OLG Frankfurt am Main, 15.05.2017 – 20 W 147/17

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 15.05.2017 – 20 W 147/17
Leitsatz:

Zur Frage der Befristung der gerichtlichen Bestellung eines Aufsichtsrates nach § 104 Abs. 2 AktG
Tenor:

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts wird dahingehend abgeändert, dass die Amtszeit des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds A mit Abschluss der nächsten Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat der Gesellschaft im Jahr 2019 endet, spätestens jedoch mit Ablauf des 31.05.2019.

Das Verfahren der Beschwerde ist gerichtskostenfrei.
Gründe

Mit seiner Beschwerde vom 08.03.2017, auf die Bezug genommen wird (Bl. 2281 ff der Akte), wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.02.2017, auf den ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 2274 f der Akte). Mit diesem Beschluss hat das Amtsgericht gemäß § 104 Abs. 2 AktG A als Arbeitnehmervertreter zum Mitglied des Aufsichtsrats der dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegenden Gesellschaft bestellt, nachdem das Mitglied C sein Amt zum 01.10.2016 niedergelegt hat. Allerdings hat das Amtsgericht entgegen dem von dem Vorstand der Gesellschaft unbefristet gestellten Bestellungsantrag (Antrag vom 02.01.2017, Bl. 2254 ff der Akte) lediglich eine bis zum 10.08.2017 befristete Bestellung vorgenommen. Alleine gegen diese Befristung wendet sich der Beschwerdeführer. Mit der Beschwerdeschrift hat er statt dieser Befristung zunächst eine Befristung der Bestellung des A „bis zum Abschluss der Aufsichtsratswahl im Jahr 2019“ beantragt. In einem Telefonat mit dem Berichterstatter des Senats am 15.05.2017 hat er sich dann im Beisein des Justitiars der Gesellschaft D mit einer längsten Befristung auf den 31.05.2019 einverstanden erklärt.

Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beschwerdeführer ist als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft und damit selbst nach § 104 Abs. 1 und 2 AktG antragsberechtigte Person aufgrund der von dem Bestellungsantrag des Vorstandes nachteilig abweichenden befristeten Bestellung des neuen Aufsichtsratsmitglieds durch das Amtsgericht beschwerdeberechtigt (vgl. u.a. Simons in Hölters, AktG. 2. Aufl., 2014, § 104, Rn. 41 m.w.N.).

Die Beschwerde ist auch begründet.

Der Senat hält die von dem Amtsgericht beschlossene Befristung der gerichtlichen Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds bis zum 10.08.2017 für den vorliegenden Sachverhalt nicht für erforderlich; vielmehr ist die nun vom Senat bestimmte Befristung ausreichend, aber auch erforderlich.

Allerdings enthält § 104 Abs. 2 AktG keine gesetzliche, vom Amtsgericht zu beachtende Vorgabe dafür, für welchen Zeitraum eine bei ihm beantragte Ergänzung eines Aufsichtsrates zu erfolgen hat. Auch wenn nach § 104 Abs. 6 AktG das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds in jedem Fall erlischt, sobald der Mangel behoben ist, sollte zur Vermeidung der Gefahr einer dauerhaften Entmündigung des eigentlich für die Aufsichtsratswahl zuständigen Organs jedoch auch die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds grundsätzlich bis zum nächsten regulären Bestellungstermin befristet werden, also der nächsten Hauptversammlung für die Anteilseignervertreter oder der nächsten Belegschaftswahl für die Arbeitnehmervertreter (vgl. u.a. Simons, a.a.O., Rn. 32; ausdrücklich eine derartige Befristung anordnend in einem Fall der Wahlzuständigkeit der Hauptversammlung: OLG München, Beschluss vom 09.11.2009, Az. 31 Wx 136/09, zitiert nach juris). Eine derartige Befristung – hier also bis zur nächsten Belegschaftswahl – hat das Amtsgericht vorliegend jedoch nicht vorgenommen, sondern eine Frist nur bis zum 10.08.2017 bestimmt mit der Begründung, dass bis dahin ausreichend Zeit bestehe, ordnungsgemäß ein neues Aufsichtsratsmitglied zu bestellen. Für eine derartige kurze Fristsetzung, die – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erwogen wird, gibt es vorliegend jedoch keine besondere Rechtfertigung. Wie gesagt, sollte, wenn man – wie der Senat – eine Befristung der gerichtlichen Bestellung überhaupt vornehmen will, sich diese im Fall der Wahl der Arbeitnehmervertreter grundsätzlich an der nächsten Belegschaftswahl orientieren. Diese Wahl soll hier nach dem Vortrag der Beschwerde zwischen November 2018 und Februar 2019 stattfinden. Die bisherige Amtszeit der am 20./21.01.2014 gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Gesellschaft ist also bereits zu etwa 3/5 abgelaufen. Weiterhin ist zu berücksichtigten, dass eine gesonderte Nachwahl – und dies sogar nur für einen der fünf Arbeitnehmernehmervertreter im Aufsichtsrat – nach dem nachvollziehbaren Vortag des Beschwerdeführers erhebliche personelle Kräfte der Gesellschaft, insbesondere auch von Betriebsratsmitgliedern binden würde, die derzeit im Hinblick auf eine laufende Betriebsreorganisation dringend anderweitig benötigen werden.

Der Senat hält es daher auch vorliegend für angemessen, zur Vermeidung einer zwischenzeitlichen weiteren – wie dargelegt mit erheblichem Aufwand verbundenen – Einzelnachwahl die Dauer der Amtszeit des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds an den allgemeinen Turnus der Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat der Gesellschaft anzupassen. Wie gesagt, steht die nächste entsprechende Wahl bis Anfang 2019 an.

Weiterhin berücksichtigt die nunmehr durch den Senat mit Ablauf des 31.05.2019 bestimmte längste Beendigungsfrist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 24.06.2002 (Az. II ZR 296/01, zitiert nach juris; Anschluss: OLG München, a.a.O.), wonach im Normallfall der Aufsichtsratsbestellung durch die originär zuständigen Organe die Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat spätestens in dem Zeitpunkt endet, in dem eine Hauptversammlung über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr seit Amtsantritt des Aufsichtsrats hätte beschließen müssen, wobei als spätester Zeitpunkt auf den nach Ansicht des Bundesgerichtshofs anwendbaren § 120 Abs. 1 S. 1 AktG abzustellen ist. Danach entscheidet die Hauptversammlung alljährlich in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes und über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats. Diese Rechtsprechung knüpft an die – über § 5 Abs. 1 DrittelbG, § 11 Nr. 2 der Satzung der Gesellschaft auch vorliegend anwendbare – Regelung in § 102 Abs. 1 AktG an, wonach die Aufsichtsratsmitglieder nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden können, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt, wobei das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird. Ausgehend von dieser Rechtslage, dem Geschäftsjahr der Gesellschaft vom 01.10. bis zum 30.09. des Folgejahres (§ 3 der Satzung) und der am 20./21.01.2014 erfolgten Bestellung des bisherigen Aufsichtsrats errechnet sich somit der 31.05.2019.

Der Senat hält diese, sich an dem Normalfall der Aufsichtsratsbestellung durch die originär zuständigen Organe orientierende zeitliche Befristung des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds auch deswegen für erforderlich, weil dessen Bestellung ohne ausdrückliche Befristung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Bestellung für die oben dargelegte gesetzliche oder satzungsmäßige Höchstfrist erfolgen würde und nicht etwa nur bis zum Ende der Amtszeit dessen, den der gerichtlich bestellte Aufsichtsrat ersetzt (vgl. u.a. Simons, a.a.O., § 104 Rn. 33; Hopt/Roth, in Hopt/Wiedemann, AktG, 4. Auflage, 2006, § 104, Rn. 111, m.w.N.). Die Bestimmung in § 11 Nr. 3 der Satzung der Gesellschaft, wonach die Amtsdauer eines durch Ergänzungswahl der nächsten Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieds grundsätzlich für den Rest der Amtsdauer des Ausgeschiedenen gilt, greift demgegenüber vorliegend nicht. Diese Satzungsregelung bezieht sich nämlich ausdrücklich nur auf ein vor Ablauf seiner Amtsdauer ausscheidendes, von der Hauptversammlung gewähltes Aufsichtsratsmitglied.

Auch mit der nunmehr vom Senat gesetzten längeren Frist wird die möglicherweise vom Amtsgericht intendierte Wahrung der Rechte der ordentlich zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder bestimmten Arbeitnehmer der Gesellschaft in ausreichendem Maß erreicht (zur grundsätzlichen Frage einer Befristung der gerichtlichen Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds siehe u.a. auch noch Hüffer, AktG, 11. Auflage, 2014, § 104, Rn. 3 m.w.N.; Mertens/Cahn, Kölner Kommentar zum AktG, 2013, § 104, Rn. 4; Hopt/Roth, a.a.O., Rn. 129). Daneben wird aber auch der bei der Gesellschaft bestehende zeitliche Gleichlauf jedenfalls der Aufsichtsratsmandate der Arbeitnehmervertreter beibehalten.

Klarstellend wird nochmals darauf hingewiesen, dass die erfolgte Befristung keinen Einfluss auf die gesetzliche Regelung in § 104 Abs. 6 AktG hat, wonach das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsmitglieds in jedem Fall erlischt, sobald der Mangel behoben ist.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde ist das Beschwerdeverfahren gerichtskostenfrei, da das Rechtsmittel mit Erfolg eingelegt worden ist und der Senat keine Veranlassung zu einer anderen Kostenentscheidung sieht (§§ 25 Abs. 1, 22 GNotKG); die Feststellung zur Kostenfreiheit im Tenor dieses Beschlusses erfolgte insoweit lediglich deklaratorisch.

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