OLG Frankfurt am Main, 15.02.2013 – 7 U 180/12

April 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 15.02.2013 – 7 U 180/12
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Juni 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-23 O 20/12) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.
Gründe
1

I.

Der Kläger hat bei der Beklagten unter Einschaltung der Maklerin A GmbH & Co. KG unter dem 10.09.2003 den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages beantragt. Im Antrag (Anlage B 1 im Anlagenband) findet sich über der Unterschriftszeile hervorgehoben ein Feld mit der Überschrift „Widerspruchsfrist“, in dem es heißt: „Ich kann dem beantragten Lebensversicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Aushändigung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“ Der Vertrag wurde am 16.09.2003 mit Beginn zum 01.12.2003 policiert (Bl. 23-26 d.A.). Die Beklagte übersandte mit einem zweiseitigen Schreiben vom 16.09.2003 (Anlage B 2 im Anlagenband) die Police, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation (Anlage B 3 im Anlagenband) an den Kläger. Auf der ersten Seite des Schreibens vom 16.09.2003 sind die Betreffzeilen, ein Absatz mit einem Hinweis auf die Unverbindlichkeit einer Beispielsrechnung und die Bankverbindung, von welcher die Prämien abgebucht werden sollten, fett gedruckt. Der restliche Text ist in normaler Schrifttype gehalten. Die zweite Seite umfasst acht kurze Absätze, von denen einer fett gedruckt ist. Er lautet: „Sie können diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Schreibens widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung einer Widerspruchserklärung in Textform (schriftlich oder in anderer lesbarer Form). Selbstverständlich werden wir Ihnen in diesem Falle bereits gezahlte Beiträge zurückerstatten.“ Im Dezember 2003 zahlte der Kläger die Erstprämie. In der Folgezeit bis Juli 2006 leistete er Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 4.800,00 €. Mit Schreiben vom 08.03.2011 erklärte er die Kündigung des Vertrags (Anlage B 4 im Anlagenband). Die Beklagte akzeptierte die Kündigung zum 31.03.2011 und kehrte einen Rückkaufswert von 2.490,04 € aus. Die Klägervertreterin erklärte mit Schreiben an die Beklagte vom 19.10.2011 den Widerspruch nach § 5 a VVG (a.F.), den Widerspruch nach § 8 VVG und vorsorglich die Anfechtung nach § 119 BGB.
2

Die Kommission der EG leitete im Jahr 2005 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Kläger nimmt auf eine mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission vom 12.10.2006 Bezug, ohne diese vorzulegen oder zu zitieren. Die Stellungnahme der Kommission vom 12.10.2006 ist jedoch aus anderen Verfahren gerichtsbekannt. Darin führte die Kommission aus, dass § 5 a VVG a.F. nicht dem den einschlägigen Richtlinien zu entnehmenden Grundsatz genüge, dass der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß unterrichtet werden müsse, bevor er sich vertraglich binde. Nach dem Policenmodell gelte ein Vertrag zunächst als abgeschlossen, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung die nach den Richtlinien relevanten Informationen nicht vorlägen. Ein Vertrag könne sogar als abgeschossen gelten, ohne dass der Versicherungsnehmer davon unterrichtet werde. Letztlich stellte die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren am 05.08.2008 ein. Sie hatte erstmals bereits unter dem 23.05.1995 kritisch zum Policenmodell Stellung genommen (abgedruckt bei Lorenz, VersR 1997, 773). Auch diese Stellungnahme, auf welche der Kläger beiläufig verweist, ohne sie vorzulegen, ist gerichtsbekannt. Darin vertritt die Kommission insbesondere die Auffassung, dass der Versicherungnehmer sich bei einem Vertragsschluss nach dem Policenmodell bereits binde, ohne die Versicherungsbedingungen zu kennen.
3

Mit der Klage macht der Kläger den Differenzbetrag zwischen der Summe der eingezahlten Prämien (4.800,00 €) und dem ausgekehrten Rückkaufswert (2.490,04 €), d.h. 2.309,96 €, geltend. Darüber hinaus fordert er Zinsen in Höhe von 7% p.a., zeitlich gestaffelt, auf die gezahlten Prämien. Er hat insoweit per 30.11.2011 einen Zinsbetrag von 2.757,36 € errechnet, den er den 2.309,96 € hinzuschlägt. Auf die sich daraus ergebende Summe von 5.067,32 € fordert er Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2011. Darüber hinaus beansprucht er vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.213,09 €, die er ebenfalls ab dem 21.12.2011 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verzinst wissen will.
4

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Widerspruchsbelehrung im Schreiben der Beklagten vom 16.09.2003 unzureichend sei, weil sie zum einen nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben worden sei und weil zum anderen der Adressat eines Widerspruchs nicht angegeben sei. Weiter hat der Kläger darauf abgestellt, dass ihm ein unbefristetes Widerspruchsrecht zugestanden habe, weshalb der Versicherungsvertrag durch das Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 19.10.2011 rückwirkend erloschen sei. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Richtlinie 2002/83 EG vom 05.11.2002 (ABl. L 345 v. 19.12.2002, S. 1-51) unmittelbar Anwendung finde, weil sie mit § 5 a VVG a.F. nicht korrekt umgesetzt worden sei. Durch § 5 a VVG a.F. sei dem Verbraucher eine Widerspruchslast aufgebürdet worden; auch sei er genötigt worden, mehrere Anträge zu stellen, um überhaupt Bedingungswerke vergleichen zu können. Darüber hinaus hat der Kläger beiläufig anklingen lassen, dass § 5 a VVG a.F. auch keine wirksame Umsetzung der Klauselrichtlinie (RL 93/13 EWG v. 05.04.1993, ABl. L 95 v. 21.4.1993, S. 29-34) beinhalte, ohne dies näher auszuführen. Weiter hat der Kläger die Ansicht vertreten, dass eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 5 a VVG a.F. im Wege telelogischer Reduktion ergebe, dass § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht anzuwenden sei mit der Folge, dass ein unbeschränktes Widerspruchsrecht des Klägers bestanden habe. Der Kläger hat noch auf eine Pressemitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Bezug genommen, der zufolge die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich der Niederlande eingeleitet habe, in dem ein angeblich nach niederländischem Recht bestehendes Policenmodell beanstandet werde. Er hat eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angeregt und dazu umfangreiche Vorlagefragen formuliert (Seiten 9 bis 11 der Klageschrift, Bl. 10-12 d.A.). Diesen Anregungen ist mittelbar zu entnehmen, dass der Kläger auch meint, eine Befristung des Widerspruchsrechts, insbesondere nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., stehe im Widerspruch zu den Grundsätzen der Heininger-Entscheidung des Gerichtshofs.
5

Den erhobenen Anspruch auf Rückzahlung der restlichen Prämien hat der Kläger auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützt. Zur Anspruchsgrundlage des Zinsanspruchs hat er wechselnd vorgetragen. Auf Seite 3 der Klageschrift stellt er auf entgangene Nutzungen bei einer zu erzielenden Rendite von 7% ab (Bl. 4 d.A.); kurz darauf auf derselben Seite jedoch auf von der Beklagten angeblich gezogene Nutzungen in Höhe von 7%. So ist auf der folgenden Seite der Klageschrift auch von Nutzungsersatz gemäß § 818 BGB die Rede (Bl. 5 d.A.). Indessen stellt der Kläger auf Seite 20 der Klageschrift (Bl. 21 d.A.) wieder auf die Rendite, die er anderweitig hätte erzielen können, ab, bemüht aber im folgenden Absatz erneut einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen.
6

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.280,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2011 zu zahlen,

7

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat geltend gemacht, dass das Widerspruchsrecht des Klägers in jedem Falle nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erloschen sei. Dabei hat sie sich auf die Rechtsprechung zahlreicher Oberlandesgerichte, auch des Senats, bezogen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die in ihrem Schreiben vom 16.09.2003 enthaltene Widerspruchsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen genüge.
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Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf den Inhalt der im ersten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
10

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die Prämienzahlungen mit Rechtsgrund erfolgt seien. Vierzehn Tage nach Zugang der Police, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation sei das Widerspruchsrecht des Klägers erloschen.
11

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen.
12

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.280,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2011 zu zahlen,

13

Darüber hinaus regt er erneut eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften an.
14

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
16

Wegen des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 30.08.2012 und den klägerischen Schriftsatz vom 23.01.2013, auf die Berufungserwiderung vom 12.10.2012 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 15.02.2013 Bezug genommen.
17

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
18

Dem Kläger steht kein auf die Erstattung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämienzahlungen gerichteter Bereicherungsanspruch zu, weil er die Prämien mit Rechtsgrund gezahlt hat. Der Versicherungsvertrag war wirksam zustande gekommen und ist durch die vom Kläger erklärte Kündigung ex nunc beendet worden. Der im Anwaltsschreiben vom 19.10.2011 erklärte Widerspruch hat den Vertrag nicht ex tunc zum Erlöschen gebracht, weil dem Kläger zum fraglichen Zeitpunkt ein Widerspruchsrecht nicht mehr zustand.
19

Auf den Vertragsschluss im Jahr 2003 ist das damals geltende Recht anzuwenden, d.h. § 5 a VVG in der vom 01.08.2001 bis zum 07.12.2004 gültig gewesenen Fassung. Danach galt, wenn der Versicherer – wie hier – dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen hatte, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widersprach (§ 5 a Abs. 1 VVG a. F.). Der Lauf der Frist begann erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Abs. 1 vollständig vorlagen und der Versicherungsnehmer schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerrufsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden war (§ 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F.). Zur Wahrung der Frist genügte die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs (§ 5 a Abs. 2 Satz 3 VVG a. F.). Abweichend von Satz 1 erlosch das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie (§ 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F.). Danach ist der Vertrag wirksam dadurch zustande gekommen, dass der Kläger – nach dem unstreitigen Erhalt der erforderlichen Unterlagen – nicht fristgerecht widersprochen hat, obwohl die Frist wirksam in Gang gesetzt worden war (§ 5 a Abs. 1 VVG a. F.).
20

Ein Schwerpunkt der Ausführungen des Klägers zu der von ihm angenommenen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5 a VVG a.F. liegt auf Abs. 2 Satz 4 der Vorschrift. Auch die in der begründeten Stellungnahme der Kommission niedergelegten Bedenken sind auf § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. fokussiert. Auf diesen besonderen Gesichtspunkt kommt es jedoch im vorliegenden Fall gar nicht an, weil der Kläger mit der Übersendung des Versicherungsscheins durch das Schreiben der Beklagten vom 16.09.2003 ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt wurde und zugleich die Verbraucherinformationen und die Versicherungsbedingungen erhalten hat. Dass das Schreiben vom 16.09.2003 und mit ihm die übrigen Bestandteile der Anlage B 3 sowie die Police dem Kläger zugegangen sind, ist unstreitig. Das Widerspruchsrecht des Klägers ist innerhalb von 14 Tagen nach dem Erhalt des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen und mithin lange vor dem 19.10.2011 erloschen. Die Widerspruchsbelehrung im Schreiben vom 16.09.2003 genügt den Anforderungen des § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Sie ist sowohl inhaltlich zutreffend als auch drucktechnisch hinreichend hervorgehoben. Das zwei Seiten umfassende Schreiben enthält Text in Normaldruck und in Fettdruck. Fett gedruckt sind lediglich der Betreff, der Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Modellrechnung, die Bezeichnung des Bankkontos, von dem die Prämien abgebucht werden, und die Widerspruchsbelehrung. Es ist einzuräumen, dass sich auf der ersten Seite des Schreibens die fett gedruckten Passagen und der normal gedruckte Text vom Umfang her in etwa die Waage halten. Doch gilt dies nicht für die zweite Seite, wo die Widerspruchsbelehrung sich befindet. Dort ist ausschließlich die Belehrung fett gedruckt. Im Übrigen kann dem Versicherer, der nach unterschiedlichen Bestimmungen zu drucktechnisch besonders hervorgehobenen Hinweisen verpflichtet ist, nichts Unmögliches abverlangt werden. Mit dem Umfang der hervorgehoben zu erteilenden Hinweise steigt die Menge des hervorzuhebenden Textes und schwindet die optische Wirkung der Hervorhebung. Jedenfalls heben sich die im Schreiben der Beklagten vom 16.09.2003 fett gedruckten Passagen noch deutlich vom restlichen Text ab und stechen sie durchaus noch ins Auge. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von jenem, den der Bundesgerichtshof im Urteil vom 28.01.2004 (VersR 2004, 497 ff. [BGH 28.01.2004 – IV ZR 58/03]) beurteilt hat. Ausweislich der Gründe des Urteils (a.a.O. Rn 18 in juris) fand sich dort die fett gedruckte Widerspruchsbelehrung in einem acht Seiten umfassenden Schriftstück, das neben zahlreichen weiteren fett gedrucktem Passagen auch noch fett gedruckte Zwischenüberschriften enthielt. Dem gegenüber erweist sich das nur zwei Seiten umfassende Schreiben der Beklagten als in ausreichendem Maße übersichtlich. Einen ausdrücklichen Hinweis darauf, an wen ein Widerspruch zu richten war, musste das Schreiben der Beklagten vom 16.09.2003 nicht enthalten. Die Belehrung über den Beginn der Widerspruchsfrist knüpft an den Zugang des Schreibens vom 16.09.2003 an. Bei vernünftiger Betrachtung kann kein Zweifel daran bestehen, dass ein eventueller Widerspruch gegenüber der Absenderin dieses Schreibens zu erklären ist.
21

Die nationalen Bestimmungen, auf deren Grundlage der Vertrag zustande gekommen ist, d.h. § 5 a Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VVG a.F., verstoßen nicht gegen die Dritte Lebensversicherungsrichtlinie (RL 92/96 EWG v. 10.11.1992, ABl.Nr. L 360 v. 9.12.1992 S. 1-27) in der Fassung der Richtlinie 2002/83 EG vom 05.11.2002 (ABl. L 345 v. 19.12.2002, S. 1-51) oder gegen die Dritte Richtlinie Schadensversicherung (RL 92/49 EWG v. 18.06.1992, ABl. L 228 v. 11.8.1992, S. 1-23). Die beiden Richtlinien aus dem Jahr 1992 betreffen bereits nicht das Versicherungsvertragsrecht, sondern das Versicherungsaufsichtsrecht. In den Erwägungsgründen Nrn. 5 beider Richtlinien wird hervorgehoben, dass eine Harmonisierung der nationalen Rechte über eine Vereinheitlichung der Zulassungen und Aufsichtssysteme erzielt werden solle. Sowohl im Erwägungsgrund Nr. 18 der Dritten Richtlinie Schadensversicherung als auch im Erwägungsgrund Nr. 19 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird ausgeführt, dass die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts keine Vorbedingung für die mit beiden Richtlinien intendierte Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor sei. Nach allem hatten die Mitgliedsstaaten Vorschriften zur Durchführung der Richtlinien im Bereich des Versicherungsaufsichtsrechts zu erlassen. Die Bundesrepublik ist dieser Umsetzungsverpflichtung mit der Einfügung des § 10 a in das VAG nachgekommen. Dass diese aufsichtsrechtliche Umsetzung defizitär gewesen wäre, ist nicht erkennbar und wird, soweit ersichtlich, auch nirgends vertreten.
22

Aus der Richtlinie 2002/83 EG vom 5.11.2002 (ABl. L 345 vom 19.12.2002, S. 1 – 51) ergibt sich nichts Abweichendes. Ob sich diese Richtlinie der Regelung des Privatrechts annimmt, ist nicht zweifelsfrei. Es wird vertreten, dass erst die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher vom 23. 9. 2002 (ABl. L 271 vom 9. 10. 2002) – die hier nicht einschlägig ist – und die VVG-InfoV (BGBl. I 2007, 3004) zur Eingliederung der Verbraucherinformationspflicht in das Privatrecht geführt habe (Bruck/Möller/Herrmann, VVG, 9. Aufl., Einf. B Rn.15). Aber auch wenn man annähme, dass in Art. 35 und 36 der Richtlinie im Lichte der Erwägungsgründe Nrn. 35 und 52 Regelungen getroffen worden wären, die im Bereich des Versicherungsvertragsrechts und nicht des Versicherungsaufsichtsrechts umzusetzen gewesen wären, war die Richtlinie nicht unmittelbar wirksam. Sie richtete sich vielmehr an die Mitgliedsstaaten, denen angemessene Zeit zur Umsetzung zu geben war.
23

Auch wenn in der Richtlinie Regelungen getroffen worden wären, die im Bereich des Versicherungsvertragsrechts und nicht des Versicherungsaufsichtsrechts umzusetzen gewesen wären, erweisen sich jedenfalls § 5 a Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 bis 3 als richtlinienkonform. Denn auf dieser Grundlage verfügt der Versicherungsnehmer – wie vorliegend auch der Kläger – vor dem Zustandekommen des Vertrags über alle nach den Vorgaben der Richtlinie relevanten Informationen und hat er die Möglichkeit, in Kenntnis dieser Informationen dem Vertragsschluss zu widersprechen.
24

Anhaltspunkte für eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der hier maßgeblichen Fassung des § 5 a VVG a.F. ergeben sich auch nicht aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission vom 12.10.2006. Denn die Stellungnahme konzentriert sich zum einen auf § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Zum anderen setzt sich in ihr das bereits der Stellungnahme der Kommission vom 23.05.1995 (abgedruckt bei Lorenz VersR 1997, 773) zu entnehmende unzutreffende Verständnis der Rechtsfigur des schwebend unwirksamen Vertrages dahingehend fort, dass der Versicherungsnehmer sich bei einem Vertragsschluss nach dem Policenmodell zunächst gebunden habe. Die Kommission führt sub IV. 8. und 10. der Stellungnahme vom 12.10.2006 aus, dass nach dem Policenmodell ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelte. Indessen muss der Versicherungsnehmer, der nicht ordnungsgemäß nach § 5 a VVG a.F. belehrt wurde, nichts unternehmen, um ein Zustandekommen des Vertrags zu verhindern. Solange er nicht die Erstprämie zahlt, kann es nicht zum Vertragsschluss kommen.
25

Soweit der Kläger eine Pressemitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften erwähnt, der zufolge die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Königreich der Niederlande eingeleitet habe, kann daraus für die Entscheidung des vorliegenden Falles nichts hergeleitet werden. Weder der genaue Inhalt der von der Kommission beanstandeten Regelungen des niederländischen Rechts noch die Monita der Kommission sind bekannt. Daher erschließt sich eine mögliche Relevanz jenes Vertragsverletzungsverfahrens für die Beurteilung des § 5 a VVG a.F. nicht.
26

Mit dem Einwand, dass § 5 a VVG a.F. gegen die Klauselrichtlinie (RL 93/13 EWG v. 05.04.1993, ABl. L 95 v. 21.4.1993, S. 29-34) verstoße, kann der Kläger nicht durchdringen. Die Richtlinie gibt den Mitgliedsstaaten auf, nach Maßgabe der darin erfolgten Festlegungen einheitliche Rechtsvorschriften in Bezug auf die Einbeziehung missbräuchlicher Klauseln zu erlassen (Erwägungsgründe Nrn. 4 und 10). Vorgaben für gesetzliche Regelungen über den Vertragsschluss als solchen enthält sie nicht.
27

In den von Kläger formulierten Vorlagefragen an Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften klingt mit der Bezugnahme auf die Heininger-Entscheidung des Gerichtshofs die Auffassung an, dass die Haustürgeschäftsrichtlinie auch auf außerhalb einer Haustürsituation abgeschlossene Versicherungsverträge anzuwenden sein könnte. Dies ist nach der Ansicht des Senats unzutreffend. Dem stehen schon die erheblichen Unterschiede in den Vorgaben der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung (RL 90/619/EWG v. 8.11.1990, ABl. L 330 v. 29.11.1990, S. 50-61 und RL 92/96 EWG v. 10.11.1992. ABl. L 360 v. 9.12.1992, S. 1-27) einerseits sowie der Haustürgeschäftsrichtlinie (RL 1985/577 EWG v. 20.12.1985, ABl. L 372 v. 31.12.1985, S. 31-33) andererseits entgegen. Während Art. 4 der Haustürgeschäftsrichtlinie ausdrücklich die Verpflichtung des Gewerbetreibenden zu einer schriftlichen Belehrung des Verbrauchers über dessen Widerrufsrecht anspricht und Vorgaben zu Form und Inhalt der Belehrung enthält, sieht Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in der Fassung von Art. 30 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung lediglich eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten vor, ein Recht des Versicherungsnehmers vorzusehen, binnen 14 bis 30 Tagen ab Kenntnis vom Vertragsschluss vom Vertrag zurücktreten zu können, ohne dass Belehrungspflichten angesprochen würden. Wäre die Haustürgeschäftsrichtlinie entsprechend anwendbar, so wäre im Übrigen zu verlangen, dass der Versicherungsnehmer darlegt und beweist, dass er den Vertrag bei ordnungsgemäßer Belehrung widerrufen hätte. Denn Entsprechendes setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Anspruch aus c.i.c. wegen unterbliebener Widerrufsbelehrung bei Haustürgeschäften voraus (BGHZ 169, 109 ff. Rn 43 in juris). Substantiierten Vortrag hierzu hat der Kläger jedoch nicht gehalten.
28

Nach allem ist maßgeblich, dass der Kläger dem Vertragsschluss unstreitig nicht binnen 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen, der Verbraucherinformationen und der Widerspruchsbelehrung widersprochen hat, so dass der Vertrag wirksam zustande gekommen und erst durch die Kündigung ex nunc beendet worden ist. Mithin wurden die Prämien mit Rechtsgrund gezahlt.
29

Da der Senat nicht das letztinstanzlich entscheidende nationale Gericht ist, kann eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht bestehen. Entgegen der Auffassung des Klägers wird er nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen.
30

Hinsichtlich des erhobenen Zinsanspruchs hat der Kläger den Streitgegenstand nicht ausreichend substantiiert bezeichnet. Er hat nicht klargestellt, ob er nach § 252 BGB Schadensersatz in Gestalt einer behaupteten, bei einer anderweitigen Anlage der Versicherungsprämien erzielbaren Rendite fordert oder ob nach § 818 Abs. 1 BGB Nutzungen heraus verlangt, die angeblich von der Beklagten aus den Prämien gezogen wurden, oder ob er beide Ansprüche im Haupt- und Hilfsverhältnis, gegebenenfalls in welcher Rangfolge, verfolgt. Der Senat musste indessen nicht auf eine bessere Substantiierung des Vorbringens des Klägers hinwirken, weil der geltend gemachte Zinsanspruch dem Kläger unter keiner der genannten Alternativen zustehen kann. Da der Kläger die Prämien mit Rechtsgrund gezahlt hat, muss die Beklagte daraus gezogene Nutzungen nicht nach § 818 Abs. 1 BGB herausgeben. Da die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat, hat der Kläger schon deshalb keinen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. gegen die Beklagte.
31

Zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten des Klägers ist die Beklagte nicht verpflichtet, weil dem Kläger keine Hauptforderung gegen die Beklagte zusteht.
32

Als im zweiten Rechtszug unterlegene Partei hat der Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
33

Die Revision ist, beschränkt auf die sich aus § 5 a VVG a.F. ergebenden Rechtsfragen, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, nachdem der Bundesgerichtshof in einer Sache, in der er die Gemeinschaftsrechtskonformität des § 5 a VVG a.F. als erheblich angesehen hat (IV ZR 76/11), bereits das Verfahren ausgesetzt und die maßgeblichen Rechtsfragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

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