LAG Hessen, 31.07.2015 – 10 Sa 702/15

April 22, 2019

LAG Hessen, 31.07.2015 – 10 Sa 702/15
Leitsatz:

1.

Die Löschung einer vermögenslosen GmbH führt im Passivprozess grundsätzlich nicht zum Wegfall der Parteifähigkeit nach § 50 Abs. 1 ZPO. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger im Liquidationsverfahren übergangen worden ist und die Gesellschaft deshalb noch einen Anspruch gegen den Liquidator nach § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG hat.
2.

Für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist kann nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Beitragsverfahren der ULAK nicht auf die Kenntnis der genauen Bruttolohnsummen bei der Sozialkasse abgestellt werden. Ausreichend ist es vielmehr, wenn die ULAK in der Lage ist, eine sog. Mindestbeitragsklage auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne zu erheben.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. September 2013 – 2/7/2 Ca 684/11 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.731,91 (in Worten: Zwanzigtausendsiebenhunderteinunddreißig und 91/100 Euro) Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 27 % und die Beklagte 73 % zu tragen, von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 24 % und die Beklagte 76 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte war im Gewerberegister der Stadt xxxx als Tiefbauunternehmen gem. Auskunft vom 29. Juni 2006 gemeldet. Wegen der Einzelheiten der Auskunft aus dem Gewerberegister wird verwiesen auf Bl. 220 – 221 der Akte. Im Handelsregister war sie mit der Tätigkeit „Erd- und Tiefbauarbeiten“ eingetragen. Bei der Gewerbeanmeldung im Jahre 1983 waren im Gewerberegister der Stadtverwaltung xxxx baufremde Tätigkeiten, wie allgemeiner Güternahverkehr, Groß- und Einzelhandel mit Baustoffen und Landschaftspflege, angemeldet worden, daneben aber auch bauliche Arbeiten wie Bagger-, Erd- und Abbrucharbeiten (Bl. 32 der Akte).

Der Beklagte ist nicht Mitglied in dem Bundesverband des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbaus. Mit Wirkung vom 2. Januar 2011 ist der Betrieb, der zuvor der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (Tiefbau) zugeordnet war, der Gartenbauberufsgenossenschaft zugeordnet worden.

Unstreitig ist, dass im Betrieb der Beklagten zumindest auch Tiefbau-, Erd-, Pflaster-, Maler- und Isolierarbeiten angefallen sind. Über die Einzelheiten der im Betrieb erbrachten Tätigkeiten herrscht zwischen den Parteien Streit.

Am 23. Mai 2005 fand ein Betriebsbesuch durch einen Betriebsberater des Klägers statt.

In einem Vorverfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden – 7/9 Ca 1569/05 – hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für den Zeitraum Dezember 2004 bis November 2005 in Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Das Berufungsverfahren unter dem Az. 10 Sa 1239/11 blieb erfolglos.

Das Gewerbe ist abgemeldet worden. Mit Beschluss vom 25. Juni 2013 der Gesellschafterversammlung wurde die Gesellschaft aufgelöst und der Geschäftsführer der Beklagten, Herr A, als Liquidator bestellt.

Der Kläger hat ursprünglich nach Verbindung von zwei Rechtsstreiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung eine Beitragsforderung in Höhe von 33.533,49 Euro geltend gemacht. Hierbei handelt es sich um gemeldete Beiträge für zwei Arbeitnehmer, B und C, für den Zeitraum Dezember 2005 bis März 2010 (vgl. Aufstellung K2 Bl. 36 der Akte) sowie um Mindestbeiträge für jeweils einen weiteren gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum Januar 2009 bis März 2010 i.H.v. 8.760 Euro sowie um Mindestbeiträge für April 2010 bis Juni 2011 i.H.v. weiteren 8.760 Euro. Nachdem die Beklagte die genauen Bruttolohnsummen mitgeteilt hatte, hat der Kläger seine Beitragsforderung mit Schriftsatz vom 24. April 2012 (Bl. 110 der Akte) um 6.184,60 Euro reduziert. Für den Zeitraum April 2010 bis Juni 2011 hat er Mindestbeiträge für den Arbeitnehmer B in Höhe von 1.188 Euro geltend gemacht und seine Klage insoweit erweitert. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat der Kläger zuletzt von der Beklagten Zahlung von 28.536,89 Euro begehrt.

Mit Antrag vom 27. Dezember 2010 hatte der Kläger einen Mahnbescheid über 16.013,49 Euro – Beitragsforderung Dezember 2005 bis November 2006 – beantragt (2 Ba 528/11; späteres gerichtliches Az.: 2/7/2 Ca 684/11). Mit Verfügung vom 22. März 2011 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Bezeichnung der Parteien unvollständig sei, da der gesetzliche Vertreter der Gegenpartei nicht benannt worden ist. Der Mahnbescheid ist sodann am 4. April 2011 erlassen und am 7. April 2012 zugestellt worden.

Der Kläger hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätten arbeitszeitlich betrachtet überwiegend die folgenden Tätigkeiten erbracht:

– Pflasterarbeiten, Straßenbauarbeiten, Wegebauarbeiten, Zaunbauarbeiten, wobei hierunter auch die Tätigkeiten der Beseitigung von Schlaglöchern und Rissen auf Parkplätzen fallen, Richten und Montieren von Ketten-, Stellplatzbegrenzungen und Lattenzaunpfähle sowie Metallzaunanlagen, Herstellung und Reparatur von Dränagen, Auswechselung und Erneuerung von Pflastersteinen und Rasenkantsteinen inklusive aller hierfür notwendigen Vor- und Nacharbeiten, wie An- und Abfuhr sowie Einrichten und Reinigen der Baustelle;

– Isolierarbeiten an Kellerwänden, Mauerwerksisolierung und Herstellung von Wärmedämmung.

Der Kläger hat ferner gemeint, die Beitragsforderung für Dezember 2005 bis November 2006 sei auch nicht verjährt. Er habe erst durch den Schriftsatz der Beklagten vom 25. Januar 2010 in dem Vorverfahren 7/9 Ca 1569/09 Kenntnis von den Bruttolohnsummen erlangt. In diesem Kontext ist ein Schreiben des Steuerberaters vom 13. November 2009 vorgelegt worden. Außerdem sei noch die Zustellung „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO erfolgt. Der Kläger habe rechtzeitig alle Voraussetzungen für eine Zustellung beim Gegner geschaffen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.536,89 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, der betriebliche Geltungsbereich des VTV sei nicht eröffnet. Sie hat behauptet, sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend die folgenden Tätigkeiten erbracht:

– allgemeiner Güternahverkehr,

– Groß- und Einzelhandel mit Baustoffen,

– Landschaftspflege (z.B. Abtragen von Mutterboden und Neuverfüllung mit Mutterboden, anschließend Graseinsaat),

– Bekämpfung von Schimmelpilz (Abnahme von Putz und Neuverputz bzw. Abnahme von Tapeten, Tapezieren bzw. Neuanstrich),

– allgemeine Klempner-, Schlosser- und Malerarbeiten.

Tiefbauarbeiten seien nur zu einem geringen Anteil durchgeführt worden.

Sie hat ferner die Ansicht vertreten, dass sie für den Beschäftigten B keine Beiträge schulde. Dieser sei geringfügig beschäftigt auf 400-Euro-Basis gewesen. Der Zeuge D sei nicht im Zeitraum 1. Mai bis 30. November 2005 beschäftigt gewesen; sein Arbeitsverhältnis habe am 31. Oktober 2005 geendet.

Ferner hat sie die Einrede der Verjährung erhoben. Der Mahnbescheid in 2 Ba 528/11 sei erst im April 2011 erlassen worden, so dass die Ansprüche Dezember 2005 bis November 2006 verjährt seien. Mitteilungen für den Zeitraum Januar bis November 2006 seien in dem Schreiben vom 25. Januar 2010 nicht erfolgt. Der Kläger hätte auch, wie er das auch sonst praktiziert, Beiträge schätzen können.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die arbeitszeitlich überwiegend erbrachten Tätigkeiten gemäß Beweisbeschluss vom 26. Juni 2012. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf Bl. 100 ff. der Akte.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 25. September 2013 der Klage ganz überwiegend, nämlich in Höhe von 27.348,89 Euro stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet sei und Beiträge in Bezug auf die Arbeitnehmer D und C zu zahlen seien. Diese Zeugen hätten bei ihrer Vernehmung bekundet, überwiegend mit baulichen Tätigkeiten befasst gewesen zu sein. Für Herrn B seien keine Beiträge geschuldet, da dieser nur geringfügig beschäftigter Angestellter gewesen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils erster Instanz wird verwiesen auf Bl. 130 – 136 der Akte.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 16. Oktober 2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 11. November 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16. Januar 2014 ist die Berufungsbegründung am 15. Januar 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Während des Berufungsverfahrens ist am 13. Oktober 2014 in dem Handelsregister des Amtsgerichts xxxx unter HRB xxxx die Löschung der Gesellschaft nach beendeter Liquidation eingetragen worden. Bezüglich der Einzelheiten des Auszugs aus dem Handelsregister wird verwiesen auf Bl. 239 und 240 der Akte.

Mit ihrer Berufungsschrift wendet sich die Beklagte gegen die erstinstanzliche Entscheidung und macht geltend, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die erhobene Einrede der Verjährung nicht berücksichtigt. Der Mahnbescheid vom 5. April 2011 habe die Verjährung für die Ansprüche bis einschließlich November 2006 nicht hemmen können. Die Ansprüche für die Monate Dezember 2005 bis November 2006 seien verjährt. Es werde bestritten, dass der Mahnbescheid am 27. Dezember 2010 beantragt worden sei. Gegen einen Eingang des Mahnbescheids bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden bis Ende 2010 spreche, dass das Aktenzeichen aus dem Jahr 2011 stamme. Es komme auch nicht darauf an, dass der Kläger vorträgt, er habe erst mit Schreiben vom 25. Januar 2010 Kenntnis von den konkreten Bruttolohnsummen für den Zeitraum Dezember 2005 bis November 2006 erhalten. Nachdem dem Erlass des Mahnbescheides zunächst das Hindernis entgegenstand, dass die Vertretungsverhältnisse nicht angegeben waren, sei die spätere Zustellung am 7. April 2011 nicht mehr als „demnächst“ anzusehen.

Ferner vertritt die Beklagte die Auffassung, dass das Arbeitsgericht im Hinblick auf den Arbeitnehmer B zu Unrecht lediglich 1.188 Euro in Abzug gebracht habe. Der Kläger mache für den gesamten Zeitraum Dezember 2005 bis einschließlich Juni 2006 Forderungen gelten. Daher müsse ein weiterer Betrag in Höhe von 4.118,40 Euro in Abzug gebracht werden.

Sie behauptet ferner, dass der Arbeitnehmer D nur bis zum 31. Oktober 2005 beschäftigt worden sei. Da der Kläger Ansprüche erst ab Dezember 2005 geltend mache, komme es auf die Tätigkeit dieses Arbeitnehmers zur Entscheidung des Rechtsstreites gar nicht an.

Das Arbeitsgericht habe auch die Aussage des Zeugen C fehlerhaft gewürdigt. Der Zeuge spreche lediglich von seiner Haupttätigkeit, er habe aber keine genauen Angaben zum zeitlichen Anteil machen können. Die von den Zeugen bestätigten Drainagearbeiten seien im Zusammenhang mit den Garten- und Landschaftsbautätigkeiten zu sehen. Der Zeuge habe weiter bestätigt, dass im Betrieb keine Straßenbauarbeiten ausgeführt worden seien.

Aus der Aussage des Zeugen B ergebe sich glaubhaft, dass im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich betrachtet nicht überwiegend bauliche Arbeiten angefallen seien. Der Zeuge B sei mit der Beaufsichtigung der auszuführenden Aufträge betraut gewesen und habe auch selbst die Aufträge entgegengenommen. Der Zeuge habe daher einen umfassenden Einblick in die von der Beklagten ausgeführten Arbeiten.

Ferner meint die Beklagte, dass infolge der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister die Rechts- und Parteifähigkeit der Beklagten erloschen sei. Vermögen sei bei ihr nicht mehr vorhanden.

Schließlich beantragt die Beklagte hilfsweise,

das Verfahren gemäß § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen. Nach diesseitiger Information habe das zuständige Bundesministerium das Erreichen des erforderlichen Quorums auf der Grundlage eines Schreibens der Tarifvertragsparteien ermittelt. Die in diesen Unterlagen enthaltenen Informationen würden aber keine ausreichende Grundlage für die Voraussetzungen des § 5 TVG enthalten.

Die Beklagte stellt sinngemäß die Anträge,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. September 2013 – 2/7/2 Ca 684/11 – abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, dass die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden sei. Er habe am 27. Dezember 2010 einen Mahnbescheid für den Zeitraum Dezember 2005 bis März 2010 beim Arbeitsgericht beantragt. Dem Arbeitsgericht hätten noch vier Tage bis Ende des Jahres zur Verfügung gestanden, da die Verjährungsfrist erst am 31. Dezember 2010 ablief. Die Beklagte habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen werden zu müssen, nachdem das Vorverfahren mit dem Aktenzeichen 7/9 Ca 1569/05 (in der Berufungsinstanz 10 Sa 1239/11) anhängig war.

Das Arbeitsgericht habe den Arbeitnehmer B zutreffend als geringfügig beschäftigten Angestellten eingestuft. Bei dem für diesen Arbeitnehmer vorzunehmenden Abzug habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass in den Kalenderjahren 2005 – 2011 unterschiedliche Beitragssätze galten. Richtig sei es, für den Arbeitnehmer B von den noch im Streit stehenden Betrag in Höhe von 27.348,89 Euro für den Zeitraum Dezember 2005 bis März 2010 insgesamt 4.059,60 Euro abzuziehen.

Der Kläger habe dem Zeugen D benannt, da es für den Monat Dezember 2005 darauf ankommt, welche Tätigkeit sämtliche in dem Kalenderjahr 2005 beschäftigten Arbeitnehmer verrichtet haben. Der Zeuge sei bei der Berechnung der Forderung nur bzgl. Dezember 2005 berücksichtigt worden. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 7/9 Ca 1569/09 für den Zeitraum Januar 2005 bis November 2005 entschieden, dass eine Tarifunterworfenheit in diesem Kalenderjahr gegeben war.

Im Übrigen verteidigt er die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts. Dieses sei im Rahmen seines Ermessens zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tätigkeiten des Zeugen C zu 80 % als bauliche Tätigkeiten zu werten seien.

Ferner meint der Kläger, dass die Parteifähigkeit der Beklagten trotz Löschung im Handelsregister fortbestehe. Im Falle eines Obsiegens des Klägers mit seiner Beitragsklage stünde der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung von gezahltem Urlaubsgeld zu. Die Beklagte sei daher nicht als vermögenslos anzusehen.

Schließlich meint er, dass eine Aussetzung nach § 98 Abs. 6 ArbGG nicht in Frage komme. Die Beklagte habe keine hinreichenden Zweifel an der Wirksamkeit der AVE vorgebracht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg habe mit zwei Beschlüssen vom 17. April 2015 (2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14) die Wirksamkeit der AVE für die Jahre 2008 und 2010 festgestellt.

Bzgl. der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und zum Teil begründet. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Parteifähigkeit der Beklagten zu bejahen. Die Klage ist in Höhe von 20.731,91 Euro begründet. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, eröffnet. Die Beitragsforderung für den Zeitraum Dezember 2005 bis November 2006 ist jedoch verjährt. Die geltend gemachten Beiträge für B sind herauszurechnen, da dieser lediglich Angestellter auf einer geringfügigen Beschäftigungsbasis war.

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach dem Beschwerdewert unproblematisch statthaft, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG, 519 ZPO) und innerhalb der bis zum 16. Januar 2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG, 520 ZPO).

B. Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger kann lediglich Zahlung von 20.731,91 Euro verlangen.

I. Die Klage ist zunächst zulässig.

1. Die Beklagte ist trotz ihrer Löschung parteifähig, § 50 Abs. 1 ZPO.

a) Danach ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Eine GmbH entsteht nach § 11 Abs. 1 GmbHG mit der Eintragung in das Handelsregister. Sie erlischt mit dem Eintritt der sog. Vollbeendigung, welche die Vermögenslosigkeit und die Eintragung der Löschung der GmbH im Handelsregister voraussetzt (vgl. BAG 21. Mai 2008 5 8 AZR 623/07 5 Rn. 20, NZA5RR 2009, 75). Mit dem Wegfall der Rechtsfähigkeit erlischt grundsätzlich auch die Parteifähigkeit einer juristischen Person (vgl. BAG 4. Juni 2003 5 10 AZR 448/02 5 zu II 2 a der Gründe, AP Nr. 13 zu § 50 ZPO).

Die Löschung jedenfalls einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG(= § 141a Abs. 1 FGG aF) hat grundsätzlich zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Die Gesellschaft ist materiell-rechtlich nicht mehr existent. Bestehen dagegen Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig. Dafür reicht bei einem Aktivprozess schon die bloße Tatsache, dass die Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht (vgl. BGH 25. Oktober 2010 5 II ZR 115/09 5 Rn. 22, NJW5RR 2011, 115). Bei einem – wie hier vorliegenden – Passivprozess ist die gelöschte Gesellschaft dann parteifähig, wenn der Kläger substantiiert behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden (vgl. BGH 25. Oktober 2010 5 II ZR 115/09 5 Rn. 22, NJW5RR 2011, 115; BAG 4. Juni 2003 5 10 AZR 448/02 5 zu II 2 a der Gründe, AP Nr. 13 zu § 50 ZPO) oder wenn der Gesellschaft nach einem gewonnenen Prozess noch ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch zustehen kann (vgl. BGH vom 21. Oktober 1985 5 II ZR 82/85 5 NJW5RR 1986, 394; OLG München 17. Januar 2012 5 9 U 1817/07 5 Rn. 15, Juris). Das Bundesarbeitsgericht hat es auch als ausreichend angesehen, dass der Kläger im Liquidationsverfahren zu Unrecht übergangen worden ist und die Gesellschaft deshalb noch einen Anspruch gegen den Liquidator nach § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG hat (vgl. BAG 4. Juni 2003 5 10 AZR 448/02 5 zu II 2 c der Gründe, AP Nr. 13 zu § 50 ZPO).

Teilweise wird auch vertreten, dass die Parteifähigkeit im Passivprozess nicht untergehen kann, da es bis zum Ausgang des Rechtsstreits an einer Vollbeendigung fehlt (vgl. BAG 9. Juli 1981 5 2 AZR 329/79 5 zu I 4 der Gründe, AP Nr. 4 zu § 50 ZPO; Zöller-Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 50 Rn. 5; Gehrlein in Prütting-Gehrlein ZPO 5. Aufl. § 50 Rn. 18).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte nach wie vor als parteifähig anzusehen.

Dies hätte dann zu gelten, wenn man der letztgenannten Ansicht folgt, dass die Vollbeendigung während eines schwebenden Passivprozesses nicht eintreten kann. Jedenfalls ist aber auch davon auszugehen, dass die Beklagte nicht vollständig vermögenslos ist. Denn es spricht alles dafür, dass die Liquidation unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG erfolgte, d.h. zugunsten des Klägers keine Sicherheit geleistet worden ist und dass deshalb der Gesellschaft noch ein Anspruch gegenüber dem Liquidator zusteht. Hilfsweise ist darauf zu verweisen, dass der Beklagten im Falle des Obsiegens ein Anspruch auf Erstattung von Urlaubsvergütung nach § 13 VTV zustehen würde. Nach § 24 Abs. 3 Satz 2 VTV beginnt die zweijährige Verfallfrist für die Erstattungsansprüche erst ab Ablauf des Jahres zu laufen, in dem rechtskräftig festgestellt wird, dass der Betrieb von dem Tarifvertrag erfasst wird.

2. Die Beklagte ist auch prozessfähig. Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch selbstbestellte Vertreter wirksam vor- oder entgegenzunehmen. Eine GmbH ist als juristische Person als solche nicht fähig, Prozesshandlungen selbst vorzunehmen. Sie wird nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihren Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Zwar hat der vormalige Geschäftsführer der Beklagten mit der Löschung der Beklagten seine Bestellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten verloren. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass der Wegfall der Prozessfähigkeit dann ohne Bedeutung ist, wenn dem Prozessbevollmächtigten wirksam Prozessvollmacht erteilt worden war, weil diese Vollmacht nach § 86 ZPO weiter wirkt (vgl. BAG 21. Mai 2008 5 8 AZR 623/07 5 Rn. 24, NZA5RR 2009, 75; LAG Köln 7. September 2012 5 5 Sa 76/11 5 Rn. 24, Juris). So liegt der Fall auch hier. Die Löschung erfolgte am 13. Oktober 2014 nach Vollmachtserteilung während des laufenden Prozesses.

II. Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet. Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 18 Abs. 2, 22 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 und für die Beiträge ab dem 1. Januar 2010 aus §§ 18 Abs. 2, 21 des VTV vom 18. Dezember 2009 (VTV).

1. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist eröffnet.

a) Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Für die Beurteilung der Frage, ob in einem Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen (vgl. BAG 21. Oktober 2009 – 10 AZR 73/09 – Rn. 15, AP Nr. 313 zu § 1 TVG Tarifverträge Bau). Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auch handelsoder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 669/13 – Rn. 12, NZA 2014, 791 [BAG 15.01.2014 – 10 AZR 669/13]).

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt der Sozialkasse. Ihr Sachvortrag ist schlüssig, wenn sie Tatsachen vorträgt, die den Schluss rechtfertigen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages des VTV erfasst. Nicht erforderlich ist, dass sie jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt (vgl. BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 415/13 – Rn. 20, EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 145). Liegt ein entsprechender Tatsachenvortrag vor, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO vollständig und wahrheitsgemäß unter Angabe der maßgeblichen Tatsachen zu erklären. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber auch zu den zeitlichen Anteilen der verschiedenen Tätigkeiten Stellung nehmen (vgl. BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 30, NZA 2014, 1282 [BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13]).

b) Nach diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet ist.

aa) Dies hat der Kläger zunächst schlüssig behauptet. Die Straßenbau- und Pflasterarbeiten werden in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32 VTV erwähnt, die Drainierungsarbeiten in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 2 VTV. Die behaupteten Ausbesserungs- und Reparaturarbeiten werden jedenfalls von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfasst. Darunter fällt auch die Erstellung von Zäunen. Die Isolierarbeiten werden in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV erwähnt.

bb) Es kann hier unterstellt werden, dass das Bestreiten als erheblich zu bewerten ist; denn jedenfalls nach der Beweisaufnahme steht fest, dass die baulichen Arbeiten überwogen haben. Es erscheint zweifelhaft, ob das Bestreiten der Beklagten erheblich war. Denn die angegebenen Erdarbeiten, die Verputz-, Maler- und Klempnerarbeiten sind zumindest auch dem Baugewerbe zuzurechnen (vgl. zu letzteren § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 6 und Nr. 12 VTV). Maler- und Klempnerarbeiten werden grundsätzlich von der Auffangvorschrift in § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfasst. Arbeiten der Landschaftspflege, des Groß- und Einzelhandels sowie Tätigkeiten des allgemeinen Güterverkehrs sind allerdings unproblematisch baufremde Arbeiten.

cc) Die Beweisaufnahme hat den Vortrag des Klägers bestätigt. Die Angriffe der Berufungsführerin gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts tragen nicht.

(1) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht erster Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Aussage eines Zeugen ist dessen protokollierte Vernehmungsniederschrift. Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 286 Abs. 1 ZPO. Dem Ausgangsgericht kommt dabei ein gewisser Ermessensspielraum zu. Zu überprüfen ist aber, ob dem Ausgangsgericht bei der Beweiswürdigung Verfahrensfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH 12. März 2004 – V ZR 257/03 – Rn. 9, NJW 2004, 1876 [BGH 12.03.2004 – V ZR 257/03]). Der bloße Wunsch des Rechtsmittelführers, das Berufungsgericht möge die protokollierten Zeugenaussagen abweichend vom Erstgericht verstehen, führt indes noch nicht dazu, dass konkrete Zweifel an der vorgenommenen Beweiswürdigung entstehen müssen.

(2) Nach diesen Grundsätzen ist die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts nicht zu bestanden.

Der Zeuge D sagte aus, dass er im Jahre 2005 mit dem Verlegen von Gasleitungen, dem Reinigen von Sandkästen und der Reparatur von Kettenstellplatzbegrenzungspfählen befasst war; außerdem habe er Parkplätze gesplittet. Auch Pflasterarbeiten seien gelegentlich ausgeübt worden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht für diesen Zeugen mindestens eine bauliche Tätigkeit im Umfang von 50 % angenommen.

Der Zeuge C erklärte, seine Haupttätigkeiten hätten darin bestanden, Drainagen zu ziehen, Rohre zu ziehen und Schächte zu setzen. Im Jahr 2011 sei er im Bereich der Schimmelpilzbekämpfung eingesetzt worden und habe Isolierarbeiten an Kellerwänden erbracht. Daneben seien regelmäßig Baggerarbeiten angefallen. Vor diesem Hintergrund ist es aus Berufungssicht nicht zu beanstanden, dass das Arbeitsgericht einen Anteil der baulichen Tätigkeit von 80 % annahm. Richtig ist zwar, dass der Zeuge keine zeitlichen Anteile in Bezug auf die einzelnen Tätigkeiten angeben konnte. Da er aber praktisch ausschließlich bauliche Leistungen angab, ist eine Schätzung auf 80 % nicht zu beanstanden.

Das Arbeitsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund der Aussage des Zeugen B nicht davon ausgegangen werden kann, dass die baufremden Tätigkeiten überwogen haben. Der Zeuge hat vielmehr eine Vielzahl von baulichen Leistungen erwähnt, nämlich das Beseitigen von Schlaglöchern, das Anlegen von Drainagen, das Setzen von Rasensteinkanten sowie Isolierarbeiten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Schimmelpilzen. Aus der Aussage des Zeugen lässt sich nicht ableiten, dass reine Gartenarbeiten ohne das Setzen von Rasenkantensteinen überwogen hätten. Insoweit ist die Aussage aus Sicht der Beklagten auch nicht ergiebig. Nur am Rande sei erwähnt, dass die von der Beklagten behaupteten Handels- und Güterverkehrsarbeiten von keinem der drei Zeugen erwähnt, geschweige denn bestätigt worden sind. Das Arbeitsgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass der Zeuge B nur in Teilzeit tätig war und – etwa anders als der Zeuge C – aus eigener Anschauung deshalb nichts über die durchweg täglich im Betrieb erbrachten Arbeiten berichten konnte.

2. Die Ansprüche sind zum Teil, nämlich bzgl. des Beitragszeitraums Dezember 2005 bis November 2006, verjährt.

a) Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch Zustellen eines Mahnbescheids wurde nicht rechtzeitig herbeigeführt. Die vierjährige Verjährungsfrist begann am 1. Januar 2007, 0:00 Uhr, zu laufen und endete am 31. Dezember 2010 um 24:00 Uhr.

Der Mahnbescheid unter 2 Ba 528/11 (später 2/7/2 Ca 684/11) trägt das Antragsdatum 27. Dezember 2010. Mit diesem Datum ist aber noch nichts ausgesagt über den Zeitpunkt, wann der Mahnbescheid ausgedruckt und in vollständiger Form bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen ist. Nicht ausreichend ist es, wenn der Mahnbescheidsantrag dem Arbeitsgericht lediglich in Dateiform und ohne Unterschrift übermittelt wird. Auf eine Nachfrage hat das Arbeitsgericht Wiesbaden mit Schreiben vom 15. Juli 2014 mitgeteilt, dass der Mahnbescheidsantrag erst am 3. März 2011 bei Gericht eingegangen ist (Bl. 235 der Akte). Damit wurde die Verjährungsfrist nicht gewahrt.

Vor diesem Hintergrund kann es offen bleiben, ob dem Erlass des Mahnbescheids ein Hindernis entgegenstand, weil der Zusatz „vertreten durch den Geschäftsführer“ fehlte. Erlassen wurde der Mahnbescheid erst am 4. April 2011.

b) Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des Klägers ankam, die er erst durch den Schriftsatz vom 25. Januar 2010 in dem Vorverfahren 7/9 Ca 1569/09 erlangt hat.

aa) Für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist kommt es – neben dem Entstehen des Anspruchs – nach § 199 Absatz I Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die von § 199 Absatz I Nr. 2 BGB geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage (vgl. BAG 13. März 2013 – 5 AZR 424/12 – Rn. 24, BAGE 144, 322; BGH 26. September 2012 – VIII ZR 240/11 – Rn. 44, BeckRS 2012, 21993; Müko5BGB-Grothe 6. Aufl. § 199 Rn. 25), erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist. Die erforderliche Kenntnis setzt keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus, es genügt vielmehr die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (vgl. BAG 24. September 2014 – 5 AZR 593/12 – Rn. 35, NZA 2015, 35 [BAG 24.09.2014 – 5 AZR 593/12]; BAG 13. März 2013 – 5 AZR 424/12 – Rn. 24, BAGE 144, 322).

bb) Richtig ist zwar, dass dem Kläger die jahresbezogenen Bruttolohnsummen erst mit dem Schriftsatz vom 25. Januar 2010 übermittelt worden sind. Dabei handelte es sich aber um eine grobe Übersicht des Steuerberaters E, aus denen sich die einzelnen monatsbezogenen Lohnsummen auch nicht ableiten ließen.

Entscheidend ist, dass dem Kläger der Betrieb der Beklagten seit langem bekannt war und ihm eine Mindestbeitragsklage zumutbar war. Bereits im Jahre 2005 ist es zu einer Betriebsprüfung gekommen. In dem Vorverfahren 7/9 Ca 1569/05 hat der Kläger u.a. Beitragsansprüche bis November 2005 geltend gemacht. Gerichtsbekannterweise macht der Kläger in ständiger Praxis Beitragsklagen auf der Grundlage statistischer Durchschnittslöhne geltend. Dies hätte er auch für den Zeitraum Dezember 2005 bis November 2006 geltend machen können. Keinesfalls kann die erforderliche Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst dann angenommen werden, wenn der Kläger die genauen Bruttolohnsummen kennt. Denn dann liefen die tariflichen Verjährungs- und Verfallfristen praktisch leer. Auf die genaue Kenntnis der Bruttolöhne stellt das klägerische System der gerichtlichen Durchsetzung der Beitragsansprüche auch (gar nicht mehr) ab. Die früher übliche, der Vorbereitung von Leistungsklagen dienende Auskunftsklage wird vom Kläger nicht mehr erhoben. Auch eine Stufenklage nach § 256 ZPO erhebt er nicht. Dadurch wird belegt, dass der Kläger durchaus in der Lage ist, seine Beitragsansprüche durch Leistungsklagen i.S.v. offenen Teilklagen durchzusetzen, ohne dass ihm die genauen Bruttolohnsummen monatsweise bekannt sind.

3. Hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung gilt Folgendes:

Die verjährte Beitragsforderung Dezember 2005 bis November 2006 muss in Abzug gebracht werden. Welche Beiträge der Kläger insoweit zugrunde gelegt hat, ergibt sich aus der Anlage K2 (Bl. 36 der Akte). Zusammen macht dies einen Betrag in Höhe von 3.480,18 Euro aus.

Ferner sind die Beiträge für B für den Zeitraum Dezember 2006 bis März 2010 abzuziehen. Dieser war, was der Kläger in der Berufungsinstanz unstreitig stellte, als geringfügig beschäftigter Angestellter eingesetzt (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 3 VTV). Dies macht einen weiteren Betrag in Höhe von 3.136,80 Euro aus

Der Kläger kann daher nur insgesamt einen Betrag für Dezember 2006 bis Juni 2011 in Höhe von 20.731,91 Euro geltend machen.

4. Der Rechtsstreit ist auch nicht nach § 98 Abs. 6 ArbGG auszusetzen.

Der Rechtsstreit ist nicht nach § 98 Abs. 6 ArbGG in der seit dem 16. August 2014 geltenden Fassung (Art. 2 Nr. 5 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes vom 11. August 2014, BGBl. I S. 1348) auszusetzen. Die Beklagte hat keine hinreichenden Zweifel an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vorgebracht; solche sind auch nicht gerichtsbekannt.

Nach § 98 Abs. 6 ArbGG ist ein Rechtsstreit auszusetzen, wenn seine Entscheidung davon abhängt, ob eine AVE nach § 5 TVG wirksam ist. Bereits nach bisheriger ständiger Rechtsprechung ist die Wirksamkeit der AVE eines Tarifvertrags durch die Gerichte für Arbeitssachen grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen, soweit es entscheidungserheblich auf diese ankommt (vgl. BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 20, NZA 2014, 1282 [BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13]). Hieran hat sich durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz nichts geändert. Durch dieses ist lediglich erstmals mit § 98 ArbGG ein Verfahren geschaffen worden, in dem in Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Beschlussverfahren mit Inter-omnes-Wirkung die Wirksamkeit einer AVE oder entsprechenden Rechtsverordnung einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Eine Überprüfung von Amts wegen bedeutet aber nicht, dass die Gerichte verpflichtet sind, von sich aus die Erfüllung aller Erfordernisse der AVE festzustellen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Bundesminister für Arbeit und Soziales und die obersten Arbeitsbehörden der Länder die AVE eines Tarifvertrags nur unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen aussprechen. Der erste Anschein spricht deshalb für die Rechtmäßigkeit einer AVE (vgl. BAG 10. September 2014 – 10 AZR 959/13 – Rn. 21, NZA 2014, 1282 [BAG 10.09.2014 – 10 AZR 959/13]; BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14 – Rn. 19, Juris). Es genügt daher nicht, wenn die Prozessparteien die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der AVE pauschal bestreiten. Erforderlich ist vielmehr ein substantiierter Parteivortrag, der geeignet ist, erhebliche Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG aufkommen zu lassen, damit das Gericht die mögliche Unwirksamkeit einer AVE überprüft. Es müssen „ernsthafte“ Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 TVG gegeben sein (vgl. BAG 7. Januar 2015 – 10 AZB 109/14 – Rn. 19, Juris).

Die Beklagte benennt hier keine konkreten Anhaltspunkte, die an der Wirksamkeit der maßgeblichen AVE zweifeln ließen. Es fehlt jeglicher konkrete Tatsachenvortrag zur Nichterfüllung der erforderlichen Beschäftigtenzahl bei tarifgebundenen Arbeitgebern nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG. Es sind hinsichtlich der AVE für den streitgegenständlichen Zeitraum auch von Amts wegen keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der AVE veranlasst.

C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO.

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vor.

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