OLG Frankfurt am Main, 09.07.2013 – 14 U 121/12

April 19, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.07.2013 – 14 U 121/12
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 07.05.2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil kann ohne Sicherheitsleistung fortgesetzt werden. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen sowie deren Verzinsung im Anschluss an einen gemäß § 5 a VVG a.F. erklärten Widerspruch.

Auf den Antrag des Klägers aus November 2004 (Bd. I Bl. 118, 119 d.A.) sandte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschein (Kopie Bd. I Bl. 92 bis 94 d.A.) zu. Im Berufungsverfahren hat der Kläger unstreitig gestellt, das er auch die übrigen von der Beklagten als Anlage B 1 (Bd. I Bl. 90 bis 117 d.A.) zur Akte gereichten Unterlagen, nämlich das Anschreiben vom 16.11.2004 sowie die weiteren Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen, erhalten hat.

Nachdem der Kläger den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 24.6.2010 (Bd. I Bl. 120 d.A.) gekündigt hatte, rechnete die Beklagte den Vertrag ab und zahlte den Rückkaufswert in Höhe von 68.072,35 € an den Kläger aus.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 9.3.2011 (Bd. I Bl. 19 bis 22 d.A.) erklärte der Kläger u.a. einen Widerspruch gemäß § 5 a VVG a.F. Er verlangt die Rückzahlung der geleisteten Prämien in Höhe von insgesamt 80.000 € unter Abzug des Rückkaufswerts zuzüglich Zinsen gemäß der der Klageschrift beigefügten Berechnung (Bd. I Bl. 23 d.A.), also einen Betrag in Höhe von insgesamt 32.228,26 €, sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Er hat die Auffassung vertreten, sein Widerspruch sei wirksam, weil er die Vertragsbedingungen der Beklagten sowie die gemäß § 10 a VAG zu übersendenden Verbraucherinformationen nicht erhalten habe und zudem über das Widerspruchsrecht nicht belehrt worden sei. Auf den Fristablauf gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. könne sich die Beklagte nicht berufen, weil diese Regelung europarechtswidrig sei. § 5 a VVG a.F. sei insgesamt europarechtswidrig, weil er eine Aushändigung der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen abweichend von Art. 35 und 36 der Richtlinie 2002/83/EG, Anhang III A, bei Übersendung des Versicherungsscheins zulasse, obwohl nach der Richtlinie eine Übersendung bei Antragstellung erforderlich sei.

Außerdem stehe ihm ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung über das Widerspruchsrecht zu.

Die Beklagte hat behauptet, dem Kläger seien sämtliche als Anlage B 1 zur Akte gereichten Unterlagen übersandt worden und hat sich zum Beweis hierfür auf eine Parteivernehmung des Klägers berufen. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, die in § 5 a VVG a.F. enthaltenen Regelungen seien nicht zu beanstanden, ein Widerspruchsrecht des Klägers sei angesichts der Abwicklung des Vertrages in Folge der seitens des Klägers erklärten Kündigung ohnehin nicht mehr möglich gewesen.

Wegen des weiteren Sachvorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil vom 7.5.2012 (Bd. I Bl. 353 bis 361 d.A.) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht gegeben, weil der Kläger die Prämienzahlungen mit Rechtsgrund erbracht habe. Es könne dahinstehen, ob das Bestreiten der Übersendung der erforderlichen Unterlagen mit Nichtwissen zulässig sei, weil das Widerspruchsrecht des Klägers jedenfalls gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der Erstprämie am 1.12.2004 erloschen sei. Europarechtliche Bedenken gegen das in § 5 a VVG a.F. geregelte sogenannte Policenmodell bestünden nicht, wie das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 3.2.2012 (20 U 140/11, zitiert nach ) zutreffend ausgeführt habe. Auch die Regelung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht zu beanstanden, weil der Versicherungsnehmer, der die Prämie begleiche, auf seinen vertraglichen Versicherungsschutz vertraue, und der Gesetzgeber die Fristen in einem Jahr großzügig bemessen habe. Das europäische Recht habe insoweit lediglich eine Harmonisierung der Versicherungsaufsicht, aber keine Auswirkung auf die versicherungsvertragliche Gestaltung bezwecken wollen.

Schadensersatzansprüche aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB seien ebenfalls nicht gegeben, weil der für eine Pflichtverletzung darlegungs- und beweisbelastete Kläger für seine Behauptung, er sei über das Widerspruchsrecht nicht belehrt worden, keinen Beweis angetreten habe. Ebenso fehle es an jeglichem Vortrag des Klägers dazu, dass er im Falle einer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hätte, so dass auch eine Schadensursächlichkeit nicht festgestellt werden könne.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Regelung des § 5 a VVG a.F. insgesamt gegen europäisches Recht verstoße und verweist im Hinblick auf die in § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. enthaltene Regelung auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.3.2012 (IV ZR 76/11). Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 20.7.2012 (Bd. II Bl. 25 bis 51 d.A.) und vom 21.06.2013 (Bd. II Bl. 95, 96 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 7.5.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 39.228,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.3.2011 sowie weitere 1.741,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und hält an ihrer Auffassung fest, wonach nach Kündigung des Vertrages ein Widerspruch nicht mehr in Betracht komme. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 25.9.2012 und vom 28.5.2013 (Bd. II Bl. 64 bis 92 d.A.) Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 ZPO. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Zu dem in erster Instanz verfolgten Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerspruchsrecht, den das Landgericht ebenfalls aberkannt hat, enthält die Berufungsbegründung keinerlei Ausführungen, so dass dieser Anspruch im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen hat. Das Landgericht hat die Klage insoweit auch mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung der geleisteten Versicherungsprämien aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB in Folge des von ihm erklärten Widerspruchs zu. Der mit Schreiben vom 14.1.2011 erklärte Widerspruch war verfristet. Dem Kläger stand gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 VVG (in der Fassung vom 13.7.2001) lediglich das Recht zu, dem Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen zu widersprechen. Die Unterlagen sind dem Kläger, wie er im Berufungsverfahren zugestanden hat, mit Anschreiben vom 16.11.2004 im November 2004 übersandt worden, so dass die Frist zum Widerspruch spätestens Ende des Jahres 2004 abgelaufen war.

Ausweislich der als Anlage B 1 zur Akte gereichten Unterlagen, die der Kläger unstreitig erhalten hat, sind ihm gemeinsam mit dem Versicherungsschein sämtliche nach § 10 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes erforderlichen Verbraucherinformationen sowie die Versicherungsbedingungen der Beklagten übermittelt worden.

Das Anschreiben enthält am Ende eine ordnungsgemäße Belehrung. Die Belehrung ist vom übrigen Text des Anschreibens in drucktechnisch hervorgehobener Form, nämlich in Fettdruck und unterstrichen, abgesetzt. Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es weder einer Erläuterung des Begriffs „Textform“ noch einer näheren Bezeichnung der Unterlagen, nach deren Erhalt die Frist zu laufen beginnt. Der Senat schließt sich insoweit der von dem Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 21.12.2012, (20 O 133/12 – zitiert nach Rdnr. 49 ff.) vertretenen Auffassung an, wonach es ausreicht, wenn sich ohne weiteres aus dem Text des Policenbegleitschreibens ergibt, welche Unterlagen gemeint sind. Angesichts der in dem Anschreiben enthaltenen Formulierung „wir übersenden Ihnen als Anlage die Unterlagen zu der abgeschlossenen A“ ist für den Empfänger dieses Anschreibens sowie der darin enthaltenen Widerrufsbelehrung hinreichend deutlich, dass mit der Überlassung der Unterlagen diejenigen gemeint sind, die dem Begleitschreiben beigefügt waren, nämlich der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen sowie die beiliegenden Verbraucherinformationen. Einer Erläuterung des Begriffs „Textform“ bedurfte es ebenfalls nicht. Es handelt sich um eine Art der lesbaren Erklärung, die keine eigenhändige Unterschrift erfordert und in § 126 b BGB geregelt ist. Auch ohne Kenntnis der juristischen Definition wird anhand des Begriffs „Text“ deutlich, dass es sich um eine lesbare Erklärung handeln muss. Darauf, ob dem Versicherungsnehmer im Einzelfall bekannt ist, dass die Erklärung nicht zwingend in einer Urkunde enthalten sein muss sondern in anderer Weise verkörpert sein kann, kommt es nicht an. In jedem Fall ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus dem Begriff „Textform“, dass die Absendung einer schriftlichen Erklärung ausreicht, so dass der Versicherungsnehmer auch ohne Belehrung über die Einzelheiten der Vorschrift des § 126 b BGB nicht gehindert ist, sein Widerspruchsrecht auszuüben.

Die in § 5 a VVG a.F. enthaltene Regelung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht insgesamt europarechtswidrig. Soweit nach den Bestimmungen der Richtlinien 92/96 EWG des Rates vom 10.11.1992 und 2002/83 EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.11.2002 dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages die in den Anhängen II nach Art. 31 Abs. 1 bzw. III nach Art. 36 Abs. 1 aufgeführten Angaben mitzuteilen sind, wird § 5 a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. diesen Anforderungen gerecht. Anders als in der zur Akte gereichten Stellungnahme der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 12.10.2006 (Bd. I Bl. 24 bis 31 d.A.) ausgeführt, gilt der Versicherungsvertrag nach der Regelung des § 5 a VVG nicht zunächst als geschlossen, sondern ist bis zum Fristablauf schwebend unwirksam. Innerhalb der 14-tägigen Frist hat der Versicherungsnehmer ausreichend Gelegenheit, seine Vertragsentscheidung an Hand der übersandten Unterlagen zu überprüfen und den Widerspruch zu erklären, mit der Folge, dass die aufschiebende Bedingung nicht eintritt. Die Richtlinien sehen lediglich eine Mitteilung vor Vertragsschluss, nicht aber bereits vor oder bei Antragsstellung des Versicherungsnehmers vor. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen in den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 21.12.2012 (20 O 133/12 – zitiert nach Rdnr. 59 f.) und des OLG München vom 20.9.2012 (14 U 1511/12 – zitiert nach Rdnr. 18 f. ) an.

Dahinstehen können für die Entscheidung dieses Rechtsstreits die Fragen, ob bereits die Abwicklung des Vertrages in Folge der Kündigung des Klägers einer Ausübung des Widerspruchsrechts entgegensteht, sowie ob die in § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. enthaltene Regelung den Europäischen Richtlinien widerspricht, weil die Berufung bereits aus den vorstehend genannten Gründen zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO. Die Frage, ob die Regelung des § 5 a VVG insgesamt europarechtskonform ist, wird von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung einheitlich beantwortet. Der Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.3.2012 (IV ZR 76/11 – zitiert nach ) bezieht sich ausschließlich auf § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., nach welchem ein Vertrag auch ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen kann.

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