OLG Frankfurt am Main, 10.10.2013 – 15 U 256/11

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 10.10.2013 – 15 U 256/11
Leitsatz

Zur Bedeutung von etwaigen Steuervorteilen im Rahmen der Schätzung des entgangenen Gewinns nach § 287 ZPO
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. November 2011 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Marburg unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen

– auf einen Betrag von € 315.000,00 in Höhe von 4 % p. a. für den Zeitraum vom 4. April 2003 bis zum 1. Februar 2006,

– auf einen Betrag von € 315.000,00 in Höhe von 2 % p. a. für den Zeitraum vom 2. Februar 2006 bis zum 26. Januar 2009,

– auf einen Betrag von € 315.000,00 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. für den Zeitraum vom 27. Januar 2009 bis zum 1. Januar 2012 sowie

– auf einen Betrag von € 60.000 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. für den Zeitraum vom 2. Januar 2012 bis zum 15. Februar 2012 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der …VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 resultieren.

3. Die Verurteilung der Beklagten aus den Ziff. 1 und 2 besteht Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der …VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIF Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.

5. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger Zinsen

– auf einen Betrag von € 52.500,00 in Höhe von 4 % p. a. für den Zeitraum vom 9. September 2003 bis zum 1. Februar 2006,

– auf einen Betrag von € 52.500,00 in Höhe von 2 % p. a. für den Zeitraum vom 2. Februar 2006 bis zum 26. Januar 2009,

– auf einen Betrag von € 52.500,00 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. für den Zeitraum vom 27. Januar 2009 bis zum 1. Januar 2012 sowie

– auf einen Betrag von € 10.000,00 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. für den Zeitraum vom 2. Januar 2012 bis zum 15. Februar 2012 zu zahlen.

6. Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der …VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 resultieren.

7. Die Verurteilung der Beklagten aus den Ziff. 5 und 6 besteht Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.

8. Es wird ferner festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.

9. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Beklagte zu 95,7 % und der Kläger zu 4,3 % zu tragen.

10. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gesamten aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1

I.

Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Rückabwicklung einer Kapitalanlage mit der Begründung, die Beklagte habe ihre Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag verletzt und schulde deshalb Schadensersatz.
2

Der Kläger war im Jahr 2003 sowohl Kunde der O1 Bank als auch der Beklagten. Nach Gesprächen mit Mitarbeitern der O1 Filiale der Beklagten zeichnete der Kläger am 4. April 2003 einen Anteil an dem Fonds … VlP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG(im Folgenden: VIP 3) in Höhe von € 300.000,00 zuzüglich eines Agios in Höhe von € 15.000,00. Am 9. September 2003 zeichnete der Kläger einen weiteren Anteil am VIP 3 in Höhe von € 50.000,00 zuzüglich eines Agios in Höhe von € 2.500,00. Dem Kläger wurde jeweils der Emissionsprospekt ausgehändigt. Die Einlagen brachte er jeweils aus eigenem Kapital auf.
3

Die Beklagte erhielt für den Vertrieb der Kapitalanlage eine Provision, die sich auf 8,25 % der Zeichnungssumme belief. Hierüber wurde zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern der O1 Filiale der Beklagten nicht gesprochen.
4

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihre Pflichten als Anlageberaterin verletzt, indem sie es versäumt habe, ihm die erhaltenen Provisionen zu offenbaren. Darüber hinaus habe sie ihn über die Risiken der Anlage nicht richtig aufgeklärt, weil bereits durch die Bezeichnung der Beteiligung als „Garantiefonds“ die unzutreffende Erwartung geweckt worden sei, hinsichtlich des eingezahlten Kapitals bestehe keinerlei Verlustrisiko. Die Beklagte schulde ihm daher die Rückzahlung seiner Einlagen und den Ersatz des ihm entgangenen Zinsgewinns aus einer alternativen Anlage in die A-Anleihe A-Credit, WKN 610061, ISIN…, sowie etwaiger steuerlicher und wirtschaftlicher Nachteile aus der Beteiligung Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten auf Übertragung der Beteiligung.
5

Der Kläger hat in der ersten Instanz folgenden Antrag gestellt:
6

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 315.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozent seit dem 4. April 2003 bis zur Rechtshängigkeit und ab Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
7

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 resultieren.
8

3. Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1-2 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
Hilfsweise:
Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1-2 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 an die Beklagte.
9

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIF Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 in Verzug befindet.
10

5. Die Beklagte wird zudem verurteilt, an den Kläger weitere € 52.500,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozent seit dem 9. September 2003 bis zur Rechtshängigkeit und ab Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
11

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 resultieren.
12

7. Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 6-7 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
Hilfsweise:
Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 6-7 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 an die Beklagte.
13

8. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 in Verzug befindet.
14

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
15

die Klage abzuweisen.
16

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe keinerlei Beratungspflichten verletzt. Schließlich sei auch der vorgeblich dem Kläger entgangene Gewinn nicht ausreichend dargelegt.
17

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
18

Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Marburg hat mit dem angegriffenen Urteil vom 1. November 2011 der Klage mit folgendem Tenor stattgegeben:
19

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 315.000,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von vier Prozent seit dem 4. April 2003 bis zur Rechtshängigkeit und ab Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
20

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 resultieren.
21

3. Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 1-2 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
22

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIF Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.
23

5. Die Beklagte wird zudem verurteilt, an den Kläger weitere € 52.500,00 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozent seit dem 9. September 2003 bis zur Rechtshängigkeit und ab Rechtshängigkeit Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.
24

6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 resultieren.
25

7. Die Verurteilung gemäß den Anträgen zu 6-7 erfolgt Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte.
26

8. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.
27

9. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
28

10. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
29

Dem angefochtenen Urteil liegt die Auffassung der Kammer zugrunde, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 249 BGB wegen schuldhafter Pflichtverletzung im Rahmen von Vertragsverhandlungen über einen Anlageberatungsvertrag sowie „wegen schuldhafter Pflichtverletzung des Anlageberatungsvertrages“. Die Beklagte habe nämlich bei den Verhandlungen über die schließlich am 4. April 2003 und am 9. September 2003 zwischen den Parteien zustande gekommenen Anlageberatungsverträge und im Rahmen der Anlageberatung die ihr obliegende Pflicht schuldhaft verletzt, den Kläger darauf hinzuweisen, dass sie für die Vermittlung der Beteiligung des Klägers eine Rückvergütung in Höhe von 8,25 % erhalte.
30

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 9. November 2011 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 9. Dezember 2011 eingegangenen Berufung, die sie mit einem am 2. März 2010 eingegangenen Anwaltsschriftsatz vom selben Tage begründet hat.
31

Mit Wertstellung zum 2. Januar 2012 hat der Kläger von der Fondsgesellschaft VIP 3 eine Zahlung in Höhe von insgesamt € 297.500,00 erhalten. Zudem haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt, dass die Beklagte am 16. Februar 2012 auf die Hauptforderung aus den Ziff. 1 und 5 des Tenors des angegriffenen Urteils € 70.000,00 an den Kläger gezahlt hat. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von € 297.500,00 sowie in Höhe von € 70.000,00 für erledigt erklärt (s. Bl. 237 Bd. IX).
32

Die Beklagte hat ihre Berufung im Wesentlichen auf die Nebenforderungen beschränkt. Die Kammer habe dem Kläger zu Unrecht entgangenen Gewinn in Höhe von 4 % p. a. zugesprochen. Es könne nicht unterstellt werden, dass ein Anleger, der sich an einem Steuersparmodell beteiligt habe, bei Kenntnis der Erfolglosigkeit der Anlage stattdessen das Geld in einen Sparvertrag oder Festgeld anlege. Auf die allgemeine Behauptung, das Geld alternativ zu 4 % p. a. angelegt zu haben, könne daher kein entgangener Gewinn nach § 252 BGB in Verbindung mit § 287 ZPO zugesprochen werden. Es werde bestritten, dass der Kläger ohne Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung das Geld in A-Anleihen investiert hätte. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 2. März 2012 (Bl. 133 ff. Bd. IX d. A.) Bezug genommen.
33

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
34

das Urteil des Landgerichts Marburg vom 1. November 2011, Az. 7 O 246/09, unter Anpassung des Kostentenors abzuändern, den Urteilstenor wie folgt neu zu fassen und im Übrigen die Klage abzuweisen:
35

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen auf einen Betrag in Höhe von € 60.000,00 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
36

2.-4. bleibt unverändert
37

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen auf einen Betrag in Höhe von € 10.000,00 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
38

6.-8. bleibt unverändert.
39

Der Kläger beantragt sinngemäß,
40

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen
41

– auf € 315.000,00 in Höhe von 4 % p. a. seit dem 4. April 2003 bis Rechtshängigkeit,
42

– auf € 315.000,00 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. ab Rechtshängigkeit bis zum 1. Januar 2012 sowie
43

– auf 60.000 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. in dem Zeitraum vom 2. Januar 2012 bis zum 15. Februar 2012 zu zahlen,
44

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von ihm am 4. April 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 300.000,00 resultieren, insbesondere auch von Nachteilen, die dem Kläger im Zusammenhang mit der Liquidation der Fondsgesellschaft entstanden sind oder noch entstehen (Hervorhebung im Original),
45

3.-4. unverändert
46

5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen
47

– auf € 52.500,00 in Höhe von 4 % p. a. seit dem 9. September 2003 bis Rechtshängigkeit,
48

– auf € 52.500,00 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. ab Rechtshängigkeit bis zum 1. Januar 2012 sowie
49

– auf € 10.000,00 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. vom 2. Januar 2012 bis zum 15. Februar 2012 zu zahlen,
50

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von ihm am 9. September 2003 gezeichneten Beteiligung an der … VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG im Nennwert von € 50.000,00 resultieren, insbesondere auch von Nachteilen, die dem Kläger im Zusammenhang mit der Liquidation der Fondsgesellschaft entstanden sind oder noch entstehen (Hervorhebung im Original),
51

7.-10. unverändert.
52

Im Übrigen beantragt der Kläger,
53

die Berufung zurückzuweisen.
54

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Die Kammer habe ihm zu Recht entgangenen Gewinn zugesprochen. Dieser könne hier geschätzt werden. Erstinstanzlich sei hinreichend dargelegt worden, dass der Kläger zur Vervollständigung seines Portfolios auf eine sichere Anlage habe setzen wollen. Zu seinen Gunsten sei daher zu vermuten, dass er das bei der Fondsgesellschaft VIP 3 investierte Geld bei fehlerhafter Beratung anderweitig und sicher angelegt hätte. Dieser Anspruch sei auch prozessual ordnungsgemäß geltend gemacht worden. Die Bestimmung der Höhe einer Alternativanlage sei in das Ermessen des Gerichts erster Instanz gestellt worden. Bei der Schätzung der Zinshöhe gemäß § 287 ZPO sei zu beachten, dass er sicherheitsorientiert habe anlegen wollen. Insoweit sei auf den Zinssatz festverzinslicher Anlagen mit einer langen Laufzeit abzustellen. Die geltend gemachten 4 % seien bei einer sicheren Anlage mit einer Laufzeit von 2003 bis 2011 durchaus mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erzielen gewesen. Er hätte anstatt in eine VIP-Beteiligung in eine festverzinsliche inländische Inhaberschuldverschreibung mit einer Laufzeit bis 2011 mit einem Zinssatz von mindestens 4,4 % investieren können.
55

Er habe gegenüber der Beklagten ein Anlageprofil formuliert. Die Anlage habe – erstens – langfristig sein sollen. Ihm sei wichtig gewesen, dass die Anlage nicht wie ein Aktiendepot einer ständigen Pflege des Klägers bedürfe. Das angelegte Kapital habe – zweitens – nach vernünftiger Einschätzung weitgehend sicher sein sollen. Schließlich habe – drittens – eine Rendite erwirtschaftet werden sollen, wobei dem Kläger klar gewesen sei, dass hohe Renditen nur mit zusätzlichem Risiko erwirtschaftet würden. Entsprechend dieser Vorgabe habe ein Berater der O1-Bank, der zweiten Bank des Klägers, diesem im Dezember 2002 ein Investment in eine A-Unternehmensanleihe vorgeschlagen. Der Berater der B-Bank hingegen habe im Jahr 2003 ein Investment in den streitgegenständlichen Medienfonds VIP 3 vorgeschlagen. Für die Entscheidung für ein konkretes Produkt seien die steuerlichen Vorteile nur insoweit interessant gewesen, wie diese die Gesamtrendite beeinflusst hätten. Die Anlageform Medienfonds sei also nicht deshalb in die engere Wahl gekommen, weil sie steuerliche Vorteile geboten, sondern weil sie gute Renditen versprochen habe. Auch andere Anlageoption wie Bundesschatzbriefe seien nach diesem Anlageschema bewertet worden und wären für den Kläger durchaus eine Option gewesen.
56

Aufgrund der Beratung durch den Berater der O1-Bank habe der Kläger am 2. Januar 2003 einen Betrag in Höhe von 100.000 US-Dollar in die bis zum 1. Februar 2006 laufende A-Anleihe A-Credit, WKN 610061, ISIN …, investiert (Verzinsung: 6,875 % p. a.; s. näher Bl. 180 Bd. VIII d. A.). Unter Einbeziehung eines Fremdwährungsgewinns und des Agios habe der Kläger mit der A-Anleihe eine Rendite von ca. 9,595 % erwirtschaftet. Ohne die Anlageempfehlung des Beraters der Beklagten, in den Medienfonds VIP 3 zu investieren, hätte der Kläger die A-Anleihe „höher gezeichnet“. Die Rendite in Höhe von 9,595 % aus diesem zusätzlichen Investment in die A-Anleihe sei dem Kläger entgangen.
57

Falsch sei in diesem Zusammenhang die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe Steuervorteile generieren wollen. Ziel des Klägers sei es gewesen, mit einer sicheren Anlage eine gute Rendite zu erwirtschaften. Letzteres sei auch durch eine steuerliche Verschiebung erreichbar, aber eben nicht nur. Für die Generierung eines Steuervorteils wäre der Fonds VIP 3 auch gar nicht geeignet gewesen, weil er keine dauerhaften Steuervorteile bringe, sondern lediglich eine steuerliche Verschiebung.
58

Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 hat der Senat der Beklagten auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt (Bl. 150 f. Bd. IX).
59

III.

Die Berufung ist zulässig.
60

Die Berufung der Beklagten gegen das angegriffene Urteil ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Mit dem erwähnten Beschluss vom 26. Juni 2012 hat der Senat der Beklagten auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt. An einen derartigen Beschluss ist der Senat in entsprechender Anwendung des § 318 ZPO gebunden, sofern dieser nicht unter Verletzung des Anspruchs der Gegenseite auf rechtliches Gehör ergangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.06.1995 – XI ZB 9/95, NJW 1995, 2497; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 238, Rdnr. 12), was hier nicht der Fall ist. Angesichts der innerprozessualen Bindungswirkung dieses Beschlusses über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten vom 26. Juni 2012 muss sich der Senat nicht mehr mit der Frage befassen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hier tatsächlich vorgelegen haben. Die durch die Beklagte vorgenommene Beschränkung der Berufung ist wirksam.
61

IV.

In der Sache erzielt die Berufung der Beklagten einen Teilerfolg.
62

Art und Höhe des Schadensersatzes aufgrund der Verletzung (vor-)vertraglicher Aufklärungspflichten richten sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB. Der geschädigte Anleger kann somit auch Ersatz des entgangenen Gewinns gemäß § 252 BGB verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2000 – XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1443; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2433). Ihm kommt hierbei die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zugute. Der geschädigte Anleger kann sich auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, dass Eigenkapital ab einer gewissen Höhe nicht ungenutzt liegen bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.1991 – II ZR 141/90, WM 1992, 143, 144; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2433). Zur Feststellung der Höhe des allgemein üblichen Zinssatzes kann der Tatrichter von der Möglichkeit einer Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2002 – II ZR 355/00, NJW 2002, 2553; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2433). Das rechtfertigt zwar nicht die Annahme eines (zu schätzenden) Mindestschadens unabhängig vom konkreten Parteivortrag (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.1994 – XI ZR 238/93, WM 1994, 2073, 2075; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2433). Der Anleger muss jedoch nur darlegen, welcher Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft erzielt worden wäre. An diese Darlegung sind keine strengen Anforderungen zu stellen, vielmehr genügt eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ (s. BGH, Urteil vom 30.05.2001 – VIII ZR 70/00, WM 2001, 2010, 2011; Urteil vom 18.02.2002 – II ZR 355/00, WM 2002, 909, 911; Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2433; BAG, Urteil vom 26.09.2012 – 10 AZR 370/10, NJW 2013, 331, 332). § 287 ZPO dehnt nämlich das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1997 – X ZR 2/96, GRUR 1997, 741, 743; BAG, Urteil vom 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NJW 2008, 872, 877; Urteil vom 26.09.2012 – 10 AZR 370/10, NJW 2013, 331, 332). Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2009 – VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404, 1406; BAG, Urteil vom 26.09.2012 – 10 AZR 370/10, NJW 2013, 331, 332).
63

Die 7. Zivilkammer hat in dem angegriffenen Urteil zu der Frage des entgangenen Gewinns ausgeführt (S. 24 des Urteils, Bl. 25 Bd. IX d. A.):
64

„Zumindest mit Schriftsatz vom 09.09.2011 hat der Kläger detailliert dargelegt, dass und weshalb er bei Nichtzeichnung des verfahrensgegenständlichen Fonds stattdessen in die A-Anleihe A-Credit, WKN 610061, ISIN … investiert hätte. Auf dieser Grundlage ist nach Auffassung der Kammer von einem entgangenen Gewinn des Klägers zumindest im beantragten und zuerkannten Umfang auszugehen (§ 287 ZPO)“.
65

Die durch die Kammer in Bezug genommene Passage aus dem Schriftsatz des Klägers vom 9. September 2011 (Bl. 177 ff. Bd. VIII d. A.) ist nahezu vollständig wortgleich mit den oben wiedergegebenen Ausführungen des Klägers in seiner Berufungserwiderung.
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Nach den oben skizierten Maßstäben ist die Kammer hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger hinreichend substantiiert dargelegt hat, dass er bei Nichtbezeichnung des Medienfonds VIP 3 stattdessen die A-Anleihe „höher gezeichnet“ hätte. Besondere Bedeutung für die Frage, wie das Kapital anderweitig investiert worden wäre, kommt nämlich dem – nicht durch Täuschungen getrübten – Anlageverhalten kurz vor der Investition und während der Laufzeit der Anlage zu (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.05.2013 – XI ZR 148/11, juris; Junglas, BKR 2013, 360, 363). Im vorliegenden Fall erscheint der Vortrag des Klägers nicht zuletzt angesichts der zeitlichen Nähe der tatsächlich erfolgten Kapitalanlagen sehr plausibel (A-Anleihe: 2. Januar 2003; Medienfonds VIP 3: 4. April 2003 und 9. September 2003). Damit besteht eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“, dass der Kläger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der A-Anleihe einen (Zins-)Gewinn in Höhe von mindestens 4 % p. a. erzielt hätte, wenn er nicht die entsprechende Beträge auf Empfehlung der Beklagten am 4. April 2003 und 9. September 2003 in den Medienfonds VIP 3 investiert hätte.
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Die Einwände der Beklagten gegen diese Sichtweise (vgl. insbesondere den Schriftsatz vom 26. Juli 2013, Bl. 208 ff. Bd. IX) sind nicht stichhaltig. Die Argumentation der Beklagten, der Kläger hätte ohne die streitgegenständlichen Beteiligungen im Jahre 2003 eine um € 224.885,00 höhere Steuerlast gehabt, so dass dieser Betrag dem Kläger für Kapitalanlagen nicht zur Verfügung gestanden hätte, geht fehl. So verkennt die Beklagte bereits, dass der Kläger offenbar in der Lage gewesen ist, die in die streitgegenständliche Beteiligung investierten Beträge auch einzuzahlen. Die entsprechenden Beträge standen ihm also tatsächlich zur Verfügung. Es ist auch weder von der Beklagten vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass der Kläger über die investierten Beträge nur deswegen verfügen konnte, weil sie ihm etwa durch ein Darlehen eines Dritten (Fremdkapital) zur Verfügung gestellt worden sind, so dass offen bleiben kann, ob in einem derartigen Fall eine andere Beurteilung angezeigt sein könnte. Bereits der Fondsprospekt hatte den Kläger überdies darüber aufgeklärt, dass er sich auf die angeblichen steuerlichen Vorteile der streitgegenständliche Beteiligung nicht verlassen konnte (s. Bl. 78 RS Bd. I).
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Überdies besteht hinsichtlich der Frage, ob sich in Fällen wie dem vorliegenden der Anleger auf den Schadensersatzanspruch etwaige Steuervorteile anrechnen lassen muss, Einigkeit, dass eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit einer hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, weswegen etwaige Steuervorteile regelmäßig außer Betracht bleiben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.03.2008 – III ZR 298/05, NZG 2008, 828, 831 m. w. N.; s. dazu auch S. 23 des angegriffenen Urteils). Dieser Gedanke muss im Rahmen des § 287 ZPO erst recht Anwendung finden.
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Auch der Einwand der Beklagten, sie habe erstinstanzlich unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Kläger eine steueroptimierte Beteiligung mit steuerlicher Verlustzuweisung gesucht habe (vgl. insbesondere S. 2 f. des Schriftsatzes vom 26.07.2013, Bl. 209 f. Bd. IX), vermag kein anderes Ergebnis zu tragen. Richtig ist allerdings, dass die Beklagte in erster Instanz unter Beweisantritt (Zeugnis dreier Mitarbeiter der Beklagten) vorgetragen hatte, dass für den Kläger „damals die steuerliche Verlustzuweisung im Vordergrund“ gestanden hätte (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 11.03.2009, Bl. 360 Bd. III; s. auch Bl. 46 Bd. VII und Bl. 214 ff. Bd. VIII und Bl. 258 f. Bd. VIII).
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Nach § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO bleibt es jedoch dem Ermessen des Senats überlassen, ob und inwieweit in Bezug auf einen möglicherweise entgangenen Gewinn eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen ist. Allerdings hat der Senat auch in diesem Rahmen über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen Beweis zu erheben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.04.1997 – X ZR 2/96, GRUR 1997, 741, 743 m. w. N.).
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Eine solche Beweiserhebung durch Vernehmung der benannten Zeugen ist hier gleichwohl entbehrlich. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten einmal unterstellt, dass für den Kläger „damals die steuerliche Verlustzuweisung im Vordergrund“ gestanden hat, kann man daraus jedoch kaum den Schluss ziehen, dass der Kläger jegliche anderweitige Anlage der in die VIP 3-Fonds investierten Beträge unterlassen hätte. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass es damals „keine vergleichbare, steueroptimierende Kapitalanlage mit einer derartigen Rendite“ gegeben hätte (s. Bl. 215 f. Bd. VIII). Vor diesem Hintergrund entspricht es dem „gewöhnlichen Lauf der Dinge“ im Sinne des § 252 Satz 2 BGB, dass der Kläger die entsprechenden Geldbeträge nicht – bildlich gesprochen – unter das Kopfkissen gelegt, sondern vielmehr in eine andere Kapitalanlage investiert hätte. Gerade wenn es „keine vergleichbare, steueroptimierende Kapitalanlage mit einer derartigen Rendite“ gegeben haben sollte, liegt es nahe, dass der Kläger dann die ohnehin gezeichnete A-Anleihe mit einem höheren Betrag versehen hätte. Da der Kläger seine sonstigen Kapitalanlagen unstreitig recht breit gestreut hatte (vgl. etwa die zusammen mit dem Anwaltsschriftsatz vom 26. Juli 2013 vorgelegte „Anlage zum Einkommensteuerbescheid 2005“, aus dem eine Vielzahl von Beteiligungen des Klägers ersichtlich sind, Bl. 215 Bd. IX), kann auch keine Rede davon sein, dass insofern eine „Klumpenrisiko“ entstanden wäre.
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Allerdings hat die Kammer dem Kläger zu Unrecht entgangenen Gewinn in Höhe von 4 % p. a. für den gesamten Zeitraum zwischen dem 4. April 2003 und der Rechtshängigkeit der Streitsache (26. Januar 2009, s. Bl. 318 RS Bd. III d. A.) zugesprochen. Richtigerweise ist stattdessen zu differenzieren. Die Kammer hat nämlich in dem angegriffenen Urteil außer Acht gelassen, dass die A-Anleihe lediglich eine Laufzeit bis zum 1. Februar 2006 hatte. Für den Zeitraum zwischen dem 2. Februar 2006 und Rechtshängigkeit hat der Kläger jedoch nicht dargelegt, welchen Gewinn er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft erzielt hätte.
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Der Kläger hat lediglich mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010 (Bl. 134 Bd. IV d. A.) vorgetragen, er hätte in eine inländische Inhaberschuldverschreibung mit einer Laufzeit bis 2011 und einem Zinssatz von mindestens 4,4 % p. a. investieren können. Als Beleg für diesen Zinssatz hat er auf eine Bundesbankstatistik Bezug genommen (Anlage CoBa 21). Diese Anlage ist diesem Schriftsatz jedoch nicht beigefügt; auf die Anlage CoBa 20 (Bl. 184 ff. Bd. IV d. A.) folgt die Anlage CoBa 22 (Bl. 192 Bd. IV d. A.). In dem von der Kammer in Bezug genommenen Schriftsatz vom 9. September 2011 (Bl. 177 ff. Bd. VIII d. A.) ist der Kläger auf diese Möglichkeit nicht mehr zurückgekommen. Vor diesem Hintergrund ist von dem zuletzt gehaltenen Vortrag des Klägers (Investition in die A-Anleihe als Ersatzgeschäft) auszugehen. Im Übrigen ist ohnehin zweifelhaft, ob der bloße Verweis auf eine Statistik insoweit einen hinreichenden Vortrag darstellt, da es nicht um die Frage geht, ob ein durchschnittlicher Anleger in einem bestimmten Zeitraum einen bestimmten Zinsgewinn erzielt hätte, sondern ob gerade der Kläger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft einen bestimmten Gewinn erzielt hätte.
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Damit kann der Kläger für diesen Zeitraum keinen entgangenen (Zins-)Gewinn in Höhe von 4 % p. a. beanspruchen. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kann nämlich nicht mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% verzinst (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2012 – XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266, 2267). In Ermangelung einer näheren (konkreten) Darlegung des Klägers schätzt der Senat daher für den Zeitraum zwischen dem 2. Februar 2006 und Rechtshängigkeit den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit einem anderen Anlagegeschäft zu erzielenden Gewinn auf 2 % p. a. (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2010 – 19 U 107/10, juris; Urteil vom 16.03.2011 – 19 U 126/10, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2433). Mithin ist dem Kläger für den Zeitraum zwischen dem 4. April 2003 und dem 1. Februar 2006 ein (Zins-)Gewinn in Höhe von 4 % p. a. und für den Zeitraum zwischen dem 2. Februar 2006 und der Rechtshängigkeit der Streitsache (26. Januar 2009) ein (Zins-)Gewinn in Höhe von 2 % p. a. entgangen.
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Entsprechendes gilt für das zweite Investment des Klägers in den Medienfonds VIP 3 am 9. September 2003. Insoweit ist dem Kläger für den Zeitraum zwischen dem 9. September 2003 und dem 1. Februar 2006 ein (Zins-)Gewinn in Höhe von 4 % p. a. und für den Zeitraum zwischen dem 2. Februar 2006 und der Rechtshängigkeit der Streitsache (26. Januar 2009) ein (Zins-)Gewinn in Höhe von 2 % p. a. entgangen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92, 91a, 97 Abs. 1 ZPO. In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass bei einem (Teil-)Unterliegen mit Nebenforderungen, die betragsmäßig – wie hier – mehr als 10 % der Hauptforderung ausmachen, ein fiktiver Streitwert zu bilden ist, aus dem die Quote nach § 92 ZPO zu berechnen ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28.04.1988 – IX ZR 127/87, NJW 1988, 2173, 2175; KG, Urteil vom 16.05.2013 – 8 U 258/11, juris; Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 92, Rdnr. 4). Danach war hier eine Quote aus dem wirtschaftlichen Wert des Begehrens des Klägers (€ 315.000,00 + € 52.500 + Zinsen in Höhe von insgesamt € 142.996,41 = € 510.496,41) auf der einen Seite und dem wirtschaftlichen Wert der gezahlten Beträge zuzüglich der von dem Senat ausgeurteilten Beträge (€ 315.000,00 + € 52.500 + Zinsen in Höhe von insgesamt € 121.067,24 = € 488.567,24) auf der anderen Seite zu bilden.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen.
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Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 – 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572, 573; Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236, Beschluss vom 29.09.2010 – 1 BvR 2649/06, juris; BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02; NJW 2002, 3029; Ball, in: Musielak (Hrsg.), Kommentar zur ZPO, 10. Aufl. 2013, § 543 ZPO Rdnr. 5; Heßler, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 543 Rdnr. 11; Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.04.2013, § 543 Rdnr. 19). Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles geprägte Entscheidung.
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Ebenso wenig ist die Zulassung der Revision zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich.

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