OLG Frankfurt am Main, 09.01.2013 – 23 U 46/12

April 21, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.01.2013 – 23 U 46/12
Tenor:

Die Berufung gegen das am 20. Januar 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Geschäftszeichen 2-10 O 197/11, wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 374 EUR festgesetzt.
Gründe
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I.

Die Parteien streiten um einen Auskunftsanspruch über Rückvergütungen („Kick-Backs“) im Zusammenhang mit der Zeichnung einer Beteiligung an dem A GmbH & Co. KG (Fonds-Nr. 142) in Höhe von 250.000 € zuzüglich Agio in Höhe von 4.620 € durch den Kläger am 09.10.2002. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Teil- Urteils, der keiner Ergänzung bedarf, Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage wegen der die Beteiligung am A GmbH & Co. KG betreffenden Auskunftsklage durch das angefochtene Teilurteil weitgehend stattgegeben und nur hinsichtlich des Antrages auf Feststellung des Verzuges der Beklagten abgewiesen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
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Die Beklagte wurde mit Verfügung vom 12.11.2012 auf die Bedenken des Senats gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen. Die Beklagte hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 20.12.2012 (Bl. 276 ff. d. A.), auf den Bezug genommen wird, geäußert.
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II.

Die Berufung ist unzulässig, weil weder der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung zugelassen hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dies ist auch nicht ausnahmsweise vom Senat nachzuholen, da einer der Zulassungsgründe des § 511 Abs. 4 ZPO nicht gegeben ist.
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Der Wert des Beschwerdegegenstandes bemisst sich für den Rechtsmittelführer auch nach dem Urteilstenor; er ist danach zu bestimmen, inwieweit die ergangene Entscheidung selbst dem Rechtsmittelkläger einen rechtlichen Nachteil bringt, dessen Beseitigung er mit dem Rechtsmittel erstrebt (BGH, Urt. v. 04.07.1997 – V ZR 208/96, juris, Rn. 9). Da die Beklagte zur Erteilung einer Auskunft verurteilt wurde, ist der Wert des Beschwerdegegenstandes nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zuletzt: BGH, Beschluss v. 28.11.2012 – XII ZB 620/11, juris) nach dem Zeitaufwand in Anlehnung an den Stundensatz zu bewerten, den der Auskunftspflichtige im Zivilprozess nach dem JVEG erhalten würde und nicht, wie dies offenbar die Beklagte ihrer Berechnung zugrunde legt, der Stundenaufsatz, den sie Dritten für ihre Tätigkeit ihrer Juristen und sonstigen Mitarbeiter in einem vergleichbaren Fall in Rechnung stellen würde (hierzu BGH, Beschluss v. 22.02.2012 – III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 f, Rn. 6). Die entsprechenden Stundensätze ergeben sich aus den §§ 20 ff. JVEG und erreichen im Maximalfall des § 22 JVEG einen Stundensatz von 17 €, wenn ein Verdienstausfall dargetan ist, ansonsten nach § 21 JVEG maximal 12 €. Multipliziert mit der von der Beklagten und Berufungsklägerin ohne weitere Glaubhaftmachung angegebenen Stundenzahl für die Tätigkeit eines Juristen der Rechtsabteilung der Beklagten und die Tätigkeit sonstiger Mitarbeiter der Beklagten angesetzten Stundenzahl von 22 Stunden ergibt dies im Höchstfall Kosten in Höhe von 374 € (bei einem Stundensatz von 17 €).
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Ein besonderes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten und Berufungsklägerin ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn ein besonderes, gerechtfertigtes Interesse des Auskunftspflichtigen, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten, im Einzelfall konkret dargetan wird (BGH, Beschl. v. 08.10.1991 – XI ZB 5/91, juris, Rn. 5; BGH, Beschl. v. 08.12.1993 – IV ZB 14/93, juris, Rn. 6). Die knappen Darlegungen der Beklagten und Berufungsklägerin hierzu genügen nicht, denn sie sind lediglich allgemeiner Natur und gehen inhaltlich nicht über das hinaus, was bereits zur Verteidigung gegen den klageweise geltend gemachten Auskunftsanspruch vorgebracht wurde. Das Interesse der Beklagten und Berufungsklägerin, den Leistungsanspruch abzuwehren, hat jedoch außer Betracht zu bleiben, weil es durch die Verurteilung zur Auskunftserteilung, die für den Grund des Hauptanspruches keine Rechtskraft schafft, nicht berührt wird (BGH, Urt. v. 04.07.1997 – V ZR 208/96, juris, Rn. 9; BGH, Beschl. v. 8. Juli 1987 – IVb ZB 3/87, BGHR ZPO § 511 a-Wertberechnung 3).
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Auch soweit die Beklagte und Berufungsklägerin darauf hinweist, dass sie aufgrund vertraglicher Bindungen zu Dritten dazu verpflichtet sei, erfolgte Zahlungen nicht zu offenbaren, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Drittbeziehungen stellen keinen unmittelbar aus dem Urteil fließenden rechtlichen Nachteil nicht dar und haben deshalb als reine Fernwirkung nicht nur für den Streitgegenstand und die daran zu orientierende Bemessung des Streitwertes, sondern gleichermaßen für die Beschwer außer Betracht zu bleiben. Dies kann für die Bemessung der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht anders sein. Wenn schon nach dem oben Ausgeführten das Interesse des Beklagten, den Leistungsanspruch abzuwehren, außer Betracht zu bleiben hat, dann kann erst recht ein behauptetes „Haftungsinteresse“ gegenüber einem Dritten für den Fall einer späteren – aufgrund der erteilten Auskunft denkbaren – Verurteilung in einem weiteren Verfahren die Beschwer im Auskunftsverfahren nicht erhöhen (BGH, Urt. v. 04.07.1997 – V ZR 208/96, juris, Rn. 9).
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Die Zulassung der Berufung ist auch im vorliegenden Fall nicht durch den Senat nachzuholen. Zwar obliegt dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Berufungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen, wenn von dem Gericht der ersten Instanz eine Zulassungsentscheidung entgegen § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO nicht getroffen wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das erstinstanzliche Gericht zu dieser Entscheidung keine Veranlassung gesehen hat, weil es den Streitwert auf über 600 Euro festgesetzt hat und deswegen von einem entsprechenden Wert der Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, während das Berufungsgericht diesen Wert aber für nicht erreicht hält (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218 [219]; BGH, Beschl. v. 26.10.2010 – VI ZB 74/08, NJW 2011, 615; BGH, Beschl. v. 15.06.2011 – II ZB 20/10, NJW 2011, 2974 [2976]; BGH, Urt. v. 07.03.2012 – IV ZR 277/10, NJW-RR 2012, 633 [634]). Exemplarisch hierfür sind insbesondere die in jüngster Zeit von dem Bundesgerichtshof wiederholt entschiedenen Fällen einer Auskunftsklage (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 23.03.2011 – XII ZB 436/10, NJW-RR 2011, 998 [999]; BGH, Beschl. v. 15.06.2011 – II ZB 20/10, NJW 2011, 2974 [2976]; BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – XII ZB 465/11, NJW 2011, 3790 [3791]). Dass das Landgericht hier davon ausgegangen ist, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes oberhalb der Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegt und daher keine eigene Entscheidung über die Zulassung der Berufung getroffen hat, lässt sich schon aus der Höhe der vom Landgericht nach § 709 ZPO festgesetzten Sicherheitsleistung von 27.500 € ersehen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.03.2011 – XII ZB 436/10, NJW-RR 2011, 998 [999]).
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Es liegt jedoch kein Grund vor, aus dem nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO die Berufung zuzulassen ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines auf § 280 Abs. 1 BGB gestützten Schadenersatzanspruchs aus § 666 BGB hat, ist geklärt (BGH, Urt. v. 1. 12. 2011 − III ZR 71/11, NJW 2012, 917 f. [BGH 01.12.2011 – III ZR 71/11] [918 Tz. 20]; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.02.2012 – 19 U 188/11, juris, Rn. 18; Sprau in: Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, §§ 666, 667, Rn. 3). Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Bezirk des Oberlandesgerichts erfordert nicht die Zulassung der Berufung. Zwar hat sich das LG Frankfurt in zwei weiteren Urteilen zur Frage der Zulässigkeit der isolierten Auskunftsklage geäußert. Während im Urteil vom 23.09.2011 (2-25 O 95/11, Anlage B 3, Bl. 182 ff. d. A.) die Auskunftsklage ohneZweckbestimmung der Auskunft zur Vorbereitung eines Schadenersatzanspruchs mangels Rechtsschutzbedürfnis für unzulässig erachtet wurde, hat das LG Frankfurt am Main im Urteil vom 12.08.2011 (2-21 O 143/10, Anlage B1, Bl. 133 ff. d. A.) deswegen als unzulässig erachtet, weil sie nur als Hilfsantrag neben einem bereits bezifferten Schadenersatzantrag erhoben wurde). Diese vom LG Frankfurt am Main jeweils entschiedenen Sachverhaltskonstellationen sind auf den vorliegenden aus den vorgenannten Gründen nicht übertragbar. Da es sich zudem bei der Frage der Notwendigkeit einer Auskunft um Einzelfallbeurteilungen handelt (vgl. hierzu auch OLG Frankfurt am Main a.a.O., Rn. 17; BGH, Urt. v. 04.07.1985 – III ZR 144/84, Rn. 17), ist auch eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreites nicht gegeben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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