OLG Frankfurt am Main, 07.06.2017 – 20 W 159/17

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 07.06.2017 – 20 W 159/17
Leitsatz:

Das Gebrauchmachen von einer gerichtlichen Entscheidung nach § 9 Abs. 2 SchVG durch Einberufung einer Gläubigerversammlung führt noch nicht ohne Weiteres zur Erledigung der Hauptsache und zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses einer gegen die gerichtliche Ermächtigungsentscheidung gerichteten Beschwerde nach § 9 Abs. 3 SchVG.
Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Er hat der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung notwendiger Aufwendungen im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren und das erstinstanzliche Verfahren wird – insoweit in Abänderung des angefochtenen Beschlusses – auf jeweils 5.000,– EUR festgesetzt.
Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin von Schuldverschreibungen der betroffenen Gesellschaft ausweislich einer Depotbescheinigung vom 27.04.2017 (Bl. 1156 d. A.) in Höhe von zuletzt 1.079.090,38 EUR. Über das Vermögen der Gesellschaft ist seit dem 27.03.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsgegner als Insolvenzverwalter bestellt. In den Anleihebedingungen (Bl. 1250 ff. d. A.) ist die Beteiligte zu 3. zur gemeinsamen Vertreterin der Anleihegläubiger bestimmt worden.

Mit jeweiligen Schreiben vom 31.01.2017 an den Antragsgegner und an die gemeinsame Vertreterin (Bl. 1090 ff. d. A.) ließ die Antragstellerin diese auffordern, binnen 14 Tagen eine Gläubigerversammlung/Abstimmung ohne Versammlung zur Abberufung der gemeinsamen Vertreterin einzuberufen. Der Antragsgegner wies den Antrag mit Schreiben vom 01.03.2017 (Bl. 1103 ff. d. A.) zurück. Auch die Beteiligte zu 3. ließ durch Schreiben vom 06.03.2017 (Bl. 1108 d. A.) mitteilen, dass ihr mangels Kostendeckung die Einberufung der Gläubigerversammlung nicht möglich sei.

Mit am 01.03.2017 eingegangenem Antrag hat die Antragstellerin beim Amtsgericht die gerichtliche Ermächtigung zur Einberufung einer Gläubigerversammlung beantragt. Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Antragstellerin ermächtigt, innerhalb von 3 Wochen eine Gläubigerversammlung mit dem Antrag auf Abberufung des bisherigen gemeinsamen Vertreters einzuberufen. Darüber hinaus hat es einen Versammlungsleiter bestimmt. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag begründet sei, weil einem berechtigten Verlangen der Antragstellerin auf Einberufung der Gläubigerversammlung weder durch den Antragsgegner noch durch die gemeinsame Vertreterin entsprochen worden sei. Die Antragstellerin halte mehr als die erforderlichen 5 % des ausstehenden Nennbetrags der Unternehmensanleihe. Dies stehe aufgrund der vorgelegten Bescheinigung der depotführenden Bank vom 27.04.2017 fest; auch im Zeitpunkt der Zurückweisung des Antrags durch die gemeinsame Vertreterin habe kein hinreichender Grund bestanden, an der Richtigkeit der auf die Antragstellerin lautenden Depotübersicht zu zweifeln. Die erforderliche Begründung eines besonderen Interesses an der Einberufung liege in dem mitgeteilten Tagesordnungspunkt der Abberufung der gemeinsamen Vertreterin. Ein weitergehendes Interesse müsse nicht dargelegt werden. Daran ändere die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts und auch nicht der Umstand, dass die gemeinsame Vertreterin bereits in den Anlagebedingungen bestellt worden sei. Im Übrigen sei das Einberufungsverlangen eindeutig; eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung sei nicht erkennbar.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 09.05.2017 (Bl. 1199 ff. d. A.) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Antragstellerin bei Abfassung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 28.04.2017 das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe. Mit Telefax vom 27.04.2017 (Bl. 1161 ff. d. A.) habe der Antragsgegner dem Gericht mitgeteilt, dass die gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger – die Beteiligte zu 3. – am gleichen Tage gemäß dem Minderheitsverlangen zu einer Abstimmung ohne Versammlung der Anleihegläubiger eingeladen habe. Die Antragstellerin habe ihr Ziel vollständig erreicht; der angefochtene Beschluss sei aus diesem Grund aufzuheben.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie meint, die nunmehrige Einberufung sei nicht von dem Ziel getragen, eine Abstimmung zu ermöglichen, sondern eine solche zu verhindern. Es solle in Ansehung des Umstandes, dass allein der Versammlungsleiter der ersten Versammlung bzw. der Abstimmung ohne Versammlung über die Einberufung einer zweiten Versammlung entscheide, die Abstimmung im Ergebnis verhindert werden. Die gemeinsame Vertreterin habe bereits Anlass zur Vermutung gegeben, dass sie keine sachlich gebotene zweite Versammlung anberaume, wenn dies möglicherweise das für sie gewünschte Ergebnis zeitige. Überdies sei der Antrag auf Einberufung einer Gläubigerversammlung rechtlich nicht identisch mit der Einberufung einer Abstimmung ohne Versammlung. Von einem Rechtsmissbrauch könne mithin nicht ausgegangen werden.

Durch Beschluss vom 16.05.2017 (Bl. 1226 ff. d. A.) hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin an der gerichtlichen Ermächtigung zur Einberufung der Gläubigerversammlung vom 28.04.2017 durch die am 27.04.2017, 19:13 Uhr, vollzogene Einberufung durch die gemeinsame Vertreterin nicht entfallen sei. Im Gegenteil zeige der Ablauf der Ereignisse, dass die gemeinsame Vertreterin ihr Vorgehen sehr eng mit dem Antragsgegner abstimme. Die Vermutung der Antragstellerin erscheine begründet, dass insbesondere die mit der Einberufung vorgenommene Wahl des Verfahrens und der Versammlungsleitung geeignet erscheine, das übereinstimmende Ziel zu erreichen, die Abwahl der gemeinsamen Vertreterin zu verhindern. Die der Antragstellerin nicht mitgeteilte kurzfristige Entscheidung zur Einberufung sei erfolgt, nachdem im Verfahren das Gericht in einem Telefonat mit dem Antragsgegnervertreter auf Frage mitgeteilt habe, dass der Ermächtigung keine überzeugenden Argumente entgegenstünden, und die Entscheidung voraussichtlich für den 28.04.2017 angekündigt worden sei. Die gerichtlich ausgesprochene Ermächtigung habe auch einen anderen Inhalt als die jetzt erfolgte Einberufung. Sie ermögliche die Wahl des Verfahrens und bestimme den durch die Gläubigerin vorgeschlagenen Versammlungsleiter. Auch deshalb sei das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.

Die Beteiligte zu 3. hat zur Beschwerde unter anderem mit Schriftsatz vom 24.05.2017 (Bl. 1234 ff. d. A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, Stellung genommen. Mit Schriftsatz vom 24.05.2017 (Bl. 1294 ff. d. A.) hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie den Beschluss des Amtsgerichts vollzogen habe. Sie habe sich nach gewissenhafter Prüfung entschlossen, den angefochtenen Beschluss zu vollziehen und habe zur Gläubigerversammlung am 09.06.2017 geladen. Sie habe sich dabei von der Erwägung leiten lassen, dass ihr zur Durchführung der gerichtlichen Ermächtigung eine Frist von 3 Wochen gesetzt worden sei, die am 19.05.2017 ausgelaufen sei.

In der Folge sind weitere Schriftsätze der Beteiligten zu den Akten gelangt. Wegen deren Inhalt, zum Sach- und Streitstand im Übrigen und zum weiteren Verfahrensablauf wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß den §§ 9 Abs. 3 Satz 2 SchVG, 58 ff. FamFG statthaft und auch ansonsten zulässig.

Sie ist – anders als die Antragstellerin offensichtlich meint – nicht nachträglich dadurch unzulässig geworden, dass die Antragstellerin von der gerichtlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht hat und für den 09.06.2017 eine Gläubigerversammlung einberufen hat. Zwar entfällt grundsätzlich mit der Erledigung der Hauptsache das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage bewirkt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, da eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann. Die Folge wäre, dass der Antragsgegner seine Beschwerde auf den Kostenpunkt hätte beschränken müssen, um der Verwerfung seines Rechtsmittels als unzulässig zu entgehen (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise bei Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 22 Rz. 34). Dies hat er jedoch – nach Auffassung des Senats zu Recht – nicht getan, sondern hält an seiner Beschwerde in der Hauptsache fest (vgl. Seite 9 des Schriftsatzes vom 06.06.2017). Nach anerkannter Rechtsprechung tritt etwa im Verfahren auf Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung gemäß § 122 Abs. 1 bis 3 AktG eine Hauptsacheerledigung erst ein, wenn die Hauptversammlung entsprechend dem Verlangen gesetzes- und satzungsgemäß einberufen und durchgeführt worden ist (vgl. OLG Düsseldorf ZIP 2013, 1022; BGH ZIP 2012, 1313 [BGH 08.05.2012 – II ZB 17/11], je m. w. N.). Die vorliegende Sach- und Rechtslage zur Einberufung einer Gläubigerversammlung ist insoweit vergleichbar (vgl. dazu auch Bliesener/Schneider in Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl., § 9 SchVG Rz. 16 Fn. 12; Veranneman/Wasmann/Steber, SchVG, 2. Aufl., § 9 Rz. 1; Preuße/Schindele, SchVG, § 9 Rz. 1), so dass keine anderweitige Beurteilung geboten ist. Auch dass über den mit dem Antrag verlangten Beschlussgegenstand unabhängig von der erteilten Ermächtigung Beschluss gefasst worden wäre, ist nicht vorgetragen worden, so dass auch insoweit – wollte man dies ausreichen lassen (vgl. zu § 122 AktG: BGH ZIP 2012, 1313 [BGH 08.05.2012 – II ZB 17/11]) – nicht von einer Hauptsacheerledigung mit der Folge der Unzulässigkeit der Beschwerde ausgegangen werden könnte. Im Gegenteil haben die Beteiligte zu 3. und der Antragsgegner zuletzt ausgeführt, dass die vorangegangene und oben unter I. erwähnte Abstimmung ohne Versammlung der Anleihegläubiger nicht beschlussfähig gewesen sei.

Die damit insgesamt zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die ausgesprochene gerichtliche Ermächtigung lagen und liegen vor.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SchVG wird die Gläubigerversammlung vom Schuldner oder von dem gemeinsamen Vertreter der Gläubiger einberufen. Wird – wie hier – über das Vermögen einer GmbH, die Schuldverschreibungen ausgegeben hat, das Insolvenzverfahren eröffnet, steht die Befugnis zur Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung nach dem SchVG nicht mehr dem Geschäftsführer der Anleiheschuldnerin, sondern dem Insolvenzverwalter – dem Antragsgegner – zu (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2017, 142 [OLG Stuttgart 27.12.2016 – 10 U 97/16], zitiert nach juris). Darüber streiten die Beteiligten nicht; der Antragsgegner hat dies nicht in Abrede gestellt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SchVG ist die Gläubigerversammlung einzuberufen, wenn Gläubiger, deren Schuldverschreibungen zusammen 5 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen erreichen, dies schriftlich (u. a.) mit der Begründung verlangen, sie wollten einen gemeinsamen Vertreter abberufen (vgl. zur grundsätzlich bestehenden Abberufungsmöglichkeit die §§ 8 Abs. 4, 7 Abs. 4 SchVG). In diesem Fall bedarf es keines weiteren Nachweises eines besonderen Interesses an der Einberufung (vgl. Müller in NK-Aktienrecht, 4. Aufl., § 9 SchVG Rz. 2; Bliesener/Schneider, a.a.O., § 9 SchVG Rz. 9). Diese Möglichkeit wird auch durch das Insolvenzverfahren nicht ausgeschlossen (vgl. Veranneman/Rattunde, a.a.O., § 19 Rz. 67; Bliesener/Schneider, a.a.O., § 19 SchVG Rz. 25; OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119, zitiert nach juris; vgl. auch OLG Stuttgart ZIP 2017, 142 [OLG Stuttgart 27.12.2016 – 10 U 97/16]). Dies ist bereits vom Amtsgericht zu Recht angenommen worden; hiergegen wendet sich die Beschwerde ersichtlich auch nicht, die sich vielmehr im Gegenteil darauf beruft, auf das Minderheitsverlangen sei bereits eine Abstimmung ohne Versammlung der Anleihegläubiger in die Wege geleitet worden. Dass also das Einberufungsverlangen etwa unmittelbar auf die Herbeiführung eines gesetzes- oder ansonsten rechtswidrigen Beschlusses gerichtet wäre, kann für das vorliegende Verfahren nicht festgestellt werden. Dass die Antragstellerin das genannte gesetzliche Quorum erfüllt hat, ist ebenfalls vom Amtsgericht angenommen worden. Auch dies ist zuletzt weder von der Beschwerde noch von der Beteiligten zu 3. in Zweifel gezogen worden, so dass hiervon ohne weiteres auszugehen ist. Dabei steht es den antragstellenden Gläubigern grundsätzlich frei, ob sie sich mit ihrem Begehren an den Schuldner (hier: den Antragsgegner) oder den gemeinsamen Vertreter der Gläubiger wenden (vgl. Veranneman/Wasmann/Steber, a.a.O., § 9 Rz. 11; Bliesener/Schneider, a.a.O., § 9 SchVG Rz. 14; Schmidtbleicher in Frankfurter Kommentar zum SchVG, § 9 Rz. 29). Hier ist im Ergebnis unerheblich, dass die Antragstellerin ihren Antrag an beide möglichen Adressaten gerichtet hat. Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die Antragstellerin ansonsten bei Geltendmachung nur gegenüber einem Adressaten verpflichtet gewesen wäre, vor der gerichtlichen Anrufung den anderen Adressaten zu informieren (vgl. dazu Schmidtbleicher, a.a.O., § 9 Rz. 29, 39), zeigen die Schreiben der Adressaten vom 01.03.2017 und vom 06.03.2017 und auch die nachfolgenden Vorgänge, auf die die Beschwerde sich stützt, dass dadurch Unklarheiten, die für das weitere Verfahren von Bedeutung wären, nicht aufgetreten sind (vgl. dazu auch Veranneman/Wasmann/Steber, a.a.O., § 9 Rz. 21 a. E.).

Spätestens mit diesen beiden zuletzt genannten Schreiben war auch hinreichend deutlich, dass dem berechtigten Verlangen der Antragstellerin nicht entsprochen worden war, wie es § 9 Abs. 2 Satz 1 SchVG für den gerichtlichen Antrag verlangt, denn auch die Beteiligte zu 3. hat in ihrem Schreiben vom 06.03.2017 erklärt, dass ihr die Einberufung einer Gläubigerversammlung nicht möglich sei. Dass die Beteiligte zu 3. und der Antragsgegner ihre Ablehnungen nunmehr als vorläufig einschätzen, ist unerheblich. Ob zuvor die Entscheidung von den Adressaten unangemessen verzögert worden war, d. h. über das Ansuchen nicht unverzüglich entschieden wurde (Veranneman/Wasmann/Steber, a.a.O., § 9 Rz. 15; Bliesener/Schneider, a.a.O., § 9 SchVG Rz. 16), kann deshalb in diesem Zusammenhang dahinstehen.

Dem Einberufungsantrag fehlt entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerde auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beteiligte zu 3. als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger am 27.04.2017 zu einer Abstimmung ohne Versammlung der Anleihegläubiger eingeladen hatte. Auch ein für die Entscheidung des Senats relevanter Rechtsmissbrauch der Antragstellerin kann nicht festgestellt werden.

Die Befürchtung des Antragsgegners in der Beschwerde, es bestehe die Gefahr widerstreitender Beschlüsse, führt nicht dazu, dass das Einberufungsverlangen der Antragstellerin als rechtsmissbräuchlich zu werten wäre (vgl. zu § 122 AktG: OLG München FGPrax 2010, 46 [OLG München 09.11.2009 – 31 Wx 134/09], zitiert nach juris), abgesehen davon, dass offensichtlich in der von der Beteiligten zu 3. eingeleiteten Abstimmung ohne Versammlung Beschlüsse der Gläubiger nicht gefasst wurden. Dazu ist in der Rechtsprechung (zu § 122 AktG) anerkannt, dass bei der Annahme von Rechtsmissbrauch grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist und strenge Anforderungen an dessen Vorliegen im Einzelfall zu stellen sind (KG FGPrax 2012, 28 [KG Berlin 25.08.2011 – 25 W 63/11]; NZG 2003, 441 [KG Berlin 03.12.2002 – 1 W 363/02]; OLG Karlsruhe ZIP 2015, 125; Senat FGPrax 2005, 176 [KG Berlin 22.03.2005 – 1 W 263/04], je zitiert nach juris), um den Zweck des Minderheitenschutzes – um den es auch hier geht – nicht zu gefährden (vgl. für das SchVG auch Schmidtbleicher, a.a.O., § 9 Rz. 25). Der Antragsgegner hatte es hier zum einen in der Hand, auf das Begehren der Antragstellerin die Gläubigerversammlung einzuberufen; er hat dies aber abgelehnt. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang mit dem Amtsgericht der Ablauf der Ereignisse zu berücksichtigen. Die der Antragstellerin nicht mitgeteilte kurzfristige Entscheidung zur Abstimmung ohne Versammlung erfolgte danach erkennbar ohne zuvor mitgeteilte neue Entscheidungsgrundlagen – auch nicht im Hinblick auf die in beiden Ablehnungsschreiben angesprochene Kostenfrage -, nachdem die Einberufung zuvor – wie gesagt – außergerichtlich abgelehnt worden und darauf im gerichtlichen Ermächtigungsverfahren lediglich Bezug genommen worden war. Sie erfolgte äußerst kurzfristig, nachdem im Verfahren das Gericht in einem Telefonat mit dem Antragsgegner auf Frage mitgeteilt hatte, dass der Ermächtigung keine überzeugenden Argumente entgegenstehen, und die Entscheidung voraussichtlich für den 28.04.2017 angekündigt worden war. Daraus wird jedenfalls deutlich, dass diese kurzfristige Einberufung durch die gemeinsame Vertreterin in Abstimmung mit dem Antragsgegner erfolgte, zu dem Zweck, die Durchführung der Versammlung durch die Antragstellerin zu verhindern. Ob darin bereits ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragsgegners – so das Amtsgericht – oder gar der gemeinsamen Vertreterin – wie diese die Ausführungen des Amtsgerichts verstanden hat – gesehen werden könnte, mag zweifelhaft erscheinen, kann für die Entscheidung des Senats offen bleiben, so dass es auf die diesbezüglichen tatsächlichen Fragen nicht ankommt. Maßgeblich ist vielmehr, ob durch diese Anordnung der Abstimmung ohne Versammlung das Rechtsschutzbedürfnis für die Ermächtigung entfallen ist bzw. ein Rechtsmissbrauch der Antragstellerin vorliegt. Davon kann mit dem Amtsgericht nicht ausgegangen werden, weil angesichts dieser Umstände jedenfalls deren Vermutung nicht unbegründet erscheint, dass die mit der Einberufung vorgenommene Wahl des Verfahrens und der Versammlungsleitung geeigneter erscheinen, ihre Minderheitsrechte zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung zu sichern. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners hat das Amtsgericht nicht zu Unrecht in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die gerichtlich ausgesprochene Ermächtigung im Hinblick auf das Verfahren einen anderen lnhalt hat, als die nach gerichtlicher Antragstellung und erst kurz vor Erlass des angefochtenen Beschlusses von der gemeinsamen Vertreterin gewählte Verfahrensweise (vgl. zu den Unterschieden im Einzelnen Veranneman/Wasmann/Hofmeister, a.a.O., § 18 Rz. 3 ff.). Dabei kommt in diesem Zusammenhang durchaus auch dem Umstand Bedeutung zu, dass hier zur Abberufung der gemeinsamen Vertreterin Beschluss gefasst werden soll, so dass – ob berechtigt oder nicht – die Gefahr gesehen werden könnte, dass diese durch die Wahl des Verfahrens hierauf Einfluss nehmen könnte. Ob und inwieweit der Ablauf der in die Wege geleiteten Abstimmung ohne Versammlung hierfür sogar sprechen könnte, worüber die Antragstellerin und die Beteiligte zu 3. umfassend streiten, kann dabei dahinstehen. Ebenfalls offen bleiben kann die Frage, welche Zwecke die Antragstellerin mit der von ihr offensichtlich angestrebten Abberufung der gemeinsamen Vertreterin anstrebt. Ist eine Abberufung – wie gesagt – im Gesetz vorgesehen, kann das Bestreben, hierüber einen Beschluss herbeizuführen, nicht nach den oben dargelegten Maßgaben als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Auf das umfassende wechselseitige Vorbringen der Beteiligten hierzu und zu Vorgängen in der Vergangenheit kommt es nicht an. Einem diesbezüglichen Meinungsaustausch und einer Entscheidungsfindung der Anleihegläubiger, die eine Gläubigerversammlung immerhin – anders als die Abstimmung ohne Versammlung – ermöglicht, kann hier nicht vorgegriffen werden. Ob und inwieweit es hierzu kommen wird, was der Antragsgegner und die Beteiligte zu 3. in Zweifel ziehen, kann ebenfalls nicht im Ermächtigungsverfahren hypothetisch vorweggenommen werden. Dass die Antragstellerin nach Erlass des angefochtenen Beschlusses in Kenntnis der Entscheidung zur Abstimmung ohne Versammlung von ihrer Ermächtigung Gebrauch machte, kann ihr ebenfalls nicht als rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden. Dazu war sie im Hinblick auf § 40 Abs. 1 FamFG vielmehr berechtigt (vgl. OLG München FGPrax 2010, 46 [OLG München 09.11.2009 – 31 Wx 134/09]); angesichts der durch das Amtsgericht gesetzten Frist wäre die Ermächtigung, die vom Amtsgericht ausweislich der Nichtabhilfeentscheidung auch nach wie vor für erforderlich erachtet wurde, ansonsten auch verfallen.

Richtig dürfte zwar sein, wie die Beteiligte zu 3. anmerkt, dass dieser angesichts der Anleihebedingungen lediglich diese Möglichkeit der Aufforderung zur Stimmabgabe in einer Abstimmung ohne Versammlung zur Verfügung stand. Nach § 5 Abs. 6 SchVG beschließen die Gläubiger entweder in einer Gläubigerversammlung oder im Wege einer Abstimmung ohne Versammlung; die Anleihebedingungen können ausschließlich eine der beiden Möglichkeiten vorsehen. Die Wahl der einen oder anderen Beschlussform dürfte dann die Durchführung in der abgewählten Form ausschließen (vgl. Bliesener/Schneider, a.a.O., § 18 SchVG Rz. 2). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. In § 14 Ziffer 2 der bereits vorliegenden und vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 06.06.2017 nochmals vorgelegten Anleihebedingungen ist unter anderem geregelt, dass alle Abstimmungen gemäß dem SchVG ausschließlich im Wege der Abstimmung ohne Versammlung durchgeführt werden, sofern die Emittentin nicht im Einzelfall etwas anderes entscheidet. Diese hat – vorliegend in Person des Antragsgegners – jedoch die Einberufung der Gläubigerversammlung abgelehnt und von ihrem diesbezüglichen Wahlrecht gerade keinen Gebrauch gemacht. Dass der Antragsgegner zur Veranlassung einer Abstimmung ohne Versammlung bereit gewesen wäre, ergibt sich nämlich aus seinem Ablehnungsschreiben gerade nicht. Derartiges hat er auch gegenüber dem Amtsgericht und mit der Beschwerde nicht geltend gemacht; er hat sich vielmehr auf eine diesbezügliche Entscheidung der Beteiligten zu 3. berufen. Wie gesagt kann die Gläubigerminderheit nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SchVG vom Gericht ermächtigt werden, die Gläubigerversammlung einzuberufen. Aus der oben dargelegten Regelung in den Anleihebedingungen kann nach Auffassung des Senats – anders als die Beteiligte zu 3. und der Antragsgegner offensichtlich meinen – noch nicht ohne weiteres entnommen werden, dass das Gericht bei der Ermächtigung der Gläubigerminderheit in diesem Fall auf die Möglichkeit der Abstimmung ohne Versammlung beschränkt wäre. Die Anleihebedingungen schließen vielmehr eine Gläubigerversammlung gerade nicht gänzlich aus, sondern sehen eine solche – wenn auch auf Entscheidung der Emittentin – sogar ausdrücklich vor. Damit stellt sich die Abstimmung ohne Versammlung trotz der vorangehenden Verwendung des Begriffs „ausschließlich“, auf den der Antragsgegner abstellt, im Ergebnis nur als Regelfall dar. Da sich der vorliegende Ermächtigungsantrag zu Recht gegen den Antragsgegner und nicht gegen die Beteiligte zu 3. richtet (vgl. dazu Bliesener/Schneider, a.a.O., § 9 SchVG Rz. 16; Veranneman/Wasmann/Steber, a.a.O., § 9 Rz. 16), vermag der Senat nicht zu erkennen, dass dem Amtsgericht angesichts dieser Bestimmung die im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Ermächtigung („die Gläubigerversammlung einzuberufen“) im Hinblick auf die anderweitige Möglichkeit einer Ermächtigung (vgl. § 18 Abs. 2 SchVG) verwehrt gewesen wäre. Dies kann angesichts dieser Darlegungen auch im Wege der Auslegung der Anleihebedingungen noch nicht ohne weiteres aus dem Umstand entnommen werden, dass die Anleihebedingungen die Einberufung einer Gläubigerversammlung durch die ermächtigten Gläubiger – anders als für die Emittentin – nicht explizit regeln.

Zutreffend ist weiter der Einwand der Beteiligten zu 3., dass nach der von ihr zitierten Rechtsprechung des BGH auf die Einberufung einer zweiten Versammlung nach § 15 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 SchVG die Vorschrift des § 9 Abs. 2 SchVG keine Anwendung findet, insoweit also eine Ermächtigung auf Antrag nicht ausgesprochen werden kann. Darum geht es hier jedoch nicht; die gerichtliche Ermächtigung erfolgte zur Einberufung einer „ersten“ Gläubigerversammlung (in der zitierten Entscheidung des BGH hatte die dortige Schuldnerin – anders als hier – auf das Verlangen der Gläubigerminderheit eine Gläubigerversammlung einberufen). Der Umstand, dass über die Einberufung einer zweiten Versammlung ggf. der Versammlungsleiter der „ersten“ Versammlung entscheidet, ändert daran noch nichts, abgesehen davon, dass hier ein Notar als Versammlungsleiter durch das Gericht – wenn auch auf Anregung der Antragstellerin – bestellt wurde. Ohnehin hängen diese Erwägungen vom Verlauf der noch durchzuführenden Gläubigerversammlung ab, der derzeit – wie bereits oben ausgeführt – nicht sicher festgestellt werden kann; diese können auch nicht im Rahmen der gerichtlichen Ermächtigungsentscheidung vorweggenommen werden mit der Folge, dass eine Ermächtigung von vorneherein nicht auszusprechen wäre. Daran ändert der Verlauf der bereits veranlassten Abstimmung ohne Versammlung der Anleihegläubiger nichts.

Lediglich vorsorglich bemerkt der Senat im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten zu 3. im Schriftsatz vom 05.06.2017, dass etwaige Fehler des einberufenden Gläubigers bei Ausübung der gerichtlichen Ermächtigung (vgl. die §§ 10 ff. SchVG) nicht dazu führen würden, dass die Ermächtigung wieder aufzuheben ist (vgl. zu § 122 AktG: OLG München FGPrax 2010, 46 [OLG München 09.11.2009 – 31 Wx 134/09]). Derartige Gesichtspunkte können im vorliegenden Verfahren dahinstehen. Ggf. kann dies – wie auch andere von dem Antragsgegner bzw. der Beteiligten zu 3. offensichtlich befürchtete Gesetzesverstöße durch eine eventuelle Beschlussfassung – im Verfahren nach § 20 SchVG einer Überprüfung zugeführt werden.

Soweit die Beteiligte zu 3. einen Verstoß gegen die Grundsätze zur Gewährung rechtlichen Gehörs rügt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach herrschender Auffassung die Rechte der gemeinsamen Vertreterin nicht beeinträchtigt werden und sie deshalb in der Regel im gerichtlichen Ermächtigungsverfahren nicht zu beteiligen ist (vgl. dazu Bliesener/Schneider, a.a.O., § 9 SchVG Rz. 16; Veranneman/Wasmann/Steber, a.a.O., § 9 Rz. 16; Schmidtbleicher, a.a.O., § 9 Rz. 40). Im Übrigen hatte sie in der Beschwerdeinstanz hinreichend Gelegenheit, ihren Rechtsstandpunkt darzutun, wovon sie auch Gebrauch gemacht hat, so dass ein eventueller Verstoß ohnehin geheilt wäre. Die letztgenannten Erwägungen gelten auch für den Antragsgegner, der im Schriftsatz vom 06.06.2017 vergleichbare Rügen erhoben hat.

Vor Erlass dieser Entscheidung bedurfte es einer Übersendung der Schriftsätze vom 05. und 06.06.2017 zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht. Für die Antragstellerin ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass sie im Beschwerdeverfahren obsiegt hat. Auf den Schriftsatz der Antragstellerin hat der Senat nicht abgestellt. Er enthält keinen neuen Tatsachenvortrag, auf den abgehoben wurde. Die Rechtsausführungen sind, soweit sie nicht bereits ohnehin Gegenstand des Akteninhalts waren, wie oben aufgezeigt nicht zu Lasten des Beschwerdeführers verwendet worden.

Angesichts dieser Hauptsacheentscheidung besteht kein Anlass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf der Anwendung des gesetzlichen Regelfalls des § 84 FamFG, ansonsten – soweit von einer Anordnung der Erstattung notwendiger Aufwendungen abgesehen wurde – auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren hat der Senat mangels anderweitiger hinreichender Anhaltspunkte an den §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG orientiert (vgl. dazu Korintenberg/Klüsener, GNotKG, 20. Aufl., § 67 Rz. 18 a. E.) und hat von der Möglichkeit des § 79 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG für das erstinstanzliche Verfahren Gebrauch gemacht. Der – nicht begründete – Ansatz des Amtsgerichts erscheint dem Senat zu niedrig.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 FamFG. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Es geht vielmehr um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben, da gesetzlich nicht vorgesehen.

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