OLG Frankfurt am Main, 29.07.2014 – 3 U 39/12

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 29.07.2014 – 3 U 39/12
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.01.2012 – 2/10 O 284/11 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Schadenersatz wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch.

Wegen der schriftlich in Wertpapiererhebungsbögen vom 28.06.2002 und 09.09.2005 seitens der Beklagten erfassten Anlagestrategie der Eheleute A wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die Anlagen B 12 + K 2.3.1 Bezug genommen. Die Beklagte hat per 23.05.2011 eine Auswertung des klägerischen Depots (Anlage B 13) vorgelegt, die den Gesamtzeitraum seit Mitte 2002 erfasst.

Die Klägerin und ihr Ehemann, Herr Vorname1 A, erwarben nach Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten, den vor dem Berufungsgericht als Zeuge vernommenen Herrn Vorname3 B, am 14.12.2007 für ihr gemeinschaftliches Wertpapierdepot 100 St.Lehman Brothers Treasury C. B.V. EXPR.N 06.01.14 Basket Zertifikate (WKN A0SUA9) im Nominalbetrag von 100.000,00 € zum Kurswert von 102.187,00 €. Wegen der Wertpapierabrechnung vom 18.12.2007 wird auf Anlage K 2.3.3 verwiesen. Die Wertentwicklung dieser Zertifikate orientiert sich an dem EuroStoxx50 (europäischer Leitindex) und dem Nikkei 225 (japanischer Leitindex) wie folgt: Sofern der Index mit der schlechteren Wertentwicklung an einem Betrachtungszeitpunkt innerhalb der mehrjährigen Laufzeit 90% des Ausgangsniveaus erreicht, wird das Zertifikat vorzeitig fällig und mit einem Gewinnkupon zurückgezahlt. Notiert der schwächere Index bei Fälligkeit über 70% seines Ausgangsniveaus, erfolgt eine Rückzahlung zu 100%, andernfalls orientiert sich die Höhe der Rückzahlung am Laufzeitende an der (negativen) Wertentwicklung dieses schwächeren Indexes.

Am 23.04.2008 unterbreitete der Zeuge B dem Zeugen A eine schriftliche Empfehlung, im Depot befindliche Zertifikate mit der WKN C3336 zu veräußern und im Gegenzug die funktionsidentischen Zertifikate mit der WKN A0V7WS zu kaufen; diese Zertifikate wurden mit Wirkung zum 30.06.2008 mit der WKN A0SUA8 versehen(„umgeschlüsselt“). Am 25.04.2008 kam es zu einem Telefonat, in dem der Zeuge B die Tauschempfehlung mit einem der beiden Ehepartner erörterte, der der Kaufempfehlung zustimmte. Nach dem erstinstanzlichen Klägervortrag soll das Telefongespräch mit dem Ehemann der Klägerin geführt worden sein, nach den Angaben, die die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gemacht hat, will sie den Anruf des Beraters B am 25.04.2008 entgegen genommen und das Gespräch geführt haben. Auftragsgemäß wurden sodann 50 Stück der empfohlenen Zertifikate des Investmenthauses Lehman Brothers Treasury (WKN A0V7WS) zum Nominalwert von 50.000,00 € in das Gemeinschaftsdepot der Eheleute A gebucht.

Die Klägerin beruft sich auf eine fehlerhafte, weil weder anlagegerechte noch anlegergerechte Beratung durch die Mitarbeiter der Beklagten. Wegen der Einzelheiten seines Vortrags hierzu wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Zusammenhang mit dem Erwerb 100 St. Lehman Brothers Treasury C. B.V. EXPR.N 06.01.14 Basket Zertifikate sie zwischen den Parteien zwar ein Beratungsvertrag zustande gekommen; eine Verletzung von Aufklärungspflichten sei der Beklagten jedoch nicht zur Last zu legen. Dem Klägervortrag gemäß seien dem Ehemann der Klägerin, dessen Kenntnisse sich die Klägerin gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müsse, grundsätzlich die Funktionsweise von vergleichbaren Zertifikaten bekannt gewesen. Darauf, dass bei Erreichen bestimmter Barrieren Verluste möglich seien, habe der Mitarbeiter der Beklagten den Ehemann der Klägerin hingewiesen, wenn auch nur mit der Einschränkung, „faktisch“ sei das Unterschreiten der Barriere „unmöglich“. Dass aber die Klägerin das Bewusstsein gehabt habe, dass wegen der „Unwetterwolken am Horizont des Finanzmarktes“ ein Kapitalverlust drohe, ergebe sich aus dem entsprechenden Vortrag der Klägerin zu dem Gespräch vom 18.07.2008, wonach sie eben aus Sorge über einen drohenden Kapitalverlust nochmals den Mitarbeiter der Beklagten angesprochen haben wolle. Damit werde deutlich, dass die Abhängigkeit von Rendite und Rückzahlung des Anlagebetrages von der Entwicklung am Kapitalmarkt bekannt gewesen sei. Wie sich aus der behaupteten Angabe des Mitarbeiters der Beklagten ergebe, dass „Lehman niemals pleite“ gehen werde, sei auch das Emittentenrisiko bei der Klägerin bekannt gewesen. Daneben sei eine Aufklärung über die fehlende Einlagensicherung nicht geboten. Eine Fehlberatung sei der Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Anlegergerechtigkeit zur Last zu legen; denn das Zertifikat passe zu Risikoprofil und Anlagestrategie der Klägerin und ihres Ehemannes. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen seien der Beklagten – mangels Dreipersonenverhältnisses – nicht zugeflossen. Prospekthaftungsansprüche scheiterten daran, dass die Klägerin ihre Anlageentscheidung nicht auf der Grundlage von Prospektangaben getätigt habe. Ein Widerrufsrecht stehe der Klägerin nicht zu. Eine Haftung der Beklagten folge auch nicht aus der Fehleinschätzung, die ihr Mitarbeiter B am 18.07.2008 hinsichtlich der im Dezember 2007 erworbenen Wertpapiere von Lehman Brothers Treasury abgegeben habe. Die Äußerung, „bevor Lehman pleite gehe, gehe der amerikanische Staat pleite“, sei eine wertende Einschätzung des Inhalts, der amerikanische Staat werde Lehman nicht in die Insolvenz laufen lassen. Diese Prognose sei aus damaliger Sicht vertretbar.

Die Klage sei unschlüssig, soweit die Klägerin eigene Ansprüche mit dem Vortrag geltend mache, ihr Mann habe unter dem 25.04.2008 weitere Zertifikate erworben. Aus der entsprechenden Transaktion könne allenfalls der Ehemann der Klägerin Ansprüche herleiten; ein Anspruchsübergang auf die Klägerin sei nicht vorgetragen.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich gestellten Klageanträge weiterverfolgt.

Die Klägerin rügt:

– Das Landgericht habe ihre Ausführungen zu den wichtigsten Risiken der Lehman-Zertifikate, insbesondere zum Kündigungsrecht der Emittentin, ignoriert.

– Das Landgericht zu Unrecht angenommen, der Zeuge B habe die Klägerin und ihren Ehemann hinreichend über die Funktionsweise der im Dezember 2007 und im April 2008 konkret empfohlenen Zertifikate aufgeklärt. Insbesondere sei die Darstellung der „Szenarien“ aus dem 1-seitigen Prospekt der Beklagten (Anlage B 33) telefonisch kaum verständlich zu vermitteln; insoweit habe das Landgericht jedenfalls das Beweisangebot der Klägerin in unzulässiger Weise übergangen.

– Die Annahme, dem Zedenten sei das Emittentenrisiko bewusst gewesen, verkenne, dass ein Anleger zusätzlich darüber informiert werden müsse, dass er im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Emittenten das angelegte Kapital vollständig verliere.

– Weil die Beklagte den Klägervortrag, die Beklagte habe „Rückvergütungen“ von der Emittentin erhalten, nur einfach, pauschal und damit unbeachtlich bestritten habe, sei von Rückvergütungen auszugehen.

– Das Landgericht habe bei seinen Ausführungen zur fehlenden Aufklärungsklärungspflicht über die negative Presseberichterstattung hinsichtlich des Emissionshauses Lehman Brothers auf den falschen Zeitpunkt abgestellt. Maßgeblich komme es nicht nur auf die Presse im Dezember 2007 (erstes Beratungsgespräch), sondern zudem auf die Berichtslage bei den beiden nachfolgenden Gesprächen (April 2008 und insbesondere am 18.07.2008) an. Jedenfalls am 18.07.2008 sei die Prognose des Beraters B, „bevor Lehman pleite gehe, gehe die USA pleite“ vor dem Hintergrund der im Juni 2008 erfolgten Ratingherabstufung und der Beinaheinsolvenz von „H“ unvertretbar gewesen. Insoweit glaubt die Klägerin, sich auf das Urteil des Senats vom 15.09.2011 (3 U 10/11, abgedruckt in Juris) stützen zu können.

– Das Landgericht habe die Prozessführungsbefugnis bzw. die Aktivlegitimation der Klägerin für Ansprüche wegen Beratungsverschuldens im Zusammenhang mit dem Wertpapiererwerb vom 25.04.2008 zu Unrecht verneint. Es habe nicht berücksichtigt, dass das Wertpapierdepot „A, Vorname1 und Vorname2“ gehöre. Jedenfalls ergebe sich aus der Klageerhebung die stillschweigende Ermächtigung der Klägerin zur Prozessführung; für diese Ermächtigung bietet die Klägerin Beweis durch Zeugnis ihres Ehemannes, des Zedenten Vorname1 A, an. Die Klägerin hält dieses Beweisangebot für zulässig, weil die Benennung in der zweiten Tatsacheninstanz auf einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht durch das Landgericht beruhe.

– Das Landgericht habe maßgeblichen Klägervortrag zur Änderung der Anlagestrategie und das hierfür gegebene Beweisangebot (Zeugnis des Zedenten) übergangen. So habe der Zedent am 15.05.2007 in einem mit dem Berater B geführten Gespräch geäußert, er wolle (nunmehr), weil er seine Berufstätigkeit zum Jahresende 2008 aufgeben werde, sehr konservativ und unter Ausschluss jeglicher Verlustrisiken investieren. Diese Absicht habe der Zedent auch anlässlich der Anlageempfehlungen und zudem in dem Gespräch vom 18.07.2008 wiederholt.

– Darüber hinaus verteidigt die Klägerin ihre Rechtsansicht, die geltend gemachten Schadensersatzansprüche seine wegen (unerlaubten) Glücksspiels, Widerrufs, Prospekthaftung, Deliktshaftung und Anfechtung begründet. Insoweit wird auf die Ausführungen auf Seiten 22 ff. der Berufungsbegründungsschrift vom 20.04.2012 (Bl. 593 R ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin hat zunächst mit ihrer Berufung beantragt,

unter Abänderung des am 19.01.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2/10 O 284/11, die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin 135.248,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, nebst Zinsen in Höhe von 4% p.a. auf 102.187,00 € ab 19.12.2007 und auf 33.061,50 € ab 01.05.2008 bis zur Rechtshängigkeit zu zahlen

Zug um Zug gegen Übertragung von 100 Stück des Zertifikats „EXPR.N 06.01.14 Basket“ (ISIN: 1) und 50 Stück des Zertifikats „EXPR.N 06.01.14 Basket“ (ISIN: 2) der Emittentin Lehman Brothers Treasury C. B.V. sowie gegen Abtretung aller mit allen vorgenannten Zertifikatsstücken zusammenhängenden Ansprüchen aus den Insolvenzmassen der Garantin LBHI und der Emittentin LBT und,

die Klägerin von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 6.545,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen, und

für den Fall des Obsiegens die Klägerin von den weiteren Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 6.545,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen bzgl. der Ansprüche aus der Insolvenzmasse der Garantin LBHI.

Nachdem weitere Ausschüttungen auf die streitgegenständlichen Wertpapiere erfolgt sind, beantragt die Klägerin nunmehr,

unter Abänderung des am 19.01.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2/10 O 284/11, die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin, hilfsweise auf das Gemeinschaftskonto der Klägerin und des Herrn Vorname1 A, 111.168,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, nebst entgangenem Gewinn in Höhe von 24.080,20 €,

hilfsweise,

statt dieser Zahlung, nebst Zinsen in Höhe von 4% p.a. auf 102.187,00 € ab 19.12.2007 und auf 33.061,50 € ab 01.05.2008 bis zur Rechtshängigkeit zu zahlen,

Zug um Zug gegen Übertragung von 100 Stück des Zertifikats „EXPR.N 06.01.14 Basket“ (ISIN: 1) und 50 Stück des Zertifikats „EXPR.N 06.01.14 Basket“ (ISIN: 2) der Emittentin Lehman Brothers Treasury C. B.V. sowie gegen Abtretung aller mit allen vorgenannten Zertifikatsstücken zusammenhängenden Ansprüchen aus den Insolvenzmassen der Garantin LBHI und der Emittentin LBT und,

die Klägerin von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 6.545,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen.

Im Übrigen hat die Klägerin den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt und beantragt,

festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe der Teilerledigungserklärung erledigt hat.

Die Beklagte hat ihre Zustimmung zur Teilerledigungserklärung der Klägerin nicht erteilt.

Sie beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Klägerin zum Inhalt der den streitgegenständlichen Wertpapierkäufen vorausgegangenen Gespräche durch informatorische Anhörung der Klägerin und Vernehmung der Zeugen Vorname1 A und Vorname3 B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 25.03.2014 (Bl. 923 – 943 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, der die Beklagte zu einer anlagegerechten und anlegergerechten Beratung verpflichtete, der Beklagten aber keine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.

Indem sich der Zeuge B, dessen Verhalten sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen muss, am 14.12.2007 und am 25.04.2008 telefonisch an die Klägerin wandte und Empfehlungen zum Erwerb von Zertifikaten für das gemeinschaftliche Depot der Eheleute A abgab, kam jeweils zwischen den Parteien konkludent ein Anlageberatungsvertrag zustande.

Inhalt und Umfang der Beratungspflicht hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageprojekt beziehen. Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft; zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Die Beratung hat sich daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also „anlegergerecht“ sein (BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – XI ZR 12/93; Urteil vom 25. November 1981 – IVa ZR 286/80).

In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1987 – IVa ZR 134/85). Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko) ergeben. Die Beratung der Bank muss hinsichtlich der Wertpapierstruktur sowie der strukturbedingten Risiken richtig und sorgfältig, für den Kunden verständlich und vollständig, also anlagegerecht sein.

Sowohl die im Empfehlung des Erwerbs von 100 Stück Lehman Brothers Treasury C.B.V. Basket Zertifikaten (WKN A0SUA9) im Dezember 2007 als auch die Kaufempfehlung vom April 2008, die auf den Erwerb von 50 Stück Lehman Brothers Treasury Express-Basketzertifikaten (WKN A0V7WS) bezog, waren anlegergerecht.

Dem Landgericht kann in der Beurteilung gefolgt werden, dass sich die Anlegergerechtigkeit der Wertpapierempfehlungen des Zeugen B maßgeblich nach dem Risikoprofil der Eheleute A und deren Anlagestrategie beurteilt. Risikoprofil und Anlagestrategie sind in den zur Akte gereichten Wertpapiererfassungsbögen (sog. WpHG-Bögen) vom 28.06.2002 (Anlage B 12) und vom 09.09.2005 (Anlage K 2.3.1) erhoben worden. Maßgeblich für die beiden Wertpapieranlagegeschäfte, die Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind und Ende 2007/Frühjahr 2008 erfolgten, ist die am 09.09.2005 schriftlich niedergelegte Anlagestrategie, die wie folgt definiert ist (Anlage K 2.3.1):

„Risikobewusst: Höheren Ertragserwartungen stehen angemessene Risiken gegenüber.*

*Im Verhältnis zum Gesamtvermögen inkl. Immobilienwerten.“

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Eheleute A ausweislich des Wertpapierbogens vom 09.09.2005 (Anlage K 2.3.1) und der Depotauswertung vom 23.05.2011 (Anlage B 13) bereits in der Vergangenheit Geschäfte in risikoreduzierten Zertifikate-Varianten getätigt hatten, entsprach die Empfehlung der Investition eines Nominalbetrags von 100.000,00 (im Dezember 2007) und eines weiteren Nominalbetrags von 50.000,00 € (im April 2008) in Express-Basketzertifikate, die auf den europäischen (EuroStoxx50) sowie auf den japanischen Leitindex (Nikkei225) bezogen und mit einer Barriere von 70% des Ausgangsniveaus beider Indices versehen waren, der festgelegten Anlagestrategie. Es handelte sich um risikoreduzierte Zertifikate. Dass die Anlage – bezogen auf das Gesamtvermögen der Eheleute A – den Geboten der Diversifikation und Risikostreuung widersprochen hätte, ist weder vorgetragen noch aus dem vorgelegten Depotauszug vom 23.05.2011 (Anlage B 13) ersichtlich. Nach den im Wertpapierbogen vom 09.09.2005 (Anlage K 2.3.1) enthaltenen Angaben der Eheleute A überstieg ihr Vermögen die Summe aller Depotwerte.

Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis für eine (nach September 2005 vorgenommene) Änderung der Anlagestrategie von einer risikobewussten in eine konservative Anlagestrategie nicht geführt. Die vor dem Senat nachgeholte Beweisaufnahme hat die Behauptung der Klägerin, ihr Ehemann habe am 15.05.2007 gegenüber dem Zeugen A geäußert, er wolle (nunmehr) sehrkonservativ und unter Ausschluss jeglicher Verlustrisiken investieren, und habe diese Absicht in einem Gespräch vom 18.07.2008 wiederholt, nicht bestätigt.

Zwar hat der Ehemann der Klägerin, der Zeuge A, in seiner Vernehmung vor dem Senat am 25.03.2014 ausgesagt, er habe Herrn B gemeinsam mit der Klägerin im Sommer 2007 zur Abstimmung der Anlagestrategie in O1 aufgesucht und diesem im Rahmen eines persönlichen Gesprächs erklärt, dass die Eheleute A ihre Anlagestrategie in konservative Richtung ändern wollten (Seite 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 925 d.A.). Er habe dies damit begründet, dass das Depot einen wesentlichen Teil der Altersvorsorge der Eheleute A ausmache (Seite 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 925 d.A.). Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat sich der Zeuge A darauf festgelegt, er und die Klägerin hätten gesagt: „Das ist unsere Altersvorsorge, die darf nicht wegbrechen, da darf nichts verlorengehen (Seite 4 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 926 d.A.).

Dem stehen aber die Bekundungen des Zeugen B entgegen, der die an ihn gerichtete Vorgaben, es dürfe bei zukünftigen Wertpapieranlagegeschäften kein Kapitalverlustrisiko eingegangen werden, es dürfe nichts verloren gehen, nicht bestätigt hat. Der Zeuge B hat – in Übereinstimmung mit dem Zeugen A – bekundet, es habe Mitte 2007 eine Depotbesprechung in O1 stattgefunden, in deren Rahmen eine Risikoreduzierung vereinbart worden sei. Diese Risikoreduzierung habe sich auf die Gesamtausrichtung des Depots bezogen; es sei nicht um eine konkrete Einzelanlage gegangen. Festgelegt worden sei eine zukünftige Mischung von 50 zu 50, bezogen auf risikobehaftet bzw. risikoarm (Seite 10 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 932 d.A.). Auf Befragen des Klägervertreters hat der Zeuge B ergänzend erklärt, er habe den Eheleuten A im persönlichen Gespräch anhand eines Depotauszugs erläutert, welche – im Depot vorhandenen – Wertpapiere zu welcher Wertpapierkategorie zählten; er habe dabei die risikobehafteten von den nicht risikobehafteten Papieren abgegrenzt (Seite 10 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 932 d.A.). Auf der Grundlage des Depotauszugs sei dann besprochen worden, welche Wertpapiere veräußert werden sollten (Seite 10 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 932 d.A.).

Dafür, dass der Zeuge A die Wahrheit, der Zeuge B aber die Unwahrheit gesagt haben könnte, gibt es keine hinreichenden Indizien. Der Umstand, dass es im Anschluss an die Besprechung in O1 (Mitte 2007) nicht zu einem Verkauf sämtlicher risikobehafteten, im Depot befindlichen, Wertpapiere gekommen ist und die Eheleute A auch nicht auf die Neustrukturierung des Depots gedrängt haben, spricht eher gegen die behauptete Änderung der Anlagestrategie.

Die Anlageempfehlung widersprach auch nicht dem Anlageziels der Altersvorsorge. Der Altersvorsorge dienende Anlagegeschäfte sind nicht schon aufgrund der Wortbedeutung (per definitionem) auf kapitalsichere Wertpapiere beschränkt. Vielmehr kann es zur Sicherung eines ausreichenden Einkommens im Rentenalter opportun sein, bei Meidung eines sog. Klumpenrisikos einen bestimmten Prozentsatz risikobehafteter Wertpapiere im Depot zu halten. Insoweit verdient die Beurteilung des Zeugen B Zustimmung, man müsse das Gesamtvermögen und konkrete Renditevorgaben der Anleger hinsichtlich der monatlich zu erzielenden Erträge betrachten (Seite 18 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 940). Auch ist ein konservatives Anlageprofil nicht gleichzusetzen mit einem sicher garantierten Kapitalerhalt.

Die durch den Zeugen B gegenüber der Klägerin telefonisch erbrachte Beratung zu den streitgegenständlichen Lehman-Zertifikaten war zudem auch anlagegerecht.

Ohne Erfolg rügt die Klägerin insoweit zunächst, das Landgericht habe ihre Ausführungen zum Kündigungsrecht der Emittentin ignoriert. Die von ihr zur Begründung herangezogenen Urteile des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17.02.2010 (17 U 207/09), vom 14.07.2010 (17 U 11/10) und vom 12.01.2011 (17 U 130/10) betrafen sog. Twin-Win-Zertifikate (Schmetterlingszertifikate), die sich dadurch auszeichnen, dass das – bei Berühren oder Unterschreiten der Barriere (Sicherheitsschwelle) begründete – Recht des Umtauschs in Endloszertifikate, die auf den Basiswert bezogen waren, seinerseits durch ein Sonderkündigungsrecht des Emittenten relativiert war, das dem Anleger ein sog. Aussitzen der Verlustmarge verwehrte. Diese Voraussetzungen sind – bezogen auf die beiden streitgegenständlichen Express-Basketzertifikate – nicht erfüllt. Soweit der in Anlage K 5 vorgelegte Basisprospekt vom 28.08.2007 in Annex 1 (Terms and Conditions of Notes) auf Seite A-59 eine vorzeitige Rückzahlung der Schuldverschreibungen nach Wahl der Emittentin zulässt, handelt es sich um eine bloße Gestaltungsalternative, für den die auf Seite A-1 enthaltene Einleitung bestimmt:

„Auf die unter dem Programm zu begebenden Schuldverschreibungen einer jeden Serie kommen die nachfolgend abgedruckten, jeweils durch die Endgültigen Bedingungen konsolidierten oder vervollständigten bzw. konkretisierten Bedingungen der Schuldverschreibungen zur Anwendung. Durch einen Platzhalter gekennzeichnete ausfüllungsbedürftige Bedingungen sowie vorgegebene Gestaltungsalternativen werden durch die Endgültige Bedingungen für die jeweilige Emission von Schuldverschreibungen festgelegt.

Die nachfolgenden Bedingungen der Schuldverschreibungen sind in deutscher bzw. in englischer Sprache abgedruckt, von denen jeweils eine Fassung in den Endgültigen Bedingungen für die betreffende Emission als bindend festgelegt wird.“

In der auf Seite A-58 mit dem Klammervermerk

Falls keine Vorzeitige Rückzahlung nach Wahl der Emittentin zutrifft, einfügen:

überschriebenen Gestaltungsalternative (c.) ist die Emittentin nicht berechtigt, mit Ausnahme einer vorzeitigen Rückzahlung gemäß § 6(m), die Schuldverschreibungen vor dem Endfälligkeitstag zurückzuzahlen. Dass diese Gestaltungsalternative und nicht etwa die – hierzu in Widerspruch stehende – auf Seite A-59 mit dem Klammervermerk

Im Falle einer Vorzeitigen Rückzahlung nach Wahl der Emittentin einfügen:

dargelegte Gestaltungsalternative (c.) für die streitgegenständlichen Zertifikate verbindlich geworden wäre, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Ausweislich der auf Seite 37 der Anlage K 5 unter den Stichwörtern „Kündigungsrechte und Vorzeitige Rückzahlung und Vorzeitiger Rückzahlungsbetrag“ enthaltenen Erläuterungen sind die Schuldverschreibungen für die Emittentin und die Anleihegläubiger nur kündbar, wenn die betreffenden Endgültigen Bedingungen ein Kündigungsrecht vorsehen. Dies hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat vielmehr den Beklagtenvortrag zur Struktur der streitgegenständlichen Zertifikate mit der WKN A0SUA9 und WKN A0V7WS, der kein Sonderkündigungsrecht anerkennt, nicht bestritten.

Einer Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über ein etwaiges Sonderkündigungsrecht steht zudem der Umstand entgegen, dass den Eheleuten A die Broschüre: „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“ – Stand: Mai 2005 -, wie vom Ehemann der Klägerin bei Unterzeichnung des WpHG-Bogen vom 09.09.2005 (Anlage K 2.3.1) ausdrücklich bestätigt, überreicht worden war. Damit hatte die Beklagte ihre Hinweispflicht in Bezug auf das – mögliche – Kündigungsrisiko, resultierend aus einem Sonderkündigungsrecht der Emittentin, erfüllt. Denn diese Broschüre enthält auf Seite 90 die nachfolgend wiedergegebenen Ausführungen zum Kündigungsrisiko:

„In den Emissionsbedingungen, die im Emissionsprospekt enthalten sind, kann sich der Schuldner einer Anleihe ein vorzeitiges Kündigungsrecht vorbehalten. Mit einem solchen Kündigungsrecht werden Anleihen oft in Hochzinsphasen ausgestattet. Sinkt das Marktzinsniveau, so steigt für Sie als Anleger das Risiko, dass der Emittent von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht: Der Emittent kann auf diese Weise seine Verbindlichkeiten abbauen oder refinanziert sich durch Ausgabe einer neuen Anleihe billiger und verringert damit seine Zinslast.“

Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin des Weiteren auf Seite 13 f. der Berufungsbegründung vom 20.04.2012 (Bl. 583 ff., 589 d.A.) dagegen, dass das Landgericht eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über die Funktionsweise der streitgegenständlichen Lehman Brothers Express Basket Zertifikate unter Hinweis darauf verneint hat, dem Ehemann der Klägerin sei „grundsätzlich die Funktionsweise von vergleichbaren Zertifikaten bekannt“ gewesen. Die Berufungsrüge, ein Anleger müsse – ungeachtet seiner allgemeinen Kenntnis von Zertifikaten – stets über die konkrete Funktionsweise der empfohlenen Wertpapiere aufgeklärt werden, greift nicht durch. Im vorliegenden Fall genügte der Zeuge B seiner Aufklärungspflicht durch die Aussage, dass die empfohlenen Wertpapiere mit den veräußerten strukturgleich seien und dieselben Verlustrisiken aufwiesen, wie diese.

Die vor dem Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat zunächst ergeben, dass die Anlageempfehlung des Zeugen B vom 14.12.2007 vor dem Hintergrund der unmittelbar bevorstehenden Fälligkeit und Rückzahlung der im Depot befindlichen 750 Stück Zertifikate mit der WKN CZ3335 erfolgte; diese Wertpapiere waren mit den empfohlenen Lehman-Zertifikaten (WKN A0SUA9) strukturidentisch. So hatten die Eheleute A ausweislich der in Anlage B 13 vorgelegten Depot-Auswertung vom 23.05.2011 am 30.10.2006 500 Stück und am 07.12.2006 weitere 250 StückX-Bank Express Basket Zertifikate mit der WKN CZ3335 für ihr Depot erworben, die am 27.12.2007 endfällig wurden. Die Beweisaufnahme hat weiterhin ergeben, dass auch die vom Zeugen B am 25.04.2008 empfohlenen Lehman-Zertifikate (WKN A0V7WS) mit den Vorgängerzertifikaten der X-Bank AG (WKN CZ3335 sowie WKN CZ3336) strukturgleich waren.

In dieser Situation bestand nur ein eingeschränkter Beratungsbedarf, der sich auf die Mitteilung beschränkte, dass die empfohlenen Wertpapiere mit den endfällig gewordenen strukturidentisch seien. Dieser Mitteilung konnte und musste die Klägerin nach ihrem objektiven Empfängerhorizont den Hinweis entnehmen, das den Vorgängerzertifikaten innewohnende, an die Barriere von 70% gekoppelte Verlustrisiko, bestehe – bezogen auf die zu erwerbenden Papiere – unverändert fort.

Dass die vom Zeugen B gegenüber der Klägerin abgegebenen Erklärungen die vorbeschriebenen Anforderungen nicht erfüllt hätten, kann auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Die Aussage des Zeugen A war hierzu unergiebig, weil dieser Zeuge nach eigenen Bekundungen dem Gespräch nicht beigewohnt hat und dazu auch keine Angaben machen konnte. Der Zeuge BN hat ausgesagt, er könne sich an den Wortlaut der Telefongespräche nicht mehr konkret erinnern. Weder diese Angaben, noch die weitergehenden Angaben des Zeugen B zu den üblichen Gesprächsinhalten telefonischer Wertpapierempfehlungen, sind zugunsten der Klägerin ergiebig.

Die eigenen Angaben der Klägerin vor dem Berufungsgericht sind ebenfalls nicht geeignet, einen Aufklärungsmangel zu begründen. Die persönlich angehörte Klägerin hat davon berichtet, dass der Zeuge B gesagt habe, das Zertifikat sei „super passend“ für die Anlagestrategie der Eheleute A; es sei ja auch ein „Garantiezertifikat“. Zugleich aber hat die Klägerin eingeräumt, sie habe gewusst, dass es eine „Reißleine“ gegeben habe und auch einen Korridor, innerhalb dessen nichts passieren könne. Damit waren der Klägerin die strukturbedingten Anlagerisiken bekannt. Gibt es nämlich einen Korridor, innerhalb dessen nichts passieren kann, so existiert notwendigerweise auch ein Bereich, markiert durch die „Reißleine“, der mit einem Verlustrisiko behaftet ist.

Dass sich die Klägerin ausweislich ihrer Angaben im Senatstermin vom 25.03.2014 (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls vom 25.03.2014, Bl. 930 d.A.) vorgestellt haben will, sie erhalte am Ende der Laufzeit wenigstens ihren Einsatz zurück, begründet keine Aufklärungspflichtverletzung. Diese Fehlvorstellung wäre vom Zeugen B weder hervorgerufen, noch unterhalten worden. Sie war ihm nicht erkennbar.

Ohne Erfolg rügt die Klägerin im Rahmen ihrer Berufungsbegründung weiterhin, die Darstellung der „Szenarien“ aus dem 1-seitigen Prospekt der Beklagten (Anlage B 33) seit telefonisch kaum zu vermitteln. Diese Argumentation greift schon deshalb nicht durch, weil sich der in Anlage B 33 vorgelegte Kurzprospekt auf ein nicht streitgegenständliches Zertifikat mit der WKN A0TLL9 bezieht.

Die Klägerin kann eine Pflichtverletzung auch nicht auf eine fehlende Aufklärung über das allgemeine Emittentenrisiko stützen.

Allerdings gehört zu einer vollständigen Risikodarstellung der Anlageform des Zertifikats auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteile vom 27.09.2011, XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119, zit. nach juris, Rn. 26, und XI ZR 178/10, WM 2011, 2261, [BGH 27.09.2011 – XI ZR 178/10] zit. nach juris, Rn. 27; BGH, Urteil vom 27.11.2012, NJW 2013, 1223, [BGH 27.11.2012 – XI ZR 384/11] zit. nach juris, Rn. 30), dass der Anleger erkennen kann, dass die Rückzahlung seines Anlagekapitals generell von der Bonität des Emittenten zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit der Anleihe abhängt (vgl. zum streitgegenständlichen Zertifikat: OLG Frankfurt, Urteil vom 16.12.2011, 19 U 124/11, MDR 2012, 357 ff., zit. nach juris, Rn. 6 ff.).

Die Beklagte hat ihre dahingehende Aufklärungspflicht jedoch durch Übergabe der Broschüre: „Basisinformationen für Vermögensanlagen bei Depoteröffnung“ (Anlagen B 35 und B 81), die der Ehemann der Klägerin auf dem in Anlage K 2.3.1 zur Akte gereichten WphG-Bogen am 09.09.2005 bestätigt hat, erfüllt. Diese Informationen weisen auf Seite 27 auf das Risiko der mangelnden Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Emittenten hin. Eine inhaltsgleiche Broschüre war den Eheleuten A ausweislich des in Anlage B 19 vorgelegten Wertpapiererhebungsbogens bereits am 17.07.2003 anlässlich der Festlegung der Anlagerichtlinien übergeben worden.

Zudem hat der Zeuge A im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht (Seite 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 927 d.A.) bestätigt, dass er und seine Ehefrau, die Klägerin, gewusst hätten, dass Zertifikate von bestimmten Emittenten herausgegeben würden. Damit war den Eheleuten A bekannt, dass die Kapitalrückzahlung von diesen konkreten Emittenten geschuldet war. Diese Sachkenntnis legte die Würdigung nahe, dass die Kapitalrückzahlung im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der jeweiligen Emittenten gefährdet wäre. Dem steht auch die weitergehende Aussage des Zeugen A nicht entgegen, es sei weder ihm noch der Klägerin damals bewusst gewesen, dass sie ihr ganzes Geld verlieren könnten, wenn ein Emittent in Insolvenz falle. Dass die Eheleute A diese naheliegende Schlussfolgerung aus ihrem Wissen, Zertifikate würden von bestimmten Emittenten herausgegeben, nicht gezogen haben, begründet keine Aufklärungspflicht der Bank. Denn dieser Kenntnismangel war für die Beklagte, die den Eheleuten A in den Jahren 2003 und 2005 die „Basisinformationen für Vermögensanlagen bei Depoteröffnung“ überreicht hatte, nicht erkennbar.

Da die Eheleute A über das allgemeine Emittentenrisiko aufgeklärt waren, bedurfte es keines zusätzlichen Hinweises auf das Nichteingreifen des Einlagensicherungssystems (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2011 – XI ZR 182/10, WM 2011, 2268 Rn. 30 [BGH 27.09.2011 – XI ZR 182/10]).

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht weiterhin eine mangelnde Risikoaufklärung in Bezug auf das konkrete Insolvenzrisiko der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. bzw. der Garantiegeberin, der US-amerikanischen Muttergesellschaft des Lehman Brothers Konzerns, der Lehman Brothers Holdings Inc., verneint. Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass für die Frage, welche Anforderungen an eine Risikoaufklärung im Rahmen einer Wertpapierberatung zu stellen seien, der Bonität der konkreten Emittentin beziehungsweise Garantiegeberin maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2013, III ZR 182/12, WM 2013, 836, [BGH 21.03.2013 – III ZR 182/12] zit. nach juris, Rn. 16 m.w.Nw.). Die Aufklärungspflicht der Bank greift aber erst dann ein, wenn ein konkretes Insolvenzrisiko – objektiv erkennbar – zutage getreten ist. Dies kann, bezogen auf die beiden Anlageempfehlungszeitpunkte (Dezember 2007 und April 2008) nicht festgestellt werden.

Höchstrichterlich entschieden ist bislang, dass im Herbst 2007 Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. und/oder der Lehman Brothers Holdings Inc. (noch) nicht hätten aufkommen müssen. Diese Wertung hat der Bundesgerichtshof zu Recht darauf gestützt, dass die Bonitätsbewertungen (Ratings) der Garantiegeberin seinerzeit noch durchweg positiv gewesen seien (vgl. BGH, ebd.; BGH, Urt. v. 27.09.2011, XI ZR 182/10, WM 2011, 2268, [BGH 27.09.2011 – XI ZR 182/10] zit. nach juris, Rn. 24).

Diese Voraussetzungen – positive Ratings – lagen auch im Dezember 2007 noch vor. Die Klägerin zeigt keine Umstände auf, aus denen die Beklagte trotz positiver Bonitätsbewertungen im Dezember 2007 auf eine konkrete Insolvenzgefahr hätte schließen müssen. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf ein Ansteigen der CDS (Credit Default Swap) – Spreads verweist, hat die Klägerin auf den Einwand der Beklagten, dass deren Höhe Ausdruck der allgemeinen Marktlage und kein Alleinstellungsmerkmal der Emittentin gewesen sei, nichts erwidert. Einem Anstieg des CDS-Niveaus könnte aber nur dann maßgebliche Bedeutung für die Bewertung der Bonität eines Emittenten zukommen, wenn es entgegen der allgemeinen Markttendenzen für diesen Einzelschuldner signifikant gestiegen wäre (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 5. April 2012 – 8 U 7/11, juris Rn.40; OLG Bamberg, WM 2010, 1354 Rn. 53). Dies hat die Klägerin nicht dargelegt.

Vor diesem Hintergrund kann nachfolgenden Ausführungen vollumfänglich beigepflichtet werden, die das OLG Karlsruhe in Verneinung eines konkreten Insolvenzrisikos der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. im Dezember 2007 im Urteil vom 17.07.2012 (WM 2012, 2333, [OLG Karlsruhe 17.07.2012 – 17 U 148/11] zit. nach juris) in Rn. 49 gemacht hat:

5. Ein konkretes Insolvenzrisiko der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B.V. oder der Garantiegeberin Lehman Brothers Holding Inc. stand im Zeitpunkt des Beratungsgesprächs mit dem Kläger nicht in Rede. Zu diesem Zeitpunkt im Dezember 2007 wies die Bank Lehman Brothers nach allen Ratings noch eine gute Bonität auf. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass es während der Laufzeit des Zertifikats bis maximal Januar 2013, also von rund 5 Jahren, zu einer Insolvenz der Emittentin oder der Garantin kommen könnte. Die inzwischen eingetretene Finanzkrise war damals nicht vorhersehbar (vgl. dazu die einhellige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Empfehlung der Geldanlage in Lehman-Zertifikaten mit Blick auf das Insolvenzrisiko der Emittentin, etwa OLG Bamberg, WM 2010, 1354 [OLG Bamberg 07.06.2010 – 4 U 241/09]; OLG Oldenburg, MDR 2010, 823 [OLG Oldenburg 25.02.2010 – 8 U 10/10]; OLG Dresden, ZIP 2010, 1230; OLG Hamburg, ZIP 2010, 973; OLG Celle, ZIP 2010, 876). Ein etwaiges Insolvenzrisiko war für die Beklagte bei einer ordnungsgemäßen Prüfung der empfohlenen Kapitalanlage jedenfalls nicht erkennbar. Die Bonitätsbewertungen (Ratings) waren seinerzeit so positiv, dass Zweifel an der Zahlungsfähigkeit dieser amerikanischen Großbank nicht aufkommen mussten. Auch war nicht zu erwarten, dass eine solche Großbank bei Liquiditätsproblemen nicht gestützt werden würde (OLG Frankfurt, Urteil vom 29.02.2012 – 19 U 92/11, bei juris Rn. 69; WM 2010, 613, Rn. 64 ff.).

Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Investmentbank, auf die die positiven Ratings primär bezogen waren, nicht um die Garantiegeberin handelte, sondern um deren Tochtergesellschaft, die Lehman Brothers Inc.. Denn es liegt auf der Hand, dass bei der hier anzutreffenden Konzernstruktur die Bonität der Konzernmutter als bloßer Holdinggesellschaft entscheidend von der Bonität der Investmentbank abhing und die positive Bewertung (Ratings) der Holdinggesellschaft maßgeblich darauf zurückzuführen war, dass die „bonitätsstarke Investmentbank“ dem Konzern angehörte (vgl. BGH, Urt. v. 21.03.2013, III ZR 182/12, WM 2013, 836, [BGH 21.03.2013 – III ZR 182/12] zit. nach juris, Rn. 18 m.w.Nw.).

Für den Zeitpunkt der zweiten streitgegenständlichen Anlageentscheidung – Ende April 2008 – gilt nichts anderes.

Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, haftet eine beratende Bank, die die Wirtschaftspresse über in ihr Anlageprogramm aufgenommene Produkte nicht kennt oder auf diese nicht ausdrücklich hinweist, nur dann, wenn ihr durch die Auswertung der Artikel ein aufklärungspflichtiger Umstand bekannt geworden wäre oder sich in der einschlägigen Fachpresse die Warnungen häuften. Genauso wenig wie den Anlageberater eine positive Meldung entlastet, führt eine dort erschienene negative Meldung nicht zu einer Haftung. Vielmehr muss die – in jedem Fall erforderliche – Überprüfung der Kapitalanlage ex ante zu einem Ergebnis führen, das den Anlageberater zu einem Hinweis verpflichtet hätte oder ihm eine Empfehlung verbietet (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 – XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149 Rn. 28). Danach ergeben sich aus den von der Klägerin vorgelegten Presseartikeln keine Umstände, die der Beklagten Anlass geboten hätten, Ende April 2008 bereits an der fortbestehenden Zahlungsfähigkeit der Emittentin oder Garantin zu zweifeln.

Zwar gab es bereits Anfang 2008 Pressebereichte, die sich mit der wirtschaftlichen Lage von Lehman Brothers befassten, wie etwa der in der Financial Times Deutschland am 24.01.2008 erschienene Presseartikel: „Warum Anleger die Reißleine ziehen – Investoren ignorieren US-Rettungsversuche von Regierung und Notenbank – Kredit-Spekulationsblase führt zu zweitstelligem Sturz seit 1969“. Ihm folgend berichtete die Börsen-Zeitung am 20.02.2008 (Anlage BK 84) unter der Überschrift: „Lehman Brothers vor Abschreibung“ über bevorstehende Wertberichtigungen des Bankhauses in Milliardenhöhe. Es folgte am 16./17.03.2008 die Beinahe-Insolvenz der US-Investmentbank H. Bei H handelte es sich um einen unmittelbaren Wettbewerber des Investmenthauses Lehman Brothers. Aus diesem Anlass geriet auch Lehman Brothers erneut ins Visier der Presseberichterstattung. Am 18.03.2008 titelte die Financial Times Deutschland: „Lehman Brothers gerät ins Visier“ (Anlage K 14.43) und berichtete über die am Finanzmarkt kursierenden Gerüchte, die Liquiditätsprobleme von Lehman Brothers betreffend. Auch in der deutschen Presse, so etwa in der FAZ.net vom 19.03.2008 (Artikel: „Ist Lehman Brothers ausreichend liquide? Anlage K 14.44) wurde die Liquidität von Lehman Brothers thematisiert und die Frage gestellt, ob diese US-Bank ein Kandidat für eine Liquiditätsklemme sei. Es folgten der Report: „Lehman erneut in der Gerüchteküche / Put-Positionen massiv angeschwollen – Spreads ausgeweitet – Volatiler Handel“ in der 60. Ausgabe der Börsenzeitung vom 28.03.2008 (Anlage BK 89.2), der Wall Street Bericht: „Schlechte Konjunkturdaten drücken auf die Stimmung der Anleger / Wenig zuversichtlicher Ausblick auf das zweite Quartal – Gerüchte um Lehman Brothers“ in der 61. Ausgabe der Börsenzeitung vom 29.03.2008, der Artikel: „Lehman dementiert Finanzprobleme“ in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 30.03.2008 (Anlage BK 91), die Berichterstattung unter der Schlagzeile: „Lehman Brothers besorgt sich frisches Kapital“ im Handelsblatt vom 01.04.2008 (Anlage BK 92), der Artikel: „Lehman Brothers nimmt 4 Mrd. Dollar auf / US-Investmentbank tritt Lehrverkäufen entgegen“ in der 63. Ausgabe der Börsenzeitung vom 02.04.2008. Aus dem Bericht: „Neue Abschreibungswelle rollt auf US-Banken zu“ im Handelsblatt Nr. 064 vom 02.04.2008 (Anlage BK 93.1) ergibt sich, dass die Investmentbank Lehman Brothers den Sturm auf den Finanzmärkten bis dato besser als die meisten ihrer Konkurrenten überstanden habe, jedoch noch immer Finanzprodukte mit einem Volumen von 87 Mrd. Dollar im Portfolio habe, die von weiteren Wertverlusten bedroht seien. In ihrer 64. Ausgabe vom 03.04.2008 (Anlage BK 95) meldete die Börsenzeitung unter der Schlagzeile: „Fitch stuft Ausblick von Lehman herunter“, dass die Ratingagentur D Ratings den Ausblick für die US-Investmentbank Lehman Brothers auf „negative“ von „stable“ gesenkt und zugleich ihr Ratingurteil „AA- / F1+“ bestätigt habe. Ausweislich eines Berichts in der Börsenzeitung vom 11.04.2008 (Anlage BK 96) hatte Lehman Brothers im ersten Quartal 2008 drei geldmarktnahe Fonds geschlossen und deren Vermögenswerte in die Bilanz aufgenommen.

Derartige negative Fakten des Unternehmens (Kurseinbrüche der Aktien, Wertberichtigungen im Vermögensbestand) sind – für sich genommen – nicht aufklärungspflichtig. Die Grenze zu Aufklärungspflicht wird erst dann überschritten, wenn die Negativtatsachen einen begründeten Schluss darauf zulassen, das Unternehmen sei konkret insolvenzgefährdet. Dieser Annahme stand im April 2008 jedenfalls entgegen, dass die Ratingagenturen E und D das positive Rating von Lehman Brothers bestätigt und nur den Ausblick geändert hatten. Dies war vor dem Hintergrund der Kapitalerhöhung um 4 Milliarden Dollar, die Aktien wieder um 14% hatte ansteigen lassen, plausibel. In keinem der Berichte wird ernsthaft an der Zahlungsfähigkeit von Lehman gezweifelt.

Zudem hat der Zeuge B der negativen Wirtschaftspresse ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass er im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Lehman-Zertifikats (WKN A0V7WS) zugleich die Empfehlung aussprach, Zertifikate der amerikanischen F-Bank zu veräußern. Damit hat er sichergestellt, dass sich das Emittentenrisiko, bezogen auf den gesamten amerikanischen Bankenmarkt, nicht signifikant erhöht hat.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, über ihre Aufwandsvergütung und/oder über Gewinne aus dem Verkauf der Zertifikate aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen kommen hier bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Eheleute A keine offen ausgewiesen Positionen – wie zum Beispiel Ausgabeaufschläge – entrichtet haben, aus denen Beträge hinter ihrem Rücken an die Beklagte hätten zurückfließen können (zu den Voraussetzungen aufklärungspflichtiger Rückvergütungen vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 25 [BGH 09.03.2011 – XI ZR 191/10]; BGH, Urteil vom 26. Juni 2012 – XI ZR 316/11, juris Rn. 36). Ausweislich der als Anlage K 2.3.3 vorgelegten Wertpapierabrechnung der Beklagten vom 14.12.2007 wurde für den Kauf der 100 Stück Lehman Brothers Treasury Express Basket Zertifikate mit der WKN A0SUA9 unter Berücksichtigung des Kurswerts von 1.021,87 € nur die Kaufsumme von 102.187,00 € in Rechnung gestellt. Ebenso wurden die 50 Stück Lehman Brothers Treasury Express Basket Zertifikate mit der WKN A0V7WS zum aktuellen Briefkurs gekauft.

Die Aufwandsvergütung, die die Beklagte für ihre Verkaufstätigkeit von der Emittentin erhielt, stellt sich deshalb als ein sog. Einkaufsrabatt der Emittentin dar, der nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.2013, XI ZR 332/12, WM 2013, 1983, [BGH 17.09.2013 – XI ZR 332/12] zit. nach juris, Rn. 33 + 34) nicht offenbarungspflichtig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erwerb der Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts oder im Wege der Einkaufskommission für den Anleger erfolgt (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2012, XI ZR 316/11, zit. nach Juris, Rn. 18 ff. und Rn. 39 ff.).

Eine Beeinträchtigung der Werthaltigkeit der Anlage, die unter bestimmten Umständen ebenfalls dazu führen kann, dass über Innenprovisionen aufzuklären ist, kommt bei einer Vergütung von 4% – wie hier – nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2012, XI ZR 316/11, zit. nach Juris, Rn. 48).

Der Senat teilt auch die Einschätzung des Landgerichts, dass ein Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen sei. Nach dieser Vorschrift besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Fernabsatzverträgen, die die Erbringung von Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten. Derartige Verträge zeichnen sich durch ein spekulatives Element aus, das beide Vertragsparteien tragen sollen. Es wäre unangemessen, das Risiko der weiteren Entwicklung einseitig dem Unternehmer aufzubürden, indem der Verbraucher den Vertragsschluss widerrufen kann, wenn sich das Wertpapier nicht in der von ihm gewünschten Weise entwickelt (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, § 312d Rn. 14; Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearb. 2005, § 312d Rn. 70). Andernfalls könnte der Verbraucher risikolos auf Kosten des Unternehmers spekulieren. Danach kann die Klägerin den Erwerb der Zertifikate nicht widerrufen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Zedentin die Zertifikate außerbörslich zu einem festen Preis (Nennwert) von der Beklagten erworben hat. Maßgeblich ist allein, dass die Zertifikate auf die Entwicklung eines Aktienkorbes („Basket“) und damit auf einen Basiswert bezogen sind, der innerhalb der Widerrufsfrist am Finanzmarkt Schwankungen unterliegt. Damit greift der Sinn und Zweck des Ausschlusstatbestandes, finanzmarktbestimmte spekulative Risiken nicht einseitig auf den Unternehmer abzuwälzen, ein (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. Mai 2012 – 17 U 82/11, juris Rn. 36; im Ergebnis ebenso OLG Hamm, WM 2011, 1412 Rn. 16; OLG Düsseldorf, ZIP 2012, 419 Rn. 30; OLG Schleswig, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 5 U 70/11, juris Rn. 40 f.). Dies gilt auch bei einem Garantiezertifikat, bei dem im ungünstigen Fall am Ende der Laufzeit der Anlagebetrag zurückgezahlt wird. Auch diesem Risiko, über mehrere Jahre an ein Geschäft gebunden zu sein, das am Ende (voraussichtlich) keinen Ertrag bringen wird, könnte sich der Anleger andernfalls auf Kosten des Unternehmers entziehen.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht weiterhin entschieden, dass sich eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht daraus ableiten lässt, dass ihr Mitarbeiter B den Eheleuten A anlässlich eines Gesprächs, das im Juli 2008 in O2 im Haus der Schwester der Klägerin stattfand, von einem Verkauf der streitgegenständlichen Zertifikate abgeraten hat. Der Zeuge A hat im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Berufungsgericht ausgesagt, der Zeuge B habe ihm von dem angedachten Ausstieg aus Wertpapieranlagen und Einstieg ins Goldgeschäft mit der Erklärung abgeraten: „Da kann nichts passieren.“ und weiter: „Bevor Lehman pleite geht, geht der amerikanische Staat pleite.“ (Seite 5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014, Bl. 927 d.A.). Diese Aussage ließ erkennen, dass der Zeuge B eine Prognose darüber anstellte, ob sich das Emittentenrisiko verwirklichen würde oder nicht.

Während die Aufklärung des Kunden über tatsächliche Umstände einer Wertpapieranlage richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und gleichermaßen die Prognose einer zukünftigen Marktentwicklung ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (vgl. BGH, WM 2006, 851 [BGH 21.03.2006 – XI ZR 63/05]).

Bezogen auf eine Halteempfehlung, die noch im September 2008 betreffend Lehman-Zertifikaten ausgesprochen worden war, hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Urteil vom 31.07.2012 (9 U 31/11, zit. nach juris, Rn. 36) ausgeführt:

„Gemessen an diesen Grundsätzen kann allein in der Empfehlung, die Lehman-Zertifikate nicht zu verkaufen, keine haftungsbegründete Falschberatung erkannt werden. Die „Halteempfehlung“ war aus damaliger Sicht vertretbar. Noch bis Mitte September 2008 hat die große Mehrheit der Marktteilnehmer nicht damit gerechnet, dass es zum Zusammenbruch der großen Investmentbank Lehman Brothers komme. Bei Lehman Brothers handelte es sich unbestritten um eine traditionsreiche große amerikanische Investmentbank mit guten Geschäftsergebnissen und gutem Rating. Die Insolvenz kam auch aufgrund der vorherigen Hilfsaktionen für andere Banken überraschend. Anerkannte Ratingagenturen und Finanzanalysten hatten bis dahin unverändert an ihren konstruktiven Einschätzungen sowie der Einstufung als „Investment great“ (Anlagewürdig) festgehalten (OLG Frankfurt, Urteil v. 29.06.2011, 17 U 213/10, Rdnr. 75 – zitiert nach Juris).“

Der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat für einen vergleichbaren Sachverhalt im Urteil vom 27.09.2013 (23 U 200/12, zit. nach juris, Rn. 76 + 77) entschieden:

(76)

Im Zuge der Finanzkrise ab 2007 musste Lehman Brothers zwar zunächst 3,3 Milliarden US-Dollar abschreiben. Jedoch wurde im April 2008 eine Kapitalerhöhung von 4 Milliarden US-Dollar durchgeführt, eine weitere in der Höhe von 5 Milliarden US-Dollar folgte im Juni 2008. Lehman Brothers hatte dann am 10. September 2008 verlauten lassen, dass sie Verluste in Höhe von 3,9 Milliarden US-Dollar für das dritte Quartal 2008 erwartet. Y, damaliger Vorstandschef von Lehman Brothers, kündigte deswegen den Verkauf eines Mehrheitsanteils an der Investmentsparte, die Ausgliederung von Gewerbeimmobilien und weiteren illiquiden Vermögenswerten an. Als weitere Maßnahme sollte ebenfalls die Dividende auf 0,05 US-Dollar pro Aktie verringert werden. Nachdem die Verkaufsbemühungen wenige Tage später gescheitert waren musste Lehman Brothers am 15. September 2008 die Insolvenz gemäß Chapter 11 des US bankruptcy code beantragen.

(77)

Zuvor hatte die amerikanische Regierung jedoch bereits drei große Banken, nämlich Bank1, Bank2 und Bank3 mit Milliarden Dollar gestützt. Die politische Entscheidung des damalige amerikanische Finanzministers G, nach der Absage der englischen … Bank, sich an Lehman zu beteiligen, keine weitere Unterstützung bereitzustellen erfolgte überraschend und entgegen dem bisherigen Grundsatz too big to fail. Diese Entwicklung war für sämtliche Marktteilnehmer höchst überraschend und daher nicht zwingend vorhersehbar. Denn bis zur Lehman-Pleite gab es immer wieder die Erfahrung, dass fest mit der Rettung einer großen Bank durch den Steuerzahler zu rechnen ist.“

Dem schließt sich der erkennende Senat vollumfänglich an.

Die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen Berufung hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).

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