OLG Frankfurt am Main, 11.06.2014 – 4 U 254/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.06.2014 – 4 U 254/13
Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das am 15.10.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt, 32. Zivilkammer, wird zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 2) kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages erbringt.
Gründe
1

I.

2

Der Kläger, der eine mittelbare Beteiligung an einem Kapitalanlagefonds (A… AG & Co. KG) erworben hat, nimmt die Beklagten im Wege des Schadensersatzes auf Zahlung von 161.433,33 € (Beteiligungsbetrag, Agio und entgangenen Gewinn) Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung in Anspruch.
3

Die Beklagte zu 1) ist die Komplementärin der Fondsgesellschaft; die Beklagte zu 2) Gründungs- und Treuhandkommanditisten für die Anleger.
4

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
5

Das Landgericht hat der Klage nach Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen B (Ehefrau des Klägers) und C1 (Vermittler) in vollem Umfang stattgegeben.
6

Hinsichtlich der Beklagten zu 1) hat es dies damit begründet, dass der Vermittler den Kläger nicht zutreffend über die Eignung der Anlage zur Altersvorsorge und das Risiko des Totalverlusts belehrt und die Beteiligung insbesondere als zur Altersvorsorge geeignet dargestellt habe. Dies müsse sich die Beklagte zu 1) nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil sie ihre Pflicht zur Aufklärung von der Gesellschaft Beitretenden auf die Vertriebsgesellschaft übertragen habe.
7

Hinsichtlich der Beklagten zu 2) bestehe ein Schadensersatzanspruch aus Prospekthaftung im weiteren Sinne. Der Prospekt stelle die personelle Verflechtung der Fondsgesellschaft fehlerhaft dar, weil auf S. 42/43 die personelle Verflechtung und zwar die Mehrheitsbeteiligung bei der Beklagten zu 1) unzutreffend ist. Alleinaktionärin der Beklagten zu 1) sei nämlich unstreitig nicht die dort angegebene Gesellschaft, sondern Herr E. Da dieser nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im gezeigten Film und dem Magazin „X“ als unabhängiger Berater auftrete, sei dies auch ein wesentlicher Umstand. Ein Kausalzusammenhang mit der Anlageentscheidung werde vermutet und sei nicht widerlegt.
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Gegen dieses Urteil hat allein die Beklagte zu 2) Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der gegen sie gerichteten Klage beantragt.
9

Die Beklagte zu 2) wendet sich zunächst gegen die Auffassung des Landgerichts, der Vermittler C1 habe die Klägerseite unrichtig aufgeklärt. Das Produkt sei vielmehr zur Altersvorsorge geeignet. Sie legt näher das Konzept dar und rügt, das Landgericht habe ohne Beweisaufnahme nicht von der Ungeeignetheit ausgehen dürfen.
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Sie wendet sich auch gegen die Meinung des Landgerichts, es liege hinsichtlich der Darstellung der Beteiligungsverhältnisse ein Prospektfehler vor. Die Beteiligung von E an der Beklagten zu 1) sei kein wesentlicher Umstand, weil er als Aktionär keinen Einfluss auf die Geschäftsleitung habe. Die Person des Herrn E sei für den Kläger nach seiner eigenen Angabe nicht so wichtig gewesen. Der Kläger habe auf S. 2 der Zeitschrift „X“ (Anlage BB 2-2) ersehen können, dass die Zeitschrift von der mit dem Vertrieb beauftragten D GmbH herausgegeben werde. Aus dem Videofilm ergebe sich, dass diese Gesellschaft die Konzeption des Fonds entwickelt und die Beklagte zu 1) lediglich als Partner zur Umsetzung gewonnen habe. Zudem habe sie damals weder diese Zeitschrift noch die vorgeführten Videofilme gekannt, weshalb ihr dieses Tun nicht zurechenbar sei, sie jedenfalls kein Verschulden treffe. Hinsichtlich des Kausalzusammenhangs rügt die Beklagte zu 2), dass das Landgericht nicht ihrem erstinstanzlichen Beweisantritt durch Vernehmung des Klägers als Partei dafür nachgekommen sei, dass er die Anlage auch gezeichnet hätte, wenn er über die gerügten Punkte aufgeklärt worden wäre. Sie rügt außerdem, dass der Zeuge C2, der nach dem unterzeichneten Protokoll die Beratung durchgeführt habe, nicht vernommen worden sei.
11

Sie vertritt die Auffassung, dass sie für einen Anspruch aus Prospekthaftung jedenfalls nicht passiv legitimiert sei. Ihre Stellung als Gründungsgesellschafterin sei lediglich formal gewesen, um den mittelbaren Beitritt für die Anleger zu ermöglichen. Im Vordergrund habe ihre Beteiligung im Auftrag und Interesse der Anleger gestanden, nicht die eigene Beteiligung, die nur 500,- € betragen und nach S. 47 des Prospekts auch im Interesse der Treugeber gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werde eine Haftung für Gründungsgesellschafter nur bejaht, wenn ein weiterer Umstand hinzu trete. Denn es sei „reiner Zufall“, ob der Treuhandkommanditist bereits bei Gründung oder später beitrete. Sie habe als Treuhandkommanditisten aber keinen Einfluss auf die Gestaltung der Kapitalanlage gehabt.
12

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

13

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 2) hat in der Sache keinen Erfolg.
14

Das Landgericht hat zu Recht einen Schadensersatzanspruch des Klägers auch gegen die Beklagte zu 2) wegen der unzutreffenden Angaben zu den personellen Verhältnisse der Initiatoren und Gesellschafter im Prospekt bejaht. Auf die Frage, ob eine unvollständige oder irreführende, vom Prospekt abweichende Beratung durch den Vermittler stattgefunden hat, kommt es deshalb nicht an.
15

Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu Recht auf den Prospektfehler (unrichtige Angabe des Gesellschafters der Gründungskomplementärin) gestützt. Die Einwände der Beklagten zu 2) in der Berufungsinstanz dagegen betreffen überwiegend die Haftungsgrundlage einer Prospekthaftung im engeren Sinne (typisierte Haftung ohne Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens). Sie übersieht, dass das Landgericht im Verhältnis zur Beklagten allein die Prospekthaftung im weiteren Sinne (Vertrauenshaftung des Mitgesellschafters) angewendet hat. Diese rechtliche Einordnung durch das Landgericht trägt die Verurteilung. Es kann deshalb dahin gestellt bleiben, ob gegen die Beklagte zu 2) auch ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt einer Prospekthaftung i.e.S. besteht und ob ein solcher Anspruch bei Klageeinreichung verjährt war.
16

1.

Die Beklagte zu 2) trifft für Fehler des verwendeten Prospekts dem Grunde nach eine Haftung aus der sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne, der aus konkretem Verschulden bei Vertragsschluss hergeleiteten uneigentlichen Prospekthaftung. Aus ihrer Stellung als Treuhänderin war die Beklagte zu 2) verpflichtet, sich für die mittelbar an der Fondsgesellschaft beteiligenden Anleger über die für die Anleger wesentlichen Punkte sowie ihr bekannte regelwidrige Auffälligkeiten zu informieren (BGH NJW-RR 2008, 1129 [BGH 29.05.2008 – III ZR 59/07] Rz. 8; MünchKomm-BGB/Emmerich, 6. Aufl., § 311 Rz. 157 m.w.N.). Diese Pflicht trifft den Treuhandkommanditisten auch, wenn er mit den Anlegern nicht in Kontakt tritt und wenn sich – wie hier auch – der Betritt zur Gesellschaft über den Abschluss des Treuhandvertrages vollzieht (BGH a.a.O.). Zu den aufklärungspflichtigen Umständen gehören auch persönliche und kapitalmäßige Verflechtungen der beteiligten Personen oder Unternehmen (MünchKomm-BGB/Emmerich a.a.O.).
17

Diese Prospekthaftung knüpft an das bei Vertragsverhandlungen in Anspruch genommene Vertrauen an und trifft insbesondere künftige Vertragspartner. Sie haften für Mängel des bei den Vertragsverhandlungen benutzten Prospektes (grdl. BGHZ 82, 222, 227). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-)vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kommanditisten jedenfalls dann bestehen, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll (BGH NJW-RR 2012, 937 [BGH 23.04.2012 – II ZR 211/09] Rz. 10 m.w.N.). Die letztgenannte Voraussetzung ist nach § 6 GesV gegeben. Eine Haftung des Treuhandkommanditisten aus Verschulden bei Vertragsschluss ist nur dann ausgeschlossen, wenn er nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch beigetreten wäre und keinerlei Einfluss auf die Vertragsgestaltung und die Beitrittsverhandlungen oder die Vertragsabschlüsse gehabt hätte (BGH NJW 2013, 1255 unter Rz. 28 f.). Das war hier nicht der Fall, weil die Beklagte zu 2) jedenfalls vor dem Kläger beigetreten war und zudem auch einen eigenen Anteil von 500,- € hielt (vgl. BGH a.a.O. Rz. 29).
18

Selbst wenn man der Meinung der Beklagten zu 2) folgen wollte, wonach allein die „formelle“ Beteiligung als Gründungsgesellschafterin für eine Inanspruchnahme von vorvertraglichem Vertrauen für den (mittelbaren) Beitritt nicht ausreicht, so folgt eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2) auf die unten die näher bezeichnete Unrichtigkeit des Prospekts aus dem mit dem Kläger geschlossenen Treuhandvertrag, denn auch den Treuhänder trifft die Pflicht sich umfassend über das Anlageprojekt zu informieren und etwaige Prospektfehler richtig zu stellen (vgl. BGH NJW 2006, 2410, 2411 Rz. 7). Die Beklagte zu 2) hatte zudem gegenüber dem Kläger insofern einen Wissensvorsprung, als sie vor diesem der Gesellschaft beigetreten war und wissen musste, ob ihr Gesellschafter F Inhaber der Komplementärs-GmbH war oder nicht.
19

2.

Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Prospekt einen wesentlichen Fehler aufweist, weil das Organigramm (S. 42 Ziff. 10.1) und die Angaben unter 10.2 zu „Verflechtungen/Interessenkollisionen“ auf S. 43 als Alleinaktionärin die H …O1gesellschaft mbH mit Sitzung in O1 und als deren Alleingesellschafter F ausweisen, tatsächlich – unstreitig – aber Herr E Alleinaktionär der Beklagten zu 1) war.
20

Entgegen der Meinung der Beklagten zu 2) handelt es sich dabei um einen wesentlichen Umstand. Nach der vom Landgericht auf LGU Seite 7 f. wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Prospekt den Anleger auch zutreffend über die wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Komplementär-GmbH, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern informieren, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat (BGH MDR 2010, 742 = NZG 2010, 750 [BGH 22.04.2010 – III ZR 318/08] Tz. 24).
21

Nach der Darstellung im Prospekt war Inhaber der Komplementärin letztlich zugleich ein Gesellschafter der beauftragten Treuhandgesellschaft, also der Beklagten zu 2), eben F. Tatsachlich war dagegen mit E eine völlig andere Privatperson Alleingesellschafter. F ist dem Prospekt auf derselben Seite als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit beruflichem Werdegang dargestellt. Schon deshalb war die Angabe seiner Doppelstellung als letztlicher Alleininhaber der Komplementärin zentral. Dass zudem E Inhaber der mit dem Vertrieb beauftragten D GmbH ist, stellt sich als davon wesentlich abweichender Umstand dar.
22

Der Bedeutung dieser Falschangabe im Prospekt steht, anders als die Beklagte zu 2) meint, nicht entgegen, dass ein Aktionär keinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäftsleitung hätte. Vielmehr kann gerade ein Alleingesellschafter und Alleinaktionär über die Bestellung des Vorstandes bzw. des Geschäftsführers und über Weisungen an diesen die Geschäftsausrichtung wesentlich bestimmen.
23

3.

Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler zu der Feststellung gelangt, dass die unrichtige Angabe über die Komplementärin ursächlich für die Anlagenscheidung des Klägers war.
24

Dabei kann offen bleiben, ob eine gewisse Vermutung für die Ursächlichkeit des Prospektfehlers für die Anlageentscheidung spricht (vgl. BGH NJW-RR 2012, 937 [BGH 23.04.2012 – II ZR 211/09] Rz. 30; BGH WM 2006, 668 [BGH 09.02.2006 – III ZR 20/05]; Assmann/Schütze, a.a.O., § 6 Rz. 177). Das Landgericht durfte jedenfalls aufgrund der Gesamtumstände und der Beweisaufnahme die hinreichende Überzeugung im Sinne des § 287 ZPO gewinnen, dass der Kläger bei Kenntnis von den wahren Beteiligungsverhältnissen die Anlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gezeichnet hätte.
25

Der Kläger hat vorgetragen, dass er bei korrekter Information über diese fehlerhafte Prospektangabe die Anlage nicht gezeichnet hätte.
26

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand die Besonderheit, dass Herr E in dem vom Vermittler vorgeführten Film und der überreichten Schrift „X“ die Anlage als scheinbar neutraler Dritter empfahl. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass der Kläger Abstand genommen hätte, wenn ihm bewusst geworden wäre, dass dieselbe Person als Inhaber hinter der Initiatorin und Komplementärin stand. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei sorgfältiger Lektüre der Zeitschrift „X“ hätte erkennen können, dass diese von der D GmbH herausgegeben wird (Anlage BB 2-2), und er aus dem Videofilm entnehmen konnte, dass diese Gesellschaft auch Entwicklerin des Konzepts für den Fonds war und sich der Beklagten zu 1) lediglich als „Anbieter“ bediente. Für den Kausalzusammenhang ist ausreichend, dass der Kläger dies tatsächlich nicht erkannt hat.
27

Eine andere Beurteilung des Kausalzusammenhangs ergibt sich nicht aus dem Hinweis der Beklagten zu 2), dass auf S. 42 f. des Prospekts auf die Verflechtung zwischen der Komplementärin (G … AG), der geschäftsführenden Kommanditistin (G1 AG & Co. KG) und der Vertriebsbeauftragten (G2 AG & Co. KG) hingewiesen wird, an denen jeweils Herr I direkt oder mittelbar als Vorstand beteiligt ist. Zwar haben diese dargestellten Verflechtungen den Kläger nicht von der Zeichnung abgehalten, die Unrichtigkeit hinsichtlich des Inhabers der Komplementärin hat jedoch für den Kläger wegen der teilweisen Personenidentität mit der Treuhandgesellschaft und der Person des F als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eine gewichtigere Bedeutung für die Anlageentscheidung gehabt als die des Vorstandes I. Die Zeugin B hat bekundet, dass sie und ihr Mann die … F Partnerschaft im Internet aufgerufen und dabei den Eindruck gewonnen habe, dass da „wirklich Know-how dahintersteckt“. Außerdem sei ihr „Rechtsanwalt F“ genannt worden und sie habe auch zu dessen Person recherchiert. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Kläger der Beteiligung von F und der von ihm ausgestrahlten Seriosität besondere Bedeutung für seinen Anlageentschluss beigemessen hat.
28

Das Landgericht brauchte nicht dem Beweisantritt der Beklagten nachzugehen, den Kläger als Partei zu der Behauptung zu vernehmen, dass er die Anlage gleichwohl gezeichnet hätte (Klageerwiderung S. 26). Zum einen bezog sich dieses Beweisangebot allein auf die Entscheidung des Klägers für den Fall, dass ihm die Beteiligung als „nicht sicher“ und „nicht für die Altersvorsorge geeignet“ dargestellt worden wäre. Den Prospektfehler hinsichtlich der Verflechtung zwischen Komplementärin und Treuhandkommanditist hat der Kläger erst danach vorgetragen. Zum anderen durfte das Landgericht selbst dann, wenn der Beweisantritt auch auf den Prospektfehler zu beziehen gewesen wäre, nach § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO von der Beweiserhebung absehen. Die Frage der Schadensentstehung durch einen hypothetischen Kausalverlauf unterliegt der Schadensschätzung. Das Absehen von der Parteivernehmung ist angesichts dessen, dass das Landgericht den Kläger persönlich angehört hat, nicht ermessensfehlerhaft.
29

Dass der Kläger bei seiner Anhörung geäußert hat, dass Herr E „als Person“ für ihn nicht wichtig gewesen sei (Protokoll vom 3.9.2013, S. 4) steht der Würdigung des Landgerichts nicht entgegen. Denn er hat anschließend ausgeführt, dass ihm das Magazin „X“ als „unabhängiges Magazin“ wichtig gewesen sei und er nicht gewusst habe, dass diese Zeitung „zu der G-Gruppe gehörte“.
30

4.

Das Verschulden der Beklagten zu 2) wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet (vgl. auch Assmann/Schütze, a.a.O., § 6 Rz. 187). Die Beklagte zu 2) hat nicht dargelegt, dass sie die Falschdarstellung der Personen und gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse auf S. 42/43 des Prospekts ohne Fahrlässigkeit nicht erkannt habe. Entgegen ihrer Meinung steht einem Verschulden nicht entgegen, dass sie von der Vorführung der Video-Filme und der Benutzung des Magazins „X“ keine Kenntnis hatte. Diese Umstände sind allein für den Ursachenzusammenhang von Bedeutung (oben 3.). Das Verschulden braucht sich aber allein auf die Pflichtverletzung, hier also die Falschangabe bei den Vertragsverhandlungen durch den Fehler im Prospekt, zu beziehen.
31

5.

Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass dem Kläger kein Mitverschulden vorzuwerfen ist. Die Beklagte zu 2) sieht ein solches in der Berufungsbegründung allein darin, dass der Kläger die Risikohinweise zum Totalverlust und zur Nichteignung als Altersvorsorge unterschrieben hat. Ein Mitverschulden für den gegenüber der Beklagten zu 2) bejahten Haftungsgrund wäre aber nur dann anzunehmen, wenn der Kläger hätte erkennen können, dass Inhaber (Alleinaktionär) der Beklagten zu 1) Herr E war. Dieser ist aber auf den Seiten 42/43 des Prospekts überhaupt nicht genannt. Dass seine Stellung bei der Beklagten zu 1) in dem vorgeführten Film oder dem Magazin genannt werde, behauptet auch die Beklagte zu 2) nicht.
32

6.

Der Anspruch gegen die Beklagte zu 2) ist auch nicht wegen des in Ziff. 1.20 S. 2 des Prospekts und in § 9 (3) S. 1 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Gewährleistungsausschlusses ausgeschlossen.
33

Das Landgericht hat die erstgenannte Regelung zu Recht als nach § 309 Nr. 8 a BGB unwirksam angesehen. Sie ist nämlich mit dem unbestimmten Begriff „Ersatzansprüche“ dahin auszulegen, dass sie sich auf sämtliche Ansprüche aus den genannten Anspruchsgrundlagen bezieht und nicht allein auf Schadensersatzansprüche. Sie umfasst damit auch das Rücktrittsrecht. Zwar handelt es sich hier um keine Kauf- oder Werkleistung. Die Aufklärungspflicht für den Schutz von Kapitalanlagern hat jedoch eine ähnliche zentrale Bedeutung und ihr Ausschluss ist deshalb jedenfalls nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam und zwar selbst für den Fall leichter Fahrlässigkeit (BGH NJW-RR 2012, 1255 [BGH 10.05.2012 – IX ZR 206/11] Rz. 41 f.; vgl. auch Assmann/Schütze, a.a.O., § 6 Rz. 206).
34

Der vom Landgericht nicht erörterte Haftungsausschluss in § 9 (3) S. 1 des Gesellschaftsvertrages ist aus demselben Grund unwirksam. Die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB greift nicht ein, weil im Verhältnis zu den Treugebern (Haftung des Treuhandgesellschafters gegenüber den Treugebern) es sich nicht um eine gesellschaftsrechtliche Regelung, sondern um eine nur in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene Regelung über eine Haftung eines Gesellschafters gegenüber außenstehenden Dritten handelt. Der Ausschluss betrifft zudem nur Ansprüche „aus dem Gesellschaftsverhältnis“, während Grundlage der Haftung hier das entgegengebrachte Vertrauen vor dem Beitritt bei der Vertragsanbahnung ist.
35

7.

Für die Prospekthaftung aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen in Anspruch genommenem Vertrauens (Prospekthaftung im weiteren Sinne) gilt, wenn der Haftungstatbestand sich nach dem 31.12.2001 ereignet hat, die allgemeine Verjährungsfrist nach den §§ 195, 199 BGB (etwa Assmann/Schütze, a.a.O., § 6 Rz. 210)
36

Die entgegenstehende Regelung in Ziff. 1.20 des Prospektes wonach „etwaige Schadensersatzansprüche wegen versehentlich unrichtiger oder unvollständiger Prospektangaben“ in 6 Monaten ab Kenntnis, spätestens jedoch 3 Jahre nach dem Beitritt zur Gesellschaft“ verjähren, ist – sofern sie sich überhaupt auch auf die Prospekthaftung im weiteren Sinne beziehen sollte – nach § 309 Nr. 7b BGB unwirksam. Danach darf die Haftung für grob fahrlässige Pflichtverletzungen nicht ausgeschlossen werden. Die vorliegende Bestimmung schließt zwar nicht die Haftung aus, sondern regelt allein eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt § 309 Nr. 7b jedoch auch für eine generelle Verkürzung der Verjährungsfrist (BGH NJW 2008, 1109 Rz. 31 ff.; BGH NJW-RR 2012, 937 [BGH 23.04.2012 – II ZR 211/09] Rz. 39 ff. – dort eine fast wortgleiche Klausel – und BGH NJW-RR 2013, 1255 [BGH 09.07.2013 – II ZR 9/12] Rz. 45). Da die Verkürzung alle „versehentliche(n)“ Pflichtverletzungen betrifft, schließt sie mithin die Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nach Ablauf der absoluten Frist mittelbar aus.
37

Die teilweise mit Ziff. 1.20 Prospekt übereinstimmende Verkürzung der Verjährungsfrist in § 9 (3) S. 2 und (4) ist unabhängig von der Bereichsausnahme in § 305 Abs. 4 BGB für Gesellschaftsverträge nach §§ 242, 157 BGB unwirksam, weil sie ohne ausreichenden Grund einseitig die Belange der Gründungsgesellschafter zu Lasten der berechtigten Interessen der Anlagegesellschafter bevorzugt (BGH NJW-RR 2012, 937 [BGH 23.04.2012 – II ZR 211/09] Rz. 43 ff.).
38

8.

Auf die in der Berufungsbegründung hervorgehobene Frage, ob die Beklagte zu 2) dem Kläger auch wegen unrichtiger Beratung durch den Zeugen C1 haftet, kommt es nach dem vorstehenden Ergebnis nicht an. Schon deshalb brauchte das Landgericht dem Beweisantrag der Beklagten auf Vernehmung des Zeugen C2 für die Behauptung, dieser habe die Beratung durchgeführt, nicht nachzukommen. Im Übrigen hat der Zeuge C1 ausgesagt, er habe die Beratung selbst durchgeführt, das Landgericht ist dem gefolgt und die Berufung legt nicht dar, warum diese Würdigung bzw. diese Aussage unzutreffend sei.

III.

39

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.
40

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
41

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
42

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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