OLG Frankfurt am Main, 06.03.2014 – 1 U 114/12

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 06.03.2014 – 1 U 114/12
Leitsatz

1. Der die Ermittlung des Verkehrswerts eines Hausgrundstücks betreffende Begutachtungsvertrag mit dem Eigentümer entfaltet eher keine Schutzwirkung zugunsten eines dritten Kaufinteressenten, wenn das Gutachten vertragsgemäß zur Information und Entscheidungsfindung des Eigentümers dient.

2. Ein Dritter kann aus einem Begutachtungsvertrag Schutz nur im Umfang des dem Sachverständigen erteilten Auftrags genießen (Anschluss an OLG Karlsruhe OLGR 2005, 229; OLG Bremen OLGR 1999, 122, 123 f.). Der einem Bewertungssachverständigen erteilte Auftrag erstreckt sich regelmäßig nicht auf die Suche nach verborgenen Baumängeln (vgl. BGH ZfBR 2014, 133 ff., [BGH 10.10.2013 – III ZR 345/12] Tz. 19; OLG Bamberg OLGR 2003, 27; OLG Naumburg, Urteil vom 3. 8. 2005 – 11 U 100/04, juris, Tz. 30, 34).
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. 4. 2012 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
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A. Der Kläger kaufte am 10. 2. 2006 von Herrn Z1 ein mit vier älteren Gebäuden bebautes Grundstück in O1 für 300.000 €. Herr Z1 hatte vor Abschluss des Kaufvertrags ein Verkehrswertgutachten des Beklagten zu 2. eingeholt, das einen Gesamtwert von 327.000 € und einen Bodenwert von 254.000 € auswies; dieses Gutachten hatte Herr Z1 dem Kläger überlassen. Der Grundstückskaufvertrag enthält einen Gewährleistungsausschluss. Im Zuge von nach dem Kauf durchgeführten Renovierungsarbeiten rügte der Kläger nach der Demontage einer Zwischendecke und weiterer Einbauten erhebliche Feuchtigkeitsschäden am Wohnhaus, die er sodann zum Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens machte. Der dort tätige Sachverständige SV1 stellte fest, dass infolge einer Undichtigkeit des Pultdachs und verschiedener baulicher Mängel insbesondere im Bereich des Dachstuhls, an einer Außenwand und an der Treppe tatsächlich erhebliche Feuchtigkeitsschäden bestanden; er schätzte die Mängelbeseitigungskosten auf 56.500 €, die Klageforderung. Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1. als Erbin des zwischenzeitlich verstorbenen Verkäufers mit der Begründung in Anspruch, dieser habe ihn über die Feuchtigkeitsschäden arglistig getäuscht. Der Beklagte zu 2. haftet gegenüber dem Kläger nach dessen Ansicht in gleicher Höhe wegen der Fehlerhaftigkeit seines Verkehrswertgutachtens.
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Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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Der Kläger rügt mit der Berufung, das Landgericht habe übergangen, dass er die Erkennbarkeit der Feuchtigkeitsschäden und seine Kenntnis von diesen bestritten habe. Wenn noch nicht einmal der Beklagte zu 2. – dessen Vortrag zufolge – diese Schäden bemerkt habe, könne dies erst recht nicht dem Kläger unterstellt werden. Zudem habe das Landgericht seine mit einem Beweisangebot versehene Behauptung unberücksichtigt gelassen, dass er den Erblasser nach Feuchtigkeitsschäden gefragt und jener verneint gehabt habe. Der auf die Heizung bezogene Hinweis im Kaufvertrag habe nicht ausgereicht, um ihm – dem Kläger – zu verdeutlichen, dass sie nicht funktionierte. Nach Ansicht des Klägers stellen der Austausch von Fenstern und Innenausbauten einerseits, Renovierungsarbeiten andererseits keine „fortlaufende Instandhaltung“ dar, der Beklagte zu 2. hätte die Bausubstanz nicht als „gut“ bewerten dürfen. Angesichts der Wichtigkeit des Dachs für das Haus überhaupt und dessen Alters von 45 Jahren hätte der Beklagte zu 2. das Dach inspizieren, den Erblasser nach Inspektionen fragen oder zumindest im Gutachten offenlegen müssen, dass er das Dach nicht untersucht hatte.
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Der Kläger beantragt,

abändernd die Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger und Berufungskläger
1. € 56.500 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. 4. 2011,
2. vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 1.761,08
zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil.
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Die Akte des selbstständigen Beweisverfahrens (2-7 OH 3/07 Landgericht Frankfurt am Main) war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
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I. Soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1. als Alleinerbin des Verkäufers gerichtet ist, ist sie unbegründet, weil der Kläger für die behauptete, wegen des Gewährleistungsausschlusses erforderliche arglistige Täuschung über die diversen Baumängel beweisfällig ist.
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1. Der Kläger hat behauptet und behauptet weiterhin, die Feuchtigkeitsschäden am Wohnhaus seien für ihn bei den – unstreitig ausgiebigen und intensiven – Besichtigungen nicht erkennbar gewesen. Noch klarer hatte er in seinem vorprozessualen Anspruchsschreiben vom 5. 2. 2007 (Anl. K 3, Bl. 36 ff. d. A.) angegeben, die gerügten Feuchtigkeitsschäden seien erst nach Demontage diverser Einbauteile (Zwischendecke, Wandpaneele, Bodenbeläge) erkennbar geworden. Angesichts dessen hätte näherer Begründung und diesbezüglicher Beweisangebote bedurft, warum der verkaufende, das Haus nicht bewohnende Erblasser von diesen Schäden gewusst haben soll. Auch dieser konnte durch Holzverkleidungen etc. nicht hindurch sehen. Die gegenteilige Darstellung der Beklagten zu 1. – alle Feuchtigkeitsschäden seien unübersehbar gewesen – hat der Kläger beharrlich bestritten und tut das weiterhin, er hat sie sich auch nicht hilfsweise zu Eigen gemacht. Wenn er dies getan hätte, hätte einer Täuschung seine eigene Kenntnis entgegengestanden.
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2. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass der Erblasser die Frage nach Feuchtigkeitsschäden verneint hatte. Dies hätte der kaufvertraglichen Angabe entsprochen, keine Kenntnis von versteckten Mängeln zu haben. Da die Kaufvertragsurkunde keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung zur Unversehrtheit und Trockenheit der Bausubstanz, wohl aber die Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses ausweist, käme eine Gewährleistung indessen nur in Betracht, wenn der Erblasser um die Unrichtigkeit seiner Antwort gewusst hätte. Hierfür ist der Kläger, wie ausgeführt, beweisfällig.
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3. Hinsichtlich eines undichten Siphons an der Dusche hat das Landgericht zu Recht eine Kenntnis des Erblassers nicht festzustellen vermocht. Zudem steht nicht einmal objektiv das Vorliegen dieses Mangels fest. Der Sachverständige SV1 konnte ihn nicht feststellen, weil die Duschtasse zum Zeitpunkt seiner Besichtigung bereits demontiert war.
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4. Auch eine Täuschung über die Funktionsuntüchtigkeit der Gaszentralheizung hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Die Heizungsanlage war nicht angeschlossen, die Gasleitung verplombt. Es handelte sich hierbei um eine bei der Besichtigung für den Kläger offenkundige Tatsache, für die die Gewährleistung auf S. 6 des Kaufvertrages gerade ausgeschlossen wurde. Die altersbedingte Erneuerungsbedürftigkeit der Heizungsanlage ist ebendort ausdrücklich festgehalten. Das Wohnhaus war ungeachtet dessen beheizbar. Der Kläger hat die Behauptung der Beklagten zu 1., das Haus sei vor dem Verkauf durch ihren sparsamen Sohn mittels eines zentralen Kachelofens beheizt worden, nicht widerlegt.
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5. Angesichts dessen erweist es sich im Ergebnis als unschädlich, dass das Landgericht den Klagevortrag in verschiedener Hinsicht zu Unrecht als unsubstantiiert angesehen hat.
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6. Fragen der Anspruchshöhe stellen sich gegenüber der Beklagten zu 1. mangels Anspruchsgrundes nicht.
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II. Auch bezüglich des Beklagten zu 2. ist die Klage unbegründet.
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1. Der zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 2. geschlossene Begutachtungsvertrag entfaltete schon keine Schutzwirkung zugunsten des Klägers. Das die gegenteilige Ansicht des Klägers teilende Landgericht hat die einschlägige Rechtsprechung insofern unvollständig erfasst, als die Frage einer drittschützenden Wirkung von Begutachtungsverträgen letztlich durch eine Auslegung des jeweiligen Vertrages zu beantworten ist (vgl. BGH NJW 1984, 355 f. [BGH 02.11.1983 – IVa ZR 20/82]; 2001, 514, 516; 2004, 3035, 3036; OLG Düsseldorf OLGR 2002, 23). Es steht den Parteien des Begutachtungsvertrages frei, einen Schutz zugunsten Dritter – ggf. konkludent – zu vereinbaren oder auch auszuschließen. Letzteres ist hier deutlich geschehen. Unter Abschnitt II. des Vertrages vom 15. 12. 2005 (Anlage B 1, Bl. 126 d. A.) heißt es: „Die Feststellung des Verkehrswerts dient zur Information und Entscheidungsfindung des Eigentümers.“ Danach war eine Weitergabe des Gutachtens als „Verkaufshilfe“ zwischen den Partnern des Begutachtungsvertrages gerade nicht vereinbart; insofern unterscheidet sich der Streitfall deutlich von denen, die Gegenstand der vom Landgericht herangezogenen Entscheidungen waren, und zwar ungeachtet dessen, dass der Kläger letztlich die Kosten des Bewertungsgutachtens getragen hat.
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2. Selbst wenn man dem Begutachtungsvertrag eine drittschützende Wirkung zugunsten des Klägers als Kaufinteressenten beimessen wollte, wäre die Klage mangels einer nachgewiesenen Pflichtverletzung des Beklagten zu 2. unbegründet. Das landgerichtliche Urteil hält insoweit im Ergebnis den Angriffen der Berufung stand.
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a) Hinsichtlich der Heizungsanlage ist das Gutachten des Beklagten zu 2. nicht falsch, sondern ohne Aussage. Er hat im Gutachten auf S. 3 unmissverständlich offen gelegt, dass er die Funktionsfähigkeit von technischen Anlagen, insbesondere der Haustechnik, nicht überprüft hatte.
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b) Hinsichtlich der „laufenden Instandhaltung“ des Wohnhauses und der als „gut“ bezeichneten Bausubstanz reißt der Kläger einzelne Worte aus dem Zusammenhang des Gutachtens und überinterpretiert sie. Der Beklagte zu 2. hat den baulichen Zustand des Wohnhauses auf S. 10 seines Gutachtens als „durchschnittlich mit älteren Modernisierungen“ bezeichnet und auf S. 3 offen gelegt, dass er nur die Räume besichtigt hatte. Der Kläger durfte deshalb nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 2. das Dach des Wohnhauses und die Abdichtung seiner Außenwände von außen inspiziert hatte.
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c) Die Frage, welche Prüfungen der Beklagte zu 2. seinem Auftraggeber, dem verkaufenden Erblasser, schuldete und von welchen Prüfungen demgemäß der Kläger – als unterstellt geschützter Dritter – ausgehen konnte, ist im Kern eine Rechts-, hier eine Vertragsfrage. Der Dritte genießt Schutz nur im Umfang des dem Sachverständigen erteilten Auftrags (vgl. z. B. OLG Karlsruhe OLGR 2005, 229; OLG Bremen OLGR 1999, 122, 123 f.). Der einem Bewertungssachverständigen erteilte Auftrag erstreckt sich regelmäßig nicht auf die Suche nach verborgenen Baumängeln (vgl. BGH MDR 2013, 1397 f. [BGH 10.10.2013 – III ZR 345/12] [= ZfBR 2014, 133 ff. [BGH 10.10.2013 – III ZR 345/12]], Tz. 19; OLG Bamberg OLGR 2003, 27; OLG Naumburg, Urteil vom 3. 8. 2005 – 11 U 100/04, juris, Tz. 30, 34 mit zustimmender Anmerkung Moufang IBR 2006, 1497). Woraus sich im Streitfall eine weiter gehende Beauftragung des Beklagten zu 2. ergeben sollte, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Den eingeschränkten Umfang seiner Untersuchungen hat der Beklagte im Übrigen dadurch offen gelegt, dass er unter Abschnitt 1.3 seines Gutachtens von der Besichtigung der Räume schrieb. Der Kläger hatte demgemäß keinen hinreichenden Anlass, auf eine umfassende Untersuchung etwa das Dachs oder der Abdichtung der Außenwände durch den Beklagten zu 2. zu vertrauen; wenn es ihm um eine bautechnische Begutachtung der Häuser gegangen wäre, hätte er diese bei einem Sachverständigen für Schäden an Gebäuden beauftragen müssen.
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Schließlich trifft es auch bautechnisch zu, dass der Beklagte zu 2. aus der Schadhaftigkeit des Flachdachs nicht auf eine solche des Pultdachs schließen musste. Dass hierfür zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Beklagten zu 2. sonstige Anzeichen erkennbar waren, hat der Kläger nicht bewiesen.
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3. Nach allem weist der Senat nur höchst vorsorglich darauf hin, dass eine dem Grunde nach unterstellte Haftung des Beklagten zu 2. keinesfalls in Höhe der gesamten Sanierungskosten von 56.500 € bestehen kann, sondern höchstens in Höhe von 6.910 €.
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Der Beklagte zu 2. könnte nur für einen infolge seines Gutachtens überhöhten Kaufpreis haftbar sein. Der Kläger hat das Hausgrundstück schon für 27.000 € unter dem Schätzwert des Beklagten zu 2. erworben. Eine vom Beklagten zu 2. zu verantwortende Kaufpreisüberhöhung kommt allenfalls bezüglich des Schadens am Pultdach des Wohnhauses in Betracht, den der Sachverständige SV1 mit Sanierungskosten in Höhe von 15.700 € ohne USt. bewertet hat. Daran knüpft eine Minderung nach dem Sachverständigengutachten von SV2 in Höhe von 18.212 € an, wovon dieser Sanierungskosten, die im Gutachten des Beklagten zu 2. keinem bestimmten Bauteil zuzuordnen sind, in Höhe von 11.302 € abgezogen hat.
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III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

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