OLG Frankfurt am Main, 18.09.2013 – 7 U 145/12

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 18.09.2013 – 7 U 145/12
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.03.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages geleistet hat.Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe

I.

Die Klägerin hat im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes einer bei der Beklagten genommenen, gekündigten Lebensversicherung aus abgetretenem Recht geltend gemacht.

Ursprünglich war Herr A Versicherungsnehmer des bei der Beklagten unterhaltenen Lebensversicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer …1. Er trat seine Ansprüche und Rechte aus der Lebensversicherung mit Vertrag vom 22.12.2010 an die Klägerin, eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in Land1, ab. Bei der Klägerin handelt es sich laut Handelsregister um eine Prozessfinanzierungsgesellschaft, die eine Vielzahl von gleich gelagerten Fällen – zum Beispiel an sie abgetretene Rückkaufsansprüche aus beendeten Lebensversicherungsverträgen – bündelt und die Ansprüche gegen eine Erfolgsbeteiligung durchsetzt. In das Rechtsdienstleistungsregister der Bundesrepublik Deutschland ist sie nicht eingetragen. Sie gehört einer Gruppe von Investoren an, die sich in einer B Stiftung zusammengeschlossen haben, und führt ihr operatives Geschäft in Deutschland durch.

In den dem Kauf- und Abtretungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen, Stand 27.09.2010 (im Weiteren: Bedingungen), ist unter § 3 Abs. 1 vereinbart, dass der Kaufpreis in Höhe des Rückkaufswertes und 25 % aller künftigen Erstattungen sich nach dem von der Gesellschaft im Zuge der Kauf- und Abtretungsvereinbarung übermittelten und zur Auszahlung kommenden Nettoauszahlungsbetrages nach Abzug von Steuern, Abgaben und Gebühren richtet. Gemäß § 3 Abs. 4 der Bedingungen ist der Kaufpreis auf das Fremdgeldkonto einzuziehen und unter Abzug der vereinbarten Gebühren innerhalb von zehn Banktagen nach Eingang des Geldes an den Verkäufer auf das genannte Konto des Verkäufers oder auf ein anderes von ihm benanntes Konto eines Dritten zu überweisen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung sowie der Bedingungen wird auf deren Inhalt Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Abtretung mit Schreiben vom 14.01.2011 angezeigt, den Versicherungsvertrag gegenüber der Beklagten widerrufen und die Erstattung der Prämien gefordert, hilfsweise gekündigt und den Rückkaufswert verlangt.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 29.03.2011, die Auszahlung des Rückkaufswertes erst vornehmen zu wollen, wenn die Klägerin sich nach dem Geldwäschegesetz identifiziert habe und übersandte ein auszufüllendes Formular mit Fragen. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 04.04.2011; darüber, ob ihre Auskünfte ausreichend gewesen sind, streiten die Parteien.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, sie habe unabhängig von der Frage, ob sie zur Auskunft nach dem Geldwäschegesetz überhaupt verpflichtet sei, jedenfalls ausreichend Auskunft erteilt.

Ursprünglich hatte die Klägerin im Rahmen der Stufenklage zunächst beantragt, die Beklagte zur Auskunftserteilung über den nach Kündigung zu ermittelnden Rückkaufswert der Lebensversicherung zu verurteilen. Die Beklagte hat den Auskunftsanspruch mit ihrer Klageerwiderung vom 06.01.2012 anerkannt und wurde antragsgemäß durch das Urteil des Landgerichts vom 10.01.2012 zur Auskunftserteilung verurteilt. Sie teilte einen Rückkaufswert in Höhe von 8.209,25 € mit und verweigerte unter Hinweis auf das Geldwäschegesetz die Auszahlung.

Die Klägerin hat sodann beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.209,25 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie 718,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, sie habe zur Auskunftsklage keinen Anlass gegeben, da die Klägerin bis zur Klageerhebung nicht um Auskunft gebeten habe. Im Übrigen sei sie zur Auszahlung nicht verpflichtet, da sie zur Identifizierung und zur Klärung, ob die Klägerin für einen wirtschaftlich Berechtigten handle, verpflichtet sei. Die Beklagte sei der ihr obliegenden Verpflichtung, entsprechend Auskunft zu erteilen, nicht ausreichend nachgekommen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang stattgegeben und lediglich die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten nicht zuerkannt. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Klägerin ein Anspruch aus abgetretenem Recht auf Auszahlung des Rückkaufswertes nach Kündigung des Lebensversicherungsvertrages zustehe. Die Beklagte könne kein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen. Zwar finde vorliegend das Geldwäschegesetz Anwendung, so dass die Klägerin verpflichtet sei, ausreichende Auskünfte im Sinne dieses Gesetzes zu geben. Dem sei sie jedoch in ausreichender Weise nachgekommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung und macht insbesondere nochmals ihre Auffassung geltend, dass ihr ein Leistungsverweigerungsrecht aufgrund der nach wie vor nicht erfüllten Voraussetzungen nach dem Geldwäschegesetz zustehe.

Darüber hinaus vertritt die Beklagte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 05.07.2013 auf die in der mündlichen Verhandlung durch den Senat erteilten Hinweise die Auffassung, dass der Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer A und der Klägerin wegen des Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (im Weiteren: RDG) nichtig sei. Die Tätigkeit der Klägerin stelle eine unzulässige Inkassotätigkeit dar, da die Klägerin unstreitig nicht über die erforderliche Erlaubnis verfüge. Der räumliche Anwendungsbereich des RDG sei eröffnet, da ihre Tätigkeit unmittelbar in Deutschland Wirkung entfalte. Es handele sich vorliegend nicht um eine eigene Forderung der Klägerin, da sie nicht das Bonitätsrisiko übernommen habe; der Versicherungsnehmer A sei wirtschaftlich an dem Ergebnis der Forderungseinziehung beteiligt, erhalte keinen von vornherein festgelegten Kaufpreis und diesen auch nur dann, wenn die Klägerin erfolgreich gewesen sei. Es bestehe zudem eine Innenbindung, da die Klägerin zur Geltendmachung des Mehrerlöses verpflichtet sei. Darüber hinaus liege auch eine unzulässige außergerichtliche Rechtsdienstleistung vor, da die Klägerin eine rechtliche Prüfung hinsichtlich über den Rückkaufswert hinaus gehender Ansprüche vornehme.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Insbesondere ist sie der Auffassung, ihr stehe ein fälliger Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes zu. Sie habe die Anforderungen des Geldwäschegesetzes erfüllt.

Darüber hinaus vertritt sie mit ebenfalls nachgelassenem Schriftsatz vom 28.06.2013 die Auffassung, dass kein Verstoß gegen das RDG vorliege, da sie ausschließlich Forderungen aus eigenem Recht geltend mache und damit keine Inkassotätigkeit ausübe. Die Formulierungen im Kauf- und Abtretungsvertrag der Parteien seien missverständlich formuliert und im Sinne des zwischen der Klägerin und dem Versicherungsnehmer A am 05.06.2013 geschlossenen Auslegungs- und Abänderungsvertrags zu verstehen. Danach sei die Auszahlung des Kaufpreises in Gestalt des Rückkaufswertes fällig, sobald die Klägerin das Bestätigungsschreiben der Beklagten sowie die aktuelle Wertermittlung erhalten habe. Hinsichtlich des Mehrerlöses bestehe für die Klägerin keinerlei Verpflichtung, diesen Anspruch zu verfolgen, was zeige, dass es sich auch insoweit um eine eigene Forderung der Klägerin handele. Entscheide sie sich zur Beitreibung, trage sie das volle Risiko der Nichtdurchsetzbarkeit. Im Übrigen stelle diese Verfolgung des Mehrerlöses nur einen geringen Teil ihrer Tätigkeit dar, womit sie zudem Rechtsanwälte beauftrage.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag zu. Sie ist nämlich nicht Inhaberin der streitgegenständlichen Forderung geworden, weil der mit dem Versicherungsnehmer A geschlossene Kauf- und Abtretungsvertrag sowie die Abtretung als solche gemäß § 134 BGB nichtig sind, denn die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit verstößt gegen das RDG.

Die aufgrund des Vertrages von der Klägerin geschuldete Tätigkeit stellt eine Rechtsdienstleistung in Form einer erlaubnispflichtigen Inkassotätigkeit nach § 2 Abs. 2 RDG dar, ohne dass die Klägerin die dafür nach § 10 RDG erforderliche Erlaubnis besitzt.

Der räumliche Anwendungsbereich des RDG ist vorliegend eröffnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 05.10.2006, Az. I ZR 7/04; zitiert nach Juris) wird die Rechtsbesorgung aus dem Ausland jedenfalls dann von dem damals noch geltenden Rechtsberatungsgesetz erfasst, wenn die Tätigkeit im Inland erfolgt ist und nicht nur mittelbare Wirkungen entfaltet. Der Sitz der Niederlassung des Rechtsbesorgers ist danach hingegen kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage der Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes. Diese Grundsätze sind auch auf das RDG anzuwenden (OLG Nürnberg, Urteil vom 20.12.2012, Az. 8 U 607/12; zitiert nach Juris).

Voraussetzung für die Anwendung des RDG ist deshalb, dass ein Rechtsdienstleister dauerhaft und zielgerichtet auf dem deutschen Beratungsmarkt tätig wird (Dreyer/Lamm/Müller, RDG, 1. Auflage 2009, § 1 Rn. 2 ff., 7). Dies trifft auf die Klägerin zu. Sie betreibt ihr Geschäftsmodell unstreitig in Deutschland und arbeitet zu diesem Zweck mit einem Servicedienstleiter mit Sitz in Stadt1 zusammen. Ihre Aktivitäten wirken sich damit hier unmittelbar aus. Darüber hinaus haben die Klägerin und der Versicherungsnehmer in § 5 der Bedingungen für den Streit über Wirksamkeit und Inhalt des Vertrages die Anwendung deutschen Rechts vereinbart.

Auch der sachliche Anwendungsbereich des RDG ist vorliegend eröffnet, weil es gemäß § 1 Abs. 1 RDG um eine außergerichtliche Dienstleistung geht.

Nach § 2 Abs. 2 RDG ist die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung), Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes und gemäß § 3 RDG nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt ist. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG dürfen Inkassodienstleistungen nur bei der zuständigen Behörde registrierte Personen erbringen, zu denen die Klägerin nicht gehört.

Ob die Einziehung auf fremde Rechnung geschieht, richtet sich danach, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zugutekommt. Neben dem Wortlaut des Vertrages und der Art des geschlossenen Vertrages kommt es für die Beurteilung vor allem auf eine wirtschaftliche Betrachtung der getroffenen Vereinbarung an. Maßgeblich ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, das heißt das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung übernimmt (BGH, Beschluss vom 11.06.2013, Az. II ZR 245/11; zitiert nach Juris). So fehlt es bei der Forderungseinziehung auf fremde Rechnung – anders als beim echten, von dem Anwendungsbereich des RDG nicht erfassten Forderungskauf – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Entscheidung vom 23.01.1980, Az. VIII ZR 91/79; zitiert nach Juris) schon deshalb an einer Übernahme des wirtschaftlichen Risikos, weil der Verkäufer nicht wie sonst bei einem Kaufgeschäft üblich sofort den Kaufpreis erhält (BGH, Urteil vom 30.10.2012, Az. XI ZR 324/11, zitiert nach Juris). Beim echten Forderungskauf erhält der Versicherungsnehmer den Gegenwert für seine Forderung nach Abzug entsprechender Gebühren sofort, obwohl die Forderung regelmäßig erst später fällig wird. In dieser Vorfinanzierung liegt für den Versicherungsnehmer gerade der entscheidende wirtschaftliche Vorteil. Darüber hinaus übernimmt der Forderungskäufer damit neben der mit der Einziehung der Forderung verbundenen Dienstleistung auch das Risiko der Beitreibung der Forderung und der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Einziehung von an die Klägerin abgetretenen Ansprüchen aus dem Lebensversicherungsvertrag zwischen dem Versicherungsnehmer A und der Beklagten, nämlich der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes nach Vertragskündigung sowie des möglichen Mehrerlöses. Diese Abtretung an die Klägerin ist zum Zwecke der Forderungseinziehung auf fremde Rechnung, nämlich auf Rechnung des Versicherungsnehmers A, erfolgt. Es fehlt vorliegend bereits an der für den echten Forderungskauf typischen Vorfinanzierung. Nach § 3 Abs. 1 der Bedingungen hängt nämlich die Höhe wie auch die Auszahlung des Kaufpreises von dem Eingang einer Bestätigung der beklagten Versicherung bei der Klägerin sowie nach § 3 Abs. 4 S. 1 der Bedingungen von dem Eingang des Geldes bei der Klägerin ab. Der Versicherungsnehmer erhält damit den Kaufpreis erst und nur dann, wenn die Klägerin erfolgreich gegen die beklagte Versicherung vorgegangen ist; erst dann ist nach den Bedingungen der Kaufpreis fällig. Die Klägerin trägt damit weder das Risiko der Zahlungsunfähigkeit noch der Beitreibung der Forderung; dieses verbleibt vielmehr vollständig bei dem Versicherungsnehmer (so auch OLG Nürnberg in einem gleichgelagerten Fall, Urteil vom 20.12.2012, Az. 8 U 607/12; zitiert nach Juris).Schließlich wird auch aufgrund der erfolgsabhängigen Beteiligung des Versicherungsnehmers an dem möglichen Mehrerlös deutlich, dass der Versicherungsnehmer nach wie vor ein erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse an der Forderungsbeitreibung hat. Die Einziehung erfolgt auch nicht deshalb auf eigene Rechnung, weil die Klägerin an dem eingezogenen Betrag beteiligt ist. Diese Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung für die Inkassotätigkeit ändert nichts an dem Fremdcharakter des Geschäfts (BGH, Urteil vom 30.10.2012, Az. XI ZR 324/11, zitiert nach Juris). An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin formal allein entscheidet, ob sie den Mehrerlös geltend macht. Abgesehen davon, dass sie im vorliegenden Fall bereits Widerspruch eingelegt hat, ist nämlich das gesamte Geschäftsmodell darauf zugeschnitten, durch die Beitreibung des Mehrerlöses den hauptsächlichen Gewinn zu erzielen, da sie für die Einziehung des Rückkaufswertes lediglich eine Gebühr erhält. Dieser Zweck des Vertragsmodells ergibt sich insbesondere auch unmittelbar aus dem Inhalt des Kauf- und Abtretungsvertrages, dem zufolge der Versicherungsnehmer gerade sein gesamtes an die Versicherung gezahltes Geld zurück haben will. Ginge es ihm allein um den Erhalt des Rückkaufswertes, könnte er diesen günstiger und einfacher selber geltend machen.Vor diesem Hintergrund kommt dem Umstand, dass die Vereinbarung als Kaufvertrag bezeichnet wird und nach § 2 Abs. 2 der Bedingungen die Abtretung unwiderruflich erfolgt, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Die abgetretenen Forderungen werden nämlich nicht schon deshalb zu eigenen Ansprüchen der Klägerin.

An dieser Beurteilung ändert auch die von der Klägerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 28.06.2013 vorgelegte Auslegungs- und Änderungsvereinbarung nichts.

Durch diesen von der Klägerin und dem Versicherungsnehmer A am 05.06.2013 unterzeichneten Vertrag erklären beide, einig darüber zu sein, dass der zwischen ihnen geschlossene Kauf- und Abtretungsvertrag vom 22.12.2010 dahin zu verstehen sein soll, dass die an den Versicherungsnehmer A zu leistende Kaufpreiszahlung bereits mit Eingang der Versicherungsbestätigung – und nicht wie im ursprünglichen Vertrag unter § 3 Abs. 1 der Bedingungen vorgesehen erst mit Eingang des Geldes auf dem Konto der Klägerin – fällig werden soll. Mithin übernehme die Klägerin das Bonitäts- und Forderungsausfallrisiko vollumfänglich. Die Klägerin entscheide zudem autonom, ob und welche Maßnahme sie zur Verfolgung weiterer Ansprüche einleite; sie trage das wirtschaftliche Risiko, insbesondere das Kostenrisiko der rechtlichen Auseinandersetzung, vollumfänglich. Für den Fall, dass eine solche Auslegung nicht erlaubt sein sollte, sei der Vertrag insoweit zu ändern, dass der Vertragszweck erreicht werde; die mit der Vereinbarung verbundenen Änderungen sollten auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirken. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.

Die in der Vereinbarung vom 05.06.2013 vorgesehene Auslegung des ursprünglichen Vertrages kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die ursprünglich getroffenen Regelungen eindeutig und deshalb nicht auslegungsfähig sind. So ist unter § 3 Abs. 1 der Bedingungen unmissverständlich geregelt, dass sich der Kaufpreis nach dem von der Beklagten übermittelten und zur Auszahlung kommenden Betrag nach Abzug bestimmter Gebühren richtet. Unter § 3 Abs. 4 der Bedingungen ist festgelegt, dass der Kaufpreis nach Eingang des Geldes bei der Klägerin an den Versicherungsnehmer zu überweisen ist. Wenn die Parteien des Kauf-Abtretungsvertrages nunmehr vereinbaren wollen, dass der Kaufpreis bereits mit Eingang der Bankbestätigung fällig werden soll, stellt dies eine Änderung des ursprünglichen Vertrages dar und ist nicht im Wege der Auslegung zu erreichen. Ebenso lässt sich der Vertrag nicht dahin auslegen, dass die Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Forderungseinziehung trägt, wenn durch die vereinbarten Regelungen aus den dargelegten Gründen das Bonitäts- und Beitreibungsrisiko tatsächlich auf den Versicherungsnehmer übertragen wird.

Soweit die Vereinbarung vom 05.06.2013 weiter vorsieht, dass für den Fall der Unzulässigkeit der Auslegung der ursprüngliche Vertrag rückwirkend so geändert werden soll, dass der Vertragszweck erreicht werden kann, führt auch dies nicht zur Wirksamkeit des Kauf- und Abtretungsvertrages. Ein wie vorliegend von Beginn an unwirksames Schuldverhältnis kann nicht durch Änderungsvertrag, sondern nur durch Neuabschluss wiederbegründet werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 311 Rn. 3; BGH, Urteil vom 09.05.1956, Az. V ZR 95/55). Dass vorliegend ein solcher Neuabschluss von den Parteien gewollt gewesen ist, ergibt sich aus dem Vertragsinhalt nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welchen konkreten Inhalt ein solcher neuer Vertrag nach dem Willen der Parteien haben sollte; eine Neubegründung dahin, dass der Vertragszweck erreicht wird, ist jedenfalls zu unbestimmt.

Aber auch unabhängig von der Frage, ob hier von dem ursprünglichen, einem neuen oder einem geänderten Vertrag auszugehen ist, ist die Vereinbarung in jedem Fall wegen Verstoßes gegen das RDG unwirksam. Denn auch nach den in dem Auslegungs- und Änderungsvertrag vorgesehenen Regelungen trägt nach wie vor nicht die Klägerin das wirtschaftliche Risiko der Forderungseinziehung. So bleibt es auch nach der neuen Regelung dabei, dass der Versicherungsnehmer A ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Einziehung des abgetretenen Mehrerlösanspruches hat. Außerdem fehlt es auch bei Fälligwerden des Kaufpreises erst mit Eingang der Bestätigung der Beklagten bei der Klägerin weiterhin an einer vollständigen Vorfinanzierung durch die Klägerin. Bleibt die Bestätigung der Beklagten nämlich aus, erhält der Versicherungsnehmer mangels Fälligkeit keinen Kaufpreis.

Die Dienstleistung der Klägerin stellt auch ein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 RDG dar. Ihrem eigenen Vortrag zufolge besteht das Geschäftsmodell der Klägerin gerade im Aufkauf von Forderungen aus Versicherungsverträgen wie demjenigen zwischen dem Versicherungsnehmer A und der Beklagten; die Forderungseinziehung ist damit nicht lediglich ein erlaubtes Nebengeschäft gemäß § 5 RDG.

Der Klägerin ist insbesondere auch nicht darin zu folgen, dass ihre Tätigkeit in Zusammenhang mit der Einziehung der Mehrerlöse als erlaubnisfreie Nebentätigkeit anzusehen ist. Auch wenn sie eigenständig darüber entscheiden kann, ob sie den Mehrerlös geltend macht, und sie möglicherweise davon in einigen Fällen absieht, ändert dies nichts daran, dass die Einziehung der Forderungen grundsätzlich den eigentlichen Zweck ihres Tätigwerdens darstellt.

Ob in der Tätigkeit der Klägerin gemäß der Kauf- und Abtretungsvereinbarung zusätzlich eine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG zu sehen ist, kann vorliegend dahinstehen.

Dass die vorstehend vorgenommene Beurteilung nicht gegen Art. 12 GG verstößt, hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 05.10.2006, Az. I ZR 7/04, zitiert nach Juris) für das Rechtsberatungsgesetz bereits entschieden. Danach sind die Zulassungsbeschränkungen des Rechtsberatungsgesetzes mit Art. 12 GG vereinbar. Entsprechendes gilt auch für das RDG. Der Gesichtspunkt, dass die Klägerin einen Teil ihrer Tätigkeit vom Ausland her vornimmt, gewährt keinen weiterreichenden Schutz.

Auch ein Verstoß gegen Art. 49 EG liegt nicht vor. Der freie Dienstleistungsverkehr darf nämlich durch Regelungen beschränkt werden, die wie vorliegend durch das RDG durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Geltungsbereich der betreffenden Regelung tätigen Personen und Unternehmen gelten, wenn dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist (BGH, Urteil vom 05.10.2006, Az. I ZR 7/04, zitiert nach Juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Hinblick auf die in dem Verfahren des OLG Nürnberg, Az. 8 U 607/12 zugelassene Revision, dem ein entsprechender Rechtsstreit zugrunde liegt, ebenfalls zugelassen.

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