OLG Frankfurt am Main, 28.10.2013 – 10 W 56/13

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 28.10.2013 – 10 W 56/13
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 09.07.2013 – 9 O 306/12 – wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
1

I.

Der Antragsteller und Beschwerdegegner beantragte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der … AG die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerin auf Zahlung von 428.112,86 € aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129, 134 Abs. 1 InsO.
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Das Landgericht Wiesbaden hat mit Beschluss vom 09.07.2013 die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt.
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Hiergegen hat die Staatskasse am 24.07.2013 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat der Bezirksrevisor ausgeführt, das Landgericht habe nicht hinreichend geprüft, weshalb ein Aufkommen für die Kosten den wirtschaftlich Beteiligten unzumutbar sei und daher die Voraussetzungen des § 116 S. 1 ZPO als erfüllt anzusehen seien.
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Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.09.2013 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beschwerde sei nicht statthaft, da der Staatskasse nur in dem beschränkten Umfang des § 127 Abs. 3 S. 1 ZPO ein Beschwerderecht zustehe.
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II.

Das Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen, weil es nicht statthaft ist.
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Die Staatskasse ist nicht beschwerdebefugt. Eine Beschwerde der Staatskasse findet nach § 127 Abs. 3 S. 1 ZPO nur statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Dementsprechend ist das Beschwerderecht der Staatskasse auf den Fall beschränkt, dass Prozesskostenhilfe bewilligt und weder Ratenzahlung aus dem Einkommen noch Zahlungen aus dem Vermögen angeordnet worden sind.
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Nach der Intention des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll die Beschwerde der Staatskasse nur dazu dienen, im Interesse der Haushaltsmittel der Länder zu Unrecht unterbliebene Zahlungsanordnungen nachträglich zu erreichen. Nur in diesem beschränkten Umfang einer Kontrolle von Bewilligungsentscheidungen, in denen Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt worden ist, ist der Staatskasse ein Beschwerderecht zugebilligt worden. Eine von der Staatskasse mit dem Ziel eingelegte Beschwerde, die Verweigerung von Prozesskostenhilfe zu erreichen, ist deshalb nicht statthaft (BGH, Urteil vom 19.09.2012, XII ZB 587/11, Rdn. 10; Urteil vom 26.09.2012, XII ZB 664/10, Rdn. 5f. – jeweils zitiert nach juris).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beschwerde der Staatskasse nicht statthaft, da sie nicht darauf gerichtet ist, dem Antragsteller die Leistung von Zahlungen auf die Kosten der Prozessführung aufzuerlegen. Mit der Beschwerdeschrift wird vielmehr gerügt, dass die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht hinreichend geprüft worden seien. Die Frage, ob den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen, entzieht sich aber der beschränkten Beschwerdebefugnis der Staatskasse nach § 127 Abs. 3 S. 1 ZPO.
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Die Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist auch nicht mit der Begründung statthaft, dies stelle eine greifbare Gesetzwidrigkeit dar.
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Zum einen ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine etwaige „greifbare Gesetzeswidrigkeit“ des angegriffenen Beschlusses. Nicht jede unrichtige Entscheidung ist „greifbar gesetzeswidrig“, sondern nur eine solche, die jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz derart fremd ist, dass sie offenbar dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und zu einer Rechtsanwendung führt, die das Gesetz ersichtlich ausschließen wollte (BGH, Beschluss vom 08.10.1992, VII ZB 3/92, Rdn. 6 – zitiert nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Die Staatskasse rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht die Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung durch die am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten – wohl auf Grundlage des einzig zur Verfügung stehenden Vermögensverzeichnisses; Anlage K3 – nicht hinreichend geprüft habe.
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Selbst wenn dies zutreffend sein sollte, würde es sich um einen typischen Rechtsanwendungsfehler handeln, der ein außerordentliches Rechtsmittel nicht eröffnet.
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Zum anderen ist in Fällen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ seit Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes am 1. Januar 2002 kein außerordentliches Rechtsmittel mehr gegeben. Danach findet auch eine auf grobe Gesetzesverstöße und Ermessensfehler beschränkte Nachprüfung selbst dann nicht mehr statt, wenn die Entscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzte oder aus sonstigen Gründen “ greifbar gesetzwidrig“ wäre. Dementsprechend wäre eine Korrektur auch nur noch innerhalb der Instanz auf Gegenvorstellung oder durch das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 07.03.2002, IX ZB 11/02, Rdn. 6ff. ; OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2002, 2 W 57/02, Rdn. 6ff. – jeweils zitiert nach juris; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 127, Rdn. 25).
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Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu ersetzen (§ 127 Abs. 4 ZPO.

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