OLG Frankfurt am Main, 31.01.2014 – 10 U 199/12

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 31.01.2014 – 10 U 199/12
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 4.7.2012 teilweise abgeändert und zu 1. wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 33.489,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.9.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 21,5 % und die Beklagte 78,5 % zu tragen.

Das angefochtene Urteil, soweit es bestätigt wird, und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

Die Klägerin hat die Beklagte wegen angeblicher fehlerhafter Beratung bei der Zeichnung einer Beteiligung als Treugeberin des Treuhandkommanditisten der A … mbH & Co. … KG (nachfolgend: A) am 23.4.1999 (Anl. K 1) in Anspruch genommen. Bei dem A handelt es sich um einen Immobilienfonds, der einen Bürogebäudekomplex in Stadt1 erwerben und anschließend für 20 Jahre an die B AG vermieten sollte. Auf den Beteiligungsprospekt und den Flyer für die Anlage wird Bezug genommen (Anl. K 10 und K 11). Herausgeber des Beteiligungsprospekts, Platzierungsgarant, Vermittler des Eigen- und Fremdkapitals sowie Fondsverwalterin ist die C … mbH. Diese ist 100 %ige Tochtergesellschaft der C1 … AG, die wiederum 100 %ige Tochtergesellschaft der Beklagten ist.
2

Die Klägerin beteiligte sich an dem A nach Beratung durch den Mitarbeiter M der Beklagten mit einem Betrag von 100.000,00 DM zuzüglich 5 % Agio.
3

Der Mietvertrag mit der B AG endete zum 31.3.2011. Seitdem steht das Fondsobjekt leer.
4

Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte sei ihr schadensersatzpflichtig, weil sie der Zeuge M nicht über die Risiken ihrer Beteiligung wie die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags mit der B AG sowie darüber aufgeklärt habe, dass die Beklagte anders, als in dem Beteiligungsprospekt (Seiten 27/28) dargestellt, als Rückvergütungen das Agio sowie 3 % des Nominalkapitals für die von ihr übernommene Platzierungsgarantie erhalte. Der Kläger hat ferner behauptet, der Berater der Beklagten habe ihr den Emissionsprospekt erst am Tag der Zeichnung, nach Unterzeichnung der Beitrittserklärung ausgehändigt. Ferner hat die Klägerin behauptet, sie hätte ihr Geld anderweitig gewinnbringend zu einem üblichen Zinssatz angelegt, anstatt es der Beklagten zu überlassen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dieser entgangene Gewinn sei ebenfalls erstattungsfähig. Ihr obliege keinesfalls der Vortrag, dass sie ansonsten eine bestimmte andere Anlage getätigt und diese eine bestimmte Rendite erzielt hätte. Der Anleger dürfe sich damit begnügen, seine Risikobereitschaft darzustellen und sich dann auf eine Anlage zu beziehen, die dieser Risikobereitschaft entspreche. Sie könne den Anspruch auf Zinsen auch auf den Gesichtspunkt der Deliktszinsen gemäß §§ 826, 849, 246 BGB stützen. Man müsse davon ausgehen, dass das pflichtwidrige Verschweigen des Erhalts von Rückvergütungen durch eine Genossenschaftsbank oder Sparkasse den Tatbestand des Betruges oder der Untreue verwirkliche.
5

Die Klägerin hat mit der Klage die Rückzahlung des investierten Kapitals abzüglich erhaltener Ausschüttungen (20.196,03 €), insgesamt 33.489,62 €, Zinsen in Höhe von 4 % aus diesem Betrag als Schadensersatz für eine alternative Anlage bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch die Beklagte nebst Zinsen verlangt und ferner die Feststellung, dass die Beklagte sie von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen aus der Fondsbeteiligung, Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung und Abtretung ihrer Rechte daraus, Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der Beteiligung und der Rechte aus der Beteiligung sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.
6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat außer Klageabweisung hilfsweise die Feststellung beantragt, dass von der Zahlungs- bzw. Freistellungsverpflichtung abzuziehen bzw. gegebenenfalls zurückzuzahlen seien sämtliche im Rahmen der Steuerveranlagung anrechenbaren Kapitalertragssteuern, Zinsertragssteuern und Solidaritätszuschläge sowie sämtliche noch nicht berücksichtigten Steuervorteile aufgrund von Verlustzuweisungen sowie Ausschüttungen aufgrund der Beteiligung sowie hilfsweise die Feststellung, dass die Klägerin von ihr (Beklagter) erhaltene Schadensersatzleistungen, die nicht der Nachversteuerung unterworfen sind, in Höhe der erhaltenen Steuervorteile an sie zu zahlen habe.
7

Die Beklagte hat gemeint, die fehlende Aufklärung über die an sie fließende Vergütung sei unerheblich, da in dem Prospekt klar dargestellt, dass die A zum Konzern der Beklagten gehöre. Damit habe die Klägerin einen eventuellen Interessenskonflikt sachgerecht beurteilen können, da es wirtschaftlich keinen Unterschied mache, ob die Provisionszahlungen unmittelbar an sie oder an ihre 100 %ige Enkelgesellschaft flössen. Weiter hat die Beklagte behauptet, die Klägerin habe das Prospekt rechtzeitig erhalten, wie sie in der Beitrittserklärung bestätigt habe. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Klägerin ein einwöchiges Widerrufsrecht zugestanden habe. Schließlich hat sie sich auf Verjährung berufen.
8

Nach Anhörung der Klägerin (Bl. 145-149 d. A.) hat das Landgericht der Klage stattgegeben, bezüglich der Zinsen bis 29.9.2011 wird jedoch nur in Höhe von 2 %. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin über die ihr zufließenden Rückvergütungen in Form des 5 %igen Agios und der Vergütung für die Platzierungsgarantie von 3 % aufzuklären. Anhand der Prospektangaben sei dieser Rückfluss an die Beklagte nicht zu erkennen gewesen. Ein Hinweis sei auch nicht obsolet gewesen, obwohl für die Klägerin erkennbar gewesen sei, dass die Beklagte mit der Beteiligung ein hauseigenes Produkt vertrieben habe. Auch wenn in dem Prospekt die Gesellschaftsstruktur und die gesellschaftsrechtliche Verflechtung der Beteiligungsgesellschaften der Beklagten offengelegt würden, sei das Ausmaß des Interessenkonflikts der Beklagten nicht erkennbar gewesen. Zum einen handele es sich bei der Beklagten um eine rechtlich selbständige juristische Person, zum anderen habe die Klägerin ohne Kenntnis von den von der Beklagten vereinnahmten Vergütungen deren eigenes Umsatzinteresse nicht einschätzen können. Die Verletzung der Aufklärungspflicht sei für die Anlageentscheidung der Klägerin ursächlich gewesen. Die Beklagte habe die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht widerlegt. Die Klägerin habe bei ihrer Anhörung glaubhaft angegeben, dass sie die Anlage nicht abgeschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte eine Provision erhalte. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, da die Beklagte nicht dargelegt habe, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere von der Verletzung der Aufklärungspflicht bezüglich der Rückvergütungen Kenntnis erlangt habe. Etwaige Steuervorteile müsse sich die Klägerin nicht anrechnen lassen, da die Schadensersatzforderung selbst der Steuerpflicht unterliege. Die Klägerin könne auch Zinsen vom 1.12.2000 bis 19.9.2011 unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns verlangen. Dabei sei ein Mindestschaden in Höhe von 2 % jährlich zu schätzen. Die Hilfsfeststellungswiderklage sei teilweise unzulässig, teilweise aus den vorgenannten Gründen unbegründet. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidung des Landgerichts verwiesen (Bl. 155-168 d.A.).
9

Gegen das am 11.7.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, den 13.8.2012 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel innerhalb der verlängerten Frist am 8.11.2012 begründet. Mit der Berufung macht die Beklagte erneut geltend, dass sie eine Aufklärungspflicht nicht verletzt habe, da ihr wirtschaftliches Interesse an der Vermittlung der Beteiligung durch die im Prospekt dargestellten Provisionszahlungen an die A offen zu Tage gelegen habe. Ferner habe das Landgericht ihr Beweisangebot auf Parteivernehmung der Klägerin zu der Behauptung, diese hätte sich auch dann an dem A beteiligt, wenn sie über die an sie (Beklagte) fließende Provision aufgeklärt worden wäre, rechtfehlerhaft nicht berücksichtigt. Die Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung seien zudem widersprüchlich und nicht glaubhaft. Zu Unrecht habe das Landgericht auch nicht die von der Klägerin vereinnahmten Steuervorteile abgezogen. Die Annahme des Landgerichts sei rechtsfehlerhaft, dass die Klägerin die Schadensersatzleistung zu versteuern habe. Der Lauf der Verjährungsfrist habe bereits mit dem Zeitpunkt der Zeichnung der Beteiligung begonnen, da die Klägerin bei ihrer Anhörung eingeräumt habe, ihr sei bewusst gewesen, dass sie (Beklagte) etwas nur mit Gewinn verkaufen. Damit haben die Klägerin gewusst, dass sie (Beklagte) für ihre Vermittlungsleistung eine Provision erhalte.
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Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 4.7.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Hanau nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

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Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Hilfsfeststellungswiderklage abzuweisen

12

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
15

In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.
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Das erstinstanzliche Urteil ist nicht schon deshalb gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, weil es sich bei der angefochtenen Entscheidung um ein unzulässiges verdecktes Teilurteil handelte. Ein Teilurteil liegt nicht vor. Zwar enthält der Urteilstenor keine Entscheidung über die Hilfswiderklage. Aus den Entscheidungsgründen geht aber klar hervor, dass das Landgericht die Hilfsanträge für teils unzulässig, teils unbegründet gehalten hat und sie deshalb hat abweisen wollen. Damit ist lediglich der Tenor offensichtlich unvollständig und einer Berichtigung nach § 319 ZPO zugänglich (vgl. BGHZ 182, 158 Rz. 67; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 319 Rdn. 15). Zieht man die Entscheidungsgründe zur Auslegung des Urteils heran, so ergibt sich, dass die Hilfswiderklage abgewiesen worden ist. Dafür spricht ferner, dass das Landgericht eine Kostenentscheidung erlassen hat, die bei einem Teilurteil nicht angebracht gewesen wäre. Es fehlt somit an der Voraussetzung für das Vorliegen eines Teilurteils, dass der Wille, nur über einen Teil des Streitgegenstandes zu entscheiden, in der Entscheidung selbst oder in den Begleitumständen zum Ausdruck kommen muss (BGH NJW 1999, 1035 [BGH 12.01.1999 – VI ZR 77/98]; Zöller/Vollkommer, § 301 Rdn. 1).
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Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 BGB wegen pflichtwidrig unterlassener Aufklärung über die an die Beklagte geflossene Rückvergütung zu. Die Beklagte hätte die Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrages darüber aufklären müssen, dass das offen ausgewiesene Agio nicht lediglich, wie im Prospekt auf Seite 27 dargestellt, an die A rückvergütet, sondern von dieser an die Beklagte weitergeleitet wird. Dabei ist nicht entscheidend, dass generell erkennbar wird, dass eine zum Konzern der Beklagten gehörende Gesellschaft das Agio vereinnahmt und somit die Beklagte in diesem Falle zumindest ein indirektes Provisionsinteresse am Vertrieb der Anlage hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Klägerin aus dem Prospekt nicht ersehen konnte, dass die Zahlung gerade an die Beklagte erfolgte (vgl. BGH NJW 2009,1416, 1417 [BGH 20.01.2009 – XI ZR 510/07] Rz. 13; BKR 2013, 68, 69 [BGH 20.11.2012 – XI ZR 415/11] Rz. 12). Die Klägerin konnte ohne weiteres davon ausgehen, dass das Umsatzinteresse der Beklagten sich darin erschöpfte, dass zu ihrem Konzern gehörende Gesellschaften aus der Anlage und deren Vertrieb Gewinne erzielten, die der Beklagten möglicherweise durch Gewinnabführung jedenfalls teilweise zugutekommen. Erzielt der Beklagte darüber hinaus durch die Vereinnahmung des Agios eine weitere, unmittelbare Einnahme, so steigerte sich ihr Umsatzinteresse nicht unerheblich. Dies gilt umso mehr, als sich der damit vor der Klägerin nicht offen gelegte Interessenkonflikt noch dadurch erhöhte, dass die Beklagte für die Übernahme der Platzierungsgarantie eine weitere Vergütung von 3 % des Kommanditkapitals erhielt (BGH NJW 2009 a. a. O.). Entgegen der Auffassung der Berufung war damit das Ausmaß des eigenen Umsatzinteresses gerade der Beklagten nicht erkennbar gemacht worden.
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Hinsichtlich der Ursächlichkeit der unterbliebenen Aufklärung für die Anlageentscheidung greift zugunsten der Klägerin die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ein. Die Beklagte muss somit beweisen, dass die Klägerin sich für die Anlage auch entschieden hätte, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass die Beklagte das Agio als Vermittlungsprovision erhält (BGH NJW 2013, 1801 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11] Rz. 19). Dies ist der Beklagten jedoch nicht gelungen. Für die Behauptung der Beklagten spricht zwar, dass die Klägerin bei ihrer Anhörung eingeräumt hat, ihr sei klar gewesen, dass die Beklagte, wenn sie etwas verkaufe, das nur mit Gewinn tue. Ferner war der Klägerin klar, dass die A, die nach dem Prospekt die Empfängerin der Vergütung (Agio) war, zum Konzern der Beklagten gehörte, so dass die Beklagte danach zumindest ein weiteres mittelbares Interesse am Vertrieb der Anlage hatte. Das reicht jedoch nicht aus, um anzunehmen, für die Klägerin sei es ferner ohne Belang gewesen, dass die Beklagte letztlich neben der Vergütung für die Platzierungsgarantie noch das Agio erhält. Durch diese Provisionen wurde das Interesse der Beklagten, der Klägerin gerade diese Anlage zu empfehlen und zu vermitteln so erhöht, dass die Berücksichtigung der Anlageziele der Klägerin für die Beklagte immer weiter in den Hintergrund treten musste. Weder die Anhörung der Klägerin in erster Instanz noch ihre Parteivernehmung in der Berufungsinstanz haben demgegenüber die Behauptung der Beklagten bestätigt. Vor dem Landgericht hat die Klägerin klar und deutlich erklärt, dass sie die Anlage nicht abgeschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte eine Provision dafür erhält. Dass das Landgericht die Klägerin als glaubwürdig angesehen hat, ist nicht entscheidend. Beweisbelastet ist die Beklagte.
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Allerdings hätte das Landgericht die Klägerin gemäß dem Antrag der Beklagten (Bl. 68 d. A.) als Partei vernehmen müssen. Es liegt jedoch nahe, dass dieser Verfahrensfehler gemäß § 295 ZPO geheilt worden ist. Die Einführung von Beweisanträgen unterliegt der Dispositionsbefugnis der Parteien. Sie können Beweisanträge ebenso ohne weiteres fallen lassen. Somit handelt es sich bei der Übergehung von Beweisangeboten um einen verzichtbaren Verfahrensmangel. Das Landgericht hat die Klägerin nur als Partei angehört. Die Beklagte hatte die Möglichkeit, auf ihren Antrag auf Parteivernehmung zurückzukommen. Das hat sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht getan. Ein Verzichtswille ergab sich daraus, dass die Klägerin die Behauptung der Beklagten ausdrücklich nicht bestätigt hatte und aus Sicht der Beklagten von der förmlichen Vernehmung als Partei keine weitere Aufklärung zu ihren Gunsten zu erwarten war.
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Da die Parteivernehmung vor dem Senat nachgeholt worden ist, kann dahin stehen, ob der mit der Berufung wiederholte Antrag somit nicht ohnehin nach
§ 531 ZPO zurückzuweisen gewesen wäre. Auch bei ihrer zweitinstanzlichen Parteivernehmung hat die Klägerin unter Hinweis auf mögliche Interessenkonflikte bekundet, sie hätte die Beteiligung nicht gezeichnet, wenn ihr gesagt worden wäre, dass die Beklagte das Agio als Vermittlungsgebühr erhalte.
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Der Klageanspruch ist ferner nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des
§ 195 BGB, die nach der zutreffenden und von den Parteien auch nicht gerügten Auffassung für das Vertragsverhältnis gilt, beginnt in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin Kenntnis von der Aufklärungspflichtverletzung hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte haben müssen.
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Der Geschädigte braucht dazu nur die tatsächlichen Umstände zu kennen, aus denen sich die Aufklärungspflicht ergibt, dagegen muss er nicht der Rechtspflicht des Beraters zur Aufklärung kennen (BGH NJW 2013, 1801, 1802 [BGH 26.02.2013 – XI ZR 498/11] Rz. 27 f.). Hierfür genügte die von der Klägerin eingeräumte Kenntnis nicht, dass die Beklagte, wenn sie etwas verkaufe, dies nur mit Gewinn tue. Denn worin dieser Gewinn bestehe, ob es sich also um einen Rückfluss einer ausgewiesenen Vergütung für die A handelte, war ihr damit weder bekannt, noch hätte sie dies ohne weiteres erkennen können. Insbesondere reichte die Tatsache allein, dass die Beklagten einen Gewinn aus dem Geschäft zieht, noch nicht, um eine Aufklärungspflicht zu begründen. Dementsprechend fehlte auch das verjährungsbegründende Wissen, dass die Beklagte sie über den Erhalt des Agios nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hatte.
23

Die Klägerin muss sich die erlangten Steuervorteile nicht anrechnen lassen. Auf eine solche Anrechnung kann verzichtet werden, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass die nachfolgende Besteuerung des Schadensersatzanspruchs diese Vorteile wieder in etwa kompensiert (BGHZ 186, 205, Rz. 35 ff.). Die Schadensersatzleistung wegen Beteiligung an einem Immobilienfonds unterliegt jedoch grundsätzlich der Besteuerung (BGH NJW-RR 2013, 611 [BGH 18.12.2012 – II ZR 259/11] Rz. 11 ff.),
24

Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Zinsen in Höhe von mindestens 2 % auf den investierten Betrag hat.
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Ersatz entgangener Zinsen für eine anderweitige Anlage des eingesetzten Geldbetrages kann die Klägern gem. § 252 S. 2 BGB verlangen, wenn es wahrscheinlich ist, dass sie eine zeitnahe alternative Investitionsentscheidung getroffen und diese einen Zinsgewinn eingebracht hätte. Dafür ist nicht ausreichend, wie die Klägerin gemeint hat, dass nicht sicher sei, dass keine Rendite erzielt worden wäre. Grundsätzlich bedarf es dazu eines Tatsachenvortrags, aufgrund dessen beurteilt werden kann, für welche konkrete Form der Kapitalanlage sie sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte (BGH NJW 2012, 2266 [BGH 24.04.2012 – XI ZR 360/11] Rz. 13). Eine solche Alternativanlage benennt die Klägerin jedoch nicht.
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Soweit die Klägerin behauptet, sie habe eine sichere Anlagestrategie verfolgt, ist zu berücksichtigen, dass sie bis ins Jahr 2011 hinein einen erheblichen Teil ihres Vermögens (1,36 Mio. €) in nicht risikofreie Anlagen investiert hat, und zudem mit der im Streit stehenden Anlage zumindest auch Steuervorteile erzielen wollte. Dies weist darauf hin, dass die Klägerin andere Anlagemotive als lediglich eine mäßige Verzinsung ohne jegliches Risiko verfolgt hätte. Damit spricht keine Wahrscheinlich dafür, dass sie eine sichere Anlage zu einer Verzinsung von mindestens 2 % p. a. getätigt hätte. Anders als in den vom OLG Frankfurt am Main mit Urteilen vom 20.10.2009 – Az.:19 U 98/08, 30.6.2010 – Az.: 19 U 2/10, 16.3.2011 – Az.: 19 U 126/10 oder vom 6.11.2012 – Az.: 10 U 222/11 entschiedenen Fällen kann deshalb vorliegend auch kein Zinsertrag von 2 % jährlich geschätzt werden. Bei einer steuerbegünstigten Anlage, selbst wenn sie nicht die Rückzahlung des Anlagenbetrages garantiert, ist völlig offen, ob sie überhaupt Gewinne eingebracht hätte (siehe auch BGH a.a.O. Rz. 15, 18). Der Streitfall lässt sich deshalb auch nicht mit der vom Hanseatischen Oberlandesgericht am 31.10.2012, Az.: 7 U 31/10, entschiedenen Sache vergleichen. Das Hanseatische Oberlandesgericht ist, insoweit anders als im Falle der Klägerin, davon ausgegangen, dass der Anleger in eine inländische Schuldverschreibung investiert hätte, also nicht in eine steuerbegünstigte Anlage.
27

Auf einen Anspruch auf Deliktszinsen (§§ 849, 246 BGB) ist die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen, zumal auch ihr erstinstanzlicher Vortrag schon im Hinblick auf die Darlegung der subjektiven Voraussetzungen seitens der Beklagten unzureichend geblieben ist.
28

Die Hilfswiderklage zu 1. ist in ihrem ersten Teil unbegründet, weil – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – sich die Klägerin keine Steuervorteile anrechnen lassen muss.
29

Im zweiten Teil ist sie unzulässig. Es fehlt am Feststellungsinteresse. Ein solches besteht nur, wenn dem subjektiven Recht der Partei eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Gegner es ernstlich bestreitet oder sich eines entgegenstehenden Rechts berühmt (Zöller/Greger, § 256 Rdn. 7). Die Klägerin bestreitet jedoch nicht, dass sie sich weitere Ausschüttungen auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen oder nach Erhalt der Schadensersatzzahlung erfolgte Ausschüttungen an die Beklagte herausgeben müsste.
30

Die Hilfswiderklage zu 2. ist unbegründet. Wie oben ausgeführt, ist die Schadensersatzleistung zu versteuern, so dass der als Bedingung aufgeführte Sachverhalt nicht eintreten wird.
31

Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf §§ 92 Abs. 1 ZPO, für die zweite Instanz auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Dabei ist zuungunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie mit ihrem Anspruch auf Ersatz entgangener Anlagezinsen unterlegen ist. Zwar erhöht dieser Anspruch als Nebenforderung nicht den Streitwert, das Unterliegen mit Nebenforderungen ist jedoch bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen, wenn die Nebenforderung im Verhältnis zum Wert aller Klageanträge nicht nur geringfügig ist. Letzteres ist hier nicht der Fall. Für den Zeitraum vom 1.12.2000 bis zum 29.9.2011 errechnet sich ein Schadensersatzanspruch wegen entgangener Anlagezinsen von ca. 14.500 € und somit ein im Verhältnis zu gesamten Prozessziel der Klägerin erheblicher Betrag.
32

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
33

Die Revision ist nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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