OLG Frankfurt am Main, 06.02.2013 – 1 U 324/12 Ein Rechtsanwalt muss bei der Anfertigung einer Berufungsschrift mit Hilfe eines Computerprogramms überprüfen, ob von diesem automatisch eingefügte Angaben inhaltlich zutreffend und vollständig sind. Dies gilt insbesondere für die Mindestangaben des § 519 Abs. 2 ZPO.

April 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 06.02.2013 – 1 U 324/12
Ein Rechtsanwalt muss bei der Anfertigung einer Berufungsschrift mit Hilfe eines Computerprogramms überprüfen, ob von diesem automatisch eingefügte Angaben inhaltlich zutreffend und vollständig sind. Dies gilt insbesondere für die Mindestangaben des § 519 Abs. 2 ZPO.
Tenor:

1. Der Antrag der Klägerin, ihr wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. November 2012 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird als unzulässig verworfen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
1

I.

2

Die Klägerin hat in dem Rechtsstreit 2/30 O 143/12 vor dem Landgericht Frankfurt am Main von der beklagten Bank aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung einer Kapitalanlage begehrt.
3

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 14. November 2012, dem früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 20. November 2012, ab-gewiesen.
4

Am 20. Dezember 2012 ist beim Oberlandesgericht ein Schriftsatz der früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom selben Tag eingegangen, mit dem im Namen von A Berufung gegen ein am 20. November 2012 zugestelltes Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2012 mit dem Aktenzeichen 2/30 O 142/12 einlegt wird. Dem Schriftsatz beigefügt ist die Kopie des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2012 mit dem Aktenzeichen 2/30 O 143/12.
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Mit Verfügung vom 27. Dezember 2012 hat der Senatsvorsitzende unter Hinweis auf die vorstehenden Umstände bei den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin angefragt, gegen welches Urteil sich die Berufung richte. Daraufhin haben diese mit am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz vom 4. Januar 2013 erklärt, die Berufung sei entsprechend der dem Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 beigefügten Kopie gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2012 in dem Rechtsstreit 2/30 O 143/12 eingelegt: Anhand der Urteilskopie und der in dem Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 enthaltenen Angabe des Beschwerdewerts sei diesem Schriftsatz im Wege der Auslegung zweifelsfrei zu entnehmen, dass Frau A1 Berufungsführerin sei, zumal der Posteingangsstempel auf der Urteilskopie dem im Berufungsschriftsatz angegebenen Zustelldatum entsprochen habe und in der Urteilskopie nur sie als einzige Beklagte (gemeint: Klägerin) bezeichnet gewesen sei.
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Mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 16. Januar 2013 hat Rechts-anwalt RA1 aus O1 seine Bevollmächtigung durch die Klägerin angezeigt und um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 16. Januar 2013, der per Telefax am selben Tag ein-gegangen ist, haben die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin in deren Namen Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragt: Ihr Mandant, A, habe sie im Jahr 2011 mit der Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche beauftragt und sei deshalb in der kanzleiinternen elektronischen Akte, die mit Hilfe des Computerprogramms „B“ geführt werde, als Auftraggeber eingetragen worden, so dass er in einem durch das Computerprogramm per Menü aufzurufenden Rubrum automatisch als Kläger erscheine. Als man sich für eine prozesstaktische Zession der streitgegenständlichen Forderung an die Ehefrau des Mandanten, A1, und eine Klageerhebung durch diese entschieden habe, sei die sonst zuverlässig und sorgfältig arbeitende Fachangestellte Z1 von dem die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt RA2 angewiesen worden, die Klägerin anstelle ihres Ehemannes als Klägerin in das Computerprogramm einzutragen, was die Zeugin Z1 aber in der Folgezeit versäumt habe. Bei Erstellung der Berufungsschrift mit Hilfe des genannten Computerprogramms habe dieses automatisch den – dort noch eingetragenen – A als Partei des Berufungsverfahrens in das Rubrum eingefügt.
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In dem auszufüllenden Eingabefeld „Aktenzeichen des erstinstanzlichen Urteils“ habe sich Rechtsanwalt RA2 an einer Stelle vertippt, so dass die Berufungsschrift nicht das korrekte erstinstanzliche Aktenzeichen getragen habe. Zu den vorstehenden Geschehnissen legt die Klägerin Eidesstattliche Versicherungen von Rechtsanwalt RA2 und Frau Z1 vor. Sie meint, sie habe die Berufungsfrist schuldlos versäumt.
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Wegen weiterer Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 16. Januar 2013 (Blatt 254 ff. der Akten) Bezug genommen.
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Die Beklagte hält die Berufung der Klägerin für verspätet. Dem Berufungs-schriftsatz vom 20. Dezember 2012 sei eine Berufungseinlegung für die Klägerin auch dann nicht zu entnehmen, wenn man die beigefügte Urteilskopie berück-sichtige, zumal diese ein anderes Aktenzeichen trage. Zum notwendigen Inhalt einer Berufungsschrift gehöre aber nach § 519 Abs. 2 ZPO die Bezeichnung des angegriffenen Urteils und die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt werde; insoweit seien nach herrschender Meinung strenge Anforderungen zu stellen: Die vorgenannten Angaben müssten sich entweder aus der Berufungsschrift selbst ergeben oder – bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist – mit Hilfe weiterer Unterlagen eindeutig zu erkennen sein. Insoweit sei der Schrift-satz vom 4. Januar 2013 nicht mit zu berücksichtigen. Aus den innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereichten Schriftsätzen und Unterlagen ergebe sich nicht eindeutig, wer Berufung eingelegt habe und gegen welches Urteil.
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Wegen der Einzelheiten ihrer Stellungnahme wird auf den Schriftsatz vom 21. Januar 2013 (Blatt 268 ff. der Akten) verwiesen.
12

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2013 haben die früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin das Mandat niedergelegt.

II.

13

Die Berufung der Klägerin ist nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden.
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1. Der Lauf der einmonatigen Berufungsfrist begann mit der Zustellung des vollständig abgefassten Urteils an die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. November 2012 und endete am 20. Dezember 2012.
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a. Durch den am 20. Dezember 2012 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag ist eine Berufung für die Klägerin nicht eingelegt worden. Denn in dem Schriftsatz heißt es ausdrücklich, es werde Berufung im Namen von A eingelegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem der Berufungsschrift vom 20. Dezember 2012 beigefügten Urteilskopie. Denn diese trägt das Aktenzeichen 2/30 O 143/12, während sich die mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 eingelegte Berufung ausdrücklich gegen ein unter dem Aktenzeichen 2/30 O 142/12 ergangenes Urteil richtet. Ein objektiver Erklärungsempfänger musste annehmen, dass durch den Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 Berufung namens des Herrn A gegen ein Urteil in einem Rechtsstreit 2/30 O 142/12 vor dem Landgericht Frankfurt am Main eingelegt werden solle, und dem Schriftsatz versehentlich die Kopie eines in einem anderen Rechtsstreit ergangenen Urteils beigefügt wurde.
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b. Die mit Schriftsatz vom 16. Januar 2013 im Namen der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2012 in dem Rechtsstreit 2/30 O 143/12 eingelegte Berufung ist am selben Tag per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangen; dies war zu spät.
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2. Der Antrag der Klägerin, ihr wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, war abzuweisen.
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Die Klägerin hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten.
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Vielmehr beruhte die Fristversäumung nach ihrem eigenen Vorbringen auf einem Verschulden ihrer früheren Prozessbevollmächtigten, das sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
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Ein Rechtsanwalt muss bei der Anfertigung einer Berufungsschrift mit Hilfe eines Computerprogramms überprüfen, ob von diesem automatisch eingefügte Angaben inhaltlich zutreffend und vollständig sind. Dies gilt insbesondere für die Mindest-angaben des § 519 Abs. 2 ZPO.
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Den Angaben der Klägerin zufolge hat ihr früherer Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt RA2, eine von seiner Bürokraft fehlerhaft vorgenommene Eintragung in dem Computerprogramm „B“, die dazu geführt habe, dass in die Berufungsschrift vom 20. Dezember 2012 automatisch ihr Ehemann als klagende Partei in dem Rechtsstreit 2/30 O 143/12 vor dem Landgericht Frankfurt am Main eingefügt worden sei, nicht korrigiert, und zudem bei der Erstellung der vorgenannten Berufungsschrift mit Hilfe des Computerprogramms das Aktenzeichen des mit der Berufung anzugreifenden Urteils fehlerhaft eingegeben. Damit hat der Rechtsanwalt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, § 276 Abs. 2 BGB. Sein Verschulden steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO einem Verschulden der Klägerin gleich.
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3. Da die Berufung der Klägerin nicht innerhalb der gesetzlichen Frist des § 517 ZPO eingelegt wurde, war sie gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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