OLG Frankfurt am Main, 13.03.2014 – 22 U 115/12

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 13.03.2014 – 22 U 115/12
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19. Juni 2012 abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Darmstadt vom 21. Oktober 2011 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger Schadensersatz wegen der Beteiligung an der X … AG & Co KG, jetzt X … GmbH & Co KG, mit den Vertragsnummern 1 und 2, Anleger-Nummer …, in Höhe von 50% zu leisten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1

I.

Der Kläger macht Schadensersatz wegen Falschberatung hinsichtlich einer Geldanlage geltend. Es handelt sich um eine atypische stille Gesellschaftsbeteiligung an einem geschlossenen Fonds, der in Fahrzeugflotten investiert. Der Kläger unterzeichnete am 13. November 2003 eine Beitrittserklärung als atypisch stiller Gesellschafter an der X … AG & Co KG über eine Gesamtzeichnungssumme von 150.000,- € zuzüglich Agio von 9.000,- €.
2

In der Beitrittserklärung wird ausdrücklich auf die Chancen und Risiken hingewiesen.
3

Der Kläger hat darin die Erklärung unterschrieben, dass er den Inhalt des Emissionsprospekts kennt und auch die Chancen und Risiken in Kauf nimmt.
4

Zusätzlich hat der Beklagte mit gesonderter Unterschrift bestätigt, den Kläger über die Risikohinweise zur atypisch stillen Gesellschaft unterrichtet zu haben.
5

Die genannten Stellen im Beitrittsformular lauten im Wortlaut:

Hinweis der X … AG & Co. KG. Bei diesem Angebot zur Beteiligung als atypische stiller Gesellschafter an der X … AG & Co. KG handelt es sich nicht um eine sog. mündelsichere Kapitalanlage, sondern um eine unternehmerische Beteiligung. Daher ist für die zutreffende Beurteilung die Beachtung der im Emissionsprospekt genannten „Chancen und Risiken“ (Seiten 42-46) sowie der „Chancen und Risiken im Überblick“ (Seite 10 f.) von wesentlicher Bedeutung.

Rechtsverbindliche Erklärung des Beitretenden. Der Inhalt des Emissionsprospekts 2003 ist mir bekannt und ich nehme ihn billigend in Kauf. Dies gilt insbesondere für die auf den Seiten 42-46 genannten „Chancen und Risiken“. Ich bestätige, dass mein nachfolgender Beitritt vorbehaltlos und ausschließlich aufgrund der Prospektdarstellungen und der im Prospekt enthaltenen Verträge sowie dieser Beitrittserklärung erfolgt und mir keine hiervon abweichenden oder darüber hinaus gehenden Erklärungen oder Zusicherungen gegeben worden sind.

…., 13.11.03, Unterschrift des Klägers

Ich, der/die Unterzeichnende, bestätige hiermit, ein Exemplar des Emissionsprospekts 2003 und eine Abschrift meiner Beitrittserklärung inklusive der Widerrufsbelehrung erhalten zu haben.

…., 13.11.03, Unterschrift des Klägers

Ich bestätige, den o.g. Beitretenden über den Inhalt der Vertragsbedingungen, der Angabenvorbehalte und der Risikohinweise zu dieser atypisch stillen Gesellschaft entsprechend dem Emissionsprospekt 2003 unterrichtet und ihm den Emissionsprospekt 2003 sowie eine Abschrift seiner Beitrittserklärung inklusive der Widerrufsbelehrung ausgehändigt zu haben.

…. 13.11.03, Unterschrift des Beklagten

6

Bereits mit Datum vom 4.11.2003 hatte der Kläger folgende Bestätigung unterschrieben:

… insbesondere wurden wir auf die mit einer Unternehmensbeteiligung verbundenen Risiken hingewiesen und auch über die möglichen Chancen informiert. Wir haben das Emissionsprospekt 2003 vor Vertragsunterschrift zur Anlageentscheidung erhalten. Auf die Einzahlungsdauer der finanziellen Verpflichtung wurden wir eingehend hingewiesen und uns wurde erklärt, dass eine Kündigung während der vereinbarten Vertragsdauer nicht möglich ist. Auf die im Verkaufsprospekt auf den Seiten 10 und 42ff. Hinweise auf Risiken wurden wir vor Vertragsabschluss noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Wir haben diese gelesen und zur Kenntnis genommen.

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Ebenfalls unter dem 4.11.2003 unterschrieb der Kläger die Dokumentation der Beratung, wonach ihm der Hauptprospekt ausgehändigt wurde (Bl. 226).
8

Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe angegeben, es handele sich um eine perfekte und absolut sichere Anlage zur Altersversorgung, die prognostisch 12% p.A. Rendite abwerfe. Ab 2006 gebe es jährliche Ausschüttungen von 6.000,- €.
9

Ein Anlageprospekt sei nicht überreicht worden. Eine Aufklärung über das Fungibilitätsrisiko und über die weichen Kosten von mehr als 15 % sei nicht erfolgt.
10

Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte der Kläger sein Geld als Festgeld zu 4% Zinsen angelegt.
11

Gegen den Beklagten ist unter dem 26. November 2011 ein klagestattgebendes Versäumnisurteil ergangen, gegen das er Einspruch eingelegt hat.
12

Das Landgericht hat Beweis durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers erhoben, anschließend durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der dort gestellten Anträge Bezug genommen wird, das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
13

Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Kläger keinen Beweis dafür geführt habe, nicht über die Risiken aufgeklärt worden zu sein. Die Aussage der Zeugin sei nicht glaubhaft, weil sie sich nicht an Einzelheiten des Gesprächs erinnert habe und innerlich nicht unbeteiligt gewesen sei. Ihre Aussage sei auch hinsichtlich der Frage der Prospektübergabe widersprüchlich gewesen.
14

Es bestehe auch keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Innenprovisionen, da es sich vorliegend um einen privaten Berater gehandelt habe. Ob der Prospekt falsche Angaben enthalten habe, sei unerheblich, da der Kläger behauptet habe, diesen nicht erhalten zu haben.
15

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt.
16

Der Kläger führt aus, dass sowohl das Bestehen des Anlagevertrags als auch die fehlende Aufklärung über die Innenprovisionen unstreitig seien. Es bestehe aber eine Pflicht des Beraters zur Aufklärung bei über 15%. Es liege auch kein wirksames Bestreiten der Prospektfehler vor. Auf diese habe der Berater wegen seiner Pflicht zur eigenen Prüfung hinweisen müssen. Auf die Übergabe des Prospekts oder deren Zeitpunkt komme es nicht an.
17

Dass der Kläger eine Altersvorsorge gesucht habe, sei durch die Vernehmung der Zeugin geklärt, deren Aussage jedenfalls insoweit nicht unglaubhaft sei. Eine unternehmerische Beteiligung sei aber grundsätzlich ungeeignet.
18

Der Schaden liege bereits in der Zeichnung der ungeeigneten, hochspekulativen Anlage mit dem Risiko des Totalverlusts, auf das nicht, jedenfalls nicht ausreichend, hingewiesen worden sei. Der Kläger sei auch nicht über Risiken der kreditfinanzierten Investition aufgeklärt worden, obwohl schon der analog gestaltete Vorgängerfonds gescheitert sei.
19

Der Kläger hält schließlich die Klausel in der Bestätigung vom 4.11.03, dass der Prospekt ausgehändigt worden sei, gemäß § 305c BGB für objektiv ungewöhnlich und überraschend, weil nicht hervorgehoben.
20

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19. Juni 2012 abzuändern und das Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2011 aufrechtzuerhalten.

21

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
23

Hinsichtlich des weitergehenden Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien persönlich gehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 21. November 2013 (Bl. 510 d.A.) Bezug genommen.
24

II.

Die Berufung ist dem Grunde nach teilweise begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen.
25

Eine abschließende Entscheidung über die Höhe der Ersatzforderung ist ohne Beweisaufnahme nicht möglich, weshalb der Senat durch Grundurteil entscheidet, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, die Haftung durch Entscheidung des Bundesgerichtshofs abschließend klären zu lassen.
26

1. Anlageberatungsvertrag
27

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Dies folgt bereits aus dem entsprechenden Parteivortrag und wird gestützt durch die detaillierte Bestandsaufnahme des Beklagten (Bl. 214-224 d.A.) sowie die Bezeichnung „Beratungsdokumentation“ (Bl. 225 d.A.). Gegenstand der Tätigkeit des Beklagten war mithin nicht die reine Vermittlung einer Geldanlage, sondern eine Beratung über die in Betracht kommenden Anlageformen.
28

Ein Anlageberatungsvertrag liegt dann vor, wenn der Kunde den Berater hinzuzieht, weil er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat, um sein Anlageproblem zu lösen. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Er wünscht eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert (OLG München Urteil v. 06.09.2006 – 20 U 2694/06). In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitgehende Pflichten gegenüber dem betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten (BGH NJW-RR 93, 1114 [BGH 13.05.1993 – III ZR 25/92]). Dies ist vorliegend auch geschehen. Der Beklagte hat sich intensiv mit den Vermögensverhältnissen des Klägers, seiner Altersabsicherung und auch dem zur Verfügung stehenden Einkommen beschäftigt.
29

2. Pflichtverletzung
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Der Beklagte hat allerdings die aus dem Anlageberatungsvertrag folgende Pflicht zur sorgfältigen, sachlich richtigen und vollständigen Beratung und umfassenden Auskunftserteilung unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers verletzt.
31

Fehler der Anlageberatung darzutun und zu beweisen, ist grundsätzlich Sache der Klagepartei. Dem kommt sie nicht schon durch die nicht näher ausgeführte Behauptung, Anlagezweck sei Alterssicherung, oder dadurch nach, dass sie lediglich pauschal behauptet, nicht auf Risiken der Beteiligung hingewiesen worden zu sein. Erforderlich ist vielmehr konkreter Vortrag zu Wissensstand, Risikobereitschaft und Anlageziel. Dennoch trifft den Berater die sogenannte sekundäre Darlegungslast. Er muss nicht nur zeitlich und räumlich konkretisiert, sondern inhaltlich spezifiziert den Inhalt der Aufklärung vortragen, insbesondere über die speziellen Risiken, die mit der konkret ins Auge gefassten Anlage verbunden sind. Es muss ersichtlich sein, dass der Anlageberater die vom Anleger gegebenen Informationen und Unterlagen unter Berücksichtigung der Anlageziele und der Risikobereitschaft des Anlegers fachkundig bewertet und beurteilt. Insoweit gilt es zum einen personenbezogene und zum anderen objektbezogene Kriterien zu beachten. Zu den Umständen in der Person des Anlegers gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft; zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Außerdem muss festgestellt werden, ob das beabsichtigte Geschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjektes ergeben. Der Anlageinteressent muss über alle Umstände unterrichtet werden, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 25.09.2007, XI ZR 320/06, juris Rn. 14; OLG Frankfurt am Main – ZIP 1998, 1713 [OLG Frankfurt am Main 09.07.1998 – 16 U 176/97]).
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3. Anlageziele
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Diesen Anforderungen ist die Beratung des Klägers nicht gerecht geworden.
34

Ob der Fonds angesichts der Tatsache der unternehmerischen Beteiligung und des Totalverlustrisikos für den Kläger geeignet war, hängt davon ab, welche Anlageziele der Kläger verfolgte. In der Beratungsdokumentation hat der Beklagte das Risikoprofil des Klägers sowohl als konservativ als auch als risikobewusst eingestuft; ob dies ein Gegensatz ist, wie der Kläger meint, kann dahinstehen. Jedenfalls war damit eine spekulative Anlage ausgeschlossen.
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Bei der Investition in einen geschlossenen Fonds handelt es sich allerdings um eine spekulative Anlageform, da das Risiko des vollständigen Kapitalverlusts nicht ausgeschlossen war (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.12.11, 20 U 167/11; OLG Frankfurt, Urteil vom 08.05.2007, 10 U 105/06).
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Hinzu kommt, dass der Senat nach den Gesamtumständen und der Anhörung der Beteiligten davon überzeugt ist, dass zumindest auch die Verbesserung der Altersversorgung Ziel der vermittelten Anlage sein sollte. Dies folgt aus der Aussage der Zeugin A, die jedenfalls in diesem Punkt nicht vom Landgericht als unglaubhaft eingestuft worden ist, sowie aus den Angaben des Klägers und des Beklagten selbst. Dieser hat angegeben (Bl. 511 d.A.):
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„Später war auch Altersversorgung ein Thema. Das war aber nicht der wichtigste Aspekt. Der Hauptgrund, warum wir uns zusammengesetzt haben, war seine steuerliche Situation.“
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Als weiteres Indiz kommt hinzu, dass der Kläger und seine Ehefrau als Selbständige tatsächlich keine ausreichende klassische Altersversorgung hatten und die Anlage auch so konzipiert war, dass sie etwa mit Erreichen des 65. Lebensjahres des Klägers endete. Die Berechnungen des Beklagten (Anlage K 1, Bl. 28ff. d.A.) gingen jedenfalls bis zum Jahr 2017, mithin dem Jahr, in dem der am …1952 geborene Kläger 6x Jahre alt wird. Schließlich spricht auch dafür, dass der Kläger und seine Ehefrau zuvor den Kontakt mit dem Beklagten wegen einer Altersvorsorge für ihre Tochter gesucht hatten.
39

Als Anlage zur Altersvorsorge war ein geschlossener Fonds gänzlich ungeeignet, selbst wenn auf das Totalverlustrisiko hingewiesen worden ist. Dass der Kläger das Risiko nicht realisiert hat, ergibt sich aus der Zeugenaussage und auch seinen eigenen Angaben. Deshalb war die Anlage, die als „blindpool“ noch nicht einmal als Sicherheit den Wert eines bestimmten Investitionsobjekts hatte (dazu BGH 8.7.10 – III ZR 249/09 –), schon prinzipiell nicht als risikofreie und sichere zur Altersvorsorge geeignete Kapitalanlage einzuordnen, durfte mithin gar nicht als solche empfohlen werden ((BGH 19.6.08 – III ZR 159/07–; 19.11.09 – III ZR 169/08–, BGH NJW 2009, 3429 [BGH 14.07.2009 – XI ZR 152/08]; so auch LG Hagen 7.6.10 – 10 O 89/09– Bl. 145 d.A.).
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Die Empfehlung der Beteiligung an einem geschlossenen Fonds stellt sich auch nicht deshalb als anlegergerecht dar, weil der Kläger auch die Erzielung einer höheren Rendite und die Nutzung staatlicher Vergünstigungen und Steuervorteile erreichen wollte. Nennt ein Kunde in der Beratung verschiedene Anlageziele, muss der Anlageberater davon ausgehen, dass diese Ziele für den Kunden wesentlich sind und mit der beabsichtigten Kapitalanlage verfolgt werden sollen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2008, 15 U 85/07, juris Rn. 121). Die Beteiligung an einem geschlossenen Fonds entspricht aber wegen des damit verbundenen Verlustrisikos nicht sämtlichen Anlagezielen des Klägers.
41

Die vom Kläger und seiner Ehefrau beabsichtigte Kapitalanlage sollte – zumindest auch – der Schaffung einer zusätzlichen Altersversorgung für den Kläger dienen, der aus seiner Erwerbstätigkeit keine Rente zu erwarten hatte.
42

Es ist nicht festzustellen, dass der Kläger im Laufe der Beratungsgespräche von dem Ziel, mit der Kapitalanlage die Altersversorgung des Klägers aufzubessern, wieder Abstand genommen und stattdessen nur noch die Erzielung von Steuervorteilen angestrebt hätte. Auch nach der Aussage des Beklagten hat der Kläger keine ausdrückliche Erklärung des Inhalts abgegeben, dass die Vorstellung einer Aufbesserung der Altersversorgung vollständig fallen gelassen und stattdessen nur noch das Ziel der Steuerersparnis verfolgt werden sollte. Selbst wenn sich die weiteren Gespräche schwerpunktmäßig auf die Frage der Steuerersparnis konzentriert haben mögen, berechtigte dies den Beklagten nicht zu der Annahme, dass deshalb der Gesichtspunkt der Altersversorgung vom Tisch sei. Nennt ein Kunde in der Beratung verschiedene Anlageziele, muss der Anlageberater davon ausgehen, dass diese Ziele für den Kunden wesentlich sind und mit der beabsichtigten Kapitalanlage verfolgt werden sollen.
43

Da im vorliegenden Fall der Kläger und seine Ehefrau das Ziel, mit der beabsichtigten Kapitalanlage die Altersversorgung des Klägers aufzubessern, nicht ausdrücklich aufgegeben haben und der Beklagte diese Frage auch nicht geklärt hat, war für die weitere Beratung und Aufklärung auch dieses Anlageziel zugrunde zu legen. Dann hätte der Beklagte den Kläger aber deutlich darauf hinweisen müssen, dass die Beteiligung an einem geschlossenen Fonds aufgrund ihres spekulativen Charakters keine hinreichend sichere Möglichkeit zur Verbesserung der Altersvorsorge darstellt und für eine Altersvorsorge nicht empfohlen werden kann (vgl. OLG Düsseldorf 28.11.08 15 U 85/07; für einen geschlossenen Immobilienfonds: OLG Frankfurt, Urteil vom 8. Mail 2007, 10 U 105/06, juris Rn. 29 und 30).
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Eine solche Äußerung lässt sich vorliegend aber nicht feststellen (vgl. dazu OLG Frankfurt am Main 5.7.06 – 21 U 15/06). Im Gegenteil hat der Beklagte nach seinen Angaben den Kläger zwar auf das Totalverlustrisiko hingewiesen, dieses aber dahingehend verharmlost, dass es sehr unwahrscheinlich sei. Außerdem sei schon durch die steuerlichen Vorteile ein Ausgleich vorhanden gewesen.
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Damit hat der Beklagte die in der Beratungsdokumentation und der Beitrittserklärung enthaltenen Warnhinweise sowie auch die Risikobeschreibung im Emissionsprospekt erheblich entwertet. Der in Anlagefragen ersichtlich unerfahrene Kläger konnte deshalb davon ausgehen, dass es sich um formale Risikohinweise handelte, die sich in der praktischen Handhabung aber nicht realisieren würden.
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Angesichts dessen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Beratungsfehler des Beklagten schon deshalb nicht kausal für den Schaden des Klägers seien, weil sich dieser überhaupt nicht um Details der Anlage gekümmert habe (so aber OLG München 20.1.11 – 17 U 4415/10 –, unveröffentlicht).
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4. Mangelnde Aufklärung über die Verpflichtung zur Zurückzahlung von Auszahlungen
48

Liegt der Beratungsfehler bereits in der Empfehlung einer dem Risikoprofil und den Anlagezielen des Klägers nicht entsprechenden Anlage, kommt es auf weitere Fehler in der Beratung oder im Emissionsprospekt nicht mehr an.
49

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass auf das Risiko, die regelmäßig jährlich ausgezahlten Beträge als gewinnunabhängige Auszahlungen im Fall einer Insolvenz wieder zurückzahlen zu müssen, weder durch den Beklagten selbst noch im Prospekt ausreichend hingewiesen worden ist.
50

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (vgl. nur BGH 21.3.05 – II ZR 140/03–; BGHZ 79, 337, 344; Urt. v. 29. Mai 2000 – II ZR 280/98, ZIP 2000, 1296, 1297; v. 7. April 2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; v. 7. Juli 2003 – II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537; v. 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707).
51

Dabei war im vorliegenden Fall vor allem darüber aufzuklären, dass der Anleger an den Verlusten beteiligt und verpflichtet ist, erforderlichenfalls auch Nachschüsse in erheblichem Umfang zu leisten, dass die Entnahmen i.H.v. 10 % der gezahlten Einlagen schon ab dem Jahr nach dem Vertragsschluss zu einer Verringerung des für die Investitionen zur Verfügung stehenden Kapitals führen und deshalb in hohem Maße die Gefahr einer späteren Nachschusspflicht begründen.
52

Zwar wird dies an verschiedenen Stellen im Prospekt (S. 11, 15, 46) erwähnt, dem Laien wird dabei aber nicht ausreichend klar, dass es sich dabei um eine verdeckte Kapitalrückzahlung handelt, die im Insolvenzfall in vollem Umfang zurückzuzahlen ist. Bei den Risikohinweisen auf S. 11, 15 des Emissionsprospekts fehlt jeder Hinweis darauf, dass die gewinnunabhängigen Auszahlungen einen Fall der dort angesprochenen zurückgewährten Einlagen darstellen. Selbst wenn die Textpassage, dass die atypisch stille Beteiligung aufgrund der gewählten vertraglichen Gestaltung im Falle der Insolvenz als eigenkapitalersetzende Beteiligung gewertet werden könne, sich auch mit auf die gewinnunabhängigen Auszahlungen beziehen sollte, hätte im folgenden Text der ausdrückliche Hinweis erfolgen müssen, dass der atypisch stille Gesellschafter damit rechnen muss, im Fall der Insolvenz der Gesellschaft diese in vollem Umfang zurückzuzahlen. Dagegen wird durch den Prospekt der unzutreffende Eindruck erweckt, dass im Insolvenzfall nur etwa noch rückständige Einlagen zu zahlen seien. Gerade die entscheidende Verknüpfung, dass unter „rückständigen Einlagen“ auch die „Auszahlungen (Entnahmen und Ausschüttungen)“ zu verstehen sind und diesen wertungsmäßig gleichstehen, wird nicht deutlich hergestellt (so auch LG Hamburg 19.9.11 – 318 O 24/11 – unveröffentlicht; LG Hamburg 14.4.11 – 330 O 19/10 –, Bl. 251 d.A.; a.A. OLG München B. v. 21.7.11 – 7 U 779/11 –; B. v. 24.8.11 – 21 U 778/11 –; beide unveröffentlicht).
53

5. Verjährung
54

Schadensersatzansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt.
55

Die Verjährungsfrist für einen Schadensersatzanspruch kann bereits nach Abschluss des Beteiligungsvertrags beginnen.
56

Der auf einer fehlerhaften Beratung beruhende Erwerb einer für den Anlageinteressenten nachteiligen, seinen konkreten Anlagezielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Kapitalanlage stellt bereits für sich genommen einen Schaden dar und berechtigt ihn deshalb – unabhängig von der (ursprünglichen) Werthaltigkeit der Anlage – dazu, im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Erwerbs der Anlage zu verlangen; der Schadensersatzanspruch entsteht hierbei schon mit dem (unwiderruflichen und vollzogenen) Erwerb der Kapitalanlage (BGH vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152, 159 f Rn. 24 mwN; vom 22. Juli 2010 – III ZR 99/09, NZG 2011, 68 Rn. 12; vom 22. Juli 2010 – III ZR 203/09, NZG 2010, 1026, 1027 Rn. 10 und vom 24. März 2011 – III ZR 81/10, WM 2011, 874, 875 Rn. 9).
57

Gemäß § 195 BGB müssen für den Fristbeginn zusätzlich zur Anspruchsentstehung (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) die subjektiven Voraussetzungen nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen; der Gläubiger muss also von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben oder seine diesbezügliche Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhen (BGH vom 19. November 2009 – III ZR 169/08; vom 22. Juli 2010 – III ZR 99/09; vom 22. Juli 2010 – III ZR 203/09 – und vom 24. März 2011; BGH, Urteile vom 9. November 2007 – V ZR 25/07; vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06; vom 10. November 2009 – VI ZR 247/08, und vom 15. Juni 2010 – XI ZR 309/09). Für eine dahingehende Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Klägers trägt der Schuldner – hier also der Beklagte – die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH vom 22. Juli 2010 – III ZR 203/09).
58

a) Kenntnis
59

Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es – abgesehen von Ausnahmefällen – nicht auf die zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt im Grundsatz die Kenntnis der den Einzelanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Hierzu gehört in Fällen unzureichender Beratung oder Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt. Die dem Geschädigten bekannten Tatsachen müssen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als nahe liegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten – lediglich – zumutbar sein, auf Grund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen ( BGH vom 23. September 2008 – XI ZR 253/07, NJW-RR 2009, 544, 546 Rn. 32 f; vom 7.7.2011 – III ZR 90/10 -).
60

Vorliegend steht nicht fest, dass der Kläger durch die Aushändigung des Prospekts und den Erhalt der Warnhinweise Kenntnis von den Umständen gehabt hat, die eine Schadensersatzklage begründen könnten. Nach seiner durch die Ehefrau als Zeugin gestützten und von der Beklagtenseite nicht widerlegten Einlassung hat er sich weder vor der Unterschrift noch nach Erhalt der Unterlagen um die Inhalte des Prospekts und Risiken der Anlage gekümmert. Dass dies nicht sachdienlich war, ist für den Zeitpunkt der Kenntnis iSd § 199 BGB irrelevant.
61

b) Grobe Fahrlässigkeit
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Allerdings kann vorliegend auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger grob fahrlässig in Unkenntnis der Schadensersatz begründenden Umstände geblieben ist.
63

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von „Verschulden gegen sich selbst“, vorgeworfen werden können (BGH vom 22. Juli 2010 – III ZR 99/09 Rn. 16 sowie III ZR 203/09 Rz. 12).
64

Ihn trifft indes generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können.
65

Der Umstand, dass der Anlageinteressent den ihm überlassenen Emissionsprospekt nicht durchgelesen hat, genügt für sich allein genommen noch nicht, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von Auskunfts- oder Beratungsfehlern des Anlageberaters oder -vermittlers, die als solche aus der Lektüre des Prospekts ersichtlich wären, zu begründen (BGH vom 7. Juli 2011 – III ZR 90/10 m.w.N.; 5. Mai 2011 – III ZR 84/10). Der Anleger, der bei seiner Entscheidung die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Anlageberaters oder -vermittlers in Anspruch nimmt, misst den Ratschlägen, Auskünften und Mitteilungen des Beraters oder Vermittlers, die dieser ihm in einem persönlichen Gespräch unterbreitet, besonderes Gewicht bei. Die Prospektangaben, die notwendig allgemein gehalten sind und deren Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, viele Anleger von einer näheren Lektüre abhält, treten demgegenüber regelmäßig in den Hintergrund. Vertraut daher der Anleger auf den Rat und die Angaben „seines“ Beraters oder Vermittlers und sieht er deshalb davon ab, den ihm übergebenen Anlageprospekt durchzusehen und auszuwerten, so ist darin im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht „grobes Verschulden gegen sich selbst“ zu sehen. Unterlässt der Anleger eine „Kontrolle“ des Beraters oder Vermittlers durch Lektüre des Anlageprospekts, so weist dies auf das bestehende Vertrauensverhältnis hin und ist deshalb für sich allein genommen nicht schlechthin „unverständlich“ oder „unentschuldbar“ (BGH vom 22. Juli 2010 – III ZR 203/09).
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Sofern im Einzelfall aus besonderen Gründen konkreter Anlass dafür entsteht, den Emissionsprospekt wegen des Verdachts auf eine bestimmte Pflichtverletzung (Beratungs- oder Auskunftsfehler) durchzulesen, beschränkt sich die Obliegenheit des Anlegers auf die diese Pflichtverletzung unmittelbar betreffenden Passagen des Prospekts; sie erstreckt sich mithin nicht (jedenfalls: nicht ohne Weiteres) auf weitere abgrenzbare, aus der Lektüre anderer Passagen des Prospekts etwa ersichtliche Aufklärungsfehler des Beraters oder Vermittlers (BGH vom 22. Juli 2010 – III ZR 203/09; BGH vom 07. Juli 2011 – III ZR 90/10 –).
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Eine andere Betrachtungsweise würde den Anleger zudem unangemessen benachteiligen und seinen Schadensersatzanspruch oftmals leerlaufen lassen. Denn die Risiken und Nachteile einer Kapitalanlage wirken sich vielfach erst einige Jahre nach dem Erwerb finanziell spürbar aus (Reduzierung oder gar Wegfall von Ausschüttungen etc.). Fiele dem Anleger bereits die unterbliebene Lektüre des Anlageprospekts als grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Last, so wäre sein Schadensersatzanspruch häufig schon verjährt, bevor sich die Risiken oder Nachteile der Kapitalanlage für ihn bemerkbar machen und er sich daher veranlasst sieht, die Richtigkeit der ihm von einem Anlageberater oder -vermittler gegebenen Empfehlungen und Auskünfte zu hinterfragen (vgl. BGH WM 2010, 1493, 1496 [BGH 08.07.2010 – III ZR 249/09]; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2012 – I-9 U 44/12, 9 U 44/12 –, juris).
68

Nach dem Vorgesagten kann vorliegend eine grobe Fahrlässigkeit nicht angenommen werden. Der Kläger war zwar über das grundsätzliche Risiko einer Unternehmensbeteiligung informiert, konnte allerdings auf die Aussage des Beklagten vertrauen, dass ein solcher Totalverlust sehr unwahrscheinlich sei und durch die zwischenzeitlich erhaltenen Steuervergünstigungen aufgefangen würde. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von denjenigen anderer Gerichte (vgl. nur KG 3.9./22.10.12 – 23 U 83/12 –; 21.6.12 – 23 U 67/11 –; OLG Koblenz 22.9.11 – 8 U 1241/10 -, sämtlich unveröffentlicht).
69

Es kommt deshalb auf die Frage, ob die grobe Fahrlässigkeit nicht schon wegen der Komplexität der Regelungen über die Rückzahlungsverpflichtung gewinnunabhängiger Ausschüttungen ausgeschlossen wäre (so der Hinweis des OLG Hamburg im Termin vom 3.5.2010 – 13 U 9/08 -, Bl. 247 d.A.), nicht mehr an.
70

Der Beklagte hat zusätzlich die Einrede der Verjährung erhoben, weil die Anleger bereits Anfang 2007 über die Verringerung der Ausschüttungen informiert worden seien. Die – bei Unterstellung schon zu diesem Zeitpunkt vorliegender grober Fahrlässigkeit – Ende 2007 beginnende Verjährung wäre aber durch das zwischenzeitlich durchgeführte Güteverfahren bereits seit 30.12.2010 gehemmt gewesen (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB).
71

Dass der Kläger bereits schon 2005 Verlustzuweisungen erhalten hat, führt noch nicht zu einer Kenntnis von zusätzlichen Risiken.
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6. Schadensersatz
73

Nach § 249 BGB ist der Kläger so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er sich an der Gesellschaft nicht beteiligt hätte (BGH NJW 04, 1868, [BGH 13.01.2004 – XI ZR 355/02] NJW-RR 06, 685 [BGH 09.02.2006 – III ZR 20/05]). Er hat demnach Anspruch auf Rückerstattung seiner bereits geleisteten Beteiligungszahlungen Zug um Zug gegen Übertragung der jeweiligen Fondsanteile sowie auf Freistellung von sämtlichen Verbindlichkeiten und Ersatz weiterer Schäden. Im Wege der Vorteilsausgleichung muss sich der Kläger allerdings sämtliche Ausschüttungen sowie auch die erhaltenen Steuervergünstigungen anrechnen lassen. Es handelt sich bei der Rückabwicklung nicht um eine steuerrechtliche Veräußerung im Sinne des § 23 EStG. Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Kläger in Anspruch genommenen Steuervorteile nachträglich entfallen könnten, liegen nicht vor (vgl. dazu nur BGH Urteil v. 17.11.2005 – III ZR 350/04, BGH Urteil v. 14.06.2004 – II ZR 374/02; OLG Frankfurt, Urteil vom 08. Mai 2007 – 10 U 105/06–, juris).
74

Bei unzureichender Aufklärung wird vermutet, dass sich der Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung an dem Fonds nicht beteiligt hätte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, grundsätzlich dafür beweispflichtig, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, dass der Geschädigte einen aufklärenden Hinweis also nicht beachtet hätte (vgl. nur BGH WM 1997, 811 [BGH 11.03.1997 – XI ZR 92/96]). Der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens wird im vorliegenden Fall nicht durch gleichwertige, einen Entscheidungskonflikt begründende Handlungsalternativen die Grundlage entzogen (BGH WM 04, 174). Anhaltspunkte dafür, dass auch bei der gebotenen Aufklärung die Beteiligung an dem Fonds eine für den Kläger ernsthaft in Erwägung zu ziehende Handlungsalternative gewesen wäre, bietet der Sachverhalt nicht. Es mag zwar durchaus sein, dass dem Kläger die Möglichkeit der erheblichen Steuerersparnis gut gefallen hat. Diese war aber ersichtlich nur ein Mosaikstein auf dem Weg zu einer gesicherten Altersvorsorge.
75

Es kann auch nicht ohne konkrete Anhaltspunkte angenommen werden, dass sich der Kläger alternativ nicht für eine Anlage zu marktüblichen Zinssätzen entschieden hätte. Es lag nicht nahe, dass er ein anderes renditestarkes und steueroptimiertes Anlagemodell gewählt hätte. Deshalb kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch bei einer Alternativanlage kein positiver Ertrag erwirtschaftet worden wäre (anders der Fall des OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2012 – I-9 U 44/12, 9 U 44/12 –, juris). Der Kläger hatte zuvor zu keinem Zeitpunkt in Anlagemodelle investiert, sondern sich lediglich mit Grundeigentum und Lebensversicherungen befasst.
76

Auch der Umstand, dass der Kläger erst aktiv wurde, als der Fonds in Schwierigkeiten geriet, steht der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht entgegen. Insbesondere kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er bei ausbleibendem wirtschaftlichen Erfolg des Fonds an diesem festhielt. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei einem Anleger, der Warnhinweisen nach bereits durchgeführten Spekulationsgeschäften nicht mehr unvoreingenommen gegenübersteht, und zwar unabhängig davon, ob Gewinne oder Verluste erzielt wurden. Hinzu kommt, dass eine Veräußerung der Anteile realistisch gar nicht in Erwägung gezogen werden konnte.
77

Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger sein Geld konservativ angelegt hätte. Welchen Zinssatz er erhalten hätte, ist vom Senat zu schätzen (§ 287 ZPO; BGH 8.5.12 – XI ZR 262/10– Rz. 64). Wie sich die Anlage in Bundesschatzbriefen entwickelt hätte, muss allerdings sachverständig geklärt werden. Eine Schätzung ohne jede Basis ist unzulässig.
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7. Mitverschulden
79

Der Senat geht allerdings davon aus, dass dem Kläger vorliegend ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB angerechnet werden muss. Zwar hat der Kläger die Dienste des Beklagten gerade deshalb in Anspruch genommen, weil er selbst als Anleger über keine Sachkunde verfügte. Für gänzlich unerfahrene Anleger ist anerkannt, dass ein Mitverschulden ausscheidet (OLG Koblenz, WM 1996, 1089 [OLG Koblenz 22.03.1996 – 8 U 1120/95]). Der Kläger durfte grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Beklagte ihm keine Geldanlage empfehlen würde, die seinen Interessen widersprach. Es bestand daher für den Kläger generell keine Obliegenheit, die Empfehlungen des Beklagten zu überprüfen.
80

Wie sich aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und auch der Aussage der Zeugin A ergibt, ist der Kläger jedoch äußerst leichtsinnig vorgegangen und hat erhebliche Summen aufs Spiel gesetzt, ohne sich mit der Materie zu beschäftigen oder auch nur zu lesen, was er von dem Beklagten als Informationen erhalten hat. Mag dies auch nicht die Kausalität unterbrechen oder als grobe Fahrlässigkeit einzustufen sein, so stellt es doch ein erhebliches Verschulden gegen sich selbst und die ureigensten Interessen dar, erhebliche Beträge zu investieren, ohne irgendeine wirkliche Sicherheit zu erhalten und ohne genau zu wissen, welche Vermögensgegenstände als Sicherheiten zur Verfügung stehen würden. Als mehrfacher Grundeigentümer wusste der Kläger, wie aufwändig notarielle Kaufverträge ausgestaltet sind, welche Sicherheiten Banken für Kredite benötigen und wie sehr dort auch auf eine ausreichende Wertsicherung geachtet wird.
81

Vorliegend beteiligte sich der Kläger allerdings an einem Unternehmen, das noch gar nicht am Markt etabliert war, dessen Geschäftszweck er allenfalls allgemein umreißen und dessen Wert er überhaupt nicht abschätzen konnte. Dieser Leichtsinn wiegt unter Abwägung aller Gesichtspunkte für den Senat ebenso stark wie der Leichtsinn des Beklagten, eine Gesellschaftsbeteiligung zu empfehlen und als sicher darzustellen, deren Auswirkungen er weder wirtschaftlich noch steuerlich realistisch einordnen konnte.
82

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist besonderer Leichtsinn auf Seiten des Geschädigten selbst dann zu berücksichtigen, wenn der Schädiger bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Der Grundsatz, dass auch Fahrlässigkeit gegenüber vorsätzlichem Verhalten immer zurücktritt, gilt keineswegs uneingeschränkt. Ausnahmen von dieser Abwägungsregel müssen zugelassen werden, wenn besondere Umstände im Einzelfall Anlass zu einer abweichenden Wertung geben und eine Schadensteilung rechtfertigen (vgl. BGH Urteile vom 22. September 1970 – VI ZR 193/69 – VersR 1970, 1152, 1154 und vom 6. Dezember 1983 – VI ZR 60/82 – VersR 1984, 191, 192; s. auch BGHZ 98, 148, 158; BGH Urteil vom 21. Mai 1987 – III ZR 25/86 – NJW 1988, 129, 130). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Vorsatz des Schädigers nicht schlechthin zum Freibrief für jeden Leichtsinn des Geschädigten werden darf (vgl. BGH Urteile vom 3. Februar 1970 – VI ZR 245/67 – WM 1970, 633, 637 und vom 6. Dezember 1983 – VI ZR 60/82 – aaO; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – VIII ZR 19/91 – NJW 1992, 310, 311; BGH Urteil vom 5. März 2002 – VI ZR 398/00 -). Vorliegend kann allerdings auf Seiten des Beklagten auch nur Fahrlässigkeit angenommen werden. Nach der Anhörung des Beklagten geht der Senat davon aus, dass auch dieser an einen Erfolg der Anlage geglaubt hat.
83

Unter Abwägung aller Umstände hält der Senat deshalb ein Mitverschulden des Klägers von 50% für angemessen.
84

III.

Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorzubehalten.
85

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Bewertung des vorliegenden Emissionsprospekts, die Bedeutung der Hinweise auf das Totalverlustrisiko sowie die Frage der groben Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verjährungsbeginns von verschiedenen Gerichten unterschiedlich bewertet werden und deshalb zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erforderlich ist, die bisher ersichtlich nicht vorliegt.

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