OLG Frankfurt am Main, 13.09.2013 – 19 U 163/13

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 13.09.2013 – 19 U 163/13
Gründe
1

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg erkennen lässt, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Das Vorbringen in der Berufungsbegründung zeigt weder einen Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts auf, noch sind Anhaltspunkte für eine fehler- oder lückenhafte Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erkennbar (§ 529 ZPO).
3

Das Landgericht hat mit überzeugender Begründung festgestellt, dass die am 11.1.2013 erfolgte Zustellung des Versäumnisurteils an beide Beklagte gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wirksam erfolgt sei.
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1. Soweit das Landgericht im Ausgangspunkt davon ausgeht, dass der Zustellungsversuch in den Geschäftsräumen (im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) beider Beklagter erfolgte und dass es sich bei der Mitarbeiterin der Beklagten zu 1), Frau A, um eine – wiederum für beide Beklagte – dort beschäftigte Person im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO handelte, ist die eingehende Begründung des Landgerichts in jeder Hinsicht überzeugend. Diese Feststellungen werden auch mit der Berufung nicht angegriffen und können daher der weiteren Prüfung zu Grunde gelegt werden.
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2. Das Landgericht hat auch ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Übergabe der zuzustellenden Schriftstücke an Frau A auch im Übrigen die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfüllt. Insbesondere ist die Voraussetzung für eine wirksame Ersatzzustellung erfüllt, dass der gesetzliche Vertreter der Beklagten, der Geschäftsführer der Beklagten zu 2), der Komplementär GmbH der Beklagten zu 1), „nicht angetroffen“ worden ist. Mit dem Landgericht geht der Senat davon aus, dass es dabei auf die tatsächliche Anwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten zu 2) in den Geschäftsräumen, nämlich in dessen Büro, im Zeitpunkt der Übergabe der Schriftstücke an Frau A und auf dessen Bereitschaft zur Entgegennahme der Sendung nicht entscheidend ankommt. Der Senat folgt dabei der Rechtsprechung des OLG Frankfurt in den Entscheidungen des 6. Zivilsenates (Urt. v. 25.6.1995 – 6 U 27/95 -, Rn. 5 f., juris; Beschl. v. 17.11.1997 – 6 W 109/97 -, Rn. 3, juris – jeweils zu den Zustellungsregelungen der §§ 183, 184 ZPO a. F.). Danach reicht es in diesen Fällen für die inzwischen zum Regelfall gewordene Ersatzzustellung aus, dass ein in den Geschäftsräumen aufenthältlicher Mitarbeiter bereit ist, die Sendung entgegen zu nehmen, ohne dass es einer ausdrücklichen Nachfrage des Zustellers bedarf, ob der eigentliche Adressat der Sendung, der gesetzliche Vertreter der juristischen Person, zum Zeitpunkt der Zustellung in den Geschäftsräumen tatsächlich anwesend ist. Es reicht aus, dass der gesetzliche Vertreter als abwesend oder verhindert bezeichnet wird. Insbesondere muss der Zusteller keine eigenen Nachforschungen anstellen.
6

Der Zusteller kann davon ausgehen, dass in der tatsächlichen Entgegennahme der Sendung durch eine beschäftigte Person zugleich die Erklärung liegt, dass der eigentliche Zustellungsadressat nicht anwesend oder an der Entgegennahme der Sendung verhindert ist, ohne dass er dies durch gesonderte Nachfrage erst aufklären muss. Er muss auch nicht weiter nachforschen, wie der Betrieb, an den zugestellt werden soll, die Entgegennahme von zuzustellenden Sendungen organisiert hat.
7

Dies hat das OLG bereits für das vor der jetzt geltenden Neufassung des Zustellungsrechts (§§ 183, 184 ZPO a. F.) angenommen. Diese Grundsätze gelten erst recht für die Neuregelung vom 1.7.2002, die nach der Zielsetzung des Gesetzgebers eine Vereinfachung der ein Massengeschäft darstellenden förmlichen Zustellung und deren Anpassung an gewandelte Lebensverhältnisse unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität bezweckte. Dies führt dazu, dass die Zustellung nach der Neuregelung erst recht an die Vertrauensposition des in einem der Öffentlichkeit zugänglichen Geschäftsraum eingesetzten Beschäftigten anknüpft und nicht daran, ob ein gesetzlicher Vertreter vor Ort ist (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.12.2011 – OVG 1 N 2.10 – Rn. 7, juris).
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Die Entgegennahme von zuzustellenden Sendungen kann in dem jeweiligen Betrieb zudem auch abweichend von den Zustellungsregelungen der ZPO in der Weise organisiert sein, etwa in der Weise, dass die beschäftigte Person, die sich gegenüber dem Zusteller zur Entgegennahme der Sendung bereit erklärt, auf Grund der Betriebsorganisation berechtigt ist, die Sendung auch dann anzunehmen, wenn der gesetzliche Vertreter der juristischen Person anwesend ist. Es liefe bei dem Massengeschäft der förmlichen Zustellung dem Regelungszweck der Vereinfachung der förmlichen Zustellung zuwider, wenn der Zusteller etwa bei einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung der beschäftigten Person, die Sendung trotz Anwesenheit des Zustellungsadressaten entgegennehmen zu dürfen, gezwungen wäre, diese betriebsorganisatorische Regelung zu überprüfen und sich ggf. sich über diese Auskunft hinwegzusetzen und die Zustellung nur an den anwesenden Zustellungsadressaten selbst vorzunehmen. Auch ist es einem Zusteller nicht zuzumuten, wie dies die Beklagten annehmen, bei sämtlichen Büroräumen der Geschäftsräume die Namensschilder zu überprüfen und ggf. einen Büroraum, der das Namensschild des Zustellungsadressaten ausweist, zu betreten, um in Erfahrung zu bringen, ob diese Person anwesend ist. Er muss sich vielmehr darauf verlassen können, dass die in den Geschäftsräumen anwesende beschäftigte Person, die zur Entgegennahme der Sendung bereit ist wie vorliegend Frau A, zur Entgegennahme der Sendung auch berechtigt ist, weil entweder der eigentliche Zustellungsadressat nicht anwesend ist oder aber jedenfalls die Person trotz dessen Anwesenheit auf Grund einer entsprechenden betrieblichen Organisation berechtigt ist, die Sendung anzunehmen.
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Diese Erklärung gibt die die Sendung in Empfang nehmende Person jedenfalls konkludent ab, so dass es einer Nachfrage des Zustellers oder gar noch weiterer Nachforschungen nicht bedarf.

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