OLG Frankfurt am Main, 09.02.2017 – 3 U 146/15

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.02.2017 – 3 U 146/15
Leitsatz:

Der Alleingesellschafter einer GmbH, der eine Höchstbetragsbürgschaft für Verbindlichkeiten der GmbH übernommen hat, kann seiner Haftung weder die Kündigung der Bürgschaft noch die Sittenwidrigkeit der Ausweitung der Kreditlinie oder Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Pflichtverletzungen gem. § 768 BGB entgegenhalten
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 03.07.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Limburg, Aktenzeichen 4 O 111/14, wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene und das vorliegende Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Inanspruchnahme des Beklagten aus einer betragsmäßig beschränkten, selbstschuldnerischen Bürgschaft zur Sicherung einzelner Forderungen über EUR 90.000,00, die der Beklagte ausweislich der Bürgschaftsurkunde vom 18.10.2012, Aktenzeichen …, zur Sicherung aller Forderungen der Beklagten gegen die A … GmbH (fortan: Hauptschuldnerin) aus dem Kontokorrentkredit auf Konto … über 25.000,00 sowie darüberhinausgehende Inanspruchnahmen bis zu einem Höchstbetrag in Höhe von EUR 90.000,00 gegenüber der Klägerin übernommen hatte.

Der Beklagte war einzelvertretungsberechtigter Alleingeschäftsführer der Hauptschuldnerin, die beim Amtsgericht Stadt1 im Handelsregister eingetreten war. Der Beklagte war zudem gemeinsam mit seiner Ehefrau Gesellschafter der Hauptschuldnerin und hielt zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft selbst 80% der Gesellschaftsanteile, während seine Ehefrau 20% der Anteile hielt. Nach Umfirmierung nahm die Hauptschuldnerin ab August 2013 (eingetragen im Handelsregister am 04.09.2013) unter der geänderten Firma B GmbH am Geschäftsverkehr teil. Im Jahr 2013 verlegte die Hauptschuldnerin ihren Sitz nach Stadt2. Die Hauptschuldnerin existiert mittlerweile nicht mehr.

Die Hauptschuldnerin war Teil der „A“-Unternehmensgruppe, deren Reorganisation und Umwandlung in eine Aktiengesellschaft bereits in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum im Raum stand und zwischen den Parteien erörtert wurde.

Der ursprüngliche Gesamtkreditrahmen, der der Hauptschuldnerin Anfang September 2011 gewährt worden war, belief sich auf EUR 25.000,00. Als Sicherheit hatte der Beklagte seinerzeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von EUR 25.000,00 übernommen. Im weiteren Verlauf wurde die Kreditlinie des Kontokorrentkredits der Hauptschuldnerin faktisch allmählich erhöht auf EUR 90.000,00, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien im Streit stehen, insbesondere die Frage, ob es sich um eine bloße Duldung der Überziehung oder um eine Erhöhung des Kontokorrents handelte, die Erhöhung des Kontokorrents befristet oder unbefristet war und ob es sich bei dieser Erhöhung um eine Zwischenfinanzierung im Zusammenhang mit einem vorübergehend anmutenden Liquiditätsengpass oder um einen Sanierungskredit im engeren Sinne handelte. Der der Hauptschuldnerin faktisch gewährte Kreditrahmen in Höhe von bis zu EUR 90.000,00 konnte bis Sommer 2013 ausgeschöpft werden.

Bis zur Abgabe der verfahrensgegenständlichen Bürgschaftserklärung gab es im Jahr 2012 zwei Kontopfändungen über das verfahrensgegenständliche Konto der Hauptschuldnerin, und zwar am 06.03.2012 wegen eines Betrages in Höhe von EUR 1.579,99 und am 23.04.2012 wegen eines Betrages in Höhe von EUR 1.630,14. Vor der ersten Kontopfändung wies das verfahrensgegenständliche Konto ausweislich des Rechnungsabschlusses zum 29.02.2012 ein Guthaben in Höhe von +137.495,91 EUR aus. Am Tag vor der ersten Kontopfändung belief sich der Kontostand auf EUR +109.262,51. Am Tag der zweiten Kontopfändung belief sich der Kontostand ausweislich des Kontoauszuges auf +9.198,56 EUR.

Bereits seit September 2012 war die Kontoentwicklung auf dem verfahrensgegenständlichen Girokonto der Hauptschuldnerin durchgängig negativ, wobei wegen der Einzelheiten auf die Umsatzlisten des Kontos für den Zeitraum September 2012 bis einschließlich Dezember 2012 verwiesen wird. Der unwidersprochene Rechnungsabschluss vom 30.08.2013 weist einen Kontostand von -89.829,71 EUR aus. Der Rechnungsabschluss am 04.12.2013 weist einen Kontostand von -92.470,59 EUR aus.

Der Finanzbedarf der Hauptschuldnerin wurde zwischen ihr und der Klägerin unter Vorlage verschiedener Unterlagen eingehend erörtert, wobei zwischen den Parteien im Streit steht, ob und in welchem Umfang zum Zeitpunkt der (jedenfalls faktischen) Ausweitung des Kreditrahmens und der Übernahme der verfahrensgegenständlichen Bürgschaft bereits Insolvenzreife der Hauptschuldnerin mit den damit gegebenenfalls verbundenen Anforderungen an die Prüfung des Sanierungskonzeptes bestand.

Mit Email vom 20.10.2012, 08:58 Uhr, gab die Mitgesellschafterin und Ehefrau des Beklagten, die Zeugin D, gegenüber der Klägerin an, ein konzernverbundenes Unternehmen, das der Hauptschuldnerin ca. EUR 150.000,00 schulde, erwarte im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts „F Abu Dhabi“ Verdienste in Höhe von EUR 45.000,00 betreffend den ersten Bauabschnitt und von EUR 36.000,00 betreffend den zweiten Bauabschnitt, so dass nach Abwicklung des Bauauftrages sukzessive mit einem Ausgleich der offenen Forderungen gegenüber der Hauptschuldnerin zu rechnen sei.

Zu einer Rückführung des Kredits durch die Hauptschuldnerin kam es – trotz diverser Verhandlungen über Rückführungsmodalitäten – im weiteren Verlauf nicht.

Mit Schreiben vom 05.12.2013 kündigte die Klägerin die Kontoüberziehung und stellte die Forderung, die sich seinerzeit auf EUR 92.470,59 belief, unter Fristsetzung bis zum 19.12.2013 sofort fällig. Mit gleicher Post nahm die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 19.12.2013 aus der Bürgschaft in Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, mit dem das Landgericht nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Kreditsachbearbeiters C der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat. Die Übernahme der Bürgschaft sei wirksam und nicht etwa wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig, denn der Beklagte sei als geschäftsführender Gesellschafter über die finanziellen Verhältnisse unterrichtet gewesen. Der Beklagte habe die Übernahme der Bürgschaft weder wirksam anfechten können, da er zu keinem Zeitpunkt über relevante tatsächliche Umstände getäuscht worden sei, noch stünden dem Beklagten Schadensersatzansprüche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss zu, denn dem Beklagten sei bei der Ausweitung der Bürgenhaftung bewusst gewesen, dass zunächst nur eine vorläufige Ausdehnung der Kreditlinie zur Aufrechterhaltung der Liquidität erfolge. Die Klägerin habe auch keinerlei Wissenvorsprung ausgenutzt. Die verfahrensgegenständliche Darlehensgewährung sei auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzverschleppung durch Sanierungskreditvergabe nichtig, da es weder zu einer Insolvenz noch zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Hauptschuldnerin gekommen sei. Für eine etwaige Benachteiligung der weiteren Gläubiger der Hauptschuldnerin sei nichts ersichtlich.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 06.08.2015 eingelegten und mit Schriftsatz vom 12.10.2015 begründeten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches, auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Der Beklagte moniert die Verletzung materiellen Rechts und trägt vor:

Das Landgericht habe zu Unrecht das Bestehen der Hauptforderung angenommen habe, weil es die Sittenwidrigkeit der Kreditvergabe trotz der Klägerin bekannter Überschuldung der Hauptschuldnerin verkannt habe. Die Klägerin habe die ihr aufgrund des bevorstehenden Zusammenbruchs der Hauptschuldnerin auferlegten Pflichten zur Rücksichtnahme gegenüber anderen Gläubigern sowohl bei der Kreditvergabe als auch bei der Sicherheitenbestellung verletzt, weshalb Kreditvergabe und Sicherheitenbestellung als Gläubigergefährdung aus eigensüchtigen Motiven wegen Sittenwidrigkeit nichtig seien. Die Klägerin habe ohne ersthafte Sanierungsabsicht die bestehende Kreditlinie erhöht und damit die drohende Zahlungsunfähigkeit der Hauptschuldnerin kurzfristig beseitigt, um Zeit für die Rückführung von Altkrediten oder die Verwertung bestehender Sicherheiten zu gewinnen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das am 03.07.2015 verkündeten Urteiles des Landgerichts Limburg, Az. 4 O 111/14 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt vor:

Als geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter habe der Beklagte eigene Kenntnisse über die finanziellen Verhältnisse der Hauptschuldnerin gehabt. Eine Überschuldung der Hauptschuldnerin habe es allein schon wegen des dem Beklagten bekannten Rangrücktritts der stillen Gesellschafter nicht gegeben. Die beiden Kontopfändungen über Kleinbeträge seien bedeutungslos, insbesondere kein Indiz für eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Hauptschuldnerin. Der Beklagte habe als Gesellschafter und Geschäftsführer der Hauptschuldnerin bestimmen können (und dieses Bestimmungsrecht auch ausgeübt), ob und in welchem Umfang die Hauptschuldnerin den Kredit überhaupt in Anspruch nehmen wollte und dadurch (mittelbar) selbst auf den Umfang seines Engagements als Bürge Einfluss genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte, Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, da das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat. Weder die vorgebrachten Berufungsgründe noch die gemäß § 529 Abs. 2 Satz 2 ZPO von Amts wegen durchzuführende Prüfung lassen erkennen, dass die Klagestattgabe auf einer Rechtsverletzung beruht oder dem Berufungsverfahren zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO).

Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus der mit Erklärung vom 18.10.2012 (K 4 – Bl. 15 d.A.) bis zu einem Höchstbetrag von EUR 90.000.00 übernommenen Bürgschaft ein Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 90.000,00 zu gem. § 765 Abs. 1, 488 Abs. 1 BGB zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 20.12.2013 gem. §§ 286, 288 BGB, denn mit Kündigung der Überziehung trat der Bürgschaftsfall ein, der eine Inanspruchnahme des Beklagten als Bürgen bis zum Höchstbetrag rechtfertigt (A). Die verfahrensgegenständliche Bürgschaft wurde wirksam übernommen (B). Der Beklagte kann seiner Inanspruchnahme weder die Sittenwidrigkeit der Ausweitung der Kreditlinie noch etwaige Schadensersatzansprüche wegen behaupteter Pflichtverletzungen gem. § 768 BGB entgegenhalten (C).

A. Die Hauptforderung aus dem zu Kontonummer … geführten Kontokorrentkredit sowie darüber hinausgehende Inanspruchnahmen bestand, soweit der Beklagte aus der Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag in Höhe von EUR 90.000,00 dafür einzustehen hat, im Verhältnis zur Beklagten in Höhe von 92.470,59 EUR entsprechend dem Rechnungsabschluss (Bl. 294 dA) vom 04.12.2013 (a) und war infolge einer berechtigten Kündigung durch die Klägerin auch fällig (b). Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es nicht an einem schlüssigen Vortrag der Klägerin zur Höhe der Hauptforderung.

(a) Die Klägerin hat zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs hinreichend vorgetragen. Der Beklagte ist dem schlüssigen Klagevorbringen nicht ausreichend entgegengetreten. Die Höhe der verfahrensgegenständlichen Verbindlichkeit der Darlehensnehmerin ergibt sich aus dem auch für den Beklagten relevanten Saldoanerkenntnis aus den turnusmäßig erstellten Rechnungsabschlüssen.

Resultiert die Verbindlichkeit des Hauptschuldners – wie vorliegend – aus einem im Kontokorrent geführten (Giro-) Konto, so kommt dem Gläubiger ein vom Hauptschuldner anerkannter Abschlusssaldo auch im Verhältnis zum Bürgen zugute. Er kann sich auf das abstrakte Saldoanerkenntnis berufen und braucht die Einzelpositionen, die dem anerkannten Saldo zu Grunde liegen, nicht darzulegen und zu beweisen. Unabhängig vom Vorliegen eines anerkannten Abschlusssaldos kann der Gläubiger jedoch gegenüber dem Bürgen ebenso wie im Verhältnis zum Hauptschuldner seine Kontoforderung auch dadurch dartun, dass er die einzelnen Positionen darlegt und beweist, die zu der Kontoforderung geführt haben (vgl. BGH, Urteil vom 18. 12. 2001 – XI ZR 360/00, NJW-RR 2002, 986 [BGH 18.12.2001 – XI ZR 360/00]; BGH, NJW 1991, 2908 [BGH 28.05.1991 – XI ZR 214/90][BGH 28.05.1991 – XI ZR 214/90]).

Als Anlage K32 (Bl. 294 dA) hat die Klägerin eine Kopie des Kontoauszuges zum vorgelegt, der per 04.12.2013 einen Kontostand/Rechnungsabschluss in Höhe von – 92.470,59 EUR als Rechnungsabschluss ausweist. Als Anlage K14 (Bl. 88 dA) hat die Klägerin eine Kopie des Kontoauszuges Nr. 38 vorgelegt, der einen Rechnungsabschluss per 30.08.2013 in Höhe von – 89.829,71 EUR ausweist. Die Hinweise auf die Genehmigungsfiktion befinden sich auf der Rückseite entsprechend dem Hinweis „Bitte Rückseite beachten“. Dass Banken und Sparkassen für ihre Kontoauszüge Formulare verwenden, auf deren Rückseite die jeweiligen Informationen vorgedruckt sind, entspricht der üblichen Praxis. Im Übrigen hat die Klägerin als Anlage K 33 (Bl. 295 – 325 dA) die Umsatzliste des Kontos für den Zeitraum September bis einschließlich Dezember 2012 in das Verfahren eingeführt.

Der Beklagte hat den Zugang der turnusmäßig erstellten Kontoauszüge und Rechnungsabschlüsse bei der Darlehensnehmerin nicht (wirksam) bestritten. Im Lichte der substantiiert dargelegten und durch Vorlage aussagekräftiger Dokumente belegten Kontoentwicklung müsste der Beklagte, wollte er sich gegen die Höhe der verfahrensgegenständlichen Hauptforderung verteidigen, die jeweiligen einzelnen Buchungsposten konkret angreifen, was jedoch nicht geschehen ist. Substantiierte Einwendungen des Beklagten gegen die Höhe der Hauptforderung sind nicht vorgebracht worden, obwohl sie dem Beklagten aufgrund seiner vormaligen Stellung als geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Darlehensnehmerin bzw. Vorstand der Aktiengesellschaft, in der die Unternehmen der A Gruppe mittlerweile aufgegangen sind, ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Der Beklagte müsste sich noch nicht einmal an Dritte wenden, um die erforderlichen Informationen zu erhalten.

(b) Die verfahrensgegenständliche Hauptforderung ist des Weiteren fällig, da die Klägerin zur ordentlichen Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung oder einzelner Geschäftszweige gem. Nr. 26 (1) der AGB jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt war, zumindest aber wegen Ausbleibens von Tilgungsraten außerordentlich kündigen konnte gem. Nr. 26 (2) der AGB.

Allgemeine Grundvoraussetzungen für jede ordentliche Kündigung durch die Klägerin nach Nr. 26 Abs. 1 AGB sind, dass die Kündigung sich auf einen Vertrag mit unbestimmter Laufzeit bezieht, schriftlich erfolgt und nachweislich dem Kündigungsempfänger zugeht, schlüssig begründet wird und von einem vertretungsberechtigtem Kompetenzträger unterzeichnet wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Bedenken in Bezug auf die Wirksamkeit der AGB im Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Geschäftsbeziehung, an der kein Verbraucher beteiligt ist, gibt es nicht. Auf den Streit, ob es sich hinsichtlich der Differenz zwischen dem ursprünglichen Höchstbetrag des Kontokorrentkredits in Höhe von EUR 25.000,00 und der tatsächlichen Inanspruchnahme in Höhe von EUR 90.000,00 um eine übergangsweise, vorläufige Ausweitung der Kreditlinie im Sinne einer geduldeten Überziehung handelte oder um einen Kontokorrentkredit über EUR 90.000,00, kommt es im Ergebnis nicht an, da es sich selbst bei Annahme eines auf EUR 90.000,00 ausgeweiteten Kontokorrentkredits um einen Vertrag mit unbestimmter Laufzeit handeln würde.

Dafür, dass es sich bei dem EUR 25.000,00 übersteigenden Betrag nicht nur um eine geduldete Überziehung, sondern um einen (unbefristet) gewährten Kontokorrentkredit handelte, ist der Beklagte allerdings ohnehin beweisfällig geblieben. Das Zustandekommen eines Kontokorrentkredits über EUR 90.000,00 ist nicht substantiiert dargetan worden und ergibt sich insbesondere auch nicht aus den in das Verfahren eingeführten Dokumenten. Dass und gegebenenfalls wann ein solcher Vertrag geschlossen worden sein könnte, ist nicht in einer dem Beweis zugänglichen Art und Weise dargetan. Die Vernehmung der Zeugin D würde bei dieser Sachlage einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen. Ein schriftlicher Vertrag über einen Kontokorrentkredit in Höhe von EUR 90.000,00 existiert nicht. Eine entsprechende Vertragsurkunde wurde nicht in das Verfahren eingeführt. Im Lichte der Angaben des Zeugen C erscheint es zudem fernliegend, dass eine derartige Vereinbarung rein mündlich geschlossen worden sein könnte, weil dies den üblichen Geschäftsabläufen und Gepflogenheiten der Klägerin, wonach Darlehen schriftlich geschlossen werden, widersprechen würde. Aus den Aktenvermerken und Notizen der Mitarbeiter der Klägerin ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für einen derartigen – bloß mündlichen – Vertragsschluss unter Abweichung von den üblichen Geschäftsabläufen.

Zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft bestand ein Kontokorrentkredit über EUR 90.000,00 jedenfalls (noch) nicht, da anderenfalls der Sicherungszweck (Ziffer 1) in der Bürgschaftsurkunde (Anlage K4, Bl 15 dA) nicht mit „Kontokorrentkredit auf Konto über 25.000,00 EUR, sowie darüberhinausgehende Inanspruchnahmen bis zu einem Gesamtbetrag von 90.000,00 EUR“ bezeichnet worden wäre, sondern als „Kontokorrentkredit über 90.000,00 EUR“. Dass ein solcher Kontokorrentkredit zu einem späteren Zeitpunkt wirksam vereinbart worden sein könnte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Bei lebensnaher Betrachtung wäre im Übrigen auch zu erwarten, dass eine nachträgliche Vereinbarung eines Kontokorrentkredits über EUR 90.000,00 zu einer Anpassung der Zweckerklärung der Bürgschaft geführt hätte, die jedoch nicht erfolgte.

Die Vereinbarung eines Kontokorrentkredits über EUR 90.000,00 ist des Weiteren nicht mit den im Schreiben der Klägerin vom 28.05.2013 (Anlage K5 – Bl. 17 dA) niedergelegten Eckdaten des klägerischen Engagements zu vereinbaren, wonach ausdrücklich ein „entgegenkommenderweise bis zum 18.10.2013 prolongierter“ Überbrückungskredit gewährt werden soll zu den dort näher konkretisierten Konditionen betreffend Zinsen und Rückführung. Dieses Schreiben, das den Inhalt eines am 27.05.2013 zwischen dem Beklagten (in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter), der Ehefrau des Beklagten (in ihrer Eigenschaft als Mitgesellschafterin) und Sachbearbeitern der Klägerin zusammenfasst, ist rechtlich als kaufmännisches Bestätigungsschreiben zu würdigen. Der Inhalt dieses Schreibens wurde für beide Parteien verbindlich, da die Darlehensnehmerin nicht unverzüglich (§ 121 Absatz 1 S. 1 BGB) widersprach. Die Zustimmung des Empfängers eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens wird auf der Grundlage der unwiderleglichen Vermutung fingiert, dass ein Vertrag mit dem Inhalt des kaufmännischen Bestätigungsschreibens geschlossen ist. Damit erfährt ein berechtigtes Vertrauen des Absenders auf Zustimmung des Empfängers Schutz. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der kaufmännische Verkehr aus Gründen der Rechtssicherheit auf rasche Klarstellung im Hinblick auf das Zustandekommen und den Inhalt eines Vertrags angewiesen ist. Unerheblich ist daher, dass der Klägerin keine von der Darlehensnehmerin unterzeichnete Fassung dieses Schreibens vorliegt.

(c) Die Ausübung des Kündigungsrechts – auf der Grundlage der Nr. 26 Abs. 1 der klägerischen AGB – war im konkreten Fall auch nicht verbots- oder treuwidrig. Eine Kündigung nach Maßgabe der Nr. 26 Abs. 1 der klägerischen AGB scheitert auch nicht an § 242 BGB.

Vorliegend hat die Klägerin der Darlehensnehmerin bereits mit (Mahn-) Schreiben vom 31.07.2013 (Bl. 21 dA) für den Fall, dass keine Rückführung des Sollsaldos erfolgt, die Kündigung des Girokontos in Aussicht gestellt. Bis zum Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 05.12.2013 bestand hinreichend Zeit und Gelegenheit, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten und die Kündigung durch Umschuldung, Refinanzierung oder Stellung weiterer Sicherheiten abzuwenden.

(d) Wegen der Nichteinhaltung der vereinbarten Rückführungsmodalitäten war die Klägerin im Übrigen auch zur fristlosen Kündigung des Girokontos berechtigt gem. Nr. 26 Abs. 2 der klägerischen AGB. Das erforderliche Abhilfeverlangen wurde mit Mahnschreiben vom 31.07.2013 (Bl. 21 dA) unter Fristsetzung bis 14.08.2013 geltend gemacht.

(e) Ob und in welchem Umfang es der Klägerin sogar möglich gewesen wäre, sämtliche Geschäftsbeziehungen zur Hauptschuldnerin/Darlehensnehmerin zu kündigen, bedarf keiner abschließenden Prüfung, weil weder die Hauptschuldnerin/Darlehensnehmerin noch der Beklagte dadurch, dass lediglich der verfahrensgegenständliche Girovertrag gekündigt wurde, spezifisch benachteiligt wurden.

B. Die Bürgschaft wurde wirksam übernommen. Der Bürgschaftsvertrag verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) (a) und konnte durch den Beklagten auch nicht wirksam angefochten werden, insbesondere nicht mit Schriftsatz vom 18.07.2014 (Bl. 45 dA) (b).

(a) Der Bürgschaftsvertrag (§ 765 BGB) zwischen den Parteien vom 18.10.2012 über einen Höchstbetrag von EUR 90.000,00 (Bl. 15f dA) ist wirksam.

(aa) Hierbei kann zunächst offen bleiben, ob die Bürgschaftsverpflichtung eine für die Klägerin erkennbare krasse finanzielle Überforderung des Beklagten zur Folge hatte, denn grundsätzlich kann sich jedermann im Rahmen der Privatautonomie auch solche Belastungen auferlegen, die er objektiv gesehen nicht bzw. kaum selbst tragen kann. Das muss in besonderer Weise für geschäftlich erfahrene Kaufleute wie den Beklagten gelten. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wird auch bei einer krassen finanziellen Überforderung eines Bürgen allenfalls dann überschritten, wenn der Bürge sich allein aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner bzw. einer anderen Person, die an der Übernahme der Bürgschaft ein Interesse hat, verbürgt und der Gläubiger dies in verwerflicher Weise ausnutzt. Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht gegeben.

Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine für die Klägerin erkennbare krasse finanzielle Überforderung des Beklagten, die im Einzelfall, insbesondere bei einer engen emotionalen Verbindung zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner, zur Nichtigkeit von Bürgschaften und Mithaftungsübernahmeerklärungen führen könnte, liegen nicht vor. Der Beklagte verfügt nach seiner eigenen Vermögensauskunft über Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und über Immobilienvermögen sowie über Unternehmensanteile an der Hauptschuldnerin. Der hier verfahrensgegenständliche Höchstbetrag reicht angesichts der aktenkundigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beklagten – selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass die Unternehmensanteile nicht werthaltig sind – für eine krasse finanzielle Überforderung des Beklagten nicht aus.

Im Streitfall war der Beklagte Alleingeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Hauptschuldnerin/Darlehensnehmerin, als er die Bürgschaft erteilte. Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, die persönliche Haftung maßgeblich beteiligter Gesellschafter sowie der Geschäftsführer für Geschäftskredite zu verlangen. Die gängige Bankpraxis, die Kreditgewährung davon abhängig zu machen, dass die rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen Personen für die entstehenden Forderungen eintreten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei darf die Bank im Allgemeinen davon ausgehen, dass derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Für den Kreditgeber besteht grundsätzlich keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt und die Haftung für deren Schulden übernommen wird.

(bb) Die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge hängt regelmäßig entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des einem Hauptschuldner persönlich nahe stehenden Bürgen oder Mitverpflichteten ab (BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 137, 329, 333 f.; 146, 37, 42; BGH, Urteile vom 04.12.2001 – XI ZR 56/01, WM 2002, 223, 224; vom 14.05.2002 – XI ZR 50/01, WM 2002, 1347, 1348, für BGHZ vorgesehen; vom 14.05.2002 – XI ZR 81/01, WM 2002, 1350, 1351 und vom 28.05.2002 – XI ZR 199/01, WM 2002, 1647, 1648 [BGH 28.05.2002 – XI ZR 199/01] sowie XI ZR 205/01, WM 2002, 1649, 1651 [BGH 28.05.2002 – XI ZR 205/01][BGH 28.05.2002 – XI ZR 205/01]). Die von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit ruinöser Angehörigenbürgschaften sind auf den vorliegenden Fall einer Gesellschafterbürgschaft aber nicht anwendbar. Die für Fallgestaltungen einer Nähebeziehung und emotionalen Verbundenheit zwischen Hauptschuldner und Bürge entwickelten Grundsätze gelten grundsätzlich nicht für Bürgschaftserklärungen von GmbH-Gesellschaftern für Verbindlichkeiten der GmbH (BGH, Urteil vom 15.01.2002 – XI ZR 98/01 -, juris). Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn der GmbH-Gesellschafter ausschließlich Strohmannfunktion hat, die Mithaftung oder Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit der hinter ihm stehenden Person übernimmt und beides für die kreditgebende Bank evident ist, was vorliegend aber nicht der Fall ist. Der Beklagte war im maßgeblichen Zeitraum geschäftsführender Gesellschafter der Darlehensnehmerin und ist heute alleiniger Vorstand der der Darlehensnehmerin rechtsnachfolgenden Aktiengesellschaft.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 10.12.2002 – XI ZR 82/02 -, juris, mwN), von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist die gängige Praxis der Banken, bei Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH die Mithaftung oder eine Bürgschaft der Gesellschafter zu verlangen, rechtlich nicht zu beanstanden, weil dies dem berechtigten Interesse des Kreditgebers entspricht. Bei einer Bürgschafts- oder Mithaftungserklärung eines nur beschränkt haftenden Gesellschafters oder eines GmbH-Geschäftsführers begründet dessen finanzielle Überforderung allein grundsätzlich nicht die Vermutung der Sittenwidrigkeit, weil bei diesem Personenkreis das eigene wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht, so dass kein unzumutbares Risiko übernommen wird. Gleiches gilt zumindest für Fälle einer „maßgeblichen Beteiligung“, also insbesondere bei Allein- und Mehrheitsgesellschaften.

Da der Beklagte zum Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft 80% der Gesellschaftsanteile hielt und somit Mehrheitsgesellschafter war, kommt es auf die Frage, was unter einer „maßgeblichen Beteiligung“ zu verstehen ist, nicht an. Allenfalls bei unbedeutenden Bagatell- oder Splitterbeteiligungen könnte ein anderer Maßstab anzulegen sein, da nur bei derartigen „Strohmann“-Beteiligungen an ertragsschwachen und auch über kein ins Gewicht fallendes Eigenkapital verfügenden Gesellschaften ausnahmsweise eine sachliche Rechtfertigung dafür bestehen kann, den unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht nennenswert an der Kreditnehmerin beteiligten finanzschwachen Bürgen nach dem Schutzgedanken des § 138 Abs. 1 BGB im Ergebnis wie einen bloßen Strohmanngesellschafter ohne jedes Eigeninteresse an der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung zu behandeln (BGH, Urteile vom 15.01.2002 – XI ZR 98/01; Urteil vom 28.05.2002 – XI ZR 199/01; Urteil vom 17.09.2002 – XI ZR 306/01). Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben.

(cc) Andere Umstände, die zur Beeinträchtigung der Willensbildung und Entscheidungsfreiheit des Beklagten geführt haben und der Klägerin zuzurechnen sein könnten, weshalb die streitgegenständliche Bürgschaft gleichwohl als sittenwidrig erscheinen könnte, sind nicht dargetan, geschweige denn in zulässiger Weise unter Beweis gestellt.

Die Tatsache, dass die Klägerin die faktische Ausweitung der Kreditlinie davon abhängig machte, dass der Beklagte die hier verfahrensgegenständliche Höchstbetragsbürgschaft übernahm, reicht nicht aus für eine unzulässige Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Beklagten bei Übernahme der Bürgschaft. Angesichts der Tatsache, dass der Beklagte Alleingeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Darlehensnehmerin war, ist auszuschließen, dass er in einer die Grenze des rechtlich Zulässigen überschreitenden Art und Weise von den übrigen Gesellschaftern – mit Kenntnis der Klägerin – zur Abgabe der streitgegenständlichen Bürgschaftserklärung genötigt worden sein könnte.

Sonstige besondere, der Klägerin zurechenbare Umstände, die im konkreten Einzelfall zur Sittenwidrigkeit führen könnten, etwa die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit (BGH, Urteil vom 16.01.1997 – IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512) oder die Beeinträchtigung der Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung (BGH, Urteil vom 18.12.1997 – IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240), die Schaffung einer seelischen Zwangslage (BGH, Urteil vom 16.01.1997 – IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512) oder die Ausübung unzulässigen Drucks (BGH, Urteile vom 15.02.1996 – IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592 und vom 18.12.1997 – IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240), sind nicht festgestellt worden und ergeben sich auch im Übrigen nicht aus der Akte.

So gibt es insbesondere keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für eine Übersicherung der Klägerin, wirtschaftliche Knebelung der Darlehensnehmerin oder treuwidrige Benachteiligung sonstiger Gläubiger der Darlehensnehmerin durch die Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten. Die verfahrensgegenständliche Bürgschaftserklärung ist keine weitere, zusätzliche Sicherheit für eine bereits bestehende Verbindlichkeit, also keine Verstärkung der Sicherheiten, sondern Voraussetzung für die Gewährung eines weiteren Kredit bzw. faktischen Ausweitung der Kreditlinie. Die Klägerin ermöglichte eine Inanspruchnahme bis zu EUR 90.000,00, Zug um Zug gegen Erhöhung der Bürgschaftssumme. In seiner Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter hatte es primär der Beklagte in der eigenen Hand, ob und in welchem Umfang es überhaupt zu einer Ausweitung des verbürgten Engagements kommt.

(b) Die vorsorglich mit Schriftsatz vom 18.07.2014 (Bl. 45 dA) erklärte Anfechtung der Bürgschaftserklärung greift ins Leere. Anfechtungsgründe, auf die der Beklagte eine Anfechtung der verfahrensgegenständlichen Bürgschaftserklärung stützen könnte, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Zu berücksichtigen ist insoweit insbesondere, dass dem Beklagten die rechtliche Bedeutung und Tragweite der streitgegenständlichen Bürgschaft grundsätzlich bekannt und bewusst war, insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Beklagte bereits zuvor, im Jahr 2011, eine vergleichbare Bürgschaft, allerdings nur bis zu einem Höchstbetrag von EUR 25.000,00, abgegeben hatte.

Der Beklagte befand sich bei der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde nicht in einem rechtserheblichen Irrtum. Eine rechtserhebliche Täuschung oder Drohung ist nicht dargetan. Im Übrigen wäre eine Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung aber auch nicht rechtzeitig binnen Jahresfrist (§ 124 BGB) erklärt worden.

C. Der Beklagte kann seiner Inanspruchnahme auch nicht gem. § 768 BGB mit Erfolg die Nichtigkeit der Ausweitung der geduldeten Überziehung (a) oder Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungs- und Warnpflichten (b) entgegenhalten.

(a) Die faktische Ausweitung der Kreditlinie ist nicht unwirksam wegen einer etwaigen Überschuldung bzw. Insolvenzreife der Hauptschuldnerin zum Zeitpunkt der Einräumung weiterer Kredite.

Ein Darlehensvertrag kann unter Umständen nach § 138 Absatz 1 BGB nichtig sein, wenn die kreditgebende Bank durch die Darlehensgewährung bewusst die Insolvenz der Darlehensnehmerin verschleppt und damit auch die Interessen der übrigen Gläubiger der Darlehensnehmerin selbst gefährdet hat. Im Zusammenhang mit der Gewährung eines (weiteren) Darlehens setzt der Vorwurf sittenwidrigen Handelns aber voraus, dass eine Bank aus eigensüchtigen Beweggründen die Insolvenz eines Unternehmens hinausschiebt, obwohl für sie abzusehen ist, dass die ergriffenen Stützungsmaßnahmen den Zusammenbruch allenfalls verzögern, aber nicht auf die Dauer verhindern können. Das gilt vor allem dann, wenn die finanzierende Bank einem insolvenzreifen Unternehmen nicht mehr Kredit in der Höhe geben oder belassen will, den es zur Sanierung braucht, sondern nur einen solchen, der den wirtschaftlichen Todeskampf des Unternehmens lediglich verlängert, um sich in der so gewonnenen Zeit aus ihren Sicherheiten zum Nachteil der anderen Gläubiger ungehindert und besser befriedigen zu können. In einem solchen Fall ist nicht nur die Sicherheitenbestellung, sondern auch der Kreditvertrag selbst nichtig. Die Sittenwidrigkeit kann sich aus einer unangemessen eigennützigen Missachtung fremder Interessen oder bei Abhängigkeit des Kreditnehmers von dem Kreditinstitut aus dem übermäßigen Ausspielen wirtschaftlicher Macht oder Ausüben von Druck ergeben.

Eine solche Fallgestaltung ist hier aber nicht gegeben. Die Ausweitung der Kreditlinie erfolgte der Höhe nach entsprechend der Vorstellungen der Darlehensnehmerin und, wie sich aus dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben vom 28.05.2013 (Bl. 17 dA) ergibt, lediglich als Überbrückungskredit.

Bei der hier verfahrensgegenständlichen Ausweitung der Kreditlinie handelt es sich nicht um ein umfassendes Sanierungsvorhaben betreffend ein Unternehmen in Insolvenzreife, in dessen Zusammenhang ein Sanierungskredit vergeben wurde, sondern um die vorübergehende Überbrückung eines Liquiditätsengpasses der Darlehensnehmerin aufgrund von Schwierigkeiten, die auf erhebliche Zahlungsrückstände eines konzernverbundenen Unternehmens zurückzuführen sind, das nach Angaben des Beklagten mit Verzögerungen bei der Abwicklung eines Auslandsprojektes zu kämpfen hatte. Allein schon die geringe Höhe der Finanzierungszusage verweist darauf, dass es sich nicht um einen umfassenden Sanierungskredit handeln kann. Eine derartige Überbrückungsfinanzierung sichert einem Unternehmen lediglich kurzfristig Liquidität; eine solche Finanzierung unterliegt nicht dem strengen Haftungsregime eines Sanierungskredits. Im Übrigen wurden die finanziellen Mittel auch nicht eingesetzt, um eine anderweitige Verbindlichkeit bei der Klägerin zu bedienen, Altverbindlichkeiten zurückzuführen oder die Verwertung von Sicherheiten einzuleiten bzw. zu optimieren, sondern wurden über das verfahrensgegenständliche Girokonto der laufende Zahlungsverkehr mit Dritten im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Hauptschuldnerin abgewickelt.

Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass die Übernahme der hier verfahrensgegenständlichen Bürgschaft überhaupt erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem sich aufgrund längerfristiger bloßer (stillschweigender) Duldung einer Überziehung des gewährten Kreditrahmens bereits abgezeichnet hatte, dass der Kreditrahmen von EUR 25.000,00 unzureichend ist. Faktisch wurde lediglich der unsichere Zustand einer bloßen Duldung auf eine gesicherte Grundlage gestellt, weshalb keinerlei Täuschung anderer Gläubiger über die Kreditfähigkeit der Darlehensnehmerin eintreten konnte, eine Sittenwidrigkeit wegen Gläubigerbenachteiligung dementsprechend nicht in Betracht kommt.

Befindet sich ein Unternehmen, wie vorliegend die Hauptschuldnerin, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und droht ihm ohne neue Kredite die Insolvenz, gerät die Hausbank in eine Konfliktlage: Dem Erhaltungsinteresse der Unternehmensführung steht das Schadensminderungsinteresse sowohl der Bank als auch dritter Gläubiger entgegen; während ein gelungener Sanierungsversuch alle zufriedenstellt, provoziert sein Scheitern den Vorwurf, dass eine frühere Insolvenzeröffnung zu geringeren Ausfällen geführt hätte.

Hier ist faktisch in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Kredit keine Insolvenz der Hauptschuldnerin und mithin kein Ausfall etwaiger benachteiligter anderer Gläubiger eingetreten.

Entscheidend ist, ob für das Kreditinstitut abzusehen ist, dass es mit den ergriffenen Stützungsmaßnahmen den (nach den von ihm durchschauten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens) drohenden Zusammenbruch allenfalls verzögern, aber nicht auf die Dauer verhindern kann, und ob es die Insolvenz aus eigensüchtigen Beweggründen hinausschiebt. Das haftungsbegründende Fehlverhalten gegenüber den anderen Gläubigern liegt darin, dass das Kreditinstitut über seine neutrale Rolle als „Zahlungsmittler“ im Rahmen eines bestehenden Kredits hinaus aktiv tätig wird und dabei die Täuschung dritter Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldnerunternehmens um eigener Vorteile willen bewusst in Kauf nimmt. Dagegen handelt ein Kreditinstitut nicht etwa schon darum sittenwidrig, weil es in Bezug auf einen Kredit – zumal einen Überziehungskredit – von vertraglichen Rechten und naheliegenden rechtsgestaltenden Möglichkeiten Gebrauch macht, selbst wenn dies in dem Bewusstsein geschieht, andere Gläubiger könnten hierdurch vielleicht gefährdet werden.

Hier ist ein wirtschaftlicher Zusammenbruch der Hauptschuldnerin bis zur Kündigung der Überziehung faktisch nicht eingetreten. Der Beklagte kann sich im Übrigen auch nicht – ohne sich dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens auszusetzen – darauf berufen, dass zum Zeitpunkt der Ausweitung der Kreditlinie Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, also ein Insolvenzantragsgrund im Sinne von §§ 17 und 19 InsO, vorgelegen habe, denn er hat zu keinem Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt, was er aber – Insolvenzreife im eigentlichen Sinne unterstellt – in seiner Eigenschaft als Alleingeschäftsführer (§ 64 GmbHG) hätte tun müssen. Soweit der Beklagte nunmehr behauptet, weder die Klägerin noch die Hauptschuldnerin – geschweige denn der Beklagte – hätten zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung von einer ernst zu nehmenden Fortbestehensprognose ausgehen können, ist dies, da der Beklagte keinen Insolvenzantrag stellte, unbeachtlich.

Für eine etwaige Insolvenzverschleppung durch Sanierungskredite reicht die schlichte Sanierungsbedürftigkeit im Sinne einer nahe bevorstehenden und sonst unabwendbaren Insolvenzantragspflicht oder des lediglich fakultativen Insolvenzantragsgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Absatz 2 InsO) nicht aus. Sanierungsbedürftigkeit liegt nämlich bereits dann vor, wenn ohne Stützungsmaßnahmen die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden kann. Von einer solchen Lage ist dann auszugehen, wenn abzusehen ist, dass das Unternehmen in gewisser Zeit zahlungsunfähig oder überschuldet sein wird, ohne dass eine rechtzeitige Änderung dieser Entwicklung zu erwarten ist. Eine Vorverlagerung der Prüfungspflichten der finanzierenden Bank auf den Zeitpunkt des Eintritts der bloßen Sanierungsbedürftigkeit ist nicht geboten und erscheint insbesondere auch mit Blick auf vergleichbare anderweitige Konstellationen nicht erforderlich.

Die Klägerin war nämlich – ebenso wenig wie ein Steuerberater der Darlehensnehmerin – auch nicht verpflichtet, auf eine etwaige im Raum stehende Insolvenzreife der Kreditnehmerin hinzuweisen, zumal sich aus den der Klägerin übermittelten Daten und Angaben keinerlei verlässliche Anhaltspunkte für eine etwaige Insolvenzreife ergeben haben.

Art und Umfang der sich aus einer Vertragsbeziehung ergebenden Pflichten richten sich nach Gegenstand, Inhalt und Umfang der Geschäftsbeziehung. Eine finanzierende Bank ist aber nicht verpflichtet, über die auf die konkrete Vertragsbeziehung zugeschnittene Bonitäts- und Risikoprüfung hinaus eine Prüfung der Insolvenzreife vorzunehmen, auch nicht aufgrund ihres gesteigerten Fachwissens sowie der Einblicke in die Buchführung des Unternehmens. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Überschuldungsprüfung im Sinne von § 19 InsO die Beantwortung komplexer Rechtsfragen erfordert, deren korrekte Behandlung nicht offen zutage tritt. Insbesondere das Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose, das Vorhandensein eines Fortführungswillens der Organe und Inhaber sowie die Tragfähigkeit des Unternehmenskonzepts lassen sich allein aus den Buchhaltungszahlen und dem Schuldenstand nicht ohne weiteres entwickeln. Die finanzierende Bank verfügt insoweit regelmäßig auch nicht über ein überlegenes Wissen, sondern ist auf Informationen angewiesen, die sie durch die Geschäftsführung des Kunden erlangt hat.

Der BGH hat mit Urteil vom 07. 03. 2013 ( IX ZR 64/12, BeckRS 2013, 06838) sogar in Bezug auf ein steuerberatendes Dauermandat eine Hinweispflicht auf eine bestehende Unterdeckung in der Handelsbilanz sowie auf die Notwendigkeit einer Prüfung des Vorliegens von Insolvenzreife verneint. Eine entsprechende drittschützende Pflicht trifft den steuerlichen Berater auch gegenüber dem Geschäftsführer der Gesellschaft nicht. Danach ist der Steuerberater im Rahmen seiner Vertragspflichten und kraft seines überlegenen Wissens nicht verpflichtet, den Geschäftsführer einer GmbH darauf hinweisen, zur Klärung der Insolvenzreife eine Überschuldungsbilanz aufzustellen und gegebenenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Nichts anderes kann – jedenfalls im Kontext der hier verfahrensgegenständlichen Geschäftsbeziehung – für eine finanzierende Bank gelten, die angesichts der Erklärungen des Beklagten darauf vertrauen durfte, dass die Hauptschuldnerin zeitnah einen beträchtlichen Teil ihrer Außenstände bei einem konzernverbundenen Unternehmen beitreiben könnte, wodurch eine Rückführung der Inanspruchnahme möglich gewesen wäre.

Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren, nicht aber die Verpflichtung des Steuerberaters oder der finanzierenden Bank.

Vorliegend gibt es keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin positiv bekannt war oder es sich ihr hätte aufgrund ihr bekannter Umstände hätte aufdrängen müssen, dass ihr übermittelte Informationen betreffend die weitere geschäftliche Entwicklung der Hauptschuldnerin und die Realisierbarkeit der Außenstände bei den konzernverbundenen Unternehmen falsch waren. Ebenso wenig gibt es konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt eine Überschuldung der Hauptschuldnerin vorgelegen haben könnte. Soweit es vor der Ausweitung der Kreditlinie Kontopfändungen gab, wies das Konto seinerzeit sogar ein (beträchtliches) Guthaben auf und bezogen sich diese Pfändungen auf – jedenfalls gemessen am Maßstab des unternehmerischen Geschäftsverkehrs – geringe Forderungen, so dass sich aus der Existenz von Kontopfändungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nichts für die Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit herleiten lässt. Ein Insolvenzverfahren ist nicht eingeleitet worden, obwohl bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung für den Beklagten die Verpflichtung bestanden hätte, einen Antrag auf Einleitung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Dass die Hauptschuldnerin im fraglichen Zeitraum (über bloße Liquiditätsprobleme hinaus) bereits ihre Zahlungen eingestellt hatte (§ 17 Absatz 2 S. 2 InsO) oder ein vergleichbarer Zustand der Insolvenzreife zumindest unmittelbar bevorstand, ist nicht dargetan und auch ansonsten nicht ersichtlich. Aus den Kontobewegungen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Hauptschuldnerin gegenüber Dritten Zahlungen eingestellt hätte. Ausgehend von den wirtschaftlichen Eckdaten zum Zeitpunkt der Kontopfändungen beruhten diese nicht auf einer Zahlungsunfähigkeit der Hauptschuldnerin, sondern auf ihrer Zahlungsunwilligkeit.

Tragfähige tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme einer Insolvenzreife der Darlehensnehmerin gab es weder zum Zeitpunkt der Ausweitung der Kreditlinie noch zum Zeitpunkt der Abgabe der verfahrensgegenständlichen Bürgschaftserklärung.

Trotz der bekannten Jahresfehlbeträge war aufgrund der Gewinnerwartung damit zu rechnen, dass die übergangsweise ausgeweitete Kreditlinie zeitnah zumindest auf das ursprünglich vertraglich vorgesehene Maß zurückgeführt werden konnte. Tatsachen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden oder dessen Entwicklung wesentlich beeinträchtigen könnten, haben sich aus den der Klägerin bekannten Umständen nicht ergeben und sind auch faktisch nicht eingetreten.

Die Pflicht zur Durchführung einer Sanierungsfähigkeitsprüfung besteht nur bei Gewährung von Krediten an zahlungsunfähige oder insolvenzrechtlich überschuldete Kreditnehmer, also bei Insolvenzreife im engeren Sinne, und nur, wenn der Kreditgeber die Insolvenzreife kennt bzw. die Augen vor sich ihm aufdrängenden Umständen verschließt. Zahlungsunfähigkeit oder insolvenzrechtliche Überschuldung bestand im maßgeblichen Zeitraum jedenfalls nicht und ist auch im weiteren Verlauf nicht eingetreten.

Ebenso wenig wie bei Überbrückungskrediten besteht die Verpflichtung zur Sanierungsfähigkeitsprüfung bei Krediten ohne Sanierungsbezug und bei Krediten an Unternehmen, die lediglich unrentabel oder mit Verlust arbeiten. Für sie gelten lediglich die allgemeinen Regeln und Grenzen.

(b) Der Bank obliegen bei Verhandlungen mit dem künftigen Bürgen regelmäßig keine Aufklärungs- und Warnpflichten. Das Bürgenrisiko ist, insbesondere im kaufmännischen Geschäftsverkehr, grundsätzlich allgemein bekannt. Dem gesetzlichen Schriftformerfordernis, dem hier entsprochen wurde, kommt eine hinreichende Warnfunktion zu.

Ein den Umständen des Einzelfalls geschuldetes, spezielles Aufklärungs- und Schutzbedürfnis ist vorliegend nicht erkennbar, wobei in besonderer Weise zu berücksichtigen ist, dass es sich nicht um eine erst- und einmalige Übernahme einer Bürgschaft handelt, sondern dass faktisch lediglich der Höchstbetrag aus einem bereits bestehenden Engagement ausgeweitet wurde. Der Beklagte war in Bezug auf Bürgschaften nicht unerfahren und übernahm die Bürgschaft im Rahmen seiner kaufmännischen Tätigkeit.

Die Klägerin hat als finanzierende Hausbank der Darlehensnehmerin vorliegend auch keinen Wissensvorsprung, aus dem sich etwaige Aufklärungspflichten herleiten könnten. Der Beklagte war Alleingeschäftsführer der Darlehensnehmerin. Als Organ der Darlehensnehmerin hatte er umfassende Kenntnis von der wirtschaftlichen Situation sowie von den Entwicklungsperspektiven, die er zudem maßgeblich selbst gestalten konnte. Im Verhältnis zur Klägerin hatte, wenn überhaupt, vielmehr der Beklagte zum Zeitpunkt der Abgabe der verfahrensgegenständlichen Bürgschaftserklärung aufgrund seiner organschaftlichen Stellung und Funktion einen Wissensvorsprung.

D. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erstmalig mit Schriftsatz vom 12.01.2017 erhobene Einrede der Verjährung bleibt nach § 296a ZPO unberücksichtigt.

Eine erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Verjährungseinrede ist grundsätzlich zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, wenn die Erhebung der Verjährungseinrede und die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände zwischen den Prozessparteien unstreitig sind (BGH, Beschluss vom 23.06.2008 – GSZ 1/08 -, BGHZ 177, 212-217). Dies setzt aber voraus, dass die Einrede prozessual zulässig und wirksam bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben wird, was vorliegend nicht der Fall ist. Die Einrede wurde erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 17.11.2016 mit Schriftsatz vom 12.01.2017 erhoben, ohne dass dies von dem mit Beschluss vom 17.11.2016 gewährten Schriftsatznachlass gedeckt war.

Das Schriftsatzrecht nach § 283 ZPO gibt nur die Möglichkeit zur Erwiderung auf das nicht rechtzeitig mitgeteilte Vorbringen der Gegenseite. Vom Schriftsatzrecht gedeckt ist deshalb nur Vortrag, der mit dem nicht rechtzeitig angekündigten Vorbringen des Gegners in Zusammenhang steht, durch diesen veranlasst ist und sich als Erwiderung darauf darstellt. Darüber hinausgehendes Vorbringen bleibt unberücksichtigt und zwingt nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (BGH NJW 1993, 134; OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 01787 Rn. 9). Die Wiedereröffnung muss auch dann nicht zwingend erfolgen, wenn der Schriftsatz neue Sachanträge (BGH NJW 2004, 3102 [BGH 11.03.2004 – I ZR 304/01] (3103)) oder einen zusätzlichen Klagegrund (LG Berlin NJOZ 2015, 1117) enthält. Sie ist aber gem. § 156 Abs. 2 Nr. 1 geboten, wenn sich aus dem Vorbringen oder aus sonstigen Umständen ergibt, dass das Gericht einen gebotenen Hinweis versäumt hat oder ein sonstiger Verfahrensfehler vorliegt. Beides ist vorliegend aber nicht der Fall.

E. Der klägerische Schriftsatz vom 12.01.2017 gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, insbesondere auch nicht im Hinblick auf den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), da im Rahmen der Hauptverhandlung vom 17.11.2016 keine erforderlichen gerichtlichen Hinweise unterblieben sind.

Artikel 103 Absatz 1 GG gewährleistet dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung des rechtlichen Gehörs setzt dabei voraus, dass jeder Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt erkennen kann, auf welche Gesichtspunkte es bei der Entscheidung möglicherweise ankommt. Ein Gericht verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn es ohne vorherigen Hinweis (§ 139 Absatz 1 ZPO) Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BGH, NJW 2008, 1742 [BGH 13.03.2008 – I ZB 59/07]), oder wenn die Entscheidung in überraschender Weise auf einen von den Parteien erkennbar übersehenen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird.

Die Gerichte sind nach Art. 103 Absatz 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Parteien haben nach Art. 103 Absatz 1 GG aber keinen Anspruch darauf, dass die Gerichte ihre Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage übernehmen. Im Übrigen müssen Hinweise nach § 139 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO nur dann und soweit erteilt werden, als sie erforderlich sind. Erforderlich ist ein Hinweis aber nur dann, wenn für das Gericht erkennbar ist, dass eine oder beide Parteien einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich gehalten haben. Aufmerksam gemacht werden kann naturgemäß nur auf solche Bedenken im Sinne von § 139 Abs. 3 ZPO, die der Aufmerksamkeit der Parteien bislang entgangen sind.

Im Einklang hiermit ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beispielsweise davon auszugehen, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, von dem Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (BGH, Beschluss vom 16.09.2015 – V ZR 8/15; BGH, Beschluss vom 04.07 2013 – V ZR 151/12, NJW-RR 2014, 177 [BGH 04.07.2013 – V ZR 151/12] Rn. 8; BGH, Beschluss vom 14.03.2006 – IV ZR 32/05, NJW-RR 2006, 937 [BGH 15.03.2006 – IV ZR 32/05][BGH 15.03.2006 – IV ZR 32/05] Rn. 4). Der Berufungsbeklagte darf darauf vertrauen, dass ihn das Berufungsgericht, wenn es in der tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung dem Erstrichter nicht folgen will, auf seine von dem erstinstanzlichen Gericht abweichende Beurteilung hinweist und zwar so, dass noch rechtzeitig vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagiert werden kann (BGH, Beschluss vom 16.09.2015 – V ZR 8/15; BGH, Beschluss vom 04.07.2013 – V ZR 151/12, aaO; BVerfG, NJW 2003, 2524 [BVerfG 12.06.2003 – 1 BvR 2285/02]). Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Parteien müssen Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen können; sie dürfen nicht gehindert sein, ihren Sachvortrag erforderlichenfalls zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 16.09.2015 – V ZR 8/15; BGH, Beschluss vom 04.07.2013 – V ZR 151/12, aaO; BVerfGE 86, 188, 190 und BVerfGE 88, 133, 144). Dies bedeutet aber nicht, dass sich das Berufungsgericht bereits vorab vor einem Verkündungstermin festlegen und bindende, abschließende Erklärungen zur Einschätzung der zwischen den Parteien im Streit stehenden Aspekte abgeben muss.

Auch das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet den Senat nicht, weitergehende Hinweise zu erteilen oder sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich mit jedem einzelnen Argument der Parteien ausdrücklich auseinanderzusetzen. Der Senat ist lediglich verpflichtet, die Ausführungen eines Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, NJW-RR 2002, 68 [BVerfG 25.04.2001 – 1 BvR 2139/99]). Dabei ist in der mündlichen Verhandlung ebenso wenig wie in den Entscheidungsgründen eines Urteils eine Auseinandersetzung mit jedem Parteivorbringen erforderlich. Gelangt das Gericht bei seiner rechtlichen Beurteilung dieses Vorgangs zu anderen Ergebnissen als die vortragende Partei, liegt darin keine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs.

Bei der Entscheidungsfindung und Urteilsbegründung ist das Gericht lediglich verpflichtet, die für seine Überzeugungsbildung leitenden Gründe anzugeben (§ 286 ZPO). Es muss einerseits erkennbar werden, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine Auseinandersetzung mit dem Beweiswert etwaiger Beweismittels erfolgt ist, wobei die Auseinandersetzung mit dem Streitstoff auch individuell und argumentativ sein muss. Das Gericht muss sich aber im Urteil nicht mit jedem denkbaren Gesichtspunkt, jeder Behauptung und jeder Zeugenaussage ausdrücklich oder gar ausführlich auseinandersetzen. Erforderlich ist nur, dass sich aus den Gründen ergibt, dass eine sachgerechte Beurteilung im Sinne von § 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO stattgefunden hat, wobei eine Begründung erforderlich ist, die wenigstens in groben Zügen sichtbar macht, dass die beachtlichen Tatsachen berücksichtigt und vertretbar gewertet worden sind. Nach § 313 Absatz 3 ZPO sollen die Entscheidungsgründe im Übrigen nur eine „kurze Zusammenfassung“ der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, weshalb das Gericht nicht jedes Parteivorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu behandeln hat. Allein der Umstand, dass sich die Gründe einer Entscheidung mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt daher vorbehaltlich besonderer Umstände nicht die Annahme, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt bei seiner Entscheidung nicht erwogen.

Gerichtliche Hinweise des Berufungsgerichts im Rahmen der mündlichen Verhandlung sind beispielsweise regelmäßig dann entbehrlich, wenn die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt im Berufungsrechtszug zur Überprüfung gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des Berufungsklägers anschließt. Denn in diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche Partei von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist als sie selbst. Seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein (BGH, Beschluss vom 16.09.2015 – V ZR 8/15 mwN).

Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab war vorliegend kein rechtlicher Hinweis geboten, insbesondere nicht in Bezug auf § 138 ZPO. Die E-Mail der Ehefrau des Beklagten vom 30.10.2012, 08:58 Uhr, an E, vom Beklagten als Anlage BE2 mit Schriftsatz vom 12.01.2017 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass Auftragnehmer des Vorhabens in Abu Dhabi die A1 GmbH & Co KG ist, wurde von der Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 25.11.2014 als Anlage K23 in das Verfahren eingeführt und im Tatbestand des angefochtenen Urteils durch konkrete Bezugnahme berücksichtigt. Für die Annahme eines bloßen Liquiditätsengpasses (im Unterschied zu einer Insolvenzreife) der Hauptschuldnerin ist es letztlich irrelevant, ob die Hauptschuldnerin von den Verzögerungen bei der Abwicklung des Auslandsprojektes als Auftragnehmerin unmittelbar und direkt betroffen war oder nur mittelbar und indirekt dadurch, dass sie ihre Außenstände bei der Auftragnehmerin in einer Größenordnung von EUR 150.000,00 nicht zeitnah beitreiben konnte.

F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Da die Berufung ohne Erfolg blieb, hat der Beklagte die Kosten zu tragen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

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