OLG Frankfurt am Main, 28.06.2017 – 13 U 200/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 28.06.2017 – 13 U 200/16
Leitsatz:

Gibt der Kläger in der Klageschrift entgegen § 71 I HGO an, dass die beklagte Gemeinde durch ihren Bürgermeister vertreten wird, berührt dies die Wirksamkeit der Klagezustellung nicht und kann durch eine Rubrumsberichtigung korrigiert werden. Dem steht die Entscheidung des BGH vom 16.2.2009, II UR 282/07 nicht entgegen.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7.10.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Darmstadt und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Für das Berufungsverfahren werden gerichtliche Gebühren und Auslagen nicht erhoben; im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Schlussentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Stadt Vergütung von Werkarbeiten.

Die Klägerin hat wegen ihrer angeblichen Forderungen unter dem 11.12.2015 Klage eingereicht. Dabei hat sie das Passivrubrum wie folgt angegeben: „Stadt O1, A-Straße …, O1, vertreten durch den Bürgermeister B, ebenda.“

Das Landgericht hat die Klageschrift ohne Beanstandungen zugestellt, die Beklagte hat auf die Klage erwidert. In der mündlichen Verhandlung hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht ordnungsgemäß vertreten sei, da in Hessen Gemeinden nicht durch den Bürgermeister, sondern gemäß § 71 I HGO durch den Gemeindevorstand bzw. Magistrat vertreten würden.

Innerhalb der Stellungnahmefrist hat die Klägerin daraufhin mit Schriftsatz vom 7.7.2016 beantragt, das Passivrubrum entsprechend zu berichtigen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage gleichwohl als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 16.2.2009, II ZR 282/07 ausgeführt, eine Berichtigung des Rubrums komme nicht in Betracht.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie in erster Linie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht verfolgt.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvortrages wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 26.10.2016 (Bl. 100 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist (§ 538 II ZPO).

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, da die Ansicht des Landgerichts, die Klage sei wegen unrichtiger Bezeichnung des Vertretungsorgans der Beklagten unzulässig, nicht vertretbar ist.

Das Landgericht hätte das Passivrubrum auf den Antrag der Klägerin berichtigen müssen.

Gemäß § 253 II Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift u.a. die Bezeichnung der Parteien enthalten. Bei prozessunfähigen Parteien – wie hier der beklagten Stadt – ist die Angabe der gesetzlichen Vertreter erforderlich, soweit dies für die Zustellung erforderlich ist (vgl. Zöller/Greger ZPO, § 253 Rn 8 – mit weiteren Nachweisen). Ist die Partei oder nur ihr gesetzliche Vertreter falsch bezeichnet, ist dies grundsätzlich unschädlich, wenn – wie hier – die Identität der Partei nicht zweifelhaft ist. In diesen Fällen hat das Gericht von Amts wegen auf eine Berichtigung hinzuwirken oder diese selbst durchzuführen. (Zöller-Vollkommer ZPO, Vor § 50 Rn 7 – mit vielen weiteren Nachweisen; Musielak/Weth ZPO, § 50 Rn 7). Eine solche Rubrumsberichtigung ist in jeder Phase des Prozesses möglich (so schon: BGH, Urteil vom 24.11.1980, VIII ZR 208/79).

Es ist bereits unklar, warum das Landgericht nicht schon vor der Zustellung der Klageschrift auf eine Berichtigung der – seiner Meinung nach unheilbaren – Falschbezeichnung des Vertretungsorgans der Beklagten hingewirkt hat (vgl. Zöller/Greger ZPO, § 254 Rn 23). Auf jeden Fall aber hätte das Landgericht das Passivrubrum auf den im Schriftsatz vom 7.7.2016 enthaltenen Antrag der Klägerin ohne weiteres berichtigen müssen.

Die Ansicht des Landgerichts, eine Berichtigung des Passivrubrums sei nicht mehr möglich, ist rechtsfehlerhaft. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus der in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 16.2.2009, II ZR 282/07.

Nicht nachvollziehbar ist bereits die Auffassung des Landgerichts, die Rubrumsberichtigung sei deshalb nicht möglich, weil sich die Klägerin nicht in einem Irrtum befunden habe, als sie den Bürgermeister als Vertretungsorgan der Beklagten in der Klageschrift angab. Das Gegenteil ergibt sich gerade aus dem Umstand, dass § 71 I HGO ein anderes Vertretungsorgan bestimmt, und die Klägerin im Schriftsatz vom 7.7.2016 „aufgrund dieses Irrtums um entsprechende Rubrumsberichtigung“ bittet.

Aber auch im Übrigen ist die genannte BGH-Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

Dem Urteil liegt der Fall zugrunde, dass ein ehemaliges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft gegen die Gesellschaft Klage erhob und dabei in der Klageschrift angab, dass die Aktiengesellschaft durch den Vorstand – und nicht durch den Aufsichtsrat, wie es gemäß § 112 AktG für den Fall eines Interessenkonflikts richtig gewesen wäre – vertreten werde. Der Vorstand beauftragte daraufhin ohne Wissen des Aufsichtsrates einen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Prozess.

Der BGH hat entschieden, dass in dieser Konstellation eine einfache Rubrumsberichtigung nicht in Betracht komme. Vielmehr liege ein unheilbarer Vertretungsmangel vor, weil allein der Vorstand den Prozessbevollmächtigten beauftragt und der Aufsichtsrat die Prozessführung durch den Vorstand nicht genehmigt habe.

Vorliegend wird nicht eine Aktiengesellschaft von einem ehemaligen Vorstandsmitglied verklagt, sondern eine Gemeinde von einem außenstehenden Dritten. Eine Parallele zu dem BGH-Fall würde sich überhaupt nur dann eröffnen, wenn eine ehemaliges Gemeindevorstandsmitglied als Kläger gegen die Gemeinde auftritt.

Wird eine Gemeinde jedoch – wie hier – von einem außenstehenden Dritten verklagt, kann es von vornherein nicht zu einem Interessenkonflikt zwischen zwei Vertretungsorganen wie Vorstand und Aufsichtsrat eines Unternehmens im Falle des § 112 AktG kommen.

Gemäß § 71 HGO vertritt zwar nur der Gemeindevorstand die Gemeinde. Der Bürgermeister aber ist gemäß § 65 HGO Vorsitzender eben dieses Gemeindevorstands, also ebenfalls Mitglied des Vertretungsorgans. Es kommt hinzu, dass der Bürgermeister nach § 70 HGO innerhalb des Gemeindevorstandes ganz maßgebliche Aufgaben wahrnimmt und die laufenden Verwaltungsangelegenheiten selbstständig erledigt. Nach § 71 I HGO darf der Bürgermeister sogar rechtsgeschäftliche Erklärungen im Namen des Gemeindevorstandes abgeben und damit die Gemeinde vertreten (vgl. Bennemann HGO; § 71 Nr. 3.2.1).

Es ist danach regelmäßig ausgeschlossen, dass der Bürgermeister – wie in der BGH-Entscheidung der Vorstand – unabhängig von den übrigen Mitgliedern des Gemeindevorstandes die Verteidigung der Gemeinde gegen die Klage eines Dritten aufnimmt und einen Rechtsanwalt ohne Zustimmung der anderen Gemeindevorstandsmitglieder beauftragt. Es sind auch keinerlei Hinweise dafür aus dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters zu entnehmen, mit dem er Klageabweisung für die Beklagte beantragt. Jedenfalls ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass der Gemeindevorstand der Beklagten als Gesamtorgan die Prozessführung im vorliegenden Rechtsstreit nicht genehmigt hätte oder hätte verweigern dürfen.

Der erkennende Senat hat von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen, da die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache nach § 538 II Ziffer 3 ZPO vorliegen: Der Kläger hat die Zurückverweisung beantragt und durch das angefochtene Urteil ist nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden.

Das Landgericht wird danach das Rubrum entsprechend zu korrigieren haben und sich – nachdem andere Zulässigkeitsmängel nicht ersichtlich sind – erstmals auch mit der Sache selbst beschäftigen müssen. Klarstellend sei erwähnt, dass auch eine erneute Zustellung der Klageschrift nicht erforderlich ist, weil nach § 170 II ZPO die Zustellung an den Leiter genügt, wenn es sich nicht um eine natürliche Person handelt. Das ist im Falle einer Gemeinde stets der Bürgermeister (Zöller/Stöber ZPO, § 170 Rn 5).

Die Kostenentscheidung war der neuen Entscheidung des Landgerichts vorzubehalten. Die insoweit angefallenen Gerichtskosten des Berufungsverfahrens waren indes niederzuschlagen, weil das angefochtene Urteil des Landgerichts auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht, der gleichzeitig eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 I 1 GKG darstellt.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO (zur Notwendigkeit der Anordnung bei einem zurückverweisenden Urteil vgl. Zöller/Herget ZPO, § 708 Rn 12).

Der Gebührenstreitwert für die Berufung entspricht dem Leistungsantrag aus der Klageschrift, also 8.264,- € (gerundet).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.

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