OLG Celle 13. Zivilsenat, Beschluss vom 02.03.2016, 13 U 140/15, Verfahrensaussetzung: Aufrechnung mit einer schiedsbefangenen Gegenforderung

April 15, 2019

OLG Celle 13. Zivilsenat, Beschluss vom 02.03.2016, 13 U 140/15,
Verfahrensaussetzung: Aufrechnung mit einer schiedsbefangenen Gegenforderung
Die Aussetzung des Verfahrens vor den staatlichen Gerichten im Falle einer Aufrechnung mit einer Gegenforderung, betreffend die eine Schiedsvereinbarung getroffen wurde, ist zulässig.
vorgehend LG Verden, Az: 7 O 55/15

Tenor
Das Berufungsverfahren wird bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts des Vereins der Getreidehändler der H. Börse e. V. über die Schiedsklage des hiesigen Beklagten gegen die hiesige Klägerin vom 8. Oktober 2015 ausgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht eine im Wesentlichen unstreitige Forderung aus dem Verkauf von Düngemitteln in Höhe von noch 17.378,61 € geltend. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und insbesondere die Aufrechnung mit Entgeltforderungen für die Lieferung von Weizen erklärt, betreffend die die Klägerin – nach Auffassung des Beklagten – zu Unrecht verschiedene Abzüge vorgenommen hat. Die Auftragsbestätigungen der Klägerin betreffend diese Käufe von Weizen vom 23. Mai 2011 und vom 24. Juni 2011 (Anlagen B 1, B 2, Bl. 38 f. d. A.) enthielten als Zusatz die Aussage: „SCHIEDSGERICHT: Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts des Vereins der Getreidehändler e. V. in H. gilt als vereinbart.“
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die erklärte Aufrechnung sei prozessual unbeachtlich, weil die Parteien in Bezug auf die Gegenforderungen Schiedsgerichtsvereinbarungen getroffen hätten.
Der Beklagte, der unter dem 8. Oktober 2015 Schiedsklage mit dem Ziel erhoben hat, festzustellen, dass ihm gegenüber – ungeachtet einer etwaigen Verjährung zum jetzigen Zeitpunkt – eine Forderung in Höhe von 16.444,05 € zustehe, die am 31. Juli 2012 nicht verjährt gewesen sei (Anlage BK 1, Bl. 173 ff. d. A.), hat gegen das angefochtene Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und begehrt die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes beider Instanzen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Das Verfahren ist entsprechend § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts auszusetzen.
1. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von dem Bestehen oder Nichtbestehen der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung ab.
a) Die als solche unstreitige Hauptforderung ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht verjährt. Die Hauptforderung war im Jahre 2012 zur Zahlung fällig. Es galt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB, sodass die Verjährung rechtzeitig durch die Zustellung des Mahnbescheids und das sich anschließende gerichtliche Verfahren nach § 204 Nr. 3 BGB gehemmt wurde.
Entgegen der Auffassung des Beklagten verjährte die Hauptforderung nicht innerhalb der kurzen Frist nach § 49 Abs. 3 der Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel (vorgelegt als Anlage 1 im Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 21. Juli 2015, Bl. 75 ff. d. A.). Diese Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel finden nicht nach § 1 Abs. 4 Unterabs. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auf das der Hauptforderung zu Grunde liegende Vertragsverhältnis Anwendung. Die Parteien haben eine wirksame Einbeziehung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Abschluss des in Frage stehenden Kaufvertrages nicht schlüssig dargelegt. Auch für Verträge mit Unternehmern gelten Allgemeine Geschäftsbedingungen nur, wenn sie durch rechtsgeschäftliche Einbeziehung Vertragsinhalt geworden sind. Ausdrücklich haben die Parteien diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen hier nicht einbezogen. Die Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten setzt voraus, dass der Verwender erkennbar auf seine AGB verweist und der andere Teil ihrer Geltung nicht widerspricht. Diese Einbeziehung muss grundsätzlich während der Verhandlung über den konkreten Vertrag erfolgen. Der Hinweis bei früheren Geschäften oder auf früheren Rechnungen genügt regelmäßig nicht. Nicht ausreichend ist auch der Hinweis auf Schriftstücke, die nach Vertragsschluss eingehen. Bei ständigen Geschäftsverbindungen, die eine gewisse Häufigkeit von Verträgen voraussetzen, können Allgemeine Geschäftsbedingungen im Gegensatz hierzu auch durch wiederholte, auch für den flüchtigen Leser ohne weiteres erkennbare Hinweise in Rechnungen oder Ähnlichem zum Vertragsbestandteil werden, nicht aber durch Hinweise auf der Rückseite der Rechnung (zum Ganzen: Grüneberg/ Palandt, 75. Aufl., § 305 Rdnr. 51 m. w. N.).
Nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin besteht zwischen den Parteien im Ausgangspunkt eine langjährige Geschäftsbeziehung. Bereits ab Mitte 2008 hat die Klägerin Ware bei dem Beklagten gekauft. Nach der vorgelegten Kontraktübersicht dürfte es sich dabei allerdings nur um 2 Verkäufe an den Beklagten handeln, wohingegen 6 Verkäufe des Beklagten an die Klägerin erfolgt sein dürften. Bei allen Verträgen, bei denen die Klägerin Ware eingekauft hat, wurde auf die „umseitigen gedruckten AGB‘s“ hingewiesen.
Abgesehen davon, dass hiernach bereits jedenfalls Verkäufe der Klägerin an den Beklagten nicht mit einer ausreichenden Häufigkeit vorgetragen wurden, um eine insoweit bestehende ständige Geschäftsverbindung annehmen zu können, hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass in den entsprechenden Rechnungen hinreichend deutlich auf Allgemeine Geschäftsbedingungen hingewiesen wurde. Der bloße Abdruck auf der Rückseite der Rechnungen – der ohnehin so nicht nachvollziehbar ist, weil es sich bei den hier vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen um ein zweiseitiges Dokument handelt – reicht nach den vorzitierten Grundsätzen nicht aus.
b) Mangels wirksamer Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Kaufvertrag betreffend die Hauptforderung findet auch das dort in § 6 Abs. 5 enthaltene Aufrechnungsverbot keine Anwendung.
Die betreffend die Gegenforderungen getroffene Schiedsvereinbarung stellt kein solches materiell-rechtliches Aufrechnungsverbot dar (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1962 – VII ZR 264/61, juris Tz. 27 f.).
2. Die Gegenforderungen sind Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits; über ihre Berechtigung kann im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden werden.
Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Parteien dadurch eine Schiedsvereinbarung getroffen haben, dass der Beklagte die jeweiligen Bestätigungsschreiben der Klägerin, auf der die Zuständigkeit des bezeichneten Schiedsgerichts bestimmt war, widerspruchslos hingenommen hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zutreffenden Erwägungen in dem angefochtenen Urteil (LGU 3 f.) Bezug genommen.
Der Schiedsvertrag enthält ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen (BGH, a. a. O., Tz. 34).
3. Das Schiedsverfahren ist zwischenzeitlich anhängig.
Die Aussetzung des Rechtsstreits entsprechend § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Schiedsgerichtes ist zulässig.
Allerdings hat das Oberlandesgericht Zweibrücken erkannt, dass eine Aussetzung des Verfahrens vor den staatlichen Gerichten im Falle einer Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen wurde, unzulässig sei (OLG Zweibrücken, Urteil vom 2. August 2013 – 2 U 6/13, juris Tz. 17 ff.). In der Literatur ist die Möglichkeit einer Aussetzung umstritten (befürwortend: Rüßmann in: jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 388 Rdnr. 35; Schlosser in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1029 Rdnr. 31 [„selten ratsam“]; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 145 Rdnr. 23; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 1029 Rdnr. 22 a. E.; MüKoZPO/Wagner, 4. Aufl., § 145 Rdnr. 35; MüKoZPO/ Münch, 4. Aufl., § 1032 Rdnr. 15; a. A. Voit in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl., § 1029 Rdnr. 25). Entsprechend wird die Möglichkeit, ein Vorbehaltsurteil nach § 302 ZPO zu erlassen, unterschiedlich beurteilt. Überwiegend wird diese Möglichkeit bejaht (Zöller/Geimer, 31. Aufl., § 1029 Rdnr. 90; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 3 Rdnr. 14; Rensen in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 302 Rdnr. 14; Schlosser a. a. O.; Leipold in: Stein/Jonas, § 302 Rdnr. 14; BLAH a. a. O.; Münch, a. a. O.; Wagner a. a. O.). Nach anderer Auffassung soll demgegenüber im Verfahren über die Hauptforderung Entscheidungsreife vorliegen, der Erlass eines Vorbehaltsurteils unzulässig und ein Endurteil zu erlassen sein (OLG Zweibrücken, a. a. O. Tz. 21; Voit, a. a. O.; Musielak in: Musielak/Voit, § 302 Rdnr. 6; Elzer in: BeckOK ZPO [Stand: 1. Dezember 2015], § 302 Rdnr. 23). Der Bundesgerichtshof hat in verschiedenen Urteilen, die die Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen wurde, betrafen, die Möglichkeit einer Aussetzung oder des Erlasses eines Vorbehaltsurteils nicht ausdrücklich problematisiert (zusammenfassend: OLG Zweibrücken, a. a. O., Tz. 17 ff.).
Nach Auffassung des Senats ist eine Aussetzung des Verfahrens über die Hauptforderung vor den staatlichen Gerichten jedenfalls entsprechend § 148 ZPO zulässig. Dass ein Schiedsvertrag nach dem Willen der Parteien ein vertragliches Verbot enthält, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Parteien das Schiedsgericht entscheiden soll, hat nicht notwendig zur Folge, dass die Aufrechnung prozessual insgesamt unbeachtlich zu bleiben hat. Vielmehr geht die insoweit mit der Schiedsvereinbarung verbundene Verpflichtung nur dahin, die Prüfung, ob die Forderung besteht, nicht dem ordentlichen Gericht zu unterbreiten (BGH, a. a. O., Tz. 34). Damit hat nur eine sachliche Prüfung der Gegenforderung durch das staatliche Gericht zu unterbleiben. Soweit Voit (a. a. O., Rdnr. 24) die Auffassung vertritt, dass in Fällen, in denen gegen eine im Schiedsverfahren erhobene Hauptforderung mit einer Gegenforderung aufgerechnet wird, die nicht der Schiedsabrede unterfällt, der Parteiwille angesichts der regelmäßig mit dem Schiedsgerichtsverfahren verbundene Vorzug der Schnelligkeit einer Aussetzung des Schiedsverfahrens und Einholung der Entscheidung des staatlichen Gerichts über die Gegenforderung entgegensteht, ist diese Erwägung nicht auf den umgekehrten – hier vorliegenden – Fall übertragbar. Betreffend die Durchsetzung der Hauptforderung haben die Parteien gerade keine prozessuale Vereinbarung getroffen, die einer Aussetzung entgegensteht. Um materielle Nachteile der Partei zu vermeiden, die mit der Gegenforderung aufgerechnet hat, ist die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung entsprechend § 148 ZPO anzuerkennen.
4. Die Aussetzung des Verfahrens steht nach § 148 ZPO im Ermessen des Gerichts. Im Hinblick auf die vorliegend eingetretene Verjährung der Gegenforderungen für den Fall, dass diese nicht im Wege der Aufrechnung der Hauptforderung entgegengehalten werden könnten, übt der Senat dieses Ermessen dahin aus, dass eine Aussetzung des Verfahrens vorzunehmen ist. Er verkennt dabei nicht, dass angesichts des Zeitablaufes Beweisschwierigkeiten bestehen mögen, denen möglicherweise die kurze Verjährungsfrist des § 49 Abs. 3 der Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel begegnen sollen. Die Folgen eines solchen denkbaren Beweismittelverlustes sind hingegen vom Schiedsgericht bei dessen Entscheidung zu berücksichtigen und rechtfertigen es nicht, vorliegend von einer Verfahrensaussetzung abzusehen.
5. Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, 3 ZPO ist die Rechtsbeschwerde sowohl zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil in der Sache von der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken abgewichen wird, als auch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts.

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