OLG Frankfurt am Main, 12.11.2013 – 4 U 77/13

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 12.11.2013 – 4 U 77/13
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau – 9. Zivilkammer – vom 01.03.2013 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.829,78 € zzgl. Zinsen in Höhe von 6,21% jährlich hieraus seit dem 25.05.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nach dem Verkauf eines Baugrundstücks mit Vereinbarung einer Residenzpflicht durch notariellen Kaufvertrag vom 02.08.2005 Zahlung des Differenzbetrages zwischen tatsächlich gezahltem Kaufpreis und dem nach ihrer Behauptung marktüblichen Kaufpreis in Höhe von noch 14.829,48 € nebst Zinsen in Höhe von 6,21 % jährlich seit Abschluss des Kaufvertrages, Ersatz entstandener Gutachtenkosten in Höhe von 503,05 € sowie Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 961,28 €, nachdem der Beklagte gegen die vertraglich vereinbarte Residenzpflicht verstoßen hat.
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Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme zur Behauptung des Beklagten, das Gutachten des A sei für einen Sachkundigen offenbar unrichtig, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung der Klage mit Urteil vom 01.03.2013, auf das ergänzend gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der Verkehrswert gem. § 6 Ziff. 6.6.2. des Kaufvertrages verbindlich durch den Gutachterausschuss des A festgelegt worden sei. Die Festlegung sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht in entsprechender Anwendung von § 319 BGB wegen offenbarer Unrichtigkeit unwirksam. Zwar habe der Gutachterausschuss die eingetragene Auflassungsvormerkung nicht hinreichend berücksichtigt, dies führe jedoch nur zu einem Abschlag von 2,5 % auf das Wertermittlungsergebnis. Eine solch geringfügige Abweichung führe nicht zu einer offenbaren Unrichtigkeit des Gutachtens, auch die Wahl des Wertermittlungsverfahrens habe keinen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis gehabt.
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Die Geltendmachung des Differenzbetrages sei nicht wegen unzumutbarer Härte unzulässig. Die von dem Kläger angeführten Umstände hätten bereits bei Abschluss des Kaufvertrages vorgelegen. Er habe in Kenntnis seiner Situation den streitgegenständlichen Kaufvertrag abgeschlossen. Wenn er sich nunmehr gegenüber der Klägerin auf seine Arbeitslosigkeit als Grund für den Verstoß gegen die Residenzpflicht berufe, stelle dies einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
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Die Klägerin habe ferner einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 503,05 € aus § 280 Abs. 1 BGB. Der Zinsanspruch und der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten begründe sich aus Verzug.
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Gegen das dem Kläger am 06.03.2013 zugestellte Urteil hat er am 03.04.2013 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06.06.2013 am 05.06.2013 begründet. Er greift das erstinstanzliche Urteil nur insoweit an, als er zur Zahlung eines höheren Betrages als 10.858,87 € nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 13.08.2010 verurteilt worden ist. Er ist der Auffassung, die Klägerin könne von dem Beklagten lediglich einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 29,71 Euro pro Quadratmeter verlangen. Der vom Gutachterausschuss angenommene Zuschlag auf den Bodenrichtwert in Höhe von 21,– € je Quadratmeter sei mit der höheren baulichen Ausnutzung und der Bebauung des Grundstücks begründet worden. Die höhere Ausnutzung und Bebauung gehe jedoch darauf zurück, dass der Beklagte einen Abweichungs- und Befreiungsbescheid habe einholen müssen, für den er Gebühren in Höhe von 3.975,54 € entrichtet hat. Dies entspreche einem Gebührenaufwand von 8,29 € pro Quadratmeter. Die Erreichung der vom Gutachterausschuss werterhöhend berücksichtigten Bebaubarkeit gehe somit auf einen vom Beklagten getätigten Aufwand in dieser Höhe zurück und sei daher bei der Berechnung des Verkehrswertes des Grundstücks in Abzug zu bringen. Dieses ergebe sich auch schon aus den Grundsätzen der einschlägigen Rechtsprechung des BGH, wonach eine Nachzahlungsklausel, die neben der Kaufpreisverbilligung auch künftige Bodenwertsteigerungen einbezieht, nur angemessen ist, wenn sie die Möglichkeit stagnierender oder sinkender Bodenpreise berücksichtigt und die Nachzahlung auf den tatsächlich eingetretenen Vorteil begrenzt. Soweit der Beklagte Aufwendungen in Form der Gebühren für den Befreiungsbescheid getätigt habe, stehe ihm der tatsächlich eingetretene Vorteil nicht mehr zur Verfügung.
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Der Beklagte beruft sich zudem wie schon in erster Instanz auf eine unzumutbare Härte. Das Landgericht habe diesen Einwand zu Unrecht als unbeachtlich angesehen, da der Beklagte schon bei Abschluss des Kaufvertrages seine wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere seine Arbeitslosigkeit, gekannt habe. Er trägt hierzu vor, dass er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seit rund 7 Monaten arbeitslos gewesen sei, aufgrund seiner Ausbildung jedoch nicht habe davon ausgehen müssen, dass dies dauerhaft so bleiben würde. Auch die den Hausbau finanzierende Bank habe die persönliche Situation des Beklagten so eingeschätzt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte durchgehende Überschüsse durch die Vermietung der Immobilie nicht erwirtschaftet habe. Die mit dem Immobilienbesitz verbundenen Kosten erreichten in etwa die Mieteinnahmen.
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Eine Anspruchsgrundlage für den Ersatz der Gutachterkosten durch den Beklagten sei nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass der von der Klägerin zunächst geforderte Ausgleichsbetrag über den später vom Gutachterausschuss ermittelten Wert gelegen habe, bestätige, dass die zuvor durch die Klägerin geltend gemachte höhere Forderung nicht berechtigt gewesen sei und der Beklagte durch das Bestreiten der Berechtigung des Zahlungsanspruchs nicht gegen die ihm obliegenden vertraglichen Pflichten verstoßen habe. Die zwischen den Parteien vereinbarte Verzinsungsklausel sei wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam. Schließlich bestehe kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten, weil zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts sich der Beklagte noch nicht in Verzug befunden habe.
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Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, dass der Aufwand für den Abweichungs- und Befreiungsbescheid ausschließlich dazu gedient habe, das Maß der Bebaubarkeit zu erhöhen und damit dem Ziel, größere Wohnflächen erzielen zu können, was sich wiederum in einem höheren Ertragswert wegen der damit einhergehenden höheren Mieteinnahmen niederschlage. Mithin werde der für den Bescheid geleistete Aufwand bei weitem durch die auf Dauer zu erzielenden höheren Mieteinnahmen kompensiert. Mit der Wohnfläche, die ohne die Befreiung maximal hätte erreicht werden können, wäre der monatlich zu erzielenden Nettomietzins ausgehend von der vom Beklagten dargelegten Nettomiete rund 220,– € niedriger gewesen. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass der Beklagte sich nicht auf eine besondere Härte berufen könne angesichts der von ihm erzielten Mieteinnahmen in Höhe von 1.820,– € netto und Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 1.335,– €. Sie meint, der Beklagte sei zur Erstattung der Gutachterkosten verpflichtet, weil dessen Einholung nicht erst aufgrund der Differenz zwischen der von der Klägerin zunächst bezifferten Rückforderung und dem später durch den Gutachterausschuss ermittelten Wert notwendig geworden sei, sondern aufgrund des Verstoßes des Beklagten gegen die Residenzpflicht. Sie hält die Regelung zur Verzinsung in § 6 Ziff. 6.6.3. des notariellen Kaufvertrages für wirksam. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen.
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II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Beklagte die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen vor dem 25.05.2010 auf die Hauptforderung, von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Kosten für das Gutachten des Gutachterausschusses vom 28.07.2010 angreift.
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1.

Der Senat folgt nicht der Argumentation des Beklagten, wonach die Kosten des Abweichungs- und Befreiungsbescheides von 3.975,54 € von dem seitens des Gutachterausschusses ermittelten Grundstückswert in Abzug zu bringen sind. Die Möglichkeit zur höheren baulichen Ausnutzung des Grundstücks und die damit verbundene Wertsteigerung ist nicht erst durch den Befreiungsbescheid eingetreten, sondern durch die Tatsache, dass das Grundstück eine Bebauung zulässt, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs.2 BauGB erfüllt, und die Klägerin in § 7 des Kaufvertrages die gemäß § 36 BauGB erforderliche Zustimmung erteilt hat. Eine Befreiung nach § 31 Abs.2 BauGB kommt nur dann in Betracht, wenn ein atypischer Sonderfall vorliegt. Dabei sind nicht die persönlichen Verhältnisse des Bauherren Maßgebend, sondern nur grundstücksbezogene Umstände (Ferner/Kröninger/Aschke, 3. Aufl., zu § 31 BauGB, Rn.5).
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Zwar wird der Befreiungsbescheid nur in Verbindung mit einem bestimmten Bauvorhaben erteilt. Dies bedeutet aber nicht, dass im Fall eines Abrisses des bestehenden Gebäudes und einer erneuten Bebauung keine Befreiung mehr erteilt werden würde. Wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Befreiung vorliegen und die Gemeinde – wie hier – ihr Einvernehmen erteilt hat, steht dem Bauherren ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Baugenehmigung unter Gewährung der jeweiligen Befreiung zu (vgl. BayVGH Urteil v. 28.03.2006, – 14 B 05.3051; Jäde/Dirnberger/Weiss, 6. Aufl., zu § 31 BauGB, Rn.29).
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Die zur Erlangung des Bescheides aufgewandten Gebühren verringern daher ebensowenig wie die Kosten der Baugenehmigung den tatsächlich eingetretenen Vorteil.
13

2.

Der Anspruch der Klägerin entfällt weiterhin nicht wegen der ihr obliegenden Pflicht, unzumutbare Härten zu vermeiden. Auch wenn der zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bereits arbeitslose Beklagte gehofft hat, alsbald wieder eine Anstellung zu finden, ist er doch bewusst das Risiko eingegangen, dass sich seine Erwartungen evtl. nicht erfüllen. Er ist damit nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Grundstückskäufer, der aufgrund beim Kauf noch nicht absehbarer, nachträglich eingetretener Umstände nicht mehr in der Lage ist, seine Residenzpflicht zu erfüllen. Die Tatsache, dass die Bank dem Beklagten einen Kredit von 240.000,– € bewilligt hat, besagt nicht, dass der Beklagte sich als leistungsfähig ansehen durfte. Die Bewilligungsentscheidung ist in der Regel maßgeblich auch von der Eigenkapitalquote und der Sicherung des Kredits abhängig.
14

3.

Allerdings weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Verzinsungsregelung in Ziffer 6.6.3. Abs.2 des notariellen Kaufvertrages im Hinblick auf das Übermaßverbot Bedenken begegnet. Die Verzinsung für den Zahlungsanspruch wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht würde danach bereits vor Fälligkeit des Kaufpreises beginnen (vgl. hierzu BGH Urteil vom 06.11.2009, V ZR 63/09, zitiert nach juris). Angesichts der Tatsache, dass die vertragliche Regelung im vorliegenden Fall auch die Abschöpfung zwischenzeitlich eingetretener Wertsteigerungen vorsieht, ist die durch die Unwirksamkeit der Zinsregelung entstandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung nach Auffassung des Senats sachgerecht dahingehend zu schließen, dass der Beginn des Zinslaufs unter Beibehaltung des Zinssatzes an den Zeitpunkt des Rückforderungsverlangens, der auch den Fälligkeitszeitpunkt begründet (Ziffer 6.6.3. Abs.1 des Kaufvertrages), durch die Klägerin anknüpft. Aus diesem Grund schuldet der Beklagte eine Verzinsung des Rückforderungsbetrages erst ab dem 25.05.2010.
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4.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der Kosten für das Schiedsgutachten in Höhe von 503,05 €. Eine vertragliche Regelung zur Tragung der Kosten des Schiedsgutachtens findet sich in Ziffer 6.6.2. des Vertrages nicht. Ein Anspruch aus § 280 BGB scheidet ebenfalls aus. Die Einholung des Gutachtens war im Vertrag für den Fall des Bestehens von Meinungsverschiedenheiten zur Höhe des Verkehrswertes des unbebauten Grundstücks ausdrücklich vorgesehen. Die Annahme einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung des Beklagten vor Einholung des Schiedsgutachtens für den Fall, dass er den von der Klägerin behaupteten Verkehrswert in Zweifel zieht, widerspricht dem der Schiedsgutachtenabrede zugrundeliegenden Gedanken, einen aufkommenden Streit über diese Frage mit sachkundiger Hilfe zu lösen.
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5.

Schließlich besteht kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten, weil zum Zeitpunkt der Beauftragung noch kein Zahlungsverzug des Beklagten vorlag. Als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung sind sie ebenfalls nicht gerechtfertigt.
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6.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.2, 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht vorliegen.

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