OLG Frankfurt am Main, 05.11.2014 – 18 U 69/14

April 16, 2019

OLG Frankfurt am Main, 05.11.2014 – 18 U 69/14
Tenor:

Die Berufung der Klägerin vom 07.07.2014 gegen das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 10.06.2014 wird als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gegenstandswert in der Berufungsinstanz: 620.000,– €
Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 14.06.2014 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom 10.06.2014 mit nicht unterschriebenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07.07.2014 – eingegangen bei den Justizbehörden am 08.07.2014 und bei dem Oberlandesgericht am 09.07.2014 – Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23.08.2014 – eingegangen bei Gericht am 25.08.2014 begründet. Die fehlende Unterschrift auf der Berufungsschrift war bei Gericht erstmals am 19.08.2014 bemerkt worden. Hierauf und auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründungsschrift wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sodann mit Verfügung des Vorsitzenden vom 10.09.2014 – dem Prozessbevollmächtigten zugestellt am 23.09.2014 – hingewiesen. Zugleich wurde er darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Mit Telefax-Schriftsatz vom 23.09.2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründete diesen Antrag mit weiterem Telefax-Schriftsatz vom 13.10.2014 – eingegangen bei Gericht am gleichen Tage.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs macht die Klägerin geltend, die Unterschriftsleistung auf der Berufungsschrift habe bei frühzeitigem Hinweis des Gerichts noch rechtzeitig nachgeholt werden können. Die fehlende Unterschrift sei von der sehr zuverlässigen und generell zur Unterschriftskontrolle angewiesenen Kanzleikraft des Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht bemerkt worden, obwohl sie dies immer sehr penibel kontrolliere, vor allem auch deswegen, weil es bereits einmal vorgekommen sei, dass ein Schriftsatz nicht unterzeichnet gewesen sei. Die Befolgung der Anweisung werde auch stichprobenhaft kontrolliert, nämlich dann, wenn die Kuvertierung der Post zur Versendung in Gegenwart des Prozessbevollmächtigten geschehe.

Weiterhin habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 09.08.2014 den Antrag gestellt, die am 14.08.2014 ablaufende Berufungsbegründungsfrist um 4 Wochen, mithin bis zum 11.09.2014, zu verlängern, weil er krankheitsbedingt arbeitsüberlastet gewesen sei. Tatsächlich sei der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an einer schweren Bronchitis/Kehlkopfentzündung erkrankt gewesen und habe ganz erhebliche Mengen an Antibiotika einnehmen müssen, was zu frühzeitiger Ermüdung und Konzentrationsschwächen geführt habe. Den Fristverlängerungsantrag habe er ordnungsgemäß frankiert im Beisein der bereits erwähnten Kanzleikraft am gleichen Tage noch vor 11:00 Uhr am Stadt1 Bahnhof in den Briefkasten geworfen. Zur Glaubhaftmachung bezieht sich die Klägerin auf eidesstattliche Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten sowie der Kanzleikraft.

II.

Das zulässige, insbesondere innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO bei Gericht eingegangene und begründete Wiedereinsetzungsgesuch gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist unbegründet, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Klägerin auf ihr gleichzeitiges Wiedereinsetzungsgesuch gegen die Versäumung der Berufungsfrist die Wiedereinsetzung zu gewähren wäre.

Zwar wirkt sich ein etwaiges Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Zusammenhang mit der fehlenden Unterschriftsleitung auf dem Berufungsschriftsatz vom 07.07.2014 auf die Versäumung der Berufungsfrist nach § 517 ZPO nicht aus, weil der nicht unterschriebene Berufungsschriftsatz vom 07.07.2014 so rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, dass die Unterschriftsleistung noch innerhalb der Frist hätte nachgeholt werden können, wenn die Klägerin rechtzeitig auf die fehlende Unterschrift hingewiesen worden wäre.

Gleichwohl ist schon zweifelhaft, ob das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin vom 23.09.2014 gegen die Versäumung der Berufungsfrist in zulässiger Form angebracht worden ist, weil die versäumte Prozesshandlung der wirksamen Berufungseinlegung nicht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden ist. Weder der Schriftsatz vom 23.09.2014 noch der zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs eingereichte Schriftsatz vom 13.10.2014 erfüllen die Voraussetzungen des § 519 Abs. 2 ZPO, denn sie enthalten weder die Erklärung, dass gegen das Urteil des Landgerichts Limburg Berufung eingelegt werde, noch die genaue Bezeichnung der Parteien, des Erstgerichts und des Aktenzeichens des angefochtenen Urteils.

Zwar muss eine innerhalb der Berufungsfrist mangels Unterschrift nicht wirksam eingelegte Berufung mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung als Prozesshandlung nicht nachgeholt werden, wenn aus der vorliegenden Berufungsbegründung klar ersichtlich ist, welches Urteil von welcher Partei angefochten wird (BGH MDR 2000, 1092, zitiert nach juris). Das ist aber hier nicht der Fall, denn auch die seit dem 25.08.2014 bereits vorliegende Berufungsbegründungsschrift vom 23.08.2014, gibt keinen hinreichenden Aufschluss darüber, welches Urteil angefochten werden soll, denn das Urteil des Landgerichts Limburg ist nur in dem angekündigten Berufungsantrag und dort nur dem Verkündungsdatum nach bezeichnet.

Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. II ZPO gehindert war, so dass das Wiedereinsetzungsgesuch gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist jedenfalls unbegründet ist.

Es ist schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass – wie die Klägerin geltend macht – ihr Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 09.08.2014 auf dem Postwege die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um vier Wochen beantragt hat.

Zur Glaubhaftmachung erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Diesen Vorgaben genügt das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin unter Bezugnahme auf die eidesstattlichen Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und seiner Kanzleikraft nicht.

Zwar ist davon auszugehen, dass eine Versendung des Verlängerungsantrages per Post am 09.08.2014 ausreichend gewesen wäre, um dessen Eingang bei Gericht innerhalb der erst am 14.08.2014 ablaufenden Berufungsbegründungsfrist zu gewährleisten, weil eine Partei grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden, so dass weitere Vorkehrungen nicht ergriffen werden müssen und eine Partei insbesondere nicht gehalten ist, fristgebundene Schriftsätze vorab per Telefax an das Gericht zu übermitteln. Vor diesem Hintergrund führt auch der in einer anwaltlichen Versicherung behauptete und nicht näher erläuterte Umstand, der Prozessbevollmächtigte habe von seiner sonst häufig genutzten Versandpraxis per Telefax im gegebenen Einzelfall abgesehen, nicht unbedingt dazu, dass die anwaltliche Versicherung in Zweifel zu ziehen ist, weil die Wahl eines gängigen und zur Fristwahrung tauglichen Versandweges – auch wenn dieser von der bisherigen Handhabung abweicht – nicht ohne Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Umstände geeignet ist, den Beweiswert der anwaltlichen Versicherung zu schmälern. Derartige besondere und aussagekräftige Umstände sind aber vorliegend gegeben, weshalb der behauptete und eidesstattlich versicherte Geschehensablauf erheblichen Zweifeln begegnet und insgesamt nicht zur Glaubhaftmachung geeignet ist.

Danach soll der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum Zeitpunkt der behaupteten Versendung des Fristverlängerungsantrages zwar einerseits an einer schweren Bronchitis und/oder Kehlkopfentzündung erkrankt gewesen sein, die mit ganz erheblichen Mengen an Antibiotika behandelt werden musste, was zu seiner schnellen Ermüdung und zu Konzentrationsmängeln geführt habe. Gleichzeitig soll er es aber andererseits für erforderlich angesehen haben, an einem Samstagvormittag einen nur aus einer Seite bestehenden Schriftsatz persönlich und zudem auch noch in Begleitung seiner Kanzleikraft zum Briefkasten am Stadt1 Bahnhof zu bringen, statt diesen dem Gericht – wie es sonst ausweislich der zahlreichen Telefax-Schreiben in der Akte durchaus seiner Gepflogenheit entspricht – ganz einfach per Telefax zu übermitteln. Nichts hätte angesichts der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten näher gelegen, als die eine Seite des Schriftsatzes zu faxen, oder aber wenigstens die Kanzleikraft alleine mit dem Posteinwurf zu beauftragen. Der behauptete Geschehensablauf erscheint daher unvernünftig und – getragen von dem Bemühen, einen Weg zur Glaubhaftmachung zu finden – konstruiert, weil die Berufung auf eine Antragstellung per Telefax-Schreiben der Klägerin mangels Vorhandenseins eines Faxprotokolls versagt ist.

Überdies wäre aber auch der behauptete Geschehensablauf nicht geeignet, die Klägerin zu entlasten, denn das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten steht nach § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich. Ein solches Verschulden des Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist, mindestens aber an der nicht rechtzeitigen Verlängerung der Frist gemäß § 520 Abs. 2 ZPO, ist vorliegend gegeben, denn dieser hat – die Stellung eines Fristverlängerungsantrages einmal vorausgesetzt – nicht in ausreichender Weise kontrolliert, ob sein Antrag bewilligt worden ist. Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen gelten grundsätzlich entsprechende Voraussetzungen, wie sie für die unmittelbare Fristenkontrolle von Berufung und Berufungsbegründung bestehen. Danach ist es erforderlich, dass das tatsächliche Ende einer Berufungsbegründungsfrist, und nicht etwa das Ende einer bloß hypothetischen und noch von einer gerichtlichen Handlung abhängigen Frist im Fristenkalender eingetragen wird. Dementsprechend darf eine beantragte Fristverlängerung nicht in der Weise gehandhabt werden, dass schon mit der Antragstellung der Endpunkt der verlängerten Frist im Kalender eingetragen wird, als ob der Antrag bereits zu diesem Zeitpunkt bewilligt worden sei. Die Eintragung des endgültigen Fristablaufs ist deshalb erst dann zulässig, wenn die Verlängerung tatsächlich gewährt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01 1984 – IVa ZB 11/83 – VersR 1984, 336 f. und BGH, Beschluss vom 20.06.2006 – VI ZB 14/06 – BRAK-Mitt 2006, 273, beide zitiert nach juris). Der Fristenkalender muss ferner Tag für Tag durchgesehen werden. In jedem Fall ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass vor dem beantragten Fristablauf das wirkliche Ende der Frist – ggf. durch Rückfrage bei Gericht – festgestellt wird (BGH, Beschluss vom 20.06.2006 a.a.O.) Demzufolge hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Wiedervorlage des Vorgangs am Ende der tatsächlichen Berufungsbegründungsfrist – spätestens aber am 14.08.2014 – überprüfen müssen, ob seinem Fristverlängerungsantrag entsprochen worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte ihr Prozessbevollmächtigter auf die Gewährung der beantragten Fristverlängerung so lange nicht vertrauen, wie er keine anders lautende Nachricht von dem Gericht erhielt, und er hätte sich rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist ggf. durch Rückfrage bei Gericht Gewissheit verschaffen müssen, nachdem ihm keine entsprechende Verfügung zugegangen war.

Bei Durchführung einer sorgfältigen Fristenkontrolle hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin jedenfalls rechtzeitig Kenntnis vom drohenden Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erlangt und deren Versäumung bzw. deren Ablauf noch am 14.08.2014 verhindern können, indem er bei Gericht nach der beantragten Fristverlängerung nachgefragt und auf die Mitteilung, dass ein diesbezüglicher Antrag fehle, einen erneuten Fristverlängerungsantrag per Telefax eingereicht hätte.

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