „Widerrufsfolgen“ sei die Aufmerksamkeit auf den Text der Widerrufsinformation gelenkt worden. Durch die Überschrift „Widerrufsinformation“ sei auch eine deutliche Abgrenzung zur insgesamt fettgedruckten Schufa-Klausel gegeben.

Gegen das Urteil wenden sich die Kläger, die ihre Anträge nach einer Neuberechnung ihrer vermeintlichen Nutzungsersatzansprüche in reduziertem Umfang weiterverfolgen. Zur Begründung der Berufung wird ausgeführt, entgegen der Beurteilung des Landgerichts werde die Aufmerksamkeit auf den mehr als den hälftigen Anteil der Seite 8 ausmachenden Einwilligungsabschnitt zur Übermittlung von Daten an die SCHUFA fokussiert, wohingegen das einzige ebenfalls in Fettdruck gehaltene Wort „Widerrufsinformation“ nicht geeignet sei, den Abschnitt, der die Belehrung über das Widerrufsrecht enthalte, ins optische Bewusstsein zu versetzen. Tatsächlich entspreche die Größe und Stärke des Wortes „Widerrufsinformation“ exakt der Stärke und Größe der Oberzeile „Einwilligung zur Übermittlung von Daten an die SCHUFA“; allerdings sei der nachfolgende Text insgesamt in Fettschrift gehalten, so dass der Kasten „Einwilligung SCHUFA“ mitsamt nachfolgendem Text und Folgezeile „Widerrufsinformation“ optisch als Einheit erscheine, während der dann nachfolgende Text zum Widerrufsrecht verblassend in den Hintergrund trete.

Das Landgericht habe auch unbeachtet gelassen, dass die Beklagte die Gestaltung des Musters weiter dadurch verändert habe, dass sie die drei letzten Sätze der Belehrung durch einen gesamtquerseitigen Strich von dem vorhergehenden Belehrungstext in einen eigenen Abschnitt getrennt habe.

Da sich die Beklagte somit aus mindestens zwei Gründen nicht auf den Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne, hätte das Landgericht sich mit den im Schriftsatz vom 28.06.2016 aufgezeigten Einwänden gegen die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation auseinandersetzen müssen. Die bloß beispielhaft aufgezählten Voraussetzungen für den Beginn des Fristenlaufs stellten keine eindeutige Beschreibung des Fristablaufs für die Widerrufsfrist dar, da der Verbraucher nicht in der Lage sei nachzuvollziehen, nach Erhalt welcher weiteren, nicht genannten Pflichtangaben konkret die Frist zu laufen begonnen habe. Ein Hemmnis gegen den Beginn der Widerrufsfrist besteht jedenfalls darin, dass wenigstens eine der Pflichtangaben des § 492 Abs.2 BGB, nämlich die Bezeichnung der Vertragslaufzeit, in der Vertragsurkunde oder im Antrag etc. nicht aufgeführt sei. Zu finden sei nur die Angabe der Anzahl der Raten (120) bis zum Ende der Zinsbindung, was aber nicht der Laufzeit entspreche, da der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen worden sei und „grundsätzlich mit der vertragsgemäßen vollständigen Rückzahlung“ ende. Anzugeben wäre daher die Gesamtlaufzeit des Vertrages unter Ansatz der gewählten Konditionen gewesen, was einer Dauer von etwa 484 Monaten entsprochen hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl.118ff.d.A.) sowie die Schriftsätze vom 28.03.2017 (Bl.136 d.A.) und vom 18.04.2017 (Bl.139f.d.A.) Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

in Abänderung des Urteils des LG Frankfurt/M. 2-05 O 261/15 vom 21.07.2016 die Beklagte zur Zahlung von € 27.567,07

sowie zur Freistellung der Kläger von den außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 833,48 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Abgesehen von der bestehenden Gesetzlichkeitsfiktion weise die verwendete Widerrufsinformation auch inhaltlich keine Fehler auf, so dass sich die Frage einer hinreichenden Hervorhebung schon nicht stelle. Die lediglich beispielhafte Aufzählung zu erteilender Pflichtangaben sei gesetzeskonform. Ein Hinweis auf die unbegrenzte Vertragslaufzeit bzw. das Vertragsende mit vertragsgemäßer vollständiger Rückzahlung befinde sich auf Bl.2 des Darlehensvertragsangebots; bestritten und in zweiter Instanz nicht zuzulassen sei mithin die neue Behauptung, die Beklagte habe nicht die erforderlichen Pflichtangaben, insbesondere zur Vertragslaufzeit, erteilt. Zu Unrecht meinten die Kläger, es sei die Gesamtanzahl der Monate, die bei einem Darlehensverlauf zu unterstellt gleichbleibenden Konditionen bis zur vollständigen Rückzahlung vergehen würden, als Laufzeit des Vertrags anzugeben gewesen. Tatsächlich meine die gemäß Art.247 § 3 Abs.1 Nr.6 EGBGB in der damaligen Fassung erforderliche Angabe der Vertragslaufzeit ersichtlich eine ggf. vereinbarte und damit fest definierte Vertragslaufzeit. Da der Darlehensvertrag hier auf unbestimmte Zeit geschlossen worden sei, sei die Angabe der Vertragslaufzeit als „unbestimmt“ somit zutreffend.

Ungeachtet all dessen halte die Beklagte an ihrem Einwand der Verwirkung bzw. der unzulässigen Rechtsausübung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Bl.124ff.d.A.) sowie die Schriftsätze vom 04.04.2017 (Bl.137f.d.A.) und vom 02.05.2017 (Bl.141f.d.A.) Bezug genommen.

II.

Der Senat hält die Berufung nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand für unbegründet. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO; außerdem rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; die Rügen der Berufung hiergegen bleiben ohne Erfolg.

Der Antrag zu 2. (Erstattung bzw. Freistellung von außergerichtlichen Kosten) ist jedenfalls schon mangels Anspruchsgrundlage unbegründet, da ein Schuldnerverzug mit der Rückabwicklungsleistung bei Anwaltsbeauftragung nicht vorlag. Ansprüche auf Kostenerstattung folgen auch nicht aus § 280 BGB wegen einer in der – unterstellten – Falschinformation liegenden Vertragspflichtverletzung (BGH WM 2017, 849 [BGH 14.03.2017 – XI ZR 442/16]; NJW 2017, 1823 [BGH 21.02.2017 – XI ZR 467/15]). Denn vor der Entstehung von Ansprüchen nach § 357 Abs.1 S.1 BGB a.F. in Verbindung mit §§ 346ff. BGB soll die Widerrufsbelehrung nicht schützen (BGH NJW 2017, 1823 [BGH 21.02.2017 – XI ZR 467/15]).

Abgesehen davon greifen aber auch die Berufungsrügen in der Sache nicht durch. Der mit Schreiben vom 04.11.2014 erklärte Widerruf war nicht wirksam, so dass kein Rückgewährschuldverhältnis entstanden ist.

Den Klägern stand hinsichtlich ihrer im November 2010 abgegebenen Vertragserklärungen am 04.11.2014 kein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs.1; 355 BGB a.F. mehr zu. Anstelle der in § 355 BGB vorgesehenen Widerrufsbelehrung waren den Klägern nach § 495 Abs.2 S.1 Nr.1 BGB i.V.m. Art.247 § 6 Abs.2 EGBGB in der Fassung vom 24.07.2010 (a.F.) Angaben zur Widerrufsfrist und anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs zu machen sowie ein Hinweis auf ihre Verpflichtung zu geben, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Im Übrigen war gemäß § 495 Abs.2 S.1 Nr.2b BGB für den Fristlauf erforderlich, dass die Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs.2 BGB i.V.m. Art.247 § 6-13 EGBGB erhielten. Zu den Pflichtangaben zum Widerrufsrecht gehören nach dem hier wegen des – unstreitig gegebenen – Immobiliendarlehens im Sinne von § 503 BGB anzuwendenden Art.247 § 9 Abs.1 S.3 EGBGB auch die Widerrufsinformationen nach Art.247 § 6 Abs.2 EGBGB a.F. Dies vorausgeschickt informierte die Beklagte die Kläger vorliegend wirksam über das ihnen zustehende Widerrufsrecht.

In diesem Zusammenhang ist zu trennen zwischen der Gesetzmäßigkeit der Widerrufsinformation nach Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1,2 EGBGB a.F. und der Gesetzlichkeitsfiktion des Art.247 § 6 Abs.2 S.3-5 EGBGB a.F. i.V.m. mit dem Muster nach Anlage 6 zu Art.247 EGBGB in der maßgeblichen Fassung (vgl. BGH NJW 2016, 1881 [BGH 23.02.2016 – XI ZR 101/15]). Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung kann sich bereits auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung stützen, da für die Widerrufsbelehrung ein Formular verwendet worden ist, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entsprochen hat (vgl. hierzu BGH NJW 2016, 3512 [BGH 12.07.2016 – XI ZR 564/15]; WM 2014, 887 [BGH 18.03.2014 – II ZR 109/13]; NJW-RR 2012, 183 [BGH 28.06.2011 – XI ZR 349/10]; NZG 2012, 427 [BGH 01.03.2012 – III ZR 83/11]; NJW-RR 2011, 785 [BGH 02.02.2011 – VIII ZR 103/10]; jew. m.w.N.). Eine inhaltliche Bearbeitung des Mustertextes liegt nicht vor, soweit Änderungen sich lediglich als Abweichungen „in Format und Schriftgröße“ im Sinne von Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 4 EGBGB a. F. darstellen. Die hier einzig gerügte „Abkastung“ innerhalb des Absatzes „Widerrufsfolgen“ ist insoweit unbedenklich (vgl. schon Senat, Beschl. v. 19.09.2016 und 11.11.2016 – 23 U 204/15 -). Der Senat hält die Widerrufsinformation aus den vom Landgericht genannten Gründen auch für hervorgehoben und deutlich gestaltet im Sinne von Art.247 Abs.2 S.3 EGBGB, obwohl sich auf derselben Seite des Vertrages eine auf ihre Weise ebenfalls hervorgehobene und hervorzuhebende Passage zur SCHUFA-Einwilligung befunden hat.

Die Berufung wäre aber selbst dann nicht erfolgreich, wenn man dies anders sehen wollte. Denn die Beklagte kann ohnehin für sich in Anspruch nehmen, sie habe in der Sache jedenfalls zutreffende Widerrufsinformationen über den Beginn der Widerrufsfrist erteilt. Genügt die erteilte Widerrufsinformation den o.g. gesetzlichen Anforderungen und ist sie klar und verständlich, bedarf es einer besonderen grafischen Hervorhebung nicht mehr (BGH BKR 2017, 152 [BGH 17.01.2017 – XI ZR 170/16]; NJW 2017, 1306 [BGH 22.11.2016 – XI ZR 434/15]). Dass die erteilte Widerrufsinformation nicht im Sinne von Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1,2 EGBGB gesetzeskonform gewesen wäre, zeigt die Berufung nicht auf. Hier ist auch in Betracht zu ziehen, dass der Mustertext – anders als die frühere Musterbelehrung zur BGB-InfoV – selbst im Rang einfachen Gesetzesrechts steht. Unbedenklich ist insbesondere, dass die Beklagte die Kläger – wie auch vom gesetzlichen Muster vorgesehen – durch einen Verweis auf § 492 Abs.2 BGB und mittels in Klammern gesetzter Beispiele für Pflichtangaben über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist informierte, weil es sich bei den genannten Beispielen um auf den Vertragstyp anwendbare Pflichtangaben handelte (vgl. hierzu BGH NJW 2017, 1306 [BGH 22.11.2016 – XI ZR 434/15]).

Soweit die Kläger erst in der Berufung vorgetragen haben, es sei im Darlehensvertrag nicht über die Vertragslaufzeit als eine Pflichtangabe unterrichtet worden, so dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei, ist der neue Vortrag – soweit er eine Tatsachenbehauptung beinhalten soll – auch in zweiter Instanz zuzulassen, da der Inhalt des Darlehensvertrages als solcher unstreitig ist, so dass der Novenausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO nicht greift (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 31.Aufl., § 531 Rn.10 m.w.N.). Der Vortrag bleibt aber erfolglos, weil nach dem in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen Inhalt des Darlehensvertrages die Pflichtangabe nach § 492 Abs.2 BGB a.F. i.V.m. Art.247 §§ 9 Abs.1 S.1; 3 Abs.1 Nr.6 EGBGB a.F. (Vertragslaufzeit) im Vertrag angegeben war, nachdem es auf Bl.2 heißt: „Der Immobiliendarlehensvertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen.“ Bei unbefristeten Verträgen – wie hier – genügt der Hinweis auf die unbestimmte Laufzeit (RegE BT-Drucks. 16/11643, S.124; Münchener Kommentar zum BGB [Schürnbrand], 7.Aufl., § 491a BGB Rn.26; Erman-Saenger, BGB, 14.Aufl., § 491a Rn.18; Palandt/Weidenkaff, BGB, 76.Aufl., Art.247 § 3 EGBGB, Rn.2; Staub, HGB, 5.Aufl., Vierter Teil: Das Kreditgeschäft, Rz.614).

Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 522 Abs.2 S.1 ZPO i.d.F. des Gesetzes vom 21.10.2011 (BGBl. I S. 2082) liegen vor.

Schließlich regt der Senat an, eine Rücknahme der Berufung zu prüfen. Etwaiger neuer Vortrag ist nach der ZPO nur in sehr engen Grenzen zulässig. Die Rücknahme hätte die Halbierung der Gerichtskosten zweiter Instanz zur Folge, § 3 Abs.2 GKG i.V.m. KV-Nr.1222.

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