OLG Frankfurt am Main, 17.02.2014 – 3 U 157/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 17.02.2014 – 3 U 157/13
Leitsatz

1. Die Verjährung wird nur durch eine zulässige Streitverkündung gehemmt. Auch der Beitritt eines Streitverkündeten als Nebenintervenient ist keine hinreichende Bedingung.

2. Eine Streitverkündung gemäß § 72 ZPO ist zulässig, wenn eine Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt. Unzulässig ist die Streitverkündung deshalb wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge von vornherein sowohl gegenüber dem Beklagten des Vorprozesses als auch gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden können, für die also aus Sicht des Streitverkünders schon im Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des Dritten in Betracht kommt.
Gründe
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In dem Rechtsstreit
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wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.
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Nach Vornahme der gemäß § 522 I und II ZPO gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil.
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I.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Baugesellschaft aus übergegangenem Recht Ausgleich von Schadenersatzleistungen, die sie für ihre Versicherungsnehmerin X – eine Architektin – im Rahmen einer Berufshaftpflichtversicherung an Bauherren erbracht hat.
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Die Architektin und die Beklagte waren ab Dezember 2004 bzw. September 2005 für die Bauherren A im Rahmen der Errichtung eines Einfamilienhauses in … tätig. Die Bauherren rügten Mängel der Bauleistungen – im Wesentlichen wegen mangelhafter Abdichtungsarbeiten – nachdem es zu Feuchtigkeitseintritt im Kellergeschoss und an einem Revisionsschacht gekommen war.
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Im Juli 2007 erhoben die Bauherren gegen die Architektin Klage auf Schadenersatz vor dem Landgericht … zum Aktenzeichen …. Mit Schriftsatz vom 6.9.2007 verkündete die Architektin in jenem Verfahren u.a. der Beklagten den Streit. Zur Begründung gab sie an, dass sie für den Fall des Unterliegens einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen die Beklagte habe. Die Beklagte trat dem Rechtsstreit aufseiten der Architektin bei.
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Mit Urteil vom 9.6.2010 verurteilte das Landgericht … die Architektin zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 79.054,86 € zuzüglich Zinsen und weiteren Nebenforderungen. Zur Begründung führte es aus, dass die Architektin im Hinblick auf die fehlerhafte Kellerabdichtung ihre Überwachungspflichten verletzt habe. Auf ein Verschulden der Beklagten komme es dabei gar nicht an. Das Urteil wurde am 16.8.2010 rechtskräftig.
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Die Klägerin zahlte den Verurteilungsbetrag für die Architektin an die Bauherren, so dass etwaige Ersatz- oder Ausgleichsansprüche ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 86 I VVG auf sie übergingen.
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Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von der Beklagten unter Berufung auf die Regelungen über den Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB Ausgleich von 40 % des Gesamtbetrages (= 38.769,80 €), den sie wegen des Urteils vom 9.6.2010 für ihre Versicherungsnehmerin an die Bauherren zahlte.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ausgleichsansprüche gegen die Beklagte seien verjährt. Es sei auch keine Hemmung der Verjährung durch die Streitverkündung im Vorprozess eingetreten. Die Streitverkündung sei unzulässig gewesen, weil bereits damals eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten und der Versicherungsnehmerin der Klägerin bestanden habe.
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Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
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Hiergegen richtet sich die zulässig Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterverfolgt. Wegen ihres Vortrags im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 174 ff. d.A.) verwiesen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
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II.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein etwaiger Ausgleichsanspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten aus § 426 BGB in Verbindung mit § 86 I VVG ist jedenfalls verjährt. Die Berufungsangriffe der Klägerin können dieses Ergebnis nicht infrage stellen.
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Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin und die Beklagte Gesamtschuldner der Schadenersatzforderung waren, die die klagenden Bauherren im Vorprozess erfolgreich – nur gegen die Versicherungsnehmerin – geltend gemacht haben (Werner-Pastor Der Bauprozess, Rdn. 1975 ff.). Die Schadensersatzforderung der Bauherren entstand dabei schon mit dem Vorliegen der gerügten Baumängel bzw. der bei ihrem Entstehen mitwirkenden mangelhaften Überwachungsleistungen der Versicherungsnehmerin.
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Der Vorprozess und der daraus zugunsten der Bauherren erwachsende Vollstreckungstitel stellten dies lediglich nachträglich prozessual fest. Der Umstand, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin sich gegen die geltend gemachten Ansprüche verteidigte und die anspruchsbegründenden Behauptungen der klagenden Bauherren bestritten hat, ändert hieran nichts.
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Da die Bauherren sowohl die Versicherungsnehmerin als auch die Beklagte hätten in Anspruch nehmen können, entstand mit dem Vorliegen der Mängel nach § 421 BGB auch das Gesamtschuldverhältnis zwischen den beiden Schädigern.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin entstand deshalb auch die Ausgleichsforderung ihrer Versicherungsnehmerin nicht erst mit der Befriedigung der Bauherren, sondern schon mit dem Entstehen des Gesamtschuldverhältnisses, lag also bereits bei Erhebung der Klage im Vorprozess vor (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2007, II ZR 136/06).
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Die Ausgleichsforderung unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB und begann gemäß § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Ausgleichsanspruch entstanden war und die Versicherungsnehmerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (hier also der Beklagten) Kenntnis erlangte. Diese Voraussetzungen traten spätestens im Jahr 2007 ein, als die Versicherungsnehmerin der Beklagten im Vorprozess den Streit verkündete. Die Verjährungsfrist begann deshalb am 1.1.2008 und lief mit dem 31.12.2010 ab. Die Klageerhebung im Anfang 2013 konnte die Verjährungsfrist demnach nicht mehr gemäß § 204 BGB hemmen.
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Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, die Verjährung sei gemäß § 204 I Nr. 6 BGB bereits durch die Zustellung der Streitverkündungsschrift an die Beklagte im Vorprozess – also noch vor ihrem Ablauf mit Ende des Jahrs 2010 – gehemmt worden.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich der erkennende Senat anschließt, wird die Verjährung nur durch eine zulässige Streitverkündung gehemmt. Auch der Beitritt des Streitverkündeten als Nebenintervenient ist keine hinreichende Bedingung (vgl. BGH, Urteil vom 6.12.2007, IX ZR 143/06; Urteil vom 11.2.2009, XII ZR 114/06; auch OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.8.2012, 1 U 222/11 – jeweils mit weiteren Nachweisen). Die vonseiten der Versicherungsnehmerin der Klägerin gegenüber der Beklagten im Vorprozess erklärte Streitverkündung war jedoch unzulässig, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat.
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Eine Streitverkündung gemäß § 72 ZPO ist zulässig, wenn eine Partei für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt. Unzulässig ist die Streitverkündung deshalb wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge von vornherein sowohl gegenüber dem Beklagten des Vorprozesses als auch gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden können, für die also aus Sicht des Streitverkünders schon im Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des Dritten in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 6.12.2007, IX ZR 143/06; Zöller-Vollkommer ZPO, § 72 Rn 8 – mit weiteren Nachweisen; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9.8.2012, 1 U 222/11).
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So ist die Sachlage auch hier. Schon bei der Streitverkündung der Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten im Vorprozess war klar, dass die beiden den klagenden Bauherren gegenüber nicht alternativ, sondern kumulativ wegen des geltend gemachten Schadenersatzes haften würden. In dieser Lage hätte die Versicherungsnehmerin von der bloßen Streitverkündung absehen und die Beklagte zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung unmittelbar selbst klageweise auf Freistellung in Anspruch nehmen müssen, entweder im selben Prozess, nämlich im Wege der Drittwiderklage, oder gesondert mit einer eigenen Klage gegen die Beklagte (vgl. auch Hinweis bei Motzke Architektenhaftung, 9. Auflage, Rn 129).
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Da der selbstständige Ausgleichsanspruch nach § 426 I BGB nicht mit der Befriedigung des Gläubigers entsteht, sondern schon mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses, war nicht erforderlich, dass die Versicherungsnehmerin zuvor erfolgreich von den Bauherren in Anspruch genommen wird. Der Freistellungsanspruch entstand vielmehr schon in dem Zeitpunkt, als die ernsthafte Möglichkeit einer Inanspruchnahme bestand (BGH, Urteil vom 15.10.2007, II ZR 136/06 – mit weiteren Nachweisen), was hier durch die von den Bauherren erhobene Klage mehr als deutlich geworden war. Der Freistellungsanspruch der Versicherungsnehmerin setzte nicht einmal voraus, dass die Forderung der Bauherren berechtigt war. Insoweit kam es daher auch nicht auf den (ungünstigen) Ausgang des Vorprozesses zwischen den Bauherren und der Architektin an, was § 72 I 1 ZPO aber mit der Formulierung „für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreit“ gerade fordert (Musielak ZPO, 10. Auflage § 72 Rn 4; Wieczorek-Schütze/Mansel ZPO, 3. Auflage § 72 Rn 41). Die Pflicht zur Freistellung umfasst nämlich nicht nur die Verpflichtung, begründete Ansprüche zu erfüllen, sondern auch die Verpflichtung, unbegründete Ansprüche von dem Freistellungsgläubiger abzuwehren. Der Gefahr, eine unbegründete Forderung zu erfüllen oder sich wegen einer begründeten Forderung mit einer Klage überziehen zu lassen, soll der Freizustellende gerade enthoben werden (BGH vom 15.10.2007, II ZR 136/06 – mit weiteren Nachweisen).
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Der Klägerin bleibt nachgelassen, zum beabsichtigten Vorgehen binnen zweier Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
27

Es wird darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in nicht unerheblicher Höhe vermieden werden können.

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